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Jacob Stokes: Tangled Threats. Integrating U.S. Strategies toward China and North Korea. Washington, D.C.: Center for a New American Security, Oktober 2021

  • Christopher Andrä-Hampf EMAIL logo
Veröffentlicht/Copyright: 18. März 2022

Reviewed Publication:

Stokes Jacob Tangled Threats. Integrating U.S. Strategies toward China and North Korea Washington, D.C. Center for a New American Security Oktober 2021


Tangled Threats untersucht mögliche außenpolitische Strategien für den Umgang mit Nordkorea vor dem Hintergrund des amerikanisch-chinesischen Großmachtwettbewerbs. Dem Autor geht es zunächst darum, die enge Verbindung zwischen Nordkorea und China darzulegen und die Notwendigkeit einer Strategie für die koreanische Halbinsel zu begründen, die beide Akteure mitdenkt. Nach dieser Exposition schlägt der Autor eine Reihe von Prinzipien vor, anhand derer eine wirkungsvolle U.S.-amerikanische Außenpolitik mit Blick auf Nordkorea umgesetzt werden sollte.

Stokes zufolge müsste eine auf Nordkorea gerichtete Außenpolitik deshalb eng mit einem außenpolitischen Ansatz gegenüber China koordiniert werden, weil Nordkorea mehrere wichtige Rollen für China einnimmt, welche die beiden Länder in mehreren Bereichen eng miteinander verweben. Zunächst generiere China einen Vorteil aus der aggressiven Haltung Nordkoreas, da dadurch ein erheblicher Teil der militärischen Kräfte und Planungskapazitäten der Vereinigten Staaten und ihrer Verbündeten gebunden würden. Des Weiteren bedeute das Nordkorea-Problem, dass China stets ein gesuchter Kooperationspartner sei, weil sich viele andere Akteure von Beijing einen Einfluss auf Pjöngjang erhofften. Aus diesen beiden Rollen Nordkoreas leitet der Autor ein Potenzial der Volksrepublik ab, anderen Akteuren im Austausch für Druck auf Nordkorea Zugeständnisse abringen zu können. Es sei aber hervorzuheben, dass Chinas Einfluss auf Nordkorea immer indirekt sei. Die Autonomie Pjöngjangs sei stark genug, um Beijing in Situationen mit hohem Eskalationspotenzial zu bringen.

Diese verschiedenen Rollen Nordkoreas ließen sich nur vor dem Hintergrund der dynamischen politischen Lage in Nordostasien verstehen. Trotz eines sino-nordkoreanischen Verhältnisses, das immer wieder von Misstrauen geprägt gewesen sei, habe unter Generalsekretär Xi Jinping eine Annäherung an den schwierigen Nachbarn stattgefunden. Dies äußere sich in einer impliziten Akzeptanz des nordkoreanischen Nuklearprogramms und einer nachlassenden Umsetzung der VN-Sanktionen gegen das Regime in Pjöngjang. Auch die Vorsicht Südkoreas dürfe nicht vernachlässigt werden. Seoul sei zwar von verschiedenen politischen Positionen Chinas irritiert, zöge aber dennoch eine abwägende Außenpolitik einer eindeutigen Positionierung im U.S.-China Großmachtwettstreit vor. Selbst Japan, das inzwischen in vielen außen- und sicherheitspolitischen Fragen auf der Linie Washingtons liege, behielte sich vor eigene Akzente in der Politik gegenüber Nordkorea und China zu setzen.

Laut Stokes habe sich die U.S. Administration unter Präsident Biden bereits auf ein kompetitives Verhältnis zu China eingestellt und eine erneute Politik der breiten Annäherung ausgeschlossen. Dies verhindere jedoch keine problemorientierte Kooperation in ausgewählten Politikfeldern. Auch gegenüber Nordkorea würden die USA in Zukunft auf eine Politik setzen, die zwar für diplomatische Initiativen offen bleibt, die jedoch grundsätzlich auf entschlossene Abschreckung setzt. Auf diesem Fundament müsse eine integrierte Strategie gegenüber China und Nordkorea aufgebaut werden. Es wären hier fünf verschiedene Ansätze denkbar, welche sowohl maximalen Druck als auch diplomatische Annäherung zu unterschiedlichen Teilen beinhalten würden. Diese Ansätze seien jedoch alle in ihrer Wirksamkeit begrenzt. Deswegen plädiert der Verfasser für eine Strategie des „kalibrierten Drucks“ und der „ergebnisorientieren Annäherung“.

Ausgangspunkt einer derartigen Strategie sei es, dass man nicht davon ausgehen könne, China und Nordkorea zu entzweien. Jede Politik müsse beide Akteure stets zusammen denken. Nordkorea müsse versichert werden, dass man keine präventiven Militärschläge durchführen werde. Andererseits müsse deutlich gemacht werden, dass die bestehende Militärallianz zwischen den USA und Südkorea nicht verhandelbar ist. Auch müssten Versuche Beijings zurückgewiesen werden, eine Verbindung zu anderen Politikbereichen herzustellen und eine quid pro quo Dynamik zu etablieren. Zur Untermauerung einer stabilen Abschreckung in der Region müsse enger mit U.S. Partnern zusammengearbeitet werden. Stokes empfiehlt eine gemeinsame U.S.-südkoreanische Anstrengung zum Aufbau umfassender Flugkörperabwehrfähigkeiten nach dem Beispiel des israelischen Iron Dome. Auch eine, aus den U.S., Südkorea und Japan bestehende, nukleare Planungsgruppe nach dem Vorbild der NATO könnte die regionale Stabilisierung der nuklearen Abschreckung unterstützen. Südkorea solle des Weiteren aktiv in die regionale amerikanische Außenpolitik einbezogen werden und an das Konzept des „freien und offenen Indopazifik“ gebunden werden.

Stokes geht überzeugend vor, wenn er die Begrenztheit traditioneller „Druck“ versus „Annäherung“ Debatten in der U.S.-amerikanischen Außenpolitik gegenüber Nordkorea und China herausarbeitet. Auch wenn diese Darstellung eine Simplifizierung der verschiedenen amerikanischen Haltungen gegenüber Nordkorea in den vergangenen vier Jahrzehnten ist, kommt deutlich zum Ausdruck, dass eine Strategie des Problem-Managements eventuellen groß angelegten Projekten der revolutionären Veränderung auf der koreanischen Halbinsel vorzuziehen ist. Viele der Vorschläge zum Umgang mit Nordkorea, China und amerikanischen Partnern in der Region sind eingängig. Stokes wartet jedoch bis zum Ende seines Reports, um das Thema des U.S.-China Großmachtwettstreits anzusprechen. Hier bleibt die Analyse oberflächlich und der Autor vermag es nicht den Lesern und Leserinnen überzeugend aufzuzeigen welchen Einfluss die amerikanisch-chinesische Rivalität auf die Einhegung der nordkoreanischen nuklearen Bedrohung hat. In vielerlei Hinsicht ist dies jedoch die zentrale Frage und aus den Analysen des Autors kann nicht eindeutig abgeleitet werden wie zu verhindern ist, dass China Nordkorea als Ablenkung nutzt, um amerikanische Aufmerksamkeit und Ressourcen zu binden.

https://www.cnas.org/publications/reports/tangled-threats

Published Online: 2022-03-18
Published in Print: 2022-03-28

© 2022 Christopher Andrä-Hampf, publiziert von Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 4.0 International Lizenz.

Artikel in diesem Heft

  1. Titelseiten
  2. Editorial
  3. Editorial
  4. Dokumentation
  5. Das zweifache Scheitern der internationalen Gemeinschaft in Afghanistan – Studienergebnisse des ISPK aus dem vergangenen Jahrzehnt
  6. Aufsätze
  7. Die US-Intervention in Afghanistan: Die Politik der Obama-Regierung
  8. Förderung des lokalen Regierens in Afghanistan: Was ging schief?
  9. Kurzanalysen und Berichte
  10. Eine kritische Bewertung der europäischen Strategie in Afghanistan ist überfällig
  11. Afghanistans ewiges Versprechen
  12. Russisch-belarussisches Manöver Sapad-2021: Teil der Kriegsvorbereitungen gegen die Ukraine
  13. Kommentare
  14. Die ewige Niederlage in Afghanistan
  15. Afghanistan: Unser Scheitern im Großen – Bilanz eines Mitauftraggebers
  16. Deutschlands Afghanistan-Amnesie
  17. Si vis pacem para bellum
  18. Ergebnisse strategischer Studien
  19. Lehren aus Afghanistan
  20. Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (SIGAR): What we need to learn. Lessons of twenty years of Afghanistan Reconstruction. Washington, D.C.: SIGAR, August 2021
  21. Anthony H. Cordesman: Learning the Right Lessons from the Afghan War. Washington, D.C.: CSIS, September 2021
  22. Sicherheitslage Westpazifik
  23. Gregory B. Poling/Tabitha Grace Mallory/Harrison Prétat: Pulling Back the Curtain on China’s Maritime Militia. Report. Washington, DC: Center for Strategic and International Studies (CSIS), November 2021
  24. Chris Dougherty/Jennie Matuschak/Ripley Hunter: The Poison Frog Strategy. Preventing a Chinese Fait Accompli Against Taiwanese Islands. Washington, DC: Center for a New American Security, 2021
  25. Jacob Stokes: Tangled Threats. Integrating U.S. Strategies toward China and North Korea. Washington, D.C.: Center for a New American Security, Oktober 2021
  26. Sicherheitslage Schwarzes Meer und Ostseeraum
  27. Gustav Gressel: Waves of Ambition: Russia’s Military Build-Up in Crimea and the Black Sea. Berlin: European Council on Foreign Relations (ECFR), Policy Brief, September 2021
  28. Ben Hodges/Edward Lucas, mit Carsten Schmiedl: Close to the Wind. Baltic Sea Regional Security. Washington, D.C.: Center for European Policy Analysis (CEPA), September 2021
  29. Keir Giles: What deters Russia? Enduring principles for responding to Moscow. London: Royal Institute of International Affairs, Chatham House, September 2021
  30. Anika Binnendijk/Marta Kepe: Civilian-Based Resistance in the Baltic States. Historical Precedents and Current Capabilities, Santa Monica, Calif.: The RAND Corporation, 2021
  31. Uwe Halbach: Russlands Einflussmacht im Kaukasus. Konkurrenz und Kooperation mit Regionalmächten und globalen Akteuren. Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP-Studie 2021/S 10), Juli 2021
  32. Naher Osten
  33. Jim Townsend/Andrea Kendall-Taylor/David Shullman/Gibbs McKinley: A Limited Partnership Russia-China Relations in the Mediterranean. Washington, D.C.: Center for a New American Century (CNAS), September 2021
  34. Nicole Grajewski: The Evolution of Russian and Iranian Cooperation in Syria, Washington, DC: Center for Strategic and International Studies (CSIS), November 2021
  35. Buchbesprechungen
  36. David W. Kearn, Jr.: Reassessing U.S. Nuclear Strategy. Amherst, NY: Cambria Press, 2019, 268 Seiten
  37. Ofer Fridman (Hrsg): Strategiya – The Foundations of the Russian Art of Strategy. Oxford und New York: Oxford University Press, 2021, 336 Seiten
  38. Steven Wills: Strategy Shelved. The Collapse of Cold War Naval Strategic Planning. Annapolis: US Naval Institute Press, 2021, 292 Seiten
  39. Wladimir M. Grinin: Russlands Botschafter. Meine Jahre in Berlin (übersetzt von Hartmut Hübner). Berlin: Eulenspiegel Verlagsgruppe 2020, 223 Seiten
  40. Bücher von gestern – heute gelesen
  41. Hanns W. Maull: Strategische Rohstoffe. Risiken für die wirtschaftliche Sicherheit des Westens. München: R. Oldenbourg Verlag 1987 (Schriften des Forschungsinstituts der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik e.V., Bonn, Reihe: Internationale Politik und Wirtschaft, Band 53), 301 Seiten.
  42. Bildnachweise
  43. Bildnachweise
Heruntergeladen am 18.9.2025 von https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/sirius-2022-1016/html
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