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Chris Dougherty/Jennie Matuschak/Ripley Hunter: The Poison Frog Strategy. Preventing a Chinese Fait Accompli Against Taiwanese Islands. Washington, DC: Center for a New American Security, 2021

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Published/Copyright: March 18, 2022

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Chris Dougherty Jennie Matuschak Ripley Hunter The Poison Frog Strategy. Preventing a Chinese Fait Accompli Against Taiwanese Islands Washington, DC Center for a New American Security 2021


Der Beitrag von Dougherty et al. vom CNAS präsentiert die Ergebnisse eines Wargaming Seminars, welches der Think Tank vor kurzem virtuell durchgeführt hat. Das Wargaming hatte die Untersuchung chinesischer Optionen in einem begrenzten Krieg gegen Taiwan zum Gegenstand und nahm es sich zum Ziel Gegenreaktionen zu identifizieren, mit denen ein derartiger Konflikt abgeschreckt werden kann.

Das Ausgangsszenario des Wargames sah eine koordinierte chinesische Operation gegen die taiwanesische Inselgruppe Pratas/Dongsha vor. Die zwei Inseln liegen zwischen Taiwan und Hongkong und sind durch leichte taiwanesische Kräfte verteidigt. Unter dem Vorwand militärischer Übungen gelang es der chinesischen Volksbefreiungsarmee die taiwanesischen Einheiten zu überraschen, festzusetzen und anschließend als Gefangene ins Festland zu verbringen. Im Anschluss begann China die Inseln mit eigenen paramilitärischen Kräften zu sichern und zu einem funktionalen Militärstützpunkt umzubauen. Im Anschluss sah das Wargame drei Handlungsschritte auf Seiten der beteiligten Akteure (China, Taiwan, USA, andere regionale Mächte) vor. Alle Akteure wurden durch Experten und Fachleute der Region dargestellt, um mögliche Handlungen durch regionalspezifisches Wissen zu untermauern.

In der ersten Phase des Konfliktes sahen sich die Teams Taiwans und der USA mit einem chinesischen fait accompli konfrontiert. Eine besondere Schwierigkeit für diese Teams bestand den Autoren zufolge in der Einschätzung des Eskalationspotenzials weiterer Schritte. Im Prinzip sei beiden Akteuren daran gelegen, einen bewaffneten Konflikt mit China zu vermeiden. Gleichzeitig wolle man aber eine Aggression Chinas nicht unbeantwortet lassen. Die Suche nach einer angemessenen Antwort auf Chinas Verhalten sei im ersten Schritt des Szenarios durch einen Mangel an Koordination und Kommunikation zwischen dem taiwanesischen und dem amerikanischen Team weiter behindert worden. In der zweiten Phase des Szenarios hätten sich die USA und Taiwan besser auf ein gemeinsames Vorgehen einigen und eine diplomatische Ächtung der Volksrepublik vorantreiben können. Dies geschah unter Rückgriff auf die Unterstützung Japans und extra-regionaler Organisationen wie der NATO. In der letzten Phase des Konfliktszenarios seien US-Taiwanesische Operationen stagniert und nicht über eine diplomatische Bloßstellung chinesischer Aggressionen hinausgekommen.

Trotz des simplen Aufbaus und der eingeschränkten Detailtiefe des Szenarios ziehen die Autoren einige wichtige Schlüsse. Eine Neigung des U.S.-amerikanischen Teams, militärische Optionen in den Vordergrund zu stellen, hätte langfristig zu einer divergierenden Wahrnehmung des Eskalationsraumes zwischen den USA und China geführt. Insbesondere eine frühzeitige Verlegung amerikanischer Kräfte nach Taiwan sei vom U.S. Team als Erweiterung des eigenen Handlungspielraums wahrgenommen worden, vom China Team jedoch als Beschränkung der amerikanischen Handlungsfreiheit interpretiert worden. Auch hätten eine unzureichende Vorbereitung und Kommunikation möglicher Reaktionen auf chinesische Aggression sowohl eine Abschreckungsstrategie unterminiert, als auch den Einsatz von Zwangsmitteln gegen die Volksrepublik nach erfolgter Einnahme der Inseln stark verzögert. Darüber hinaus bestätigte das Wargame den Autoren zufolge zwei häufig geäußerte Annahmen. Zum einen sei von regionalen multilateralen Organisationen und Institutionen wie ASEAN keine robuste Antwort auf chinesische militärische Aggression zu erwarten. Zum anderen sei Japan eine besondere Rolle in der Koordination, Vermittlung und Legitimation militärischer und nicht-militärischer Reaktionen zugekommen. Über Japan versprechen sich die Autoren der Studie auch eine Einbindung der Quad Mitglieder (USA, Japan, Australien, Indien) in eine präventive Strategie. Es ist daher die koordinierte Vorbereitung auf mögliche Szenarien begrenzter Aggression, die Taiwan und seine umliegenden Inseln zu dem titelgebenden „giftigen Frosch“ werden lassen, den zu ergreifen mit hohen Schmerzen verbunden wäre.

Die Autoren stellen direkt zu Anfang klar, dass es ihnen nicht um die Erstellung prädiktiver Szenarien gegangen sei, sondern um die Identifizierung von Entscheidungsdynamiken auf Seiten Chinas, der USA, Taiwans und anderer regionaler Akteure. Die Autoren weisen ebenfalls früh darauf hin, dass die Abwehr begrenzter Aggression gegen Taiwan durch die Volksrepublik ein schwieriges Unterfangen sei und man auf die Kooperation anderer regionaler Mächte angewiesen sei. Die Studie reiht sich ein in eine Serie von Untersuchungen und Meinungsbeiträgen der letzten zwei bis drei Jahre, in denen wiederholt verschiedene militärstrategische und operative Fragen zur Situation in der Taiwanstraße erörtert wurden. Die Notwendigkeit Eskalationsszenarien zwischen China, Taiwan und den USA genauer zu untersuchen hat seit dem Amtsantritt von Generalsekretär Xi Jinping drastisch zugenommen. Hier füllt diese Untersuchung eine immer noch existente Lücke zur Frage nach Abwehrstrategien und Antworten auf begrenzte Aggressionen Chinas, welche die regionale Sicherheitsordnung beschädigen und unterminieren könnten, ohne direkt in einen Großmachtkonflikt zwischen den USA und China zu münden.

https://www.cnas.org/publications/reports/the-poison-frog-strategy

Published Online: 2022-03-18
Published in Print: 2022-03-28

© 2022 Christopher Andrä-Hampf, publiziert von Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 4.0 International Lizenz.

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