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Nicole Grajewski: The Evolution of Russian and Iranian Cooperation in Syria, Washington, DC: Center for Strategic and International Studies (CSIS), November 2021

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Published/Copyright: March 18, 2022

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Grajewski Nicole The Evolution of Russian and Iranian Cooperation in Syria, Washington, DC: Center for Strategic and International Studies (CSIS), November 2021


Das sechsseitige Papier von Nicole Grajeweski, das im November 2021 beim Center for Strategic and International Studies erschien, gibt einen Überblick zur russisch-iranischen Zusammenarbeit in Syrien. Um es vorwegzunehmen: Für Analysten, die mit dem Konflikt und dem russischen und iranischen Engagement im Land vertraut sind, bietet das Papier kaum Neues. Die grundlegenden Züge der geopolitischen Schlachtfeldkooperation zwischen Moskau, Teheran und Damaskus sind durch Presseartikel und diverse Studien weithin bekannt. Dafür enthält das Papier aber einige Details, insbesondere zu militärtaktischen Aspekten, die hingegen weniger bekannt sein dürften und das Verständnis der Qualität und der Spannungsfelder in der Kooperation zwischen Russland und Iran fördern. So erfährt man etwas über die geheimen Treffen zwischen Präsident Putin, dem russischen Verteidigungsminister Schoigu und iranischen Spitzenvertretern im Vorfeld der russischen Militärintervention Anfang 2015 in Moskau. Das Ergebnis sei eine geheime Vereinbarung zur Nutzung des Khmeimim Flugfeldes in Nordsyrien durch russische Luftstreitkräfte gewesen. Weiterhin sei ein Baghdad Information Center (S. 2) eingerichtet worden, in dem Russland, Iran, der Irak und Syrien Geheimdienstinformationen ausgetauscht hätten. Hauptziel zum damaligen Zeitpunkt war der sogenannte Islamische Staat, der sich im syrisch-irakischen Grenzgebiet ausgebreitet hatte und das Überleben des syrischen Regimes bedrohte. Interessanter als die politische Vorgeschichte sind indes die Ausführungen zur konkreten militärischen Arbeitsteilung zwischen russischen und iranischen Kräften am Boden und in der Luft. Hierzu schreibt die Autorin: „The Russian and Iranian campaign in support of the Syrian government developed an ‘integrated grouping’ of irregular armed formations under the command of the Russian Armed Forces“ (S. 2). Russland kam zu jener Zeit eine Schlüsselrolle bei der Unterstützung und Koordinierung der stark geschwächten syrischen Armee zu. Die russischen Kräfte hätten zudem in engem Austausch mit den syrischen Geheimdiensten, dem bewaffneten Arm der iranischen Revolutionsgarden, der Hisbollah und al-Quds-Einheiten gestanden, die allesamt vom russischen Luftwaffenposten Khmeimim aus koordiniert worden wären. Auf Seiten des Iran fungierte Qasem Soleimani, der Chef der Quds-Sondereinheiten der Revolutionsgarden, als Hauptkontakt für die Koordinierung der Militäreinsätze mit den Russen. (Er wurde im Januar 2020 durch einen amerikanischen Drohnenangriff liquidiert.) Moskaus vorrangiges militärisches Ziel hätte in der Wiederherstellung und Verbesserung der Kampfkraft der syrischen Armee und damit in der Gewährleistung des Überlebens des Assad-Regimes bestanden. Dazu sei die syrische Armee trainiert und mit modernem Militärgerät ausgerüstet worden, wozu unter anderem Kampfpanzer des Typs T-90, Truppentransporter und Drohnen gehörten. Auf der internationalen Bühne hätte die Militärintervention in Syrien Russlands Status als Großmacht festigen und Moskau im Nahen Osten als indispensable power broker (S. 4) etablieren sollen. Die iranischen Ziele hätten sich in der Hauptsache auf die unmittelbare Region beschränkt. So hätte Teheran seinen Einfluss durch pro-iranische Milizen in Syrien und zum Libanon hin ausgebaut. Die Autorin bezeichnet dieses strategische „Eingraben“ als entrenching its influence (S. 3), das – wenig verwunderlich – von Israel als sicherheitspolitische Bedrohung gesehen wurde und wird, auf die es zu Reagieren gelte. Auf massiven Druck der Israelis hin hätte Moskau versucht, die pro-iranischen Kräfte mindestens 83 Kilometer von der israelischen Grenze fernzuhalten und eigene Militärpolizei-Einheiten im Golan-Gebiet stationiert. Trotz dieser Vermittlungen und trotz Bemühungen von Seiten Moskaus gegenüber Teheran ist der Erfolg dieser Maßnahmen bis heute – vor allem aus israelischer Sicht – nicht zufriedenstellend. Viel mehr zeige sich hier, dass die Möglichkeiten Russlands, auf den Iran und seine Stellvertreter effektiv Einfluss ausüben zu können, begrenzt seien. Die Einschätzung der Autorin ist hier eindeutig: „Despite Israeli and U.S. pressure on Russia to manage Iran in Syria, it is unlikely Russia will be able to control Iran‘s military posture in Syria or halt supplies to Hezbollah and other pro-Iranian groups in the region“ (S. 5). Damit wird das bisherige Bild bestätigt, wonach Moskau keineswegs der Herr und Meister in der russisch-iranischen Militärkooperation sei, sondern indes jede Seite versuche, das Beste aus der temporären Verbindung herauszuholen und zugleich mit zahlreichen Schwierigkeiten umgehen müsse. Trotz etwaiger Konflikte, nicht immer effektiver Absprachen und gelegentlichen kommunikativen Scharmützeln vor den Augen der Weltpresse sei ein baldiges Auseinanderbrechen der russisch-iranisch-syrischen Entente nicht sichtbar. Im Gegenteil: nach den Auseinandersetzungen auf dem Schlachtfeld komme die Zeit des Wiederaufbaus. Hierbei könnten die gemachten Erfahrungen beiden Seiten helfen, sich die größten Stücke aus dem syrischen „Kuchen“ herauszuschneiden und sich für die Zukunft gut aufzustellen. Die bereits getätigten lukrativen Verträge im syrischen Energie-, Landwirtschafts- und Immobiliensektor durch Moskau und Teheran sprechen eine eindeutige Sprache. Und auch zur Umgehung der westlichen Sanktionen, die seit Jahren auf Iran, Syrien und Russland lasteten, könnte die fortgesetzte Zusammenarbeit nützlich sein. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass die Zukunft Syriens und in Teilen der Region auch künftig von der Zusammenarbeit zwischen Moskau und Teheran, die sich bereits auf weitere Bereiche ausgedehnt hat, maßgeblich (mit)bestimmt wird.

https://csis-website-prod.s3.amazonaws.com/s3fs-public/publication/211117_Grajewski_Russian_Iranian_Cooperation.pdf

Published Online: 2022-03-18
Published in Print: 2022-03-28

© 2022 Jakob Kullik, publiziert von Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 4.0 International Lizenz.

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