Reviewed Publication:
Gregory B. Poling Tabitha Grace Mallory Harrison Prétat: Pulling Back the Curtain on China’s Maritime Militia Report. Washington, DC Center for Strategic and International Studies (CSIS) November 2021
Nachdem sich Andrew Erickson und Ryan Martison als Herausgeber des Buches China’s Maritime Gray Zone Operations 2019 auch eingehend mit der Organisation und Handlungsweise der chinesischen Maritimen Miliz beschäftigt hatten, will diese Studie des CSIS die Zusammensetzung, den Einsatz, aber auch Besitzverhältnisse der Boote und Zugehörigkeit der Besatzungen vertieft analysieren, um den bisherigen Schleier des Geheimnisvollen zu lüften. Die Gesamtstudie wurde von den Autoren daher in fünf Teilabschnitte unterteilt, die sich mit der Geschichte der Miliz, der modernen heutigen Miliz, der staatlichen Unterstützung und Finanzierung, den Besitzern an Land und den Möglichkeiten zur Identifizierung der Boote als solche der Maritimen Miliz befassen.
Die Geschichte der modernen Maritimen Miliz Chinas beginnt mit der Vertreibung vietnamesischer Bewohner auf den Paracel Inseln 1974. Die Situation verschärfte sich über mehrere aggressive Operationen gegen Schiffe der U.S. Navy zu Beginn der 2000er Jahre und gipfelte in der Besetzung der Scarborough Shoal 2012 und der Entsendung einer chinesischen Ölbohrplattform in vietnamesische Gewässer 2014. Mit der Fertigstellung der künstlichen Inseln im Südchinesischen Meer durch China 2016 erhöhte sich die ständige Präsenz der Boote der Maritimen Miliz und gipfelte in der Anwesenheit von etwa 200 Booten vor dem unbewohnten Whitsun Riff im Frühjahr 2021.
Es folgt eine Betrachtung der modernen Maritimen Miliz, die von 10 Stützpunkten in der Hainan und Guandong Provinz aus operieren. Die Kräfte der Maritimen Miliz operieren von professionellen aus Stahl gebauten Schiffen und von Bord chinesischer Fischereiflotten mit ihren Holzbooten. Bei ihrem Einsatz werden bestehendes Völkerrecht einschließlich der Beachtung ausschließlicher Wirtschaftszonen (EEZ) ebenso missachtet wie maritime Navigationsregeln. Durch ihre schiere Zahl sollen andere Staaten und deren Schiffe abgeschreckt werden, um längerfristig Gewohnheitsrecht im chinesischen Sinne durchzusetzen.
Die Autoren zeigen anschließend auf, wie die Maritimen Milizen staatlich finanziert und ihre Besatzungen entlohnt werden, wenn diese nicht für den Fischfang eingesetzt werden. Dies gelte auch für den Bau der Boote, ihre technische Ausstattung und ihre Betriebskosten.
Interessant sind die Ausführungen zur Frage der Eigner. Etwa 90 Prozent der Boote gehören Firmen/Personen aus nur wenigen Provinzen. Von 96 analysierten Booten haben 64 einen namentlich bekannten Besitzer, die keinen direkten Bezug zu chinesischen Regierungsorganisationen haben.
Im Abschlusskapitel stellen die Autoren ihre entwickelte und genutzte Methodik zur Identifizierung der Boote vor, die der Maritimen Miliz zugeordnet werden können. Hierzu haben sie Primär- und Unterstützungsindikatoren entwickelt. Als erstes Kriterium haben sie die Zugehörigkeit zur Miliz an Hand öffentlich zugänglicher chinesischer Quellen genutzt. Mit Blick auf das Südchinesische Meer wählten sie als zweiten Indikator den Aufenthalt von Booten außerhalb der bekannten Fischgründe wie etwa am Whitsun Riff und der Thitu Insel und die Anzahl der dislozierten Boote. Bei den unterstützenden Indikatoren wählten die Autoren eine bekannte Verbindung des Bootes zu militärischen Schiffen, Personen oder Gesellschaften. Daneben untersuchten sie, ob die Einkünfte der Besatzungen höher als die übliche Entlohnung für Fischer ist oder auch, ob die eingesetzten Boote in Größe und Ausrüstung von typischen Fischereibooten abweichen. In zwei Anhängen werden Namen und Seitennummern identifizierter Boote und wahrscheinlich der Maritimen Miliz zugehöriger Boote aufgelistet.
Mit dieser Studie zeigen die Autoren auf, dass man unter Nutzung vielfältiger offener Quellen recht treffende Aussagen über die Zugehörigkeit zur Maritimen Miliz machen kann. Damit lüften sie den Schleier über deren Einsätze, Zugehörigkeit und vor allem Steuerung durch das Militär und der kommunistischen Regierung Chinas. Die Studie wird daher zur Lektüre für alle empfohlen, die sich mit der Grauzone von militärisch/zivilen Einsätzen regional wie international im maritimen Bereich beschäftigen.
https://www.csis.org/analysis/pulling-back-curtain-chinas-maritime-militia
© 2022 Heinz-Dieter Jopp, publiziert von Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston
Dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 4.0 International Lizenz.
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- Bildnachweise
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