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„Die Steine zum Sprechen bringen“

Zum Umgang mit den materiellen Überresten von Faschismus und Nationalsozialismus seit 1945 – ein italienisch-deutscher Vergleich
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Veröffentlicht/Copyright: 22. November 2024
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Abstract

This article aims to historicise the stages in which Italy and Germany attempted to come to terms with a material heritage strongly contaminated by their respective dictatorial pasts. The analysis of three chronologically consecutive phases reveals that German approaches were very similar to corresponding developments in Italy in terms of both chronological and qualitative changes. A close look at the municipal level also shows how difficult it continued to be for political leaders in both countries to arrive at a widely shared consensus about the right way to commemorate the crimes of their respective dictatorships. Today, both countries are faced with the task of defining new ways of dealing critically with the remnants of a tainted past in a rapidly changing political environment.

Ausgangsbeobachtung*

Das kleine Städtchen Cabras im Westen Sardiniens ist seit der Entdeckung der Giganten von Mont’e Prama für Touristen aus aller Welt zu einem bedeutenden Anziehungspunkt geworden. Im Jahr 1997 öffnete dort das neu errichtete Archäologische Stadtmuseum seine Tore und macht seither die überlebensgroßen Figuren aus der Zeit von der Ur- und Frühgeschichte Sardiniens sowie weitere regionale historische Zeugnisse bis in das Mittelalter der Öffentlichkeit zugänglich.[1] Im Zentrum der Stadt erinnerte indes noch im Jahr 2019 eine Inschrift auf einem Privathaus an ganz andere „Giganten“. Zwar gab die Hauswand – wie das nachfolgende Bild zeigt – nur die Bruchstücke eines Sinnspruchs zu erkennen, doch der vollständige Satz ließ sich leicht ermitteln.

Abb. 1: Eine Momentaufnahme in Cabras (Sardinien) am 22. Juli 2019.
Abb. 1:

Eine Momentaufnahme in Cabras (Sardinien) am 22. Juli 2019.

Er lautet: „I popoli forti hanno amici vicini e lontani in tempo di pace, in caso di guerra sono temuti“. Öffentlich hat der Duce die Parole erstmals am 24. August 1933 auf der Piazza Vittorio Emanuele in Cuneo verkündet.[2] Der gleiche Sinnspruch findet sich noch heute öffentlich gut zu erkennen in mindestens fünf weiteren italienischen Städten und Gemeinden – und dies in einer weit besseren Lesart als in Cabras.[3] Ergänzt man den Befund um ähnliche, vielerorts in Stein gemeißelte oder an die Wände gepinselte Sinnsprüche aus der Zeit des Ventennio, dann ergibt sich ein durchaus ansehnliches Arsenal, das angesichts aktueller politischer Trends auf zahlreiche Beobachterinnen und Beobachter einigermaßen problematisch wirkt. Immerhin waren die Wandinschriften ein wichtiges Propagandainstrument des faschistischen Regimes, mit dem es auch jene Bevölkerungsschichten erreichen konnte, die über keinen Zugang zur Presse verfügten.[4] Die Debatten dazu, wie heute mit den muralen Überresten und anderen materiellen Hinterlassenschaften des Faschismus verfahren werden soll, ziehen sich durch das ganze Land, und sie geben regelmäßig Anlass zu Kontroversen, die weit über die lokalen Milieus hinausreichen.

Problemstellung und Forschungslage

Unter dem Eindruck der auf den öffentlichen Plätzen und Straßen und auch in den ehemaligen Kolonien Italiens bis heute sichtbaren Botschaften des Ventennio, noch mehr aber angesichts der Präsenz unzähliger baulicher Zeugnisse und Denkmäler aus den Herrschaftsjahren Mussolinis, warf die amerikanische Historikerin Ruth Ben-Ghiat im Jahr 2017 im „New Yorker“ die Frage auf: „Why Are so Many Fascist Monuments Still Standing in Italy?“[5] Mit ihrer Kritik an der Teilnahmslosigkeit gegenüber dem steinernen Erbe, zuweilen sogar der Bewunderung von Teilen der italienischen Öffentlichkeit dafür, löste sie eine veritable politisch-historische Debatte aus, die nicht frei von Sarkasmen blieb. Jedenfalls gab der international renommierte Faschismushistoriker Emilio Gentile schon im Titel seiner Antwort auf Ben-Ghiat zu erkennen, dass ihm die Argumente seiner amerikanischen Kollegin überhaupt nicht behagten. „Demoliamo i monumenti fascisti per creare lavoro: se ascoltiamo il New Yorker.“[6] Gleichwohl fehlte es nicht an Stimmen, die Ben-Ghiat in der einen oder anderen Weise zustimmten. So spricht Hannah Malone in einem 2017 publizierten Überblick zum Umgang mit Denkmälern der faschistischen Diktatur von einem „basic urge to forget“, denen jüngst mit den Ausführungen Carmen Belmontes zum „difficult heritage“ der faschistischen Architektur und dem Einwand von Flaminia Bartolini gegen Versuche zur „Normalisierung des Faschismus“ weitere Stellungnahmen gefolgt sind.[7] Die Debatte ist an diesem Punkt keineswegs stehen geblieben, sondern vor dem Hintergrund neuer, in der Öffentlichkeit zuweilen heftig ausgetragener Auseinandersetzungen um die materiellen Überreste des Faschismus und des Kolonialismus machten sich in den letzten Jahren zahlreiche Publikationen daran, das Forschungsfeld neu zu vermessen.[8] Darüber hinaus schaltete das Istituto Parri in Mailand eine digitale Karte „faschistischer Orte“ frei, die gewiss noch ausbaufähig ist, schon aber jetzt bekannte und weniger bekannte Erinnerungsorte des Ventennio dokumentiert, jeweils versehen mit kurzen historischen Erläuterungen.[9] Dass außerdem schon 2020 ein interdisziplinär angelegter „Routledge Companion“ unter dem Titel „Italian Fascist Architecture. Reception and Legacy“ erschienen ist, deutet an, wie sehr die Diskussionen inzwischen internationale Kreise ziehen.[10] Dabei ist die Debatte zu den Nachwirkungen von Architektur und Baupolitik der diktatorischen Regime bereits des Längeren im Gang, sowohl in Italien als auch in Deutschland.[11] Es sticht freilich ins Auge, dass in beiden Ländern inzwischen weitaus kontroverser als noch vor 20 Jahren öffentlich darüber gestritten wird, wie mit den baulichen Überresten, aber auch den Denkmälern und Straßennamen aus den Jahren der Diktatur verfahren werden soll.

Das Ziel der nachfolgenden Betrachtungen besteht jedoch nicht darin, die aktuellen Auseinandersetzungen detailliert nachzuzeichnen, sondern es geht vielmehr um die Historisierung des Umgangs mit dem politisch kontaminierten steinernen Erbe, einer „malattia infettante, che contamina la scena fisica della democrazia“, wie der Gründer der „Associazione per l’Architettura Organica“, Bruno Zevi, in einer Notiz Mitte 1945 festhielt.[12] Ausgehend von dieser Notiz Zevis, der nach dem Zweiten Weltkrieg zu einem der führenden Architekturkritiker seines Landes aufsteigen sollte, richten sich die Fragen darauf, wie der vordergründig auffällige Kontrast im Umgang nicht nur mit den materiellen Überresten, sondern generell bei der ‚Nachnutzung‘ ehemaliger Herrschafts- und Inszenierungsorte des Faschismus in Italien und denen des ‚Dritten Reiches‘ seit 1945 zu erklären ist. Welche Entwicklungsstufen und welche qualitativen Veränderungen oder auch Spannungen lassen sich dabei beobachten? Und was sagen uns diese über den Wandel der Erinnerungskulturen in den beiden Ländern?[13] Im Blick darauf wäre es leichtfertig, die angedeutete Asymmetrie bereits für das Ergebnis der Betrachtung zu halten. Denn die Analyse von drei chronologisch aufeinander aufbauenden Entwicklungsstufen – so die noch näher zu begründende These – rückt den Umgang in Deutschland mit den materiellen Überresten des Nationalsozialismus sowohl in zeitlicher als auch qualitativer Hinsicht weit näher an entsprechende Entwicklungen in Italien heran, als dies häufig postuliert wird.

1 Zum Umgang mit dem baulichen Erbe von Faschismus und Nationalsozialismus in den Jahren des Wiederaufbaus

Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg wies die Ausgangslage in beiden Ländern markante Unterschiede auf. Zwar hatte der Luftkrieg auch in Italien Zehntausende zivile Opfer gefordert (die Rede ist heute von schätzungsweise bis zu 80 000 Toten) und in einigen Städten und Landstrichen erhebliche Zerstörungen hervorgerufen, doch im Vergleich dazu erreichten die Zahlen der im Bombenkrieg getöteten Zivilisten ebenso wie der Grad der materiellen Verwüstungen im Deutschen Reich eine völlig andere Größenordnung. Kaum eine Großstadt blieb hier von massiven Zerstörungen verschont, und auch zahlreiche Mittelstädte waren im Bombenkrieg stark verwüstet worden.[14] Dies hatte zur Folge, dass nicht nur viele bekannte Herrschaftsorte des NS-Regimes, darunter zuvorderst die Reichskanzlei Hitlers und ein Großteil der politischen Schaltzentralen in Berlin, sondern auch die Gebäude der regionalen Gauverwaltungen und kommunale Einrichtungen der nationalsozialistischen Partei („Braune Häuser“) ebenso wie zahlreiche Stätten der staatlichen Gewalt (Gefängnisse, Polizei- und Gestapo-Dienststellen, Konzentrations- und Arbeitslager) bei Kriegsende in Schutt und Asche lagen.[15] Im Gegensatz dazu überstanden in Italien ein Großteil der Herrschafts- und Inszenierungsstätten des Faschismus sowie der Orte staatlichen Terrors die Kriegshandlungen weitgehend unbeschadet. Dass das Erbe des faschistischen Bauprogramms wie auch das der Denkmalsetzungen des Regimes in Italien nach 1945 weitaus größer als das des NS-Regimes ausfiel, lässt sich neben den Folgen des Bombenkrieges auf weitere Ursachenbündel zurückführen. Zum einen hatten sich die Planungen für die „neue Stadt“ in Italien weit mehr als im Deutschen Reich mit einer flächendeckenden, gleichsam nachholenden Modernisierung verknüpft, was im ganzen Land und ebenso in den italienischen Kolonien zur Errichtung Tausender Funktionsgebäude führte.[16] Gemeint sind damit zuvorderst staatliche Verwaltungsgebäude sowie Bahnhöfe, Postämter, Gerichtshöfe, Hospitäler, Schulen und Universitäten oder Fußball- und andere Sportarenen. Außerdem dürfen die Tausenden Parteihäuser (Case del Fascio), die als „Tempel der faschistischen Liturgie“ wie ein kapillares Netz das gesamte Land umspannt hatten, sowie die ebenfalls in fast jeder Stadt und Gemeinde vorfindlichen Case del Balilla und die Häuser der Gioventù Italiana del Littorio nicht stillschweigend übergangen werden.[17] Des Weiteren zeigte sich 1945 überdeutlich, dass die Vordenker des Faschismus den Städtebau und die Architektur von Beginn ihrer Machtübernahme an konsequent als Instrument der Etablierung und Sicherung der neuen Herrschaftsordnung begriffen hatten. „Bauen für die Ewigkeit“, lautete die Hauptparole des Bauprogramms von Mussolini, ohne dass der Duce sich auf einen eindeutigen architektonischen Stil festlegte. Schon im April 1924 verkündete er, das neue, monumentale Rom werde „il retaggio dell’età fascistà“[18] sein, und mit Giuseppe Bottai sprach einer der Ideologen des Faschismus 1932 davon, dass die Übertragung von Ideen in bauliche Materialität letztlich die Originalität des Faschismus ausmache.[19] Im Hinblick darauf haben zuletzt neuere Arbeiten zur Chronopolitik darauf aufmerksam gemacht, wie eng die faschistische Idee für eine Neuordnung der Zeit mit einem Programm zur Umgestaltung des Raumes verwoben war. Für das Regime Mussolinis gab die Architektur schon allein deswegen ein bevorzugtes Handlungsfeld ab, weil die „faschistische Ära“ nur in einem völlig erneuerten Raum Wirklichkeit werden konnte.[20]

Gewiss, auch Hitler hat sich als oberster Baumeister seines Landes verstanden und wollte als „Zauberlehrling Mussolinis“ (Wolfgang Schieder) ebenfalls für die Ewigkeit bauen, aber von seinen Plänen zum Auf- und Umbau der fünf „Führerstädte“ blieb bis zum Untergang des NS-Regimes vieles nur auf dem Papier. Bisweilen erwies es sich für die verantwortlichen Architekten als wichtiger, die Phantasie der Menschen mit Bildern monumentaler Pläne anzuregen statt die angekündigten Bauvorhaben zu verwirklichen.[21] Angesichts dieser Bilanz mutet es wie eine Ironie der Geschichte an, dass eine Reihe namhafter Architekten, die im ‚Dritten Reich‘ eine führende Rolle gespielt hatten, den Wiederaufbau in Westdeutschland auf der Basis ihrer vor 1945 erstellten Planskizzen umsetzten – dabei begünstigt von der Tabula rasa, die der Bombenkrieg vor allem in innerstädtischen Bezirken hinterlassen hatte.[22] „Dem allergrößten Teil der baulichen Zerstörung weinen wir keine Träne nach“, meinte dazu Konstanty Gutschow, Mitglied von Albert Speers „Arbeitsstab Wiederaufbauplanung“ schon im März 1944.[23] Im Hinblick auf die personellen und planerischen Kontinuitäten stellt sich die Lage in Italien durchaus ähnlich dar, ja, hier wogen diese Faktoren noch deutlich schwerer. Dass mit Marcello Piacentini der ehemals führende „architetto del regime“ nach 1945 seine Karriere relativ ungebrochen fortsetzen konnte und er ab 1951 zum leitenden Architekten für die Vollendung des Quartiere EUR in Rom berufen wurde, wirft nur ein besonders grelles Licht auf einen Sachverhalt, der weit über seine Person hinausreicht.[24] Entscheidend war jedoch, dass nach 1945 der Um- und Ausbau der Städte, wie dies Barbara Bracco zuletzt für Mailand zeigen konnte, auf der Grundlage der Bebauungspläne aus den Jahren des Faschismus fortgeführt wurden.[25] Mailand stellt in dieser Hinsicht bei Weitem keinen Einzelfall dar, denn überall, in den großen wie in den kleinen Städten Italiens, sahen sich die neuen Amtsträger nach der ‚doppelten Befreiung‘ der Jahre 1943/1945 nicht nur mit der Frage konfrontiert, wie mit den vorliegenden Bauordnungen und Planskizzen zu verfahren sei, sondern darüber hinaus, was mit den materiellen Überresten des untergegangenen Regimes geschehen solle.

Obwohl bereits nach dem Sturz Mussolinis im Sommer 1943 hierzu erste Anweisungen ergangen waren, begleitet von gewalttätigen Übergriffen auf Einrichtungen der faschistischen Partei oder auf Denkmäler des Faschismus in zahlreichen Städten, blieben die meisten Repräsentations- und Funktionsbauten aus der Zeit des Ventennio hiervon ausgespart.[26] Das Geschehen wiederholte sich im Frühjahr 1945, doch erneut erwiesen sich angesichts der akuten Unterversorgung mit Verwaltungs- und Wohngebäuden die drängenden Bedürfnisse der Gegenwart als ausschlaggebend.[27] Nachdem Bruno Zevi die Leitung des Ufficio urbanistico in der Regierung Parri übernommen hatte, musste auch er sich eingestehen, dass der „Antifaschismus“ sich schlichtweg keine Akte der Zerstörung leisten könne, selbst nicht die „negativer Überreste“.[28] Um nach der Befreiung des Landes vom Faschismus die umstrittenen Herrschaftsorte gleichsam für die Zukunft aufzubereiten, wurden unter Einsatz von Meißeln oder Pinseln meistens nur die Insignien oder Parolen der einstmals allein herrschenden Partei von den Hauswänden, Brücken sowie an den Außen- und Innenwänden der Ministerien und Verwaltungsgebäude entfernt oder zumindest notdürftig übertüncht. Im Einzelfall führte der Ikonoklasmus der frühen Nachkriegsjahre, so etwa im Fußballstadion von Bologna oder auf dem Triumphbogen in Genua, zu einer drastischen semantischen Umcodierung, wurde doch an dieser Stelle der figürlichen Darstellung Mussolinis der Kopf herausgeschlagen, ergänzt um die Inschrift „vom Volk hingerichtet“. In der Summe handelte es sich um kaum mehr als kosmetische Operationen. Selbst an den Stellen, wo die Menschen mit Hammer und Meißel oder Pinsel Hand angelegt hatten, verlor die ‚symbolische Defaschisierung‘ sich oft im Nichts, weil die Abdrucke sichtbar blieben, so auch am Balkon des Palazzo Venezia, der über viele Jahrzehnte die Spuren von Mussolinis Herrschaft aufwies; erst bei den Vorbereitungen auf das ‚Heilige Jahr‘ 2000 wurden sie endgültig entfernt.[29]

Unmittelbar nach dem Krieg wog insgesamt das Gewicht vor allem praktischer und finanzieller Erwägungen sehr schwer. Hierfür ist neben vielen anderen ein Vorgang in der Stadt Bergamo aufschlussreich, wo die Inschrift „Eroe della guerra e della Rivoluzione“ an der „Casa Littoria“ zu Ehren der Fliegerlegende der Stadt, Antonio Locatelli, geändert werden sollte. Obwohl eine erste Überlegung vorsah, zumindest den Begriff „Revolution“ an dem Gebäude zu entfernen, das nunmehr zu „Casa della Libertà“ umbenannt wurde, unterblieb selbst dieser minimale Eingriff, weil die zuständigen Behörden sich wechselseitig blockierten. Als die Angelegenheit im Jahr 1948 nochmals ‚hochkochte‘, wurde sie im Zeichen eines erstarkten Antikommunismus zu den Akten gelegt.[30] Der Historiker Emanuele Ertola hat zuletzt die wechselvolle Aneignung der faschistischen Parteihäuser in Bergamo und in Como, wo mit Giuseppe Terragni ein Hauptvertreter des architektonischen Rationalismus ein besonders ausdrucksstarkes Modell für das Regime hatte bauen lassen, nachgezeichnet und dabei gezeigt, wie sehr jeweils wechselnde nationale und lokale politische Interessen den Umgang mit dem belastenden baulichen Erbe über Jahrzehnte hinweg beherrschten.[31]

Dass in den besetzten Zonen des Deutschen Reiches die entsprechenden Eingriffe nach 1945 entschiedener und umfassender als in Italien ausfielen, war in erster Linie auf das rigide Vorgehen der Siegermächte zurückzuführen. Von ihrer Seite stammten die frühen Direktiven zu einer flächendeckenden Säuberung des öffentlichen Raumes, und sie übten ebenfalls die Kontrolle über deren Umsetzung aus.[32] Am Beispiel der Großstadt Frankfurt am Main lässt sich beispielhaft nicht nur nachvollziehen, wie sich die Denazifizierung des Personals, sondern auch die ‚Entfaschisierung‘ des öffentlichen Raumes vollzog.[33] Die deutsche Bevölkerung machte bei diesen Aktionen bereitwillig mit, boten doch die Entfernung von Herrschaftsinsignien oder die Beseitigung von materiellen baulichen Überresten ebenso wie die Umbenennungen von Straßen und Plätzen die willkommene Gelegenheit, sich öffentlich vom NS-Regime zu distanzieren. Auch andernorts gaben die Siegermächte das Tempo und die Reichweite der Säuberungsmaßnahmen vor. Geradezu sinnbildlich war hierfür die frühe Sprengung des Hakenkreuzes über der Haupttribüne des Zeppelinfeldes in Nürnberg bereits am 24. April 1945.

In der Rückschau wird indes deutlich, dass im Zuge der Enttrümmerungen und des dann zügig aufgenommenen Wiederaufbaus die fast in jeder Stadt vorhandenen und meist aus Holz errichteten Baracken der ehemaligen Konzentrations-, Zwangsarbeiter- und Durchgangslager ebenfalls abgetragen und für andere Zwecke verwendet wurden. In einer Zeit, in der Bau- und Brennmaterialien extrem knapp waren, griffen die Zeitgenossen auf sämtliche Ressourcen zurück. Danach wuchs förmlich Gras über die Orte des Terrors, selbst an einem so berüchtigten Ort wie Bergen-Belsen, wo die britische Besatzungsmacht die Baracken des ehemaligen Konzentrationslagers aus hygienischen Gründen abbrennen ließ; nach dem Abtragen der Überreste sorgten dort neue Anpflanzungen dafür, dass das Gelände rasch von Gestrüpp überwuchert wurde.[34] Wie sehr die damit einhergehende Abkehr von der Vergangenheit seitens der kommunalen Politik gewünscht wurde, zeigte sich unter anderem in Neuengamme, als 1951 dort ehemalige französische KZ-Gefangene um die Erlaubnis baten, das Lager zur Erinnerung zu besuchen. Zwar zeigte der zuständige Hamburger Bürgermeister Max Brauer dafür Verständnis, aber er lehnte die Bitte ab. Es solle vielmehr alles getan werden, „um die furchtbaren Entsetzlichkeiten der vergangenen Epoche möglichst bald durch gegenseitigen Verständigungswillen zu überbrücken und allmählich aus der lebendigen Erinnerung auszulöschen“.[35]

Im Grunde sorgten die Anordnungen und Maßnahmen der Politik in der Bundesrepublik an vielen Orten dafür, dass es zu einer nachhaltigen Entkonkretisierung des Erinnerns kam, während die räumlichen und sachlichen Bezugspunkte des nationalsozialistischen Lagerkosmos beseitigt oder umgestaltet wurden.[36] Es fällt weiterhin auf, dass die neuen Amtsträger im Westen wie im Osten des Landes an all den Stellen, wo Großbauten des Nationalsozialismus den Krieg mehr oder minder unbeschadet überstanden hatten, einen ähnlichen Weg wie in Italien einschlugen.[37] Zu den bekanntesten Beispielen gehört das ehemalige Reichsluftfahrtministerium, das zwar stark lädiert war, aber schnell wiederhergestellt und zur Machtzentrale der neuen Befehlshaber in der Sowjetischen Besatzungszone ausgebaut werden konnte. Die Aufarbeitung der Vergangenheit beschränkte sich an diesem Ort auf die Entfernung der nationalsozialistischen Symbole und Bildzeichen. Bis auf die Beseitigung kriegsbedingter Schäden wurden keine Änderungen an der Außenhülle des Gebäudes vorgenommen, nur der repräsentative Festsaal wurde im neoklassizistischen Stil der Stalin-Zeit neu gestaltet.[38] Im Gegensatz zu weit verbreiteten Einschätzungen zeigen auch andere Dokumente zu den baulichen Überresten in Berlin, dass viele Dienstgebäude an der Wilhelmstraße noch 1945 durchaus als wiederaufbaufähig eingestuft worden sind.[39]

Diese Beobachtung schließt den Hauptsitz der Gestapo und die Zentrale des Reichssicherheitshauptamtes ein, doch die Ruinen des Prinz-Albrecht-Palais gerieten schon bald in Vergessenheit und wurden Ende April 1949 abgerissen – weitgehend ohne Anteilnahme der Öffentlichkeit. Im Anschluss daran wurde das Gelände bis Mitte der 1960er Jahre über ‚Enttrümmerungen‘ und Planierungen von fast allen historischen Spuren ‚befreit‘, so dass dem schier grenzenlosen Eifer der Stadt- und Verkehrsplaner der Weg geebnet war, freilich gebremst durch die Lage des Ortes an der Schnittstelle zwischen Ost und West. Bis Anfang der 1980er Jahre beherrschten die ‚Zwischennutzung‘ durch eine Baustoff-Verwertungsfirma und ein ‚Autodrom‘ das Erscheinungsbild des Prinz-Albrecht-Geländes.[40]

Abb. 2: Berlin: Das im II. Weltkrieg zerstörte Gebäude der Geheimen Staatspolizei in der Prinz-Albrecht-Straße. Aufnahme vom Juni 1949.
Abb. 2:

Berlin: Das im II. Weltkrieg zerstörte Gebäude der Geheimen Staatspolizei in der Prinz-Albrecht-Straße. Aufnahme vom Juni 1949.

Der in der Rückschau eher ‚hemdsärmelig‘ beziehungsweise politisch hoch problematisch anmutende Umgang mit den baulichen Überresten der NS-Diktatur im Zentrum Berlins spiegelt sich an zahlreichen früheren Herrschaftsorten des NS-Regimes wider, so beispielsweise in München oder in Nürnberg, gingen doch auch hier die Verantwortlichen nach Kriegsende ebenfalls rasch zur Tagesordnung über. Schon 1949 hielten sie in der zum Ausstellungsrundbau umbenannten, gigantischen und baulich nur halbfertigen Kongresshalle auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände die „Deutsche Bauausstellung“ ab.[41] Im nachfolgenden Jahr fand an gleicher Stelle die Jubiläumsausstellung „900 Jahre Nürnberg“ statt, ohne die Rolle der Stadt im ‚Dritten Reich‘ oder speziell die des Reichsparteitagsgeländes mit einem Wort zu erwähnen.[42] Auch sonst liegen verschiedene Anzeichen dafür vor, dass die Berührungsängste der städtischen Bevölkerung mit dem politisch kontaminierten Gelände rasch nachließen. Wenn man die Liste der bis in die 1960er Jahre auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände abgehaltenen Veranstaltungen mustert, wird deutlich, wie sehr die Agenda der städtischen Erinnerungskultur von einer zielgerichteten Verdrängung angeleitet wurde. Die von der Stadt Nürnberg im Jahr 1966 angeordnete Sprengung der Türme des Märzfeldes sowie die Entfernung der Pfeilergalerien auf der Zeppelintribüne dokumentieren, dass den Verantwortlichen noch zu diesem Zeitpunkt die Bedeutung der steinernen Überreste als potenzielle Ankerpunkte des Gedenkens entweder nicht bewusst war oder sie geflissentlich darüber hinwegsahen.[43]

Abb. 3: Nutzung des Berliner Prinz-Albrecht-Geländes durch eine Bauschuttverwertungsfirma und ein ‚Autodrom‘, Juli 1981. Bitte beachten Sie: Diese Abbildung ist von der CC-Lizenz ausgenommen.
Abb. 3:

Nutzung des Berliner Prinz-Albrecht-Geländes durch eine Bauschuttverwertungsfirma und ein ‚Autodrom‘, Juli 1981. Bitte beachten Sie: Diese Abbildung ist von der CC-Lizenz ausgenommen.

Abb. 4: 1949 fand in der Nürnberger Kongresshalle die erste deutsche Bauausstellung statt. Im zweiten Obergeschoss war ein Terrassen-Café eingerichtet worden. Bitte beachten Sie: Diese Abbildung ist von der CC-Lizenz ausgenommen.
Abb. 4:

1949 fand in der Nürnberger Kongresshalle die erste deutsche Bauausstellung statt. Im zweiten Obergeschoss war ein Terrassen-Café eingerichtet worden. Bitte beachten Sie: Diese Abbildung ist von der CC-Lizenz ausgenommen.

Im Vergleich dazu nahm sich das bauliche Erbe des Faschismus in Italien nicht nur weitaus größer aus, sondern es drückte dem Alltagsleben von Millionen Italienerinnen und Italienern förmlich seinen Stempel an den Orten auf, in denen die öffentliche Verwaltung residierte. Bis zur Gegenwart gehören die seit den 1920er Jahren neu errichteten Verwaltungsgebäude, Postämter und nicht zuletzt die Bahnhöfe zu zentralen Orten der urbanen Kultur des Landes, ohne dass vielen Zeitgenossinnen und Zeitgenossen die „faschistischen Gründungsakte“ und die ihnen vom Faschismus aufgegebene Mission bewusst geworden sein dürften. Dazu trug eine ‚vergessliche‘ Erinnerungskultur ihren Teil bei, denn nicht nur der international bekannte Bahnhof Santa Maria Novella in Florenz wird öffentlich meist nur als Modell der architektonischen Moderne gewürdigt, sondern auch sein Komplement in Trient gilt bis heute als herausragendes Beispiel für die „architettura razionale“, ohne dabei den Tatbestand zu berücksichtigen, dass der verantwortliche Ingenieur Angiolo Mazzoni sich auch nach 1945 offen zu den Idealen des Faschismus bekannte.[44]

Abb. 5: Erklärtafel am Bahnhof Trient, Januar 2023.
Abb. 5:

Erklärtafel am Bahnhof Trient, Januar 2023.

Dass an vielen anderen Orten die Steine oft nicht länger ihre ursprüngliche Zielsetzung erfüllten, hatte neben kosmetischen Änderungen an der Außenhülle oft damit zu tun, dass nach dem Weltkrieg neue Nutzer einzogen. Dies betrifft zunächst einmal die unzähligen Case del Fascio und andere Einrichtungen der vormals alleinherrschenden Partei, welche die Republik meist zu Amtssitzen der Polizei und Armee oder weiterer staatlicher Behörden, aber auch zu Schulen oder Gemeindehallen umwandelte.[45] Ähnliches lässt sich für die Gebäudekomplexe festhalten, in denen nach dem Zweiten Weltkrieg verschiedene Ministerien, Partei- und Gewerkschaftszentralen oder auch internationale Organisationen ihren Sitz aufschlugen. So zog in Rom, um hierfür nur ein Beispiel anzuführen, die kommunistische Confederazione Generale Italiana del Lavoro an den früheren Sitz der Confederazione fascista dei lavoratori dell’agricoltura. Darüber hinaus gingen hier und in vielen anderen Städten die Bauarbeiten an Projekten des Faschismus nach dem Zweiten Weltkrieg mehr oder minder nahtlos weiter. Das betrifft unter anderem das Bauvorhaben in Rom, das ursprünglich als Sitz des Ministero dell’Africa Italiana vorgesehen war, dann aber erst 1952 fertiggestellt werden konnte, um die Food and Agriculture Organization der UN zu beherbergen.[46] Zu den weiteren bekannten Projekten dieses Typs zählen in der Hauptstadt die Arbeiten am Gebäude des Außenministeriums (Farnesina), die 1935 begonnen worden waren, aber erst 1959 abgeschlossen wurden,[47] vor allem aber die Fortführung der nunmehr wieder aufgenommenen Planungen zur Realisierung des Büro- und Wohnviertels EUR, das mit dem Palazzo della Civiltà Italiana zu einem Wahrzeichen des modernen Rom aufsteigen sollte.[48]

Zur Ironie der Geschichte gehört in diesem Zusammenhang, dass dabei die Niederlegung des einzigen Großbaus eines faschistischen Architekten – gemeint ist damit der Padiglione per lʼAgricoltura e le Foreste von Armando Brasini – ausgerechnet von Mussolinis ehemals wichtigstem Vertrauten veranlasst wurde;[49] Marcello Piacentini zeichnete ebenfalls dafür verantwortlich, dass zwischen 1948 und 1950 die Via della Conciliazione, im Jahr 1935 von Mussolini in Auftrag gegeben, baulich vollendet werden konnte, wenngleich mit einigen bedeutsamen Änderungen. Im ‚Heiligen Jahr‘ 1950 widmete sie Pius XII. dann eher allgemein dem Frieden und der Versöhnung nach den Katastrophen des Krieges, während sie ursprünglich an die Lateranverträge von 1929 hatte erinnern sollen – damit an die Versöhnung von Staat und Kirche.[50] Für die Rezeption breiter Kreise der Bevölkerung dürfte indes bedeutsamer gewesen sein, dass der demokratische Staat hier und an zahlreichen weiteren Orten die baulichen Vorhaben der faschistischen Diktatur vollendete, ohne dass dies den Zeitgenossinnen oder Zeitgenossen überhaupt bewusst geworden sein dürfte.[51] Ausschlaggebend war, dass über Jahrzehnte hinweg die sozialen Praktiken an diesen Orten die politischen Botschaften der Gründungsakte überdeckten oder sie im Zuge der Umbauten und Neubauten schlichtweg in Vergessenheit geraten ließen. Überdies hatte die Verblendung verschiedener Architekturstile meist schon bei der Errichtung vieler Gebäude dafür gesorgt, dass die vom Regime beabsichtigte ideologische Wirkung für viele Nutzerinnen und Nutzer keineswegs unmittelbar erkennbar war.[52] Auch die Existenz der früheren Polizeilager im eigenen Land blieb der Öffentlichkeit weitgehend verborgen. Zwar wurde bereits im Jahr 1965 das ehemalige Konzentrationslager Risiera di San Sabba in Triest, das seit Herbst 1943 von den NS-Besatzern als Polizeihaftlager verwendet worden war, zum Nationaldenkmal erklärt und dann zehn Jahre später in ein Städtisches Museum umgewandelt. Gleichwohl sollte es bis zur Jahrtausendwende dauern, bevor an anderen Orten das Bewusstsein für die Stätten faschistischer Gewalt vor der eigenen Haustür geschärft wurde.[53]

Ganz anders stellte sich dagegen die Ausgangslage an den monumentalen Inszenierungsorten der faschistischen Epoche dar. Zu den herausragenden Stätten dieser Art gehört in Rom das Foro Mussolini, nach dem Krieg zum Foro Italico umbenannt, das die Zeichensprache des Faschismus überdeutlich zum Ausdruck brachte.[54] Dazu zählen die mit eindeutigen Botschaften ausgestalteten Mosaiken und marmornen Quader im Eingangsbereich, die übergroßen Heldenskulpturen in antikisierendem Gewand, nicht zuletzt aber auch der architektonische Stil des Stadions sowie der umgebenden Sport- und Verwaltungsgebäude, in denen das Italienische Olympische Komitee seinen Sitz errichtete. Die windungsreiche Nachgeschichte des Ortes begann 1945 damit, dass die Pläne der Resistenza zur Sprengung des Geländes von der amerikanischen Besatzungsmacht vereitelt wurden, weil der Sportgrund von den Soldaten zur Entspannung genutzt werden sollte. Damit wurde letztlich eine schleichende semantische Umcodierung in Gang gesetzt, die einige Parallelen zu den Aneignungen auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände in Nürnberg zu erkennen gibt. In Rom nahmen bereits 1948 die Anhänger der kommunistischen Partei das marmorne Stadion in Beschlag, als dort die „Festa dell’Unità“ der PCI abgehalten wurde, und im ‚Heiligen Jahr‘ 1950 folgten katholische Pilger, die mit Messen und Gebeten den Ort mit wiederum einem anderen Geist erfüllten.[55] Als dann bei den Vorbereitungen für die Olympischen Spiele des Jahres 1960 der Gedanke aufkam, das Gelände politisch zu ‚dekontaminieren‘, ging der Schuss nach hinten los. Zur Wirkungsgeschichte des „paradossale revisionismo marmoreo“ gehört es, dass seinerzeit zwei besonders anstößige Inschriften auf den Marmor-Blöcken im Eingang entfernt, zugleich aber drei neue Daten – eines zur Erinnerung an den Sturz Mussolinis 1943, ein weiteres zur Gründung der Italienischen Republik 1946 und das dritte zur Verabschiedung der Verfassung – hinzugefügt wurden, so dass darüber eine inklusive historische Traditionslinie vom faschistischen Regime zur Republik gezogen wurde.[56]

Was in diesem Fall und ebenso mit Blick auf den im Vorfeld des Geländes befindlichen Obelisken „Mussolini Dux“[57] auf einzelne Kritiker wie ein himmelschreiender Skandal wirkte, wurde von den meisten Zeitgenossen der 1950er und auch noch 1960er Jahre offensichtlich ganz anders eingestuft. Tatsächlich sorgte das vorherrschende politische und gesellschaftliche Desinteresse an den „Schattenorten“[58] des Regimes dafür, dass nicht nur an diesen bekannten Inszenierungsorten faschistischer Herrschaft in Rom, sondern auch in anderen Städten und in der Provinz materielle Überreste umgenutzt oder überbaut wurden, alternativ dazu diese schlichtweg dem Verfall überlassen blieben. Aus Anlass der Olympiade gingen 1960 von Rom ganz andere Bilder in die Welt, die das Image des Landes insgesamt aufhellten, wenngleich verschiedene hässliche Bauskandale einen dunklen Schatten hinterließen. Von der Vergangenheit des Ortes war dagegen kaum eine Rede.[59]

Es liegt nahe, in diesem Zusammenhang an die städtebauliche Dynamik im Zuge des Wieder- und Neuaufbaus der Zweiten Nachkriegszeit zu erinnern.[60] Darüber veränderte sich in beiden Ländern die bebaute Umwelt massiv, wenngleich in Italien vergleichsweise später und weniger rapide als in Westdeutschland. Gleichwohl sorgten diese Prozesse dafür, dass an vielen Orten die baulichen Sinnstiftungsversuche der Diktaturen hinter neuen Gebäuden, Straßen und anderen Anlagen verschwanden oder eben nicht mehr als ‚kontaminierte Orte‘ erkennbar waren. Die Verantwortlichen ließen jedoch hier und dort Vorsicht walten, wenn die ideologischen Zielsetzungen der Gründer auch nach 1945 geradezu mit den Händen zu greifen waren. Aus diesem Grund verschwand das Fresko „Apoteosi del Fascismo“ von Luigi Montanarini aus dem Jahr 1942, das den Festsaal des Olympischen Komitees schmückte, über Jahrzehnte hinter einem Vorhang. Und auch an der römischen Universität verfuhr man ähnlich; hier wurde das große Wandgemälde Mario Sironis in der Rektoratsaula der Sapienza im Jahr 1950 vollständig überdeckt sowie die faschistische Symbolik entfernt – erst im Jahr 2017 wurde das wiederhergestellte Original nach langwierigen Diskussionen und Restaurierungsarbeiten wieder öffentlich zugänglich gemacht.[61]

2 Zum schleichenden Wandel im Umgang mit den faschistischen Herrschaftsorten

Der Umgang mit den Herrschaftsorten der Diktaturen weist ebenfalls in der nachfolgenden Zeitspanne bis zum Ende des Kalten Krieges markante Parallelen auf. In diesem Zusammenhang verdient zunächst ein international anhebender architekturhistorischer Diskurs Beachtung, denn so sehr sich in dieser Phase die Angehörigen einer neuen Generation von Architekten und Stadtplanern zu Wort meldeten, die das Wirken ihrer Vorgänger kritisch einordneten, sorgten gleichzeitig viele Schülerinnen und Schüler der ehemals führenden „Baumeister“ dafür, dass es zu einer Nivellierung von formal-ästhetischen und funktional-politischen Differenzen kam.[62] Diese Relativierung führte dazu, dass selbst postmoderne Architekten wie Aldo Rossi und Oswald Mathias Ungers kein Problem mehr damit hatten, den NS-Klassizismus in den internationalen Neo-Klassizismus der 1920er und 1930er Jahre aufzunehmen. Überhaupt bot das gesellschaftliche Klima dieser Jahre relativ günstige Umstände für einen architekturhistorischen Revisionismus; selbst die apologetischen Schriften eines Albert Speer zu seiner Rolle als Großarchitekt des ‚Dritten Reiches‘ riefen kaum mehr eine breite Kritik hervor.[63]

Im Vergleich dazu fällt auf, wie sehr in den entsprechenden Debatten Italiens sich die Rede von der Modernität der faschistischen Bauprojekte zu einem beherrschenden Topos entwickelte. Wichtige Anstöße gingen dazu 1982 von einer Mailänder Ausstellung unter dem Titel „Gli Anni trenta. Arte e cultura in Italia“ aus, der weitere Veranstaltungen eines ähnlichen Typs folgten.[64] Darüber hinaus machte sich das steigende Gewicht des Denkmalschutzes in dem Sinne bemerkbar, dass zuweilen frühere Maßnahmen zur De-Faschisierung des öffentlichen Raumes wieder rückgängig gemacht wurden; in der Summe sorgte die Betonung ästhetischer Gesichtspunkte für eine De-Politisierung der zeithistorischen Kontexte.[65] Schon seit den 1960er Jahren waren außerdem erregte Diskussionen entbrannt, bei denen sich Exponenten auf der politischen Rechten als entschiedene Gegner jeglicher „Säuberung“ bekannten. Ihr vieldeutiger Wahlspruch „La storia non si cancella mai“ stieg seither zum Programm einer Richtung auf, die eine Überarbeitung oder gar Entfernung von Bauten des Faschismus als irrationalen Ikonoklasmus brandmarkt.[66] Ein Ort, an dem diese Debatten besonders heftig geführt wurden, war das Foro Italico. Nachdem das Gelände 1979 als denkmalschutzwürdig klassifiziert worden war, wurde es im Zuge der Vorbereitungen für die Fußball-Weltmeisterschaft im Jahr 1990 aufwendig restauriert. Das hatte zur Folge, dass die Zeichensprache des Faschismus auf den Mosaiken des Forums und ebenso auf der berüchtigten Stele mit der Inschrift „MUSSOLINI DVX“ danach umso besser lesbar war. Die Steine begannen wieder zu sprechen, aber in einer Weise, die vor allem auf die Mitglieder ausländischer Delegationen anstößig wirkte. „Dive with the Duce“, lautete ein kritischer Beitrag der Deutschen Welle vom 27. Juli 2009, als die Schwimmweltmeisterschaften auf dem Gelände stattfanden.[67]

Dass vor allem Kommentare aus Deutschland den Umgang mit den ehemaligen Herrschaftsorten des Faschismus in Italien sehr kritisch einstuften, scheint auf eine klare Trennung der erinnerungskulturellen Wege der beiden Länder in dieser Phase hinzuweisen. Es lohnt indes in diesem Zusammenhang daran zu erinnern, dass in (West-)Deutschland die Bereitschaft zur Umgestaltung einstiger Herrschafts- und Gewaltorte sich im Laufe der 1960er Jahre zunächst Forderungen der ehemaligen NS-Häftlinge aus dem In- und Ausland verdankt hatte. So waren an den Stätten der früheren Konzentrationslager in Dachau und Bergen-Belsen die Initiativen ausländischer Häftlingsgemeinschaften dafür verantwortlich gewesen, dass es hier überhaupt zu einer Errichtung von Gedenkstätten gekommen war. Danach ließen die Grabungen nach baulichen Überresten noch lange auf sich warten; in Bergen-Belsen kamen sie erst Mitte der 1980er Jahre in Gang.[68] Die zeitlich eher späten Anläufe, die Steine auf dem Areal der Verbrechensorte zum Sprechen zu bringen, waren insgesamt für den deutschen Umgang mit der NS-Vergangenheit auch noch in der zweiten Phase kennzeichnend. So reichen die Anstöße zur „Wiederentdeckung“ des Prinz-Albrecht-Geländes in Berlin zwar bis an das Ende der 1970er Jahre zurück, aber erst seit der Mitte des nachfolgenden Jahrzehnts wurde auf Initiative der Berliner Geschichtswerkstatt und des Vereins Aktives Museum Faschismus eine erste symbolische Grabung auf dem Gelände durchgeführt.[69] Darüber zeigte sich dann rasch, dass die baulichen Überreste des „Schattenortes“ tatsächlich nicht vollständig verschwunden waren, wie immer wieder behauptet worden war. Ähnliche Verzögerungen kennzeichnen den Umgang mit der Villa Wannsee, die 1942 als Versammlungsort der berüchtigten Konferenz für interministerielle Maßnahmen zur Durchführung der „Endlösung“ gedient hatte.[70] Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude jahrzehntelang als Schullandheim genutzt, obwohl der Auschwitz-Überlebende und Historiker Joseph Wulf bereits in den 1960er Jahren den Vorschlag machte, diesen politisch so schwer kontaminierten Ort zu einem Internationalen Dokumentationszentrum zur Erforschung des Nationalsozialismus und seiner Folgeerscheinungen umzuwandeln. Der damalige Regierende Bürgermeister von Berlin Klaus Schütz (SPD) befürchtete indes, das Gebäude könne zu einer „makabren Kultstätte“ für alte und neue Nazis werden. Vor diesem Hintergrund stand zeitweilig sogar ein Abbruch der Villa zu befürchten, ganz so wie dies im Herbst 1964 mit Adolf Eichmanns ehemaliger Dienststelle in der Kurfürstenstraße geschehen ist. Ein politischer Sinneswandel setzte erst ab dem Jahr 1982 ein, als der Berliner Senat unter dem Vorsitz des Regierenden Bürgermeisters Richard von Weizsäcker mit einer Gedenkveranstaltung am historischen Ort an die Wannsee-Konferenz erinnerte. Gleichwohl dauerte es danach noch mehrere Jahre, bevor der Senat 1986 die Idee von Wulf aufgriff und beschloss, das Haus in eine Gedenkstätte umzuwandeln.

Dass im Umgang mit den Herrschaftsorten des NS-Regimes in Berlin und in vielen anderen Städten im Laufe der 1980er Jahre eine Umkehr in Gang kam, verdankte sich in einem ganz wesentlichen Ausmaß dem politischen Druck bürgerschaftlicher Initiativen, die im Verbund mit den Kirchen, Gewerkschaften und Jugendverbänden häufig Protestveranstaltungen organisierten, auf denen sie die Einrichtung oder den Umbau von Gedenkstätten einforderten. In der Rückschau ist insgesamt gut erkennbar, wie sehr diese Zeitspanne in Westdeutschland geradezu als ein Scharnierjahrzehnt für eine wachsende Politisierung und zugleich Polarisierung der entsprechenden geschichtspolitischen Debatten gelten darf – die Historiker Gavriel Rosenfeld und Paul B. Jaskot sprechen von einer Dekade „crucial for taking the cause of remembrance into the mainstream“.[71] Tatsächlich setzte sich in dieser Phase in vielen Städten und Gemeinden der Bundesrepublik allmählich auch in den Reihen der politischen Verantwortungsträger und -trägerinnen sowie in den Stadtverwaltungen die Einsicht in die Notwendigkeit durch, die Schreckensorte der NS-Gewaltherrschaft einerseits sichtbar zu machen, sie andererseits zu modernen Erinnerungs- und Lernorten fortzuentwickeln.[72]

Wenige Beispiele müssen hier genügen, um die für die Erinnerungskultur in Deutschland so einschneidende Transformation nachzuzeichnen. So wurde im Oktober 1981 am Ort des ehemaligen Konzentrationslagers Neuengamme ein „Dokumentenhaus“ als Ausstellungsort eingeweiht, und im Jahr darauf errichteten Jugendliche eines internationalen Workcamps einen Rundweg um das KZ-Gelände, so dass erstmals Überreste der Zäune und andere Spuren des Konzentrationslagers besichtigt werden konnten.[73] Im gleichen Jahr öffnete die Ausstellung „Wewelsburg 1933–1945: Kult- und Terrorstätte der SS“ in der Nähe der Stadt Paderborn ihre Tore, der – so wie in Neuengamme – eine sehr konfliktreiche öffentliche Auseinandersetzung vorausgegangen war.[74] 1986 entschied sich dann auch die Stadt Düsseldorf dazu, in der ehemaligen Gestapozentrale der westdeutschen Großstadt eine Mahn- und Gedenkstätte einzurichten, und kurze Zeit darauf öffnete das benachbarte Köln ein NS-Dokumentationszentrum in einem Gebäude, in dem sich vormals die Gestapozentrale der Stadt befunden hatte. Als in den späten 1980er Jahren Geschäftsleute in Nürnberg Pläne für den Umbau der Kongresshalle zu einem Einkaufs- und Erlebniszentrum vorstellten, baute sich unter Beteiligung verschiedener Geschichtswerkstätten ein massiver und erfolgreicher bürgerschaftlicher Protest dagegen auf. Auch an anderen Orten kam es nun zu vehementen Protesten, darunter in Frankfurt am Main 1987, wo der Konflikt um die Neugestaltung des Börneplatzes eine erhebliche politische Mobilisierung nicht nur in der Stadtgesellschaft, sondern auch überregional hervorrief. Nachdem bei Bauarbeiten für ein neues Verwaltungszentrum der städtischen Versorgungsbetriebe steinerne Überreste des ehemaligen jüdischen Ghettos entdeckt worden waren, formierte sich hier eine Protestfront, an der neben Angehörigen der Jüdischen Gemeinde die Mitglieder von Gewerkschaften, Kirchen, Jugendverbänden und anderen Gruppen beteiligt waren.[75] Ähnliche Konstellationen lassen sich in vielen Städten Westdeutschlands in einer Phase beobachten, in der engagierte Bürgerinnen und Bürger die Spuren des Nationalsozialismus in ihrem unmittelbaren Lebens- und Erfahrungsbereich suchten und darüber die Orte der Verfolgung und des Leidens vor allem von Jüdinnen und Juden wieder sichtbar machten. Im Zeichen eines steigenden Interesses an der „Authentizität“ und damit an der Konservierung materieller Überreste lauteten die Fragen nach den Tätern und den Verantwortlichen für die NS-Verbrechen nun nicht mehr abstrakt, sondern konkret, was dann wiederum den Druck auf die lokale Politik erhöhte, geschichtspolitisch erkennbare Zeichen zu setzen.[76] Ohne den offenen Zuspruch, meist jedoch die eher stillschweigende Hinnahme breiter Teile der Bevölkerung wäre die nunmehr eingeleitete Neuorientierung in der Erinnerungspolitik kaum zum Durchbruch gelangt.

Vordergründig betrachtet, schlugen die (west)deutsche und italienische politische Kultur in der zweiten Phase getrennte Wege ein, jedenfalls dann, wenn man die Größenordnung der institutionellen Unterstützung, das heißt vor allem: die finanzielle Förderung für lokale Initiativen durch die öffentliche Gedenkpolitik in Rechnung stellt. Gleichwohl lohnt erneut ein zweiter Blick, denn die bislang von der historischen Forschung zu wenig beachteten Verhandlungen in den kommunalen Parlamenten oder auch in anderen politischen Foren, darunter nicht zuletzt in den zahlreichen Resistenza-Instituten Italiens, darüber hinaus die Debatten der Fachkreise oder in den Medien geben durchaus bemerkenswerte Parallelen zu erkennen. In beiden Ländern ist dabei zu beobachten, wie stark die Auseinandersetzungen um das bauliche Erbe der Diktaturen parteipolitisch überlagert wurden. Der Historiker Giorgio Lucaroni hat diese Gemengelage zuletzt, um dafür nur ein einziges Beispiel anzuführen, für die Debatten über den Umbau der Via dei Fori Imperiali in Rom detailliert nachgezeichnet.[77] Es ist außerdem nicht zu übersehen, wie sehr in Italien seit den 1980er Jahren an vielen Orten der „Erinnerungskrieg“ (Filippo Focardi) auf die kommunale und regionale Ebene abfärbte und dort die Debatten über eine angemessene Auseinandersetzung mit dem steinernen Erbe des Faschismus in einer Zeit verschärfte, als der „Resistenza-Mythos“ allmählich verblasste.[78] In Westdeutschland wiederum entzündeten sich die entsprechenden Konflikte zunächst um die vielerorts in Vergessenheit geratenen Stätten der NS-Gewaltherrschaft vor der eigenen Haustür, bevor der Blick der Beteiligten sich allmählich auf andere Überreste der ‚faschistischen‘ Architektur weitete.[79]

3 „Die Steine zum Sprechen bringen“ – aber wie? Neue Zugänge seit den 1990er Jahren

Die öffentlichen Auseinandersetzungen um den ‚richtigen‘ Umgang mit den ehemaligen Herrschafts- und Inszenierungsorten der diktatorischen Regime sollten sich in der dritten Phase seit den 1990er Jahren fast überall in Europa intensivieren. Den weiten Hintergrund boten dafür die Revolutionen der Jahre 1989–1991, die in vielen Ländern geradezu tektonische Veränderungen der politischen Kulturen hervorrufen sollten, auch wenn dieser Tatbestand nur sehr verzögert in das Bewusstsein breiter Bevölkerungsteile einsickerte.[80] Es sticht jedoch geradezu ins Auge, dass die geschichtspolitischen Kontroversen in Italien schon bald eine deutlich schärfere Note aufwiesen, als dies nach der deutschen Einheit der Fall war. Zudem erfassten die damit verbundenen politischen und gesellschaftlichen Kontroversen hier früher als nördlich der Alpen mehr oder minder das gesamte Land, von Südtirol bis nach Kalabrien, vom Siegesdenkmal in Bozen bis zum Mausoleum für Michele Bianchi, einem ehemals führenden Repräsentanten des Regimes, in Belmonte Calabro in der Provinz Cosenza.[81] Die Härte der politischen Auseinandersetzungen erklärt sich zum einen damit, dass an vielen dieser Orte die Anhänger neo- und philo-faschistischer Kreise nunmehr ihre Ideen bei diversen historischen Jubiläen erstmals wieder offen propagierten. Zum anderen erkannten Angehörige des rechten politischen Lagers unter den veränderten politischen Umständen die Chance, Fragen der Straßenumbenennungen oder auch Denkmalsetzungen zum Anlass dafür zu nehmen, die Erinnerung an das Regime Mussolinis oder sogar die an die Repubblica Sociale Italiana aufzuwerten.[82] Gefördert wurde diese Wende von der schleichenden Dekomposition der politischen Linken, die dann auch in den eigenen Reihen zu geschichtspolitischen Auseinandersetzungen führte. Als 2015 die Präsidentin der Abgeordnetenkammer und Mandatsträgerin der Partei Sinistra Ecologia Libertà, Laura Boldrini, die Entfernung des Schriftzuges „Mussolini Dux“ auf der Stele vor dem Foro Italico einforderte, hielt ihr Matteo Orfini, Vorsitzender des Partito Democratico das Argument entgegen: „Wir sind ein antifaschistisches Land, und wir müssen daher nicht unsere Erinnerung tilgen.“[83]

Ähnliche Töne waren in Rom bei den Debatten um das Ara Pacis Museum und die Neugestaltung der Piazza Augusto Imperatore zu hören, und auch die Anmietung des Palazzo della Civiltà Italiana durch das Modehaus Fendi rief scharfe Kritiken hervor.[84] Der Hintergrund dafür war, dass Pietro Beccari, Vorstandsvorsitzender von Fendi, bei der feierlichen Übernahme des Gebäudes vollmundig und selbstverständlich auf Englisch verkündet hatte: „We are proud to give back today to our city, Rome, and to the whole world, the Palazzo della Civiltà Italiana, symbol of our Roman roots and of a continuous dialogue between traditions and modernity, values dear to Fendi since ever.“ Das Gebäude entziehe sich, so Beccari, einer politischen Diskussion; seine Bewertung sei einzig und allein eine Frage der Ästhetik. Hier wie so an vielen anderen Orten griffen die Redner und Rednerinnen auf den Topos der romanità als ein Gütesiegel zurück, das auf der Gegenseite eine aufbrandende Kritik an dem dekontextualisierten Umgang mit den ehemaligen Herrschaftsorten des Faschismus provozierte. Gleichzeitig nutzen vermehrt auch zivilgesellschaftliche Gruppen unterschiedlicher Provenienz die Ikonografie des Gebäudes, um für ihre spezifischen Anliegen zu werben.[85]

In Deutschland blieben dagegen die Grenzen des Sagbaren und auch die des Zeigbaren an den ehemaligen Herrschafts- und Inszenierungsorten des Nationalsozialismus nach der politischen Wende zu Beginn der 1990er Jahren noch eine Zeitlang enger als in Italien gezogen. Überdies verständigten sich hier die politisch Verantwortlichen zunächst parteiübergreifend darauf, die Pflege und kritische Aufarbeitung der historischen Stätten des ‚Dritten Reiches‘ weiterhin substanziell zu fördern. Dass dabei im Hintergrund Sorgen gerade aus dem Ausland vor einem erstarkenden deutschen Nationalismus eine Rolle spielten, sei nur am Rande eingeflochten. Im Jahr 1999 wurde dann auf Anregungen und Forderungen des Deutschen Bundestages auf der Basis eines parteiübergreifenden Konsens eine neue „Gedenkstättenkonzeption“ der Bundesregierung verabschiedet.[86]

Im Blick auf die dritte Phase erweist sich als entscheidend, dass international sich der Fokus in den Erinnerungskulturen immer stärker auf die Opfer der Gewaltherrschaft verlagerte. Vor diesem Hintergrund erfuhren zunächst die Ausstellungen in den großen ostdeutschen Gedenkstätten wie Buchenwald, Sachsenhausen und Oranienburg, aber auch die im Westen, darunter Neuengamme, Dachau, Flossenbürg und Bergen-Belsen, eine grundlegende Neukonzeption, wurden diese doch um museale Objekte, mediale Träger von Erinnerungen, Selbstzeugnisse und ausgewählte Sekundärbestände (z. B. Akten) erweitert.[87] In einem engen Zusammenhang damit kamen an den ehemaligen Herrschaftsorten und Stätten der Gewalt der NS-Diktatur archäologische Tiefenbohrungen in Gang, wobei in vielen Städten und Gemeinden erst jetzt das Bewusstsein für die Existenz von KZ-Außenlagern, Internierungs- und Strafgefangenenlagern oder Zwangsarbeiterlagern unmittelbar vor der eigenen Haustür geschärft wurde. Immerhin waren im ‚Dritten Reich‘ rund 1200 KZ-Außenlager errichtet worden, deren Existenz so wie die von Hunderten anderer Lager selbst unter den Ortskundigen weitgehend in Vergessenheit geraten war.[88] Das änderte sich in dem Moment, als die Grabungen vor Ort, beispielsweise im zentralen Aufnahmelager für sowjetische Kriegsgefangene bei Schloß Holte-Stukenbrock (Kreis Gütersloh), Hunderte Funde zutage förderten, die von den Lebensverhältnissen der Inhaftierten zeugen.[89] Auch an vergleichsweise bekannteren Erinnerungsorten wie dem ehemaligen Konzentrationslager Buchenwald wurden nunmehr neue Grabungen in Auftrag gegeben, die nicht nur bislang verborgene steinerne Überreste zum Vorschein brachten, sondern auch unzählige Objekte des Alltags aus dem Lagerleben. Mittlerweile bilden diese einen Teil der Ausstellung, die einen bewussten Kontrapunkt zu der heroisierenden Instrumentalisierung des Lagers in den Jahren der SED-Herrschaft setzt.[90]

Abb. 6: Ausgrabungsergebnisse im Kriegsgefangenenlager von Stukenbrock.
Abb. 6:

Ausgrabungsergebnisse im Kriegsgefangenenlager von Stukenbrock.

Dass der gleiche Trend ebenfalls in der Fläche zu wirken begann, zeigen zahlreiche Fallbeispiele aus der Provinz. In diesem Zusammenhang verdient das frühere Zwangsarbeitslager Walldorf bei Frankfurt am Main besondere Beachtung. In diesem Nebenlager des KZs Natzweiler-Struthof waren bis Kriegsende annähernd 1700 ungarische Jüdinnen inhaftiert, um Zwangsarbeit für den Frankfurter Flughafen zu leisten. Bei Kriegsende fand man die Lagerbaracken nur noch leer vor, und wenige Jahre darauf wurden sie gesprengt, so dass die baulichen Reste unter der Erde verschwinden konnten. Es dauerte bis in die 1990er Jahre, bevor Bewegung ins Terrain kam. Erneut war bürgerschaftliches Engagement von ausschlaggebender Bedeutung, so dass ab den 2000er Jahren mit Unterstützung des Bürgermeisters vor Ort die Ausgrabungen beginnen konnten. Als darüber auch hier bauliche Überreste und zahlreiche Gebrauchsgegenstände zutage gefördert wurden, gab die Flughafengesellschaft dem Druck der lokalen Initiative nach und entschied sich zugunsten einer finanziellen Unterstützung der Aktivistinnen und Aktivisten. 2016 konnte am gleichen Ort ein modernes Besucherzentrum in Verbindung mit einem Lehrpfad eröffnet werden. Was in Walldorf erst sehr spät realisiert werden konnte, ließ in der Großstadt Frankfurt noch weit länger auf sich warten. Dort wurde erst 2021 am Ort des früheren Zwangsarbeitslagers Katzbach in den Adlerwerken eine Gedenkstätte eröffnet, obwohl die Pläne dafür bis in die 1980er Jahre zurückreichen. Ähnlich windungsreich verlief der Entscheidungsgang in München, wo 2015 das neue NS-Dokumentationszentrum am Standort der ehemaligen Parteizentrale der NSDAP eröffnet wurde.[91]

Alle diese Jahresangaben und Details werden hier stellvertretend für das Geschehen an zahlreichen anderen Orten angeführt, weil sie zur Vorsicht mahnen. Der deutsche ‚Erinnerungs-Expresszug‘ war tatsächlich so schnell nicht, und noch in der dritten Phase lassen sich bemerkenswerte Parallelen zwischen Deutschland und Italien erkennen. Denn auch südlich der Alpen war in dieser Zeitspanne an verschiedenen Orten die Forderung zu hören, im Umgang mit den materiellen Überresten neue Wege bei der Konzeption von Erinnerungsorten einzuschlagen. Das in den 2000er Jahren überarbeitete Siegesdenkmal in Bozen zeigt besonders eindrucksvoll, wie ein solches Ziel an einem bis in die Gegenwart umstrittenen Denkmals- und Inszenierungsort des Faschismus realisiert wurde. Es handele sich, so konstatierte zuletzt Giulia Albanese, um den bedeutsamsten Versuch, sich ein Denkmal des Faschismus auf demokratische Weise anzueignen.[92] In Verona schlugen die Verantwortlichen wiederum zuletzt einen anderen Weg ein. Anlässlich des Gedenktages zur Erinnerung an die Befreiung des Lagers Auschwitz wurde hier ein „Carro della Memoria“ auf den Platz vor das antike Amphitheater gestellt, um an die Deportationen zu erinnern. Auf diese Weise nehmen die Besucherinnen und Besucher einen ‚Ort des Terrors‘ wahr, der tatsächlich weit entfernt liegt. Ähnliche Beispiele kennt man aus Deutschland, wo das „Denkmal der Grauen Busse“ an die Ermordung von Menschen mit psychischen und körperlichen Behinderungen während der Zeit des Nationalsozialismus erinnert. Es handelt sich um ein „Mahnmal in Bewegung“, das seit 2006 in verschiedenen deutschen Städten gezeigt wurde.[93]

Abb. 7: Horváth-Zentrum im ehemaligen Lagerbereich der KZ-Außenstelle Walldorf.
Abb. 7:

Horváth-Zentrum im ehemaligen Lagerbereich der KZ-Außenstelle Walldorf.

Abb. 8: „Carro della Memoria“ auf der Piazza Bra (Verona), Januar 2023.
Abb. 8:

„Carro della Memoria“ auf der Piazza Bra (Verona), Januar 2023.

Abb. 9: Das Denkmal der „Grauen Busse“ in Hadamar – 27. Mai 2018 bis 26. Januar 2019.
Abb. 9:

Das Denkmal der „Grauen Busse“ in Hadamar – 27. Mai 2018 bis 26. Januar 2019.

Fazit

Für viele Beobachterinnen und Beobachter im In- und Ausland erweckt der Umgang mit den materiellen Überresten an den ehemaligen Herrschafts- und Inszenierungsorten des Nationalsozialismus sowie den Stätten des NS-Terrors in Deutschland den Eindruck, es handele sich um eine weit fortgeschrittene und insgesamt gefestigte Erinnerungskultur. Im Vergleich zu den entsprechenden Einrichtungen der staatlichen oder kommunalen Gedenk- und Erinnerungspolitik in Italien ist im Gegensatz dazu regelmäßig von einer Asymmetrie die Rede, erscheint doch der Umgang mit dem materiellen Erbe des Faschismus meist als defizitär.[94] Die Historisierung dieses Phänomens sowie seine in Zukunft noch breiter zu ergründende Einbettung in die Politik- und Gesellschaftsgeschichte der Zweiten Nachkriegszeit ergeben ein insgesamt vielschichtigeres Resultat:

Erstens können derartige Untersuchungen verdeutlichen, wie sehr sich Politik und Gesellschaft nicht nur in Italien, sondern auch im Westen und Osten Deutschlands nach 1945 nur sehr zögerlich dazu bereitfanden, die materiellen Relikte aus den Jahren der Diktatur überhaupt als bewahrenswerte Erinnerungszeichen zu begreifen, geschweige denn, sie zum Ausgangspunkt einer kritischen Auseinandersetzung mit einer belasteten Vergangenheit fortzuentwickeln. Eine grundlegende Wende ist in dieser Hinsicht in der Bundesrepublik erst seit den 1980er Jahren zu beobachten, wobei die kritische Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit an vielen Orten auch danach weiter auf sich warten ließ; unzählige materielle Überreste der NS-Diktatur waren außerdem zu diesem Zeitpunkt bereits unwiderruflich verloren gegangen. Im vergleichenden Blick auf Italien wird zudem ersichtlich, dass die über 20 Jahre energisch vorangetriebene Baupolitik unter der Anleitung Mussolinis den Nachfahren ein viel größeres Erbe an Herrschafts- und Inszenierungsorten sowie Denkmälern als im Deutschen Reich hinterlassen hatte. Begünstigt von der Ambivalenz einer architektonischen Formensprache, die sich zu keinem Zeitpunkt auf einen ‚faschistischen Stil‘ festgelegt hatte, eignete sich die Republik zahlreiche bauliche Überreste nach einer nur oberflächlichen De-Faschisierung an. Geschah dies einerseits unter dem Druck der drängenden Notlagen, waren dabei andererseits die Interessen von Politikern, Architekten und den Verantwortlichen anderer Berufsgruppen von Gewicht, wollten sie doch auf diesem Weg ihre Nähe zum Regime in Vergessenheit geraten lassen. Gleichermaßen stellten im westdeutschen Städtebau die Kontinuität des Personals und die Fortentwicklung von Planskizzen über den Bruch des Jahres 1945 hinaus ein großes Hindernis für die kritische Auseinandersetzung mit kontaminierten Orten dar.

Zweitens wiesen seit den ausgehenden 1970er Jahren – so legt es zumindest ein erster Eindruck nahe – die Wege der deutschen und italienischen Erinnerungskultur im Umgang mit den materiellen Überresten in getrennte Richtungen. Während in der Bundesrepublik seither ein stärkerer Fokus auf die Opfer der NS-Gewaltherrschaft im öffentlichen Gedenkdiskurs zum Durchbruch gelangte, was dann in Politik und Gesellschaft ein wachsendes Interesse an den ehemaligen Orten des Terrors im eigenen Land hervorrief, sticht auf der italienischen Seite ins Auge, dass im gleichen Zeitraum die Architektur und die Kunst aus den Jahren des Faschismus eine Aufwertung erfuhren. Außerdem vermochten hier lokale Geschichtswerkstätten nicht im gleichen Ausmaß wie in Westdeutschland Fuß zu fassen. Gleichwohl dürfen darüber die in der gleichen Zeitspanne in den kommunalen Parlamenten und den Foren der lokalen Öffentlichkeiten Italiens immer wieder aufflammenden Kontroversen über die faschistische Vergangenheit vor Ort nicht ausgeblendet werden. Es wirft weiterhin einen großen Schatten auf die Entwicklung in Deutschland, dass die Forderungen aus den Reihen der Geschichtswerkstätten nach einer Umgestaltung von ‚authentischen‘ Orten der NS-Diktatur zu Gedenkstätten von den politisch Verantwortlichen und den zuständigen Stadtverwaltungen lange nur dilatorisch behandelt wurden.

Drittens hat sich mittlerweile international die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Steine der Vergangenheit heute nur noch über eine stärker kontextualisierte und zunehmend auch unter Einsatz moderner digitaler Techniken visualisierte Präsentation von Erinnerungsorten zum Sprechen gebracht werden können.[95] Wesentlich vorangetrieben wurden die Überlegungen dazu in den vergangenen rund 20 Jahren von dem neuen Forschungszweig Critical heritage, der den Fokus auf die archäologischen, konservatorischen, musealen und didaktischen Herausforderungen im Umgang mit materiellen Überresten namentlich an den „Orten des Schreckens“ richtet.[96] Im Gefolge dieser Diskussionen wurden inzwischen an zahlreichen Gedenk- und Lernorten (so etwa in Dachau, Bergen-Belsen und in Nürnberg) ältere Ausstellungen neu konzipiert oder auch Erinnerungsstätten wie die am Triumphbogen in Bozen vollständig überarbeitet.[97] Manche lokale Initiativen sind zudem eng – das darf man in diesem Zusammenhang nicht übersehen – mit den Interessen eines modernen Stadtmarketing oder auch dem Phänomen eines „Dark Tourism“ verbunden, scheint doch zumindest für einen Teil des Publikums von dem Besuch „düsterer Orte“ eine gewisse Faszination auszugehen.[98] Doch die Verfechter von Critical heritage treiben ganz andere Motive an. Im Kern sind sie bestrebt, die öffentliche Auseinandersetzung mit den materiellen Überresten der Diktaturen so fortzuentwickeln, dass die extreme Geschichte des 20. Jahrhunderts und – so muss man mittlerweile wohl ergänzen – die spannungsreiche Geschichte auch des 21. Jahrhunderts als ein „Reservoir für die Auseinandersetzung mit allen Formen politisch, gesellschaftlich und kulturell verursachter Menschenfeindlichkeit“ überhaupt begreiflich wird. Diese Diskussionen strahlen weit nach Italien hinein, gleichzeitig erhalten sie von hier – wie zuvorderst das Beispiel Bozen demonstriert – wichtige Impulse für den Umgang mit den materiellen Überesten einer Vergangenheit, die von ethnisch geprägten Konflikten beeinflußt worden ist.[99]

Viertens sollten wir uns eingestehen, dass bis heute kaum zuverlässige Aussagen darüber vorliegen, wie es um die Wahrnehmung materieller Überreste durch die Angehörigen aufeinander folgender Erfahrungsgenerationen bestellt war und ist.[100] Im Blick darauf ist eine Beobachtung der Historikerin Barbara Bracco aufschlussreich. Ihr zufolge liegt „die Bedeutung einer Stadt … nicht nur in den äußeren Zeichen, sondern auch in der kulturellen und sozialen Umcodierung begründet, die oft unfreiwillig und nicht immer vorhersehbar verläuft“.[101] Mittlerweile zeige sich, so Bracco, dass das faschistische Erbe nur noch ein Kapitel der Nachkriegsgeschichte ausmache, eben ein Kapitel unter verschiedenen anderen. Zudem gelte es die Subversivität des Alltags zu berücksichtigen, wofür die Aneignung von Objekten über private Fotografien reichliches Anschauungsmaterial bereithalte. Tatsächlich gibt die Subversivität des Alltags ein weites Feld ab, das die Augen der Historikerinnen und Historiker zwar betrachten, gleichzeitig jedoch nur schwer durchdringen können. Jedenfalls gilt es aufmerksam auf die materiellen Überreste vergangener Epochen zu blicken, denn dann kann man zum einen feststellen, dass in Italien die Inschriften an verschiedenen Orten in der jüngeren Vergangenheit sogar restauriert und gut lesbar für die Öffentlichkeit aufbereitet wurden. In der Gemeinde Grosio in der Provinz Sondrio veranlasste die Gemeindeverwaltung noch 2004 die Restaurierung und damit die bessere Lesbarkeit des anfänglich angeführten Wahlspruchs, und auch an anderen Orten wurden auf Veranlassung der Denkmalschutzbehörde Wandinschriften der faschistischen Epoche in die offizielle Liste des architektonischen Erbes aufgenommen.[102] Private Erkundungen vor Ort und Bilder aus Cabras zeigen indes, was ebenfalls passieren kann:[103]

Abb. 10: Rückkehr an den Ort mit einer Wandinschrift in Cabras, März 2023.
Abb. 10:

Rückkehr an den Ort mit einer Wandinschrift in Cabras, März 2023.

Trotz oder wegen der Umbauten geben die Steine kaum mehr das zu erkennen, was dort noch vor wenigen Jahren zu lesen war. Die baulichen Veränderungen in der Gegenwart zerstören die Vergangenheit, so dass an dieser und vielen anderen Stellen nur noch die Historikerinnen und Historiker die Steine zum Sprechen bringen können. Dabei handelt es sich zugleich um eine fachliche Aufgabe wie um eine moralische Verpflichtung.

Abbildungsnachweise

Abb. 1, 5 und 8: Foto: © Christoph Cornelißen.

Abb. 2: © Bundesarchiv, Bild 183-S85918. Foto: © Heinz Funck.

Abb. 3: © Stiftung Topographie des Terrors. Foto: © Margret Nissen.

Abb. 4: © Stadtarchiv Nürnberg A 39/III Nr. DBA-214.

Abb. 6: Foto: © LWL/S. Spiong.

Abb. 7: Foto: © Brigitte Kosch.

Abb. 9: Foto: © Hoheisel&Knitz.

Abb. 10: Foto: © Serenella Salvadego.


* Der Beitrag beruht auf dem Jahresvortrag, den ich am 1 März 2023 anlässlich der Sitzung des Wissenschaftlichen Beirates am DHI Rom gehalten habe. Für die Drucklegung wurde er überarbeitet und um einige Passagen ergänzt.


Online erschienen: 2024-11-22
Erschienen im Druck: 2024-11-18

© 2024 bei den Autorinnen und den Autoren, publiziert von De Gruyter.

Dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 4.0 International Lizenz.

Artikel in diesem Heft

  1. Titelseiten
  2. Jahresbericht des DHI Rom 2023
  3. Themenschwerpunkt The Material Legacies of Italian Colonialism/I lasciti materiali del colonialismo italiano herausgegeben von Bianca Gaudenzi
  4. Cultura materiale e memorie del colonialismo italiano dal secondo dopoguerra a oggi
  5. Memorie di pietra del colonialismo italiano
  6. Legislazione e prassi italiane in materia di beni culturali tra protezionismo e universalismo
  7. Monumental Artworks as Difficult Heritage
  8. „Italia si, Italia no“. Materialità transimperiali e soggetti (post)coloniali tra Italia ed Etiopia (1956–1974)
  9. Una ‚reliquia colonialeʻ
  10. Artikel
  11. „Actus Beneventus in filicissimus palatio“?
  12. Annone di Colonia, Enrico IV e Anselmo III da Rho
  13. Motivazioni politiche e contesto sociale
  14. Signori e signorie nella Sicilia normanna
  15. Processi pontifici in partibus. La giurisdizione papale delegata nel XIII secolo: alcuni casi in Puglia
  16. Wofür und auf welche Weise Herzog Magnus II. von Mecklenburg 1487 von Papst Innozenz VIII. die Goldene Rose erhielt
  17. Una spia portoghese e la crociata all’indomani di Lepanto
  18. Die Korrespondenz des Kardinalnepoten Francesco Barberini mit P. Alessandro d’Ales, seinem Agenten am Kaiserhof (1634–1635)
  19. Konkurrenz um das kulturelle Gedächtnis?
  20. Il fascismo recensito
  21. Il rischio dei ‚Giusti‘
  22. „Die Steine zum Sprechen bringen“
  23. L’espansione del quadrante occidentale della Capitale negli anni Cinquanta e il complesso architettonico della Congregazione di Santa Croce oggi Istituto Storico Germanico di Roma
  24. Fantasma totalitario e democrazia blindata
  25. Per un catalogo delle opere di Luigi Nono, con „pochi dati e alcune idee vagabonde sulla diversa natura della ‚tradizione‘ delle opere di Nono in quanto ‚testo‘“ e una cronologia
  26. Forschungsberichte
  27. L’identità dello Stato beneventano
  28. Dall’edizione cartacea alla pubblicazione su piattaforma
  29. Tagungen des Instituts
  30. Administration in Times of Crisis. The Roman Papacy in the Great Western Schism
  31. Apparati, tecniche, oggetti dell’agire diplomatico (secc. XIV–XIX)
  32. Nuove prospettive di ricerca su stato di eccezione e di emergenza. Un dialogo italo-tedesco
  33. (De)Constructing Europe. Tensions of Europeanization
  34. Circolo Medievistico Romano
  35. Circolo Medievistico Romano 2023
  36. Rezensionen
  37. Verzeichnis der Rezensionen
  38. Leitrezensionen
  39. Ist das „Mittelalter“ am Ende?
  40. L’Italia dal Settecento a oggi: un Sonderweg?
  41. 1820 – Eine Weltkrise der politischen Souveränität?
  42. Allgemein, Mittelalter, Frühe Neuzeit, 19.–21. Jahrhundert
  43. Verzeichnis der Rezensentinnen und Rezensenten
  44. Register der in den Rezensionen genannten Autorinnen und Autoren
Heruntergeladen am 24.9.2025 von https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/qufiab-2024-0019/html
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