Abstract
It has long been known to regional historical research that Magnus II, Duke of Mecklenburg (1441–1503), received a Golden Rose from Pope Innocent VIII (1484–1492). However, it remained unclear exactly when and for what reasons he was awarded this most prestigious papal honour. Combining previously unconsidered sources of Roman provenance such as John Burchardʼs „Liber notarum“ with regional evidence allows us to identify the motive for presenting the highest papal award to the Duke as the establishment of a collegiate church in Rostock. In this way, Roman and regional sources shed light on each other.
Das Überreichen der Goldenen Rose, des höchsten päpstlichen Ehrenzeichens, an einen Empfänger pro Jahr lässt sich bis in das 11. Jahrhundert zurückverfolgen.[1] Als „Symbol des Leidens und der Auferstehung Christi“[2] war die Rose zunächst offenbar allein dem Präfekten von Rom zugedacht, der sie vom Papst am 4. Fastensonntag (Laetare Jerusalem), dem Rosensonntag, während der Prozession zwischen der Stationskirche Santa Croce in Gerusalemme und dem Lateranpalast empfing, um ihn damit als höchsten Ausübenden des Richteramtes in Rom durch den obersten Inhaber der Richtergewalt auszuzeichnen. In den anschließenden Jahrhunderten sind dann mehrere Veränderungen im Hinblick auf Ort, Ablauf und Sinn des Zeremoniells, den Kreis der Beschenkten sowie die Symbolik der Gabe zu beobachten.[3] Diese Wandlungen stehen mit der sich ändernden Stellung des Papstes in Rom und der lateinischen Christenheit in Verbindung und können anhand erhaltener Predigttexte, der römischen Zeremonienbücher aus dem 12. bis 16. Jahrhundert sowie der Diarien der päpstlichen Zeremonienmeister erschlossen werden.[4]
Aus der vormaligen feierlichen Stationsprozession im städtischen Raum wurde im Lauf der Zeit eine den Blicken des Populus entzogene Zeremonie hinter den Mauern des Papstpalastes bei St. Peter. Die Gründe hierfür dürften in dem jahrzehntelangen Aufenthalt der Päpste in Avignon zu finden sein. Gegenüber dem stadtrömischen Ritus mit pastoraler Prägung trat zunehmend der Akt der Verleihung in den Vordergrund, wobei die Rose durch die zuvor erfolgte, feierliche Segnung (benedictio) aufgewertet wurde.[5] Der einzige öffentliche Bestandteil des Zeremoniells blieb auf Dauer der „Umzug des Beschenkten“ durch die Stadt, der sich an die Verleihung anschloss.[6] Die Stelle des Stadtpräfekten als Empfänger nahmen anfangs nur ausnahmsweise, ab dem 12./13. Jahrhundert häufiger und im 14./15. Jahrhundert ausschließlich ranghohe nichtrömische Herrscherpersönlichkeiten, aber auch Städte oder Kirchen, ein.[7] Seit 1096 nutzte das Papsttum die Goldene Rose folglich „als Mittel der Politik und Diplomatie“.[8]
Johannes Burckard (ca. 1450–1506), der von 1484 bis 1503 das Amt des päpstlichen Zeremonienmeisters innehatte,[9] gibt in seinem Notizbuch, dem „Liber notarum“, zum 25. März 1487 einen detaillierten Bericht darüber, wie Papst Innozenz VIII. (1484–1492) an diesem Tag die Goldene Rose weihte und wem er sie anschließend zueignete. Am Sonntag Laetare, dem vierten Sonntag der österlichen Fastenzeit jenes Jahres, habe demnach der ehrenwerte Kardinal von Recanati (Girolamo Basso della Rovere, 1434–1507) in violetten Gewändern und mit der Mitra pretiosa in der Sixtinischen Kapelle die feierliche Messe zelebriert, während die Messdiener in Dalmatik und Tunicella gekleidet waren und der Papst, im feierlichen Ornat aus Amikt, Albe, Zingulum, Stola, kostbarem Pluviale ohne Mitra vor dem Tisch im Papageienzimmer zwischen dem dortigen Bett und dem brennenden Kamin stehend, die Rose segnete, die der Kammerkleriker Sinolfus de Castro Otherio († 1503), der zwischen der Rechten des Papstes und dem Tisch kniete, in der Hand hielt. Nach ihrer Weihe nahm der Kardinal von Siena (Francesco Todeschini-Piccolomini, 1439–1503) die Rose in die Hand, und der Papst füllte nach üblichem Brauch Balsam und Moschus hinein. Dann empfing der Kammerkleriker die Rose zurück und hielt sie wie zuvor, während der als Ministrant fungierende Kardinal von Siena ein Weihrauchschiffchen anreichte, in das der Papst zunächst Weihrauchkörner legte, danach auch über die Rose verstreute und schließlich entzündete. Dabei ministrierte der Sieneser Kardinal allein, weil kein anderer Kardinal mehr zugegen war. Denn als der Papst sein Privatgemach verließ, waren nur zwei Kardinäle anwesend, und zwar der von Recanati und der von Siena. Der Kardinal von Recanati ging so bald als möglich, um die liturgischen Gewänder für die Messe zu holen. Der Kardinal von Siena kleidete den Papst allein an. Nachdem der Papst die Rose an sich genommen hatte, trug er sie mit der Linken an ihrem Fuß haltend, der mit einem kleinen Tuch umwickelt war, und mit der Rechten segnete er das Volk. Der Kardinal von Siena trug den hochgehobenen Goldbesatz des päpstlichen Pluviale zur Rechten des Papstes, auf der linken Seite befand sich niemand. Die Troddeln nahm der Orator des Königs von Neapel (Pietro Pirro de Azzia, † 1493). So verließ der Papst das Gemach und schritt, nur durch den Kardinal von Siena begleitet, zur Kapelle. Als der Pontifex die Sala Regia erreichte, kamen die Kardinäle von Neapel und San Clemente hinzu und nacheinander auch die anderen. Vor dem Faldistorium übergab der Papst die Rose dem Kardinal von Siena und dieser dem Sinolfus, der sie dort bis zum Ende der Lobpreisung hielt. Nach deren Ende trug er sie bis zum Altar, wo Johannes Burckard sie aus dessen Händen übernahm, sie gemeinsam mit dem Sakristan mit einem Kandelaber versah und in der Mitte des Altars vor dem dort stehenden Kreuz aufstellte, wobei er das kleine Tuch daneben beließ. Der Zelebrant sprach nicht „Friede euch“, sondern „Der Herr sei mit euch“, auch „Seid gesegnet“ und fünf Gebete wie am ersten Sonntag der Fastenzeit. Eine Predigt gab es nicht, weil der Prokurator des Karmeliterordens (Graziano de Villanova), der sie hätte halten sollen, sich krankgemeldet hatte. Nach der Messe spendete der Papst allen Teilnehmern einen feierlichen Segen sowie Ablässe für sieben Jahre und ebenso viele 40-tägige Bußzeiten, was der Zelebrant bekanntgab. Dann legte der Sakristan das kleine Tuch wieder um den Fuß der Rose, die er dem Sinolfus übergab, der sie, nachdem der Papst im Faldistorium ein Gebet gesprochen hatte, dem Kardinal von Siena überreichte und dieser dem Pontifex, der sie wie zuvor zu seinem Gemach trug, da sie dem erlauchten Herrn Magnus (II.), dem Herzog von Mecklenburg (1441–1503), der in den Gebieten der Ungläubigen lebte und im vergangenen Jahr in Rom weilte, überbracht werden sollte.[10]
Der hier vollständig wiedergegebene Bericht ist mindestens in dreierlei Hinsicht bemerkenswert. Zum einen wird schon hier erstmals und in aller Ausführlichkeit der gesamte Ablauf des Zeremoniells, darunter auch die Segnung der Rose, geschildert, wie er erst wenig später durch das 1488 im Druck erschienene „Caeremoniale“ des Agostino Patrizi Piccolomini (um 1435–1495 oder 1496) vorgeschrieben worden ist.[11] In seinem Bericht weist Johannes Burckard kritisch auf Abweichungen vom später vorgeschriebenen Zeremoniell hin.[12] Zum anderen wird hier der seltenere Fall einer Vergabe der Rose an einen abwesenden Empfänger wiedergegeben.[13] Der Regelfall war, dass der Betreffende in Rom weilte, der Messe beiwohnte und im Anschluss daran in den Gemächern des Papstes die Rose erhielt. Zum dritten konnte der Beschenkte, den Johannes Burckard in seinem Bericht nennt, trotz vielfacher Bemühungen der Forschung, soweit zu sehen ist, bislang nicht eindeutig identifiziert werden. In der ersten vollständigen Edition von Burckards „Liber notarum“ beschränkt sich der Herausgeber Louis Thuasne (1854–1940) auf eine knappe Erläuterung von ‚Monopoli‘ im Namensindex: „grand-duc de“, also „Großherzog von“.[14] Enrico Celani (1867–1922), der Herausgeber der maßgeblichen Edition bemerkt zur Klärung des Namens, dass alle vorherigen Autoren, die Listen über die Verleihungen der Goldenen Rose anlegten, die Übergabe von 1487 nicht erwähnt hätten.[15] Um das in Apulien gelegene Monopoli könne es sich allerdings nicht handeln, da Johannes Burckard das Herzogtum „in partibus infidelium“ verortet habe.[16] Elisabeth Cornides, aus deren Feder die grundlegende Darstellung zum Rosenzeremoniell stammt, fügt ergänzend hinzu, dass damals ein ausgesprochen feindliches Verhältnis zwischen dem Papsttum und den Königen von Neapel-Sizilien bestanden habe. Zudem weist sie korrigierend darauf hin, dass unter den älteren Autoren allein der jesuitische Theologe Théophile Raynaud (1583–1663) diese Verleihung aufgezählt habe.[17] Die knappe Bemerkung, die Raynaud bereits 1665 in seiner Aufzählung der Rosenempfänger gemacht hat, lautet: „Duci Magnopolitano Innoc(entius) VIII. anno 1487.“[18]
Damit hätte seitdem klar sein können, dass es sich bei dem Geehrten nur um Herzog Magnus II. von Mecklenburg handeln konnte.[19] Doch warum bezeichnete Johannes Burckard dessen Herzogtum als „Gebiet der Ungläubigen“? Und welche Leistungen hatte der Herzog für Christentum und Kirche vollbracht, die Innozenz VIII. dazu bewogen, ihn mit der Goldenen Rose auszuzeichnen? Diese beiden Fragen sollen im Mittelpunkt der nachfolgenden Erörterungen stehen.
Zur Identität des Beschenkten passt der Pflichteifer, mit dem der Kardinal von Siena laut der Schilderung zum 25. März 1487 bei der Vergabe der Rose seine zeremoniellen Aufgaben versah. Dessen Beflissenheit fällt angesichts des offensichtlichen Desinteresses, das die anderen Kardinäle gegenüber der Zeremonie zeigten und das Johannes Burckard kritisch vermerkt, besonders ins Auge. Bei dem pflichtgetreuen Kardinal handelt es sich um Francesco Todeschini-Piccolomini, der von seinem päpstlichen Onkel Pius II. (1458–1464) im Jahr 1459 zum Bischof von Siena und 1460 zum Kardinaldiakon von Sant’Eustachio erhoben worden war. Im Rang eines päpstlichen Legaten hatte er 1471 Deutschland bereist und war am Ende seines Lebens als Pius III. († 1503) für einen knappen Monat selbst Papst.[20] Als „Beschützer der deutschen Nation“ (Protector nacionis Germaniae) in Rom und dank seiner Vorliebe für Deutschland und seine Bewohner musste es dem Kardinal Pflicht und Bedürfnis sein, „ihre Anliegen und Wünsche bei Papst und Kardinälen mit Nachdruck zu fördern und zu unterstützen“.[21] Sein besonderes Engagement im Rosenzeremoniell entspricht folglich der deutschen Herkunft des Rosenempfängers, die aber auf den ersten Blick nicht zu dessen Verortung „im Gebiet der Ungläubigen“ zu passen scheint.
Doch Herzog Magnus taucht noch häufiger und tatsächlich auch schon in den Notizen zum Vorjahr im „Diarium“ von Johannes Burckard auf. Insgesamt fünf Mal erwähnt ihn der päpstliche Zeremonienmeister darin bei verschiedenen feierlichen Gelegenheiten. So notiert er zu den liturgischen Feiern am Palmsonntag des Jahres 1486 (19. März), dass der Herzog, zwischen dem Sonntag Laetare (5. März) und dem fünften Sonntag der Passionszeit (12. März) als Pilger nach Rom gekommen sei und er selbst ihm vor der Segnung der Palmzweige in der Sixtinischen Kapelle einen Platz auf einer höheren Stufe des Fußbodens zur Rechten des Papstes gegeben, während er den Bruder des Papstes (Lorenzo Cibo deʼ Mari, 1450/1451–1489) zu dessen linker Seite auf der gleichen Stufe platziert habe. Der Papst habe den beiden seine zwei großen Palmzweige übergeben, um sie zu halten und während der Prozession zu tragen.[22] Auch am Donnerstag der Karwoche (23. März) 1486, bei der rituellen Fußwaschung an den 13 Armen, befand sich Magnus laut Burckard in unmittelbarer Nähe des Papstes, indem er ihm das benötigte Wasser reichte,[23] und ebenso am Ostersonntag (26. März), bei der Feier der Auferstehungsmesse in St. Peter, bei der Innozenz VIII. dem Herzog als erstem Laien nach den ministrierenden Klerikern und noch vor seinem eigenen Bruder die Kommunion spendete.[24] Die ehrenvollen Gesten, wie die Bevorzugung in der Sitzordnung und bei der Kommunion, die Verleihung von Palmzweigen und das Reichen des Wassers für die Fußwaschung verdeutlichen, dass der Herzog, offenbar auf ausdrücklichen Wunsch Innozenzʼ VIII., in dessen unmittelbare Nähe gebeten worden war, ja bei den liturgischen Akten sogar aktiv und an herausgehobener Position teilnahm. Sie belegen, dass er bereits vor dem Erhalt der Rose die höchste Wertschätzung des Papstes genoss.[25]
Einen wichtigen Fingerzeig auf das Anliegen, das Magnus in Rom verfolgte, gibt schließlich Burckards Bericht über ein öffentliches Konsistorium,[26] das am 4. Februar 1488 in der Sala Regia des apostolischen Palastes bei St. Peter stattfand. Bei dieser beratenden Sitzung wurden zwei Aufträge (commissiones) vorgelegt, deren einen der päpstliche Jurist Johannes Baptista Caccialupus (1427–1496) inhaltlich vortrug. Hierbei ging es um eine Klage gegen den Herzog von Mecklenburg im Fall der Errichtung einer Kollegiatkirche. Leider weist das Manuskript des „Diariums“ an dieser Stelle eine Lücke auf, so dass man weitere Details nicht erfährt. Ausführlich berichtet der Zeremonienmeister zwar anschließend darüber, dass dem Papst offene Briefe in dieser Angelegenheit vorgelegt und die Argumente darüber in Rede und Gegenrede ausgetauscht worden seien, doch über das Ergebnis der Beratungen lässt er nichts verlauten.[27]
In der Zusammenschau lassen sich aus Burckards Bericht folgende Gründe für die Verleihung der Goldenen Rose ableiten: Magnus war ein von Innozenz VIII. wertgeschätzter, „aus dem Gebiet der Ungläubigen“ stammender Herzog, der Schwierigkeiten hatte, ein Kollegiatstift zu errichten, so dass der Fall 1488 an der Kurie verhandelt wurde. Ins Bild passt ebenfalls, dass sich der Kardinal Francesco Todeschini-Piccolomini, der Protector nacionis Germaniae, zur gleichen Zeit bei Innozenz VIII. erfolgreich für eine Dispens wegen eines Verstoßes gegen das kanonische Eherecht einsetzte.[28]
Dass Herzog Magnus II. von Mecklenburg vom Papst eine Goldene Rose empfing, ist in der Forschung zur mecklenburgischen Landesgeschichte seit langem bekannt.[29] Bisher wurde jedoch Burckards Bericht nicht in die Betrachtung einbezogen, so dass unklar blieb, wann genau und aus welchen Gründen ihm diese höchste päpstliche Auszeichnung verliehen wurde. Somit ist im Folgenden zu klären, wofür der Fürst die Goldene Rose erhielt und warum der päpstliche Zeremonienmeister sein Herrschaftsgebiet als „Gegend der Ungläubigen“ bezeichnete.
Beides hängt tatsächlich mit der Errichtung eines Kollegiatstiftes zusammen. Nach dem Tod ihrer älteren Brüder hatten Magnus II. und sein Bruder Balthasar (1451–1507) im Jahr 1483 die Regierungsgeschäfte übernommen, wobei vor allem Magnus sofort die Erhebung der Pfarrkirche St. Jakobi in der Rostocker Neustadt zu einem weltlichen Kollegiatstift in Angriff nahm. Um dieses Vorhaben und seine Umsetzung gab es zwischen der Stadt Rostock und den mecklenburgischen Herzögen langwierige und schwere, z. T. mit Waffengewalt ausgetragene Auseinandersetzungen, die als „Rostocker Domfehde“ oder auch „Rostocker Domhändel“ bezeichnet werden.[30] Sie können hier nur knapp skizziert werden.[31]
Der Theologe und Geschichtsschreiber Albert Krantz (1448–1517), der an der Rostocker Artistenfakultät gelehrt hatte, als die Auseinandersetzungen begannen, schreibt in seiner „Wandalia“ zwei Jahrzehnte nach den Ereignissen die Urheberschaft an den Plänen zur Stiftserrichtung den geistlichen Räten Herzog Magnusʼ II. zu. Krantz zufolge hatten sie ihn zu dem Vorhaben damit bewegen können, dass es dem ewigen Gedenken seiner Person und seines Geschlechtes überaus zuträglich wäre, wenn aus der Rostocker Pfarrkirche St. Jakobi zur Stützung („ad stabilimentum“) der dortigen Universität eine Kollegiatkirche gemacht würde.[32] Ob es Magnus um die Stärkung der Universität Rostock oder eher um die der fürstlichen Position gegenüber der bedeutendsten Stadt in seinem Territorium ging, sei dahingestellt, denn sowohl der städtische Rat als auch die Doktoren und Magister der Universität reagierten auf die herzoglichen Pläne zurückhaltend bis ablehnend. Während die Angehörigen der Universität befürchteten, zwischen die Konfliktparteien zu geraten, argwöhnten Rat und Bürger, dass die Fürsten durch die Stiftsgründung ihren Einfluss auf die Stadt vergrößern wollten und lehnten das Ansinnen ab. Daraufhin strengten die Herzöge beim Bischof von Schwerin einen kanonischen Prozess gegen die Stadt an. Statt sich dem bischöflichen Gericht zu stellen, appellierte die Stadt an eine höhere Instanz, den Erzbischof von Bremen, der das Anliegen an die päpstliche Kurie weiterleitete. Ungeachtet dessen verhängte der Schweriner Bischof am 9. Mai 1484 den Kirchenbann über Rostock.
Durch eine rechtzeitig eingelegte Appellation an Papst Sixtus IV. (1471–1484), der sich auch die Universität, die Vikare und sonstigen Kleriker der Stadt anschlossen, konnten die Gottesdienste und die Seelsorge in den Kirchen und Klöstern der Stadt fortgesetzt werden. Doch Herzog Magnus und der Bischof von Ratzeburg, Johannes V. Parkentin (1479–1511), waren letztlich in Rom erfolgreicher. Nachdem Sixtus IV. verstorben war, erhob sein Nachfolger, Innozenz VIII., mit seiner Bulle vom 27. November 1484 die Pfarrkirche St. Jakobi zu einem Kollegiatstift und inkorporierte ihm die drei anderen Pfarreien der Stadt. Das Stift war mit zwölf Kanonikaten und den dazugehörigen Präbenden auszustatten. Vier dieser Stiftsherrenstellen sollten Prälaturen sein und mit den vier Pfarreien der Stadt verbunden werden. Als Exekutoren wurden der Bischof von Ratzeburg, der Propst von Schwerin und der Domdekan von Kammin beauftragt. Auf Weisung der Exekutoren publizierte der Propst des Kollegiatkapitels von Güstrow am 13. März 1485 die päpstliche Fundationsbulle im Kartäuserkloster Marienehe bei Rostock vor dem dorthin geladenen Rostocker Rat. Doch der Rat verweigerte die Annahme, und da die Stadt sich dem päpstlichen und herzoglichen Willen nicht beugte, drohte ihr der Ratzeburger Bischof am 1. Juni 1485 die Verhängung des Interdikts an. Als Rostock den Mandaten noch immer nicht folgte, ließ der Bischof die Stadt am 17. Oktober 1485 vor die römische Kurie zitieren und tat sie am 8. November feierlich in den Bann. Obwohl damit der Prozess nach kanonischem Recht beendet gewesen wäre, vermochte der städtische Rat noch einmal eine Aussetzung des Interdikts zu erwirken, indem er erneut Appellationen dagegen verfassen und an verschiedene Adressaten versenden ließ. Im März 1486 begaben sich Herzog Magnus II. und der Bischof von Ratzeburg mit einem Tross von 100 Pferden persönlich nach Rom. Auf ihre dort vorgebrachte Bitte hin konfirmierte Innozenz VIII. am 31. März 1486 die Errichtung des Kollegiatstiftes, wies die städtischen Appellationen ab und erklärte den Fall für abgeschlossen. Die drei durch ihn ernannten Exekutoren der Stiftsgründung beauftragte der Papst, diese mit allen Mitteln durchzusetzen, wenn nötig, auch unter Zuhilfenahme des weltlichen Armes. Über die „Rebellen“ sollten sie die üblichen und notwendigen Kirchenstrafen verhängen, ihnen ewiges Stillschweigen auferlegen und jegliche weitere Appellation an die Kurie untersagen. Um einer erneuten Appellation zuvorzukommen ließ Johannes Parkentin am 3. April 1486 von diesem endgültigen päpstlichen Bescheid und dem Mandat für die Exekutoren ein notariell beglaubigtes Transsumpt erstellen und in Rostock und Umgebung bekanntmachen. Weitere Verhandlungen zwischen den wendischen Hansestädten und den Herzögen scheiterten, und so zogen die Fürsten im Sommer 1486 Truppen zusammen. Angesichts dessen gaben Bürgermeister und Rat von Rostock am 15. Juli eine Gehorsamserklärung ab. Die geistlichen Exekutoren und die Landesherren wollten nun Verhandlungen über den Termin und die Modalitäten des feierlichen Einzugs und der Stiftsweihe aufnehmen, doch diese scheiterten. Unter diesen Umständen schien die Weihe des Stiftes vorerst nicht möglich. Von den übrigen Streitpunkten zwischen Stadt und Landesherrn blockiert, zogen sich die Verhandlungen bis zum Spätherbst 1486 hin. Schließlich kam man überein, das Kollegiatstift erst nach Beendigung des Weihnachtszyklus zu errichten, also nach dem Fest der Hl. Drei Könige 1487. Nachdem die Herzöge mit ihren Gemahlinnen samt Gefolge am 9. Januar 1487 in Rostock Einzug gehalten hatten, fand am 12. Januar die Weihe des Stiftes statt. Auch die vier vorgesehenen Dignitäten des Kapitels mit den vier Pfarrern der Stadt sowie vier der zwölf vorgesehenen Stiftsherrenstellen wurden besetzt. Schließlich löste der Ratzeburger Bischof auf Ersuchen des Bürgermeisters Barthold Kerckhof die Stadt vom Bann.
Da unter der Bevölkerung eine feindliche Stimmung herrschte, zogen es zahlreiche hochrangige Gäste vor, die Stadt bereits am Folgetag zu verlassen. Nur Herzog Magnus II., der Bischof von Schwerin und die neuen Mitglieder des Kapitels harrten bis zum folgenden Sonntag, dem 14. Januar 1487, in Rostock aus und feierten noch gemeinsam die Messe in St. Jakobi. Als der Herzog und Bischof Konrad Loste (1482–1503) abreisen wollten und die Chorschüler sich zum Singen der Terz vorbereiteten, brach ein Tumult aus: Mehrere Stadtbewohner drangen in die Stiftskirche ein, zerstörten den Lettner, zerrissen die von den Herzögen geschenkten liturgischen Bücher und verjagten die verängstigten Chorknaben. Die flüchtenden Kanoniker wurden von der Menge verfolgt und mit Schlägen traktiert. Dem schon etwas älteren Propst Thomas Rode setzte man mit Hieben und Tritten so schwer zu, dass er infolge der Misshandlungen auf offener Straße verstarb. Von den Einwohnern verspottet, konnte die herzogliche Familie, geleitet von Bürgermeistern und Rat, mit ihrem adligen und geistlichen Gefolge durch das Steintor die Stadt fluchtartig verlassen.
Durch diesen Auflauf wurde das ohnehin angespannte Verhältnis zwischen der Stadt und den Landesherren wieder verschärft. In der Folge kam es zum Krieg. Umgehend legte der Bischof von Ratzeburg die Gemeinde erneut in den Bann, wogegen der Rat im Februar 1487 appellierte. Die Universität wanderte unter dem Schutz eines herzoglichen Geleitbriefs aus und ließ sich nach einigen Wochen Aufenthalt in Wismar schließlich in Lübeck nieder. Die Herzöge waren zwar erneut zu Verhandlungen mit der Stadt bereit, die jedoch keine Ergebnisse brachten. Im Bündnis mit den Herzögen Johann IV. von Sachsen-Lauenburg (1439–1507) und Bogislav X. von Pommern (1454–1523) sowie dem Grafen Johann III. von Lindow-Ruppin (um 1425/1430–1500) begannen sie am 17. Juli 1487, Rostock zu belagern. Doch es gelang den Fürsten und ihren Verbündeten nicht, die Stadt militärisch in die Knie zu zwingen. Stattdessen mussten sie selbst empfindliche Verluste hinnehmen. Nach erneuten langwierigen Verhandlungen vereinbarte man am 13. Dezember 1487 in Wismar einen Waffenstillstand von einem Jahr und drei Monaten. Mit gleichzeitiger Erlaubnis durch den Rat und durch den Papst vom 18. März 1488 durfte nun die Universität in die Stadt zurückkehren. In den beiden folgenden Jahren 1489 und 1490 kam es wegen der Errichtung des Kollegiatstiftes erneut zu Ausschreitungen in der Stadt und Aufständen gegen die städtische Obrigkeit. Erst durch den Wismarer Vergleich vom 20. Mai 1491 konnten die Streitigkeiten zwischen den Landesherren und Rostock vorläufig offiziell beigelegt werden. Die Einigung kam allerdings nur unter harten Bedingungen für die Stadt zustande. Unter anderem musste sie der Errichtung des Kollegiatstiftes zustimmen und sich verpflichten, diese nach Kräften zu fördern. An die Herzöge sollte eine Entschädigungssumme von 21 000 Rhein. Gulden gezahlt werden, und zwei Dörfer waren abzutreten. Schließlich sollten die Bürgermeister, Ratsherren und Bürger den Fürsten erneut den Huldigungseid leisten und sie fußfällig um Vergebung bitten. Die beiden letzten Bedingungen wurden am 11. Juni 1491 erfüllt – eine schwere Demütigung für die stolzen Stadtbürger. Den Herzögen war es gelungen, ihren Willen durchzusetzen.
Vor dem Hintergrund der Rostocker Domfehde werden im Hinblick auf die Verleihung der Goldenen Rose an Magnus II. drei Sachverhalte deutlich. Erstens hielten sich der Herzog und der Bischof von Ratzeburg wegen der Querelen um das Kollegiatstift nicht, wie bislang angenommen, zweimal, im Spätherbst 1484 und im Frühjahr 1486,[33] in Rom auf, sondern nur einmal, und zwar Ende März bis Anfang April 1486. Von Oktober bis Dezember 1484 ist Magnus II. urkundlich in so kurzen zeitlichen Abständen in Mecklenburg nachweisbar, dass eine Romreise zwischen ihnen nicht möglich erscheint.[34]
Zweitens zeigt sich, dass die Formulierung „in partibus infidelium“ überraschender Weise auch für Gebiete innerhalb des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation gebraucht werden konnte. In der Regel verwendete die Papstkirche diese Bezeichnung für Regionen, die wie islamische Reiche nicht oder nicht mehr unter christlicher Herrschaft standen. Insbesondere galt das für Diözesen von Titularbischöfen, also Bischöfen, deren Amtsbezirke nicht mehr bestanden, etwa wenn sie während der Kreuzzüge in die Hände von Nicht-Christen gefallen waren.[35] Der päpstliche Zeremonienmeister Johannes Burckard gebrauchte die Formulierung, um die Herkunftsregion Herzog Magnusʼ II. zu kennzeichnen. Den Hintergrund dafür dürfte die Tatsache abgegeben haben, dass die Bischöfe von Schwerin und Ratzeburg die Stadt Rostock während der Domfehde mehrfach in den Bann gelegt hatten.
Drittens ist damit in der Errichtung des Kollegiatstifts in Rostock der Hauptgrund für die Verleihung der Goldenen Rose an Magnus II. zu erkennen.[36] Acht Jahre hatte der Herzog für die Umsetzung des Vorhabens gestritten und dafür mitunter auch Leib und Leben eingesetzt. Die Verleihung der Goldenen Rose wird mithin als Zeichen höchster Anerkennung für Magnusʼ Frömmigkeit und seinen Dienst an der Kirche zu interpretieren sein. Einen Parallelfall, der diese Sichtweise stützt, stellt Innozenzʼ VIII. Übergabe der Goldenen Rose an den schottischen König James III. (1451–1488) im Jahr 1486 dar, ein Jahr bevor Magnus sie empfing. Auch der schottische Monarch war in den Jahren 1486/1487 dabei, eine Kollegiatkirche zu errichten, und zwar in Restalrig bei Edinburgh.[37]
Während für die feierliche Übergabe der Goldenen Rose an James III. durch einen päpstlichen Gesandten in Schottland bislang kein Zeugnis gefunden wurde, liegen für die an Magnus II. sogar vier vor. Zwar können sie sich in puncto Ausführlichkeit nicht mit dem detaillierten Bericht messen, den der niederrheinische Kuriale und Frühhumanist Arnold Heymerick (vor 1424–1491) in Dialogform über die 1489 in der Stadt Kleve erfolgte Verleihung an Herzog Johann II. von Kleve (1458–1521) verfasst hat,[38] doch bieten auch jene Zeugnisse einige Informationen über die Beteiligten und den Verlauf des Zeremoniells.
Bei dem ersten Bericht handelt es sich um die früher so benannte „Reimchronik über die Rostocker Domhändel“.[39] Von der neueren Forschung wird sie wegen ihrer zwar metrischen Gebundenheit, aber auch „markant ausgeprägten argumentativ-deutenden Themenentfaltung“ dem Typus der „Reimrede“ zugeordnet.[40] Sie findet sich an erster Stelle zusammen mit zwei weiteren belehrend-politischen Reimreden – zum sogenannten Sternberger Hostienfrevel (1492) und zur Schlacht bei Hemmingstedt (1500) – auf den letzten Seiten der Handschrift mit der „Mecklenburgischen Reimchronik“ des Ernst von Kirchberg aus dem Ende des 14. Jahrhunderts, die zum Buchbesitz der Herzöge von Mecklenburg gehörte.[41] Die drei Reimreden sind mit einer gemeinsamen Vorrede versehen und auf Mittelniederdeutsch geschrieben. Aus der Vorrede geht hervor, dass sie von ihrem Verfasser zuerst auf Latein verfasst worden waren, dann übersetzt und dem mecklenburgischen Fürstenhaus gewidmet wurden.[42] Während die lateinischen Textvorlagen für die beiden letzteren Reimreden bekannt sind, konnte für die erste Reimrede über die Rostocker Domfehde noch keine nachgewiesen werden. Als Verfasser der lateinischen Gedichte wie auch ihrer Übertragungen ins Mittelniederdeutsche ist demnach der humanistische Theologe Heinrich Boger († 1505) anzusehen.[43] Boger, der in Erfurt studiert hatte und in Italien zum Doktor der Theologie promoviert worden war, kam 1499 nach Rostock und erhielt dank der Gunst der Herzöge Magnus II. und Balthasar eine Chorherrenpfründe am dortigen St. Jakobistift und eine weitere an der Kollegiatkirche in Güstrow. Auf seiner letzten Italienreise (1502–1504), die er als Begleiter Herzog Erichs von Mecklenburg (1483–1508) unternahm, wurde er von Kaiser Maximilian I. (1459–1519) zum Poeta laureatus gekrönt.[44] Er verfügte folglich von mehreren Seiten über Informationen zur Domfehde und bezog in seinen Dichtungen stets für die Herzöge Position. Das wird auch in seiner Reimrede über die Domhändel deutlich, in der er die Romreise Magnusʼ II. feiert, die der Herzog „aus edlem Stamme“ 1486 zusammen mit dem Bischof von Ratzeburg, Johannes Parkentin, unternahm und in deren Nachgang Magnus die Goldene Rose erhielt. Mit einer großen Schar von Geistlichen und Adligen habe der Herzog viele Gefahren mutig überwunden. Der römischen Kurie sei er willkommen gewesen, habe die höchsten Würdenträger in ihren Palazzi besucht und sei umgekehrt auch von ihnen beehrt worden. Fast jeden Tag sei er beim Papst gewesen, so lange bis er seinen Willen erlangt und den Segen des Papstes empfangen habe. Auch die Rückreise sei gefahrvoll, aber erfolgreich verlaufen. Als Magnus beim Papst war, habe ihm dieser die Goldene Rose zugesagt und sie ihm am Sonntag Laetare (1487) auch verliehen. Ein Archidiakon von Waren habe sie ihm zusammen mit einer schönen Bulle zur Bestätigung des Kollegiatstiftes überbracht.[45]
Der zweite Bericht stammt aus der Feder des Lübecker Chronisten und lutherischen Theologen Reimar Kock (1500–1569). Der Sohn eines Paternostermachers in Wismar hatte ein bewegtes Leben hinter sich, bevor er sich auf das Schreiben der Geschichte verlegte. Im Alter von 16 Jahren immatrikulierte er sich in die Rostocker Universität, um 1522 lebte er am Hof der pommerschen Herzöge in Stettin, wenig später als Mönch im Franziskanerkloster in Schwerin, aus dem er spätestens 1527 in das Katharinenkloster in Lübeck übertrat. Nach der Reformation in Lübeck 1530 war er an der dortigen Petrikirche als Prediger tätig, 1532–1535 als Schiffsprediger auf Lübecker Kriegsschiffen. Ab 1554 wirkte er als Pastor an der Petrikirche. Den ersten, bis zum Jahr 1438 reichenden Teil seiner „Chronica der Vornehmesten Geschichten und Händeln der kayserlichen Stadt Lübeck und erer Vorwandten“ widmete er 1549 dem Lübecker Rat. In drei Fortsetzungen führte er die Chronik zuerst bis 1499, dann bis 1549 und schließlich bis 1565 fort.[46] Die Schilderung des Empfangs der Rose am Fronleichnamstag 1487 (14. Juni), als sich Vertreter der Stadt Rostock und Herzog Magnus II. bei Grevesmühlen zum Zweck der Versöhnung trafen, ist in der zweiten Fortsetzung seiner Chronik enthalten.
Am Fronleichnamstag seien beide Parteien zu Grevesmühlen zusammengekommen, und da man an diesem Tag die geweihte Hostie „umher zu schleppen pflegte“, habe Herzog Magnus neben dem Sakrament zugleich auch die Goldene Rose umhertragen lassen. Sie sei ihm vom Papst gemäß seiner Verheißung durch einen bedeutenden Prälaten namens Reimar Hahn übersandt worden. Diese Rose hätten die einfachen Leute, wie Kock erläutert, ja ebenso hoch gewürdigt und verehrt wie die geweihte Hostie, weil der Papst sie zu Rom, in der Kirche S. Croce in Gerusalemme, auf dem Altar mit wohlriechendem, zerriebenem Balsam, Messe, Weihwasser und anderen wohlriechenden Kräutern und Gewürzen durch abergläubische Gebete und Segen in zauberischer Weise am Rosensonntag oder Dominica Laetare nach seiner Gewohnheit geweiht und sie Herzog Magnus als einem mächtigen Magnaten und großen Förderer der römischen Kirche mit einem lateinischen Epigramm zugeschickt habe.[47]
Die polemischen Seitenhiebe gegen den katholischen Ritus und das Papsttum erweisen Kock als glühenden Lutheraner und zugleich Kenner der altkirchlichen Liturgie, der in aufklärerischer Absicht schreibt. So zeigt er sich mit den Handlungen, die zur Segnung der Goldenen Rose gehören, wohlvertraut, und trotz der herabsetzenden Wortwahl bleibt die feierliche Prozession, bei der die Goldene Rose zusammen mit dem Venerabile durch die Stadt getragen wurde, durchaus erkennbar. Offensichtlich hatte der Herzog damit versucht, die aufständischen Rostocker zu beeindrucken. Das von Kock wiedergegebene Epigramm belegt, dass Reimar Hahn neben der Rose auch ein Schreiben mit einem möglicherweise selbst verfassten, elegischen Distichon übergeben hat. Es beginnt zwar wie die päpstliche Verleihungsformel,[48] wurde aber der Gelegenheit angepasst und enthält darüber hinaus mehrere humanistisch anmutende Anspielungen auf die antike Mythologie.
Durch Kocks Information, dass der Überbringer des päpstlichen Ehrengeschenks Reimar Hahn († 1518) war, wird die Angabe der Reimrede, dass es sich um einen Archidiakon von Waren handelte, auf willkommene Weise ergänzt. Der Sohn des Ritters Nicolaus Hahn war 1470–1518 Kanoniker, 1508–1518 Propst am Schweriner Dom und 1483–1518 Archidiakon von Waren.[49] Reimar Kock gibt an, dass er ihn persönlich gekannt hat: „Reimar Hane, den ick gekandt“.[50] Kock empfing seine Informationen demnach aus erster Hand.
Den dritten und vierten Bericht über die Verleihung der Goldenen Rose an Magnus II. liefert der aus Thüringen stammende lateinische und griechische Philologe, Jurist und Geschichtsschreiber Nikolaus Marschalk (um 1470–1525). Der „Universität Erfurt hervorragendster Frühhumanist und ihr erster originaler Vertreter der Hochrenaissance“ hatte an den Universitäten Löwen, Erfurt und Wittenberg studiert, bevor er ein Angebot des Kurfürsten Joachim I. von Brandenburg (1484–1535), an der künftigen Universität in Frankfurt an der Oder erster Jurist zu werden, ausschlug und stattdessen 1505 als Rat und Kanzler in die Dienste des Herzogs von Mecklenburg trat.[51] In seinen 1521 im Selbstverlag gedruckten „Annales Herulorum ac Vandalorum“, einer Geschichte der Mecklenburger Fürstendynastie von mythischen Anfängen bis in seine Zeit, berichtet Marschalk folgendes: „Zwey mahl reisete er (Magnus II.) mit vielen Vornehmen nach Rom, und zwar einmahl zur Zeit des Pabsts Sixti des Vierten, von welchem, und dann von der Väter Versammlung er mit sonderbahrer Ehrerweisung angenommen und allen andern dergestalt fürgezogen ward, dass er öffentlich in der Fasten mit der güldenen Rose beschencket worden …“.[52] Die inhaltlichen Ähnlichkeiten legen nahe, dass hierfür Heinrich Bogers oben erwähnte Reimrede als Vorlage gedient hat.[53] Magnusʼ erster Rombesuch erfolgte bereits 1471, auf der Rückreise von einer Pilgerreise nach Jerusalem, die er noch als Prinz mit seinem Bruder Balthasar und dem regierenden Herzog Ulrich II. von Mecklenburg (vor 1428–1471) unternommen hatte.[54] Die Erwähnung der zwei Romreisen und die Verwechslung von Innozenz VIII. mit Sixtus IV. dürften der Ausgangspunkt für die jahrhundertelang tradierte Annahme sein, dass Magnus sowohl 1484 als auch 1486 in Rom weilte.[55] Nicht nur hier erweist sich Marschalk als „nicht gerade kritischer Historiograph“.[56]
Der vierte und letzte Bericht findet sich ebenfalls zuerst in Marschalks „Annales“. Im gleichen Abschnitt, in dem er von Herzog Magnus II. handelt, gibt er auch den in Distichen verfassten Text des Epitaphs für den 1503 verstorbenen Empfänger der Goldenen Rose wieder. Gleich zu Beginn heißt es darin, dass Magnus sich zweimal, nach vorn gebeugt, in der apostolischen Aula des Papstes gezeigt habe, der ihm die ewige Rose verlieh, „das geweihte Goldblättchen der Könige“.[57] Marschalk weist selbst darauf hin, dass der Friese Dietrich Ulsenius (Dirk van Ulsen, um 1460–1508), ein ausgezeichneter Arzt und Poeta laureatus, der mit ihm zusammen unter Magnusʼ Söhnen diente, das Grab des Herzogs durch ein Gedicht erleuchtet habe.[58] Ulsenius, der aus Zwolle stammte und seine medizinische Bildung wahrscheinlich in Italien erwarb, lehrte an den Universitäten Mainz (1502–1504) und Freiburg (1504) Medizin. Vor der Jahrhundertwende war er Stadtphysikus in Nürnberg, ab 1505 Arzt in Lübeck und ab 1507 Leibarzt der Herzöge von Mecklenburg. Zwar ist nicht bekannt, wann und wo er den Dichterlorbeer empfing, doch als humanistischer Poet war Ulsenius bereits 1496 mit einem 100 lateinische Verse umfassenden Gedicht über die Syphilis in Erscheinung getreten, das er in Nürnberg als „Flugschrift“ drucken ließ.[59]
Über den Verbleib der Goldenen Rose, die Magnus II. erhielt, ist bislang nichts bekannt. Nach der Reformation in Mecklenburg verlor die Rose ihre spirituelle Bedeutung und ihren Charakter als wertvolles Kultobjekt, so dass sie möglicherweise eingeschmolzen wurde.[60] Als vorheriger Aufbewahrungsort kommen entweder die Schlosskapelle in Schwerin oder der dortige Dom oder die Heilig-Blut-Kapelle des Kollegiatstifts in Güstrow in Frage. Darauf deuten drei Privilegienbriefe hin, die Magnus während seines Aufenthaltes in Rom, am 31. März 1486, von Innozenz VIII. zugunsten der drei Kirchen erhielt, wobei einer für die beiden Schweriner Kirchen und zwei für das Güstrower Stift bestimmt waren.[61] Den Akten der päpstlichen Kammer ist zu entnehmen, dass die Rose von dem Florentiner Goldschmied Jacopo Magnolino angefertigt wurde. Am 19. März 1487 wurden ihm von der Kammer 220 Gulden für Material und Fertigung der Rose des vergangenen Jahres gezahlt, davon 200 Gulden für 11 ½ Unzen Feingold und 20 Gulden für die Herstellung. Am gleichen Tag rechnete man mit ihm auch den erfüllten Auftrag für das laufende Jahr zu den gleichen Bedingungen ab.[62] Der gezahlte Betrag liegt an der oberen Grenze der Beträge, die im 15. Jahrhundert für die Anfertigung Goldener Rosen bei Goldschmieden in Florenz gezahlt wurden.[63] Wie die Rose für Magnus ausgesehen haben mag, kann man sich in etwa anhand der ältesten erhaltenen Exemplare verdeutlichen, die im Musée de Cluny in Paris[64] und im Palazzo Publico in Siena aufbewahrt werden.[65]
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