Zusammenfassung
In diesem Aufsatz wird die militärische Jugenderziehung vor dem und im Ersten Weltkrieg untersucht. Die dabei eingenommene institutionenhistorische Perspektive misst Ideen und Strukturfragen dieselbe Bedeutung bei wie Wahrnehmungsweisen und internationalen Zusammenhängen. Im Blickpunkt stehen die Verhältnisse in Deutschland und der österreichischen Reichshälfte der Habsburgermonarchie. Anhand von zeitgenössischem Schrifttum, einschlägigem Liedgut, administrativem Aktenmaterial und Selbstzeugnissen kann sodann deutlich gemacht werden, dass eine forcierte militärische Jugenderziehung – einschließlich ihrer Schwierigkeiten und Gegner – ein internationales Phänomen des frühen 20. Jahrhunderts bildete. Nach 1914 versuchten Deutsche und Österreicher, ein spezielles Modell von Jugendkompagnien (Jugendwehren) zu installieren, das auf umfassenden Anspruch, Freiwilligkeit und staatliche Organisation setzte. Ihre Erfolge hatten klare Grenzen, fielen aber beachtlicher aus, als die gängige Literatur meint.
I. Einleitung
Welchen Anteil hat soziale Militarisierung – verstanden als ein Prozess, in dem sich die »Geistesverfassung des Nichtmilitärs« militärischen Werten und Denkformen unterordnete[1] – an Entstehung und Verlauf des Ersten Weltkrieges? Wie speziell gestaltete sich diese in Deutschland? Vor allem durch den Bedeutungsverlust des Sonderwegs-Paradigmas besitzen solche Fragen offenbar lediglich noch eine untergeordnete Relevanz. Begriffe wie »Kriegsmentalität«[2] oder »Kriegserziehung«[3] scheinen einer anderen Zeit anzugehören. In Jürgen Osterhammels voluminöser Geschichte des 19. Jahrhunderts werden »Militarismus« und »Militarisierung« auf wenigen Seiten vor allem als Phänomen der internationalen Mächtepolitik betrachtet.[4] Bei Christopher Clarks »Schlafwandlern«, einem viel gelesenen Werk zur Vorgeschichte des Ersten Weltkrieges, kommt »Militarismus« nicht einmal mehr als Stichwort vor.[5] Zu überzeugend erscheinen die Ergebnisse international vergleichender beziehungsweise nationale Grenzen überschreitender Studien, die eine besonders ausgeprägte Militarisierung der deutschen Gesellschaft zwischen 1871 und 1918 nicht feststellen können.[6] Gleichwohl entfalten die traditionellen Deutungen bis heute ihre Wirksamkeit. Dass »der staatlich geförderte ›Militarismus‹ ein Hauptkennzeichen« des wilhelminischen Deutschland darstellte[7] und eine derart »mit Gewalt imprägnierte Gesellschaft auch eine Eigendynamik entfalten konnte, dass sie vielleicht sogar so etwas wie ein Treibhaus für Katastrophen darstellte«,[8] bleibt eine einflussreiche Lesart der Geschichte des Ersten Weltkrieges. Gerade in kritischer Auseinandersetzung mit den Thesen Christopher Clarks wurde an die jahrzehntelange »Erziehung für Verdun«, das heißt ein »perfide[s] System der mentalen Militarisierung« erinnert.[9] Auch die darauf aufbauende These, dass »der deutsche Militarismus den Humus für die europaweiten Hegemonialansprüche des Deutschen Reiches und somit für die Entstehung der beiden Weltkriege« bildete, ist keineswegs aus der Welt.[10]
Vor diesem Hintergrund mutet eine Analyse militärischer Jugenderziehung vor und im Ersten Weltkrieg besonders vielversprechend an, wenn sie eine erweiterte institutionenhistorische Perspektive einnimmt, also
intentionales Handeln und Strukturfragen ebenso einbezieht wie Wahrnehmungsweisen und Prägungen
das deutsche Beispiel besonders tiefgehend behandelt und dieses zugleich konsequent in transnationale Entwicklungen einbettet.
Das Thema »Jugend und Paramilitarismus«, das sich auf den schulischen Turnunterricht und die Ausbildung in Jugendkompagnien fokussieren lässt, besaß zwischen 1890 und 1918 in besonderer Weise eine internationale Dimension. Der Bogen lässt sich leicht schlagen vom Militärturnen und den Kadettencorps der Schweiz über die bataillons scolaires und die sociétés de préparation militaire in Frankreich, die Cadets, Boy’s Brigades und Boy Scouts in Großbritannien bis zu den Jugendwehrvereinen in Deutschland, die seit 1911 im »Jungdeutschlandbund« zusammengefasst waren. Dessen ungeachtet ist militärische Jugenderziehung grundsätzlich wenig untersucht worden. In allgemeinen Studien zum Militarismus kommen die Bemühungen, Jugendliche im Rahmen von Schule und/oder Jugendkompagnien militärisch vorzubilden, im Regelfall gar nicht oder nur am Rande vor. Dass ein zentraler Quellenband zum Themenkontext lediglich drei kurze Quellen bereithält, kann durchaus als exemplarisch gelten.[11] Darüber hinaus sind die wenigen deutschen Spezialstudien vor mehr als zwei Jahrzehnten verfasst worden und eng mit der Sonderwegs-Interpretation verbunden. Die einzige einschlägige Monografie von Christoph Schuber-Weller lässt beispielsweise keinen Zweifel daran, dass »die Militarisierung der männlichen Jugend seit 1890 [...] Vorgeschichte der Hitler-Jugend« ist.[12] Zugleich stützt sich Schubert-Weller stark auf zeitgenössische Zeitschriften und Literatur, eine systematische, regionalen Unterschieden Rechnung tragende Archivrecherche liegt seiner Studie nicht zugrunde, Selbstzeugnisse werden nicht herangezogen. Gleiches gilt für die instruktiven Studien von Klaus Saul, die um Preußen kreisen.[13] Es existieren keine international vergleichenden beziehungsweise transnationalen Arbeiten zur militärischen Jugenderziehung, und überdies werden Vorkriegs‑ und Kriegszeit auch in den vorhandenen nationalgeschichtlichen Darstellungen für gewöhnlich nicht im Zusammenhang betrachtet. Insbesondere die Jahre 1914 bis 1918, als alle kriegführenden Staaten enorme Anstrengungen auf dem Feld der militärischen Jugenderziehung auf sich nahmen, spielen in der Gesamtschau erstaunlicherweise lediglich eine untergeordnete Rolle. Eine Ausnahme bildet neben der Studie von Schubert-Weller die Monografie von Hans Jürgen Ostler zu Zisleithanien, die freilich randständig erschienen ist und ebenfalls die erfahrungsgeschichtliche Dimension völlig ausblendet.[14]
Diese unzulängliche Auseinandersetzung mit dem Thema der militärischen Jugenderziehung mutet umso bedauerlicher an, als ohne Verständnis ihrer Inhalte, Formen und Wirkungen wenig fundiert über Quantität und Qualität von Sozialmilitarismus gesprochen werden kann. Wer mithin nach der Relevanz des Militärischen im Zivilleben fragt, wird dem Bereich der Erziehung – allgemein verstanden als Versuch, der nachfolgenden Generation Wertvorstellungen und Verhaltensnormen einer Gesellschaft zu vermitteln – besonderes Gewicht beimessen müssen.
Hier soll im Folgenden angeknüpft und die militärische Jugenderziehung in Deutschland zwischen 1890 und 1918 in größtmöglicher Breite ausgeleuchtet werden: Welche Erwartungen verbanden sich mit ihr? Wie war sie organisiert? Was kennzeichnete ihren Alltag? Wie wurde ihr (Dys-)Funktionieren wahrgenommen? Welche Folgen zeitigte sie? Wie spezifisch ist der deutsche Fall? Der Analysezugriff entspricht den Maßgaben einer kulturwissenschaftlich erweiterten Institutionengeschichte, die a) Ideen (geistige Traditionen, Werte und Ziele), b) Organisationsfragen (Einrichtungen, Abläufe, Probleme) sowie c) Erfahrungen[15] (Alltagspraxis, eigene und äußere Wahrnehmung, Prägungen) betrachtet. Der Aufsatz sieht sich als Initiative und möchte einer transnationalen Geschichte der militärischen Jugenderziehung vor und nach 1914 den Weg ebnen.[16] Deshalb betrachtet er die Verhältnisse in Deutschland sowohl in regionaler Tiefenschau als auch im internationalen Zusammenhang. Das Quellenfundament ist entsprechend breit zusammengestellt. Dazu gehören zunächst das zeitgenössische Schrifttum, vor allem von Vordenkern, Experten und Gegnern der militärischen Jugenderziehung, aber auch Praxisanleitungen, Schulungshefte sowie einschlägige Gedicht- und Liedsammlungen, sodann administratives Aktenmaterial aus verschiedenen Regionalarchiven und nicht zuletzt Selbstzeugnisse. Diese werden verstanden als Resonanzraum gesellschaftlicher Einflüsse auf das Wahrnehmungsspektrum des schreibenden Individuums und umfassen Feldpostbriefe und ‑karten, Tagebücher sowie Erinnerungen.[17]
II. Militärische Jugenderziehung im Frieden
1. Voraussetzungen
Im Laufe des 19. Jahrhunderts gewann ein Familienmodell eine dominante Stellung, das Kindheit als schützenswerten Sonderraum menschlichen Daseins und Erziehungshandeln vornehmlich als die Bereitstellung normativer Brücken in die Erwachsenenwelt imaginierte. Entsprechend boomte der Markt für Erziehungsratgeber, Kinderliteratur und Spielzeug, die Pädagogik avancierte zur Leitwissenschaft, die Kindermedizin nahm einen gewaltigen Aufschwung.[18] Familienbeziehungen sollten stärker durch Intimität und Emotionalität getragen werden, erstmals gab es breite Diskurse über die Legitimation von Gewalt gegen Kinder, insbesondere Züchtigung, Kinderarbeit und sexuellen Missbrauch betreffend. Die neuen Ideale konnten jedoch nur ansatzweise Wirksamkeit entfalten[19]: 1912 nahm das Strafrecht zum Beispiel den Begriff der Kindesmisshandlung auf, Kinder wurden als Zeugen vor Gericht zugelassen. Ihre Aussagen betrachteten die Richter jedoch prinzipiell mit großem Misstrauen, nicht selten suchten sie die Schuld bei den Opfern. Grundsätzlich blieben Kinder mit einem System »eiserner Härte« konfrontiert. So schuldeten sie dem Lehrer, dem Ausbilder oder den Eltern »Zuverlässigkeit und strenge[n] Gehorsam«,[20] ansonsten drohten harte Sanktionen. Körperliche Züchtigungen gehörten für viele Kinder zum Alltag.[21]
Für die Kinder der Jahrhundertwende, die in ausnehmender Weise zwischen Fortschrittsoptimismus und Kulturpessimismus oszillierten, wurde eine »janusköpfige Zeitheimat« zwischen großer Fürsorge und obligatorischer Härte besonders prägend.[22] Nie zuvor hatte es so viele Kinder gegeben (im Jahre 1910 waren über 22 Millionen Deutsche, also mehr als ein Drittel der Gesamtbevölkerung, jünger als 14 Jahre),[23] und entsprechend der Proklamation eines »Jahrhunderts des Kindes«[24] wurden jungen Menschen so große Freiräume wie nie zuvor zugestanden, was etwa die Entstehung einer ersten Jugendbewegung wesentlich beförderte. Die aus Kritik an den Begleiterscheinungen des industriellen Fortschritts entstandenen »Wandervögel« – sie organisierten um 1914 in Deutschland etwa 60 000 junge Menschen – waren einer ihrer bedeutendsten Ausflüsse.[25] Das Credo »Wer die Jugend hat, der hat die Zukunft«[26] bedingte aber fast zwangsläufig unterschiedliche Verhaltensweisen. So paarte sich die Hoffnung mit einem großen Misstrauen. Wenn die Jugend die Zukunft des Staates darstellte, konnte sie eben auch seinen Niedergang bewerkstelligen. Besonders aufmerksam wurde zum Beispiel auf die zunehmende Zahl jugendlicher Arbeiter geschaut,[27] die über eigenes Geld verfügten, eine spezielle Freizeitkultur und eine besondere Affinität zu den »vaterlandslosen Gesellen« der Sozialdemokratie entwickelt hatten. Ein Militär formulierte prägnant:
»Es sind die sechs Jahre zwischen der Erziehung im Vaterhaus und der Schule einerseits und der Armee andererseits tatsächlich die gefährlichste und verantwortungsreichste Zeit, die es im Menschenleben gibt, wo die jungen Leute zu leicht und zu gern den Respekt vor der Autorität verlieren und gewissenlosen Einflüssen am ehesten preisgegeben sind. Unsere Jugend ist da in schwerer Gefahr, verloren zu gehen, und geht sie erst verloren, dann mit ihr unsere Hoffnung, das Wohl und die Zukunft des Vaterlandes.«[28]
Dieser sorgenvolle Blick auf die berufstätige Jugend »zwischen Volksschule und Kaserne«[29] trug wesentlich zur »Erfindung des Jugendlichen«[30] bei. Das Jugendalter erschien mithin fortan als eigenständige, freilich auch delinquenzverdächtige Zeit, die seitens der Erwachsenen spezieller Anteilnahme und zugleich besonderer Wachsamkeit bedurfte. Jungen standen dabei im Fokus, zum einen wegen des überkommenen Patriarchalismus, zum anderen, weil sich dieser u. a. durch die stärker werdende Frauenbewegung bedroht sah und umso energischer um seine hegemoniale Stellung rang.[31] In diesem Sinne wurde der Staat bei der »battle for youth« aktiv, wobei er Fürsorge‑, Kontroll‑ und Lenkungsmaßnahmen kombinierte:[32] Die berufliche Bildung wurde beispielsweise ausgebaut, die Schaffung sowohl von Jugendämtern als auch von Freizeiteinrichtungen für Jugendliche vorangetrieben. In etlichen europäischen Staaten konnte ein Minderjähriger fortan nicht nur wegen einer Straftat, sondern auch bei einer angeblichen »sozialen Verwahrlosung« in ein Heim eingewiesen werden. Des Weiteren sollte eine aktive Jugendpolitik nicht länger bevorzugte Angelegenheit konfessioneller Verbände sein und schon gar nicht den Organisationen der Arbeiterbewegung überlassen werden. So legte der deutsche Staat – zunächst in Preußen, die meisten anderen Länder folgten – seit 1911 ein umfangreiches Programm der Jugendpflege auf, das auf die staatliche Unterstützung freier Träger gründete, im Wesentlichen Jungen ansprach und finanziell großzügig ausgestattet war. Das Angebot sollte parteipolitisch neutral alle Schichten der Bevölkerung ansprechen, ausdrücklich auch die Arbeiterjugend. Eine Förderung erhielten gleichwohl beziehungsweise gerade deswegen vor allem Projekte, die eine »Erziehung im vaterländischen Geiste zu fördern bereit und in der Lage« waren.[33]
2. Der Wehrgedanke
Unterstützung gewährte die staatliche Jugendwohlfahrtspflege verschiedensten Projekten und Vereinen. Insbesondere in ländlichen Regionen waren dies vor allem oder ausschließlich konfessionelle Organisationen, hinzu kamen oft Turnvereine. Sehr stark vertreten waren indes auch Jugendwehrvereine, deren Tradition, zum Beispiel in Süddeutschland, auf die Zeit vor der Gründung des Deutschen Reiches zurückging, die aber seit der Jahrhundertwende mit anderer Zielrichtung an vielen Orten ins Leben gerufen worden waren: Verflüchtigt hatte sich der Geist von Bürgerwehren, die als Konkurrenz zum regulären Heer gedacht waren. Stattdessen ging es um die Erziehung zu Vaterlandstreue und die Wehrhaftigkeit des Staates – in Zeiten, in denen militärische Konflikte nicht mehr als Kabinetts-, sondern als moderne »Volkskriege« imaginiert wurden, die sich nur noch bedingt obrigkeitlich lenken und kanalisieren ließen.[34] Insbesondere der »Nachwuchs der produzierenden Stände« war durch die Wehrvereine wunschgemäß zu »Glaube, Vaterlandsliebe, Kaisertreue und Ritterlichkeit« zu erziehen und vor »Verrohung und Verwahrlosung« zu bewahren.[35] Damit verstanden ihre Fürsprecher die Jugendwehrvereine als Komplementärelement zu den Bemühungen, die in der Schule und namentlich im Turnunterricht »bereits zur Verfügung stehenden Erziehungsmittel, die sich zur Förderung der Wehrkraft eignen, noch nachhaltiger und tiefgreifender zu verwenden«.[36]
Eine besondere Dringlichkeit erkannten die Vordenker einer verstärkten militärischen Jugenderziehung angesichts der Entwicklungen jenseits der eigenen Landesgrenzen. Sie meinten zu erkennen, dass »in allen Völkerschaften Europas eine großartige, mächtig flutende Bewegung eingesetzt hat, [...] die Jugend frühzeitig mit ihrer späteren Wehrpflicht vertraut zu machen«.[37] Immer wieder verwiesen sie zum Beispiel auf Italien, wo es für militärische Jugenderziehung eine eigene, dem Kriegsministerium angegliederte Behörde gab: den »Zentralausschuss für nationales Schießwesen und körperliche Ausbildung«, der seit 1906 alle auf die Wehrhaftmachung der Jugend gerichteten Bestrebungen koordinierte. Mindestens so häufig wurde auf die Schweiz gezeigt, wo die Schulen traditionell verpflichtet waren, »die männliche Jugend vom 10. Altersjahr bis zum Austritt aus der Primarschule [...] durch einen angemessenen Turnunterricht auf den Militärdienst vor[zu]bereiten und vom Austritt aus der Schule bis zum zwanzigsten Altersjahr weiterhin auf den Militärdienst vorbereitenden Turnunterricht« zu erteilen.[38] Zudem waren hier militärische Übungen der Schülerschaft omnipräsent und je nach Kanton fakultativ oder sogar obligatorisch.[39] Noch stärkeres Interesse als das Milizsystem der Schweiz fand in Deutschland der Umstand, dass sich die Großmacht Frankreich in mancher Hinsicht am schweizerischen Modell der militärischen Jugenderziehung orientierte.[40] Der spätere Generalfeldmarschall Colmar Freiherr von der Goltz Pascha beispielsweise forderte schon seit Ende der 1870er Jahre immer wieder eine konsequente Orientierung an der französischen Praxis, da diese zu einer »ansehnlichen Vermehrung der kriegerischen Kraft und Tüchtigkeit« im westlichen Nachbarland geführt habe.[41] Große Beachtung hatten bei ihm und vielen anderen die 1882 eingerichteten und von den Kommunen getragenen bataillons scolaires gefunden, deren Ziel die paramilitärische Ausbildung für Jungen im Alter von 12 bis 15 Jahren war. Die uniformierten Schülerbataillone übten unter der Aufsicht von Armeeoffizieren, zumeist sonntags, zum Beispiel das Exerzieren und Nahkampftechniken mit Holzwaffen.[42] Allgemein wurde goutiert, wie eng Jugend und Militär in Frankreich verbunden waren und dass eine freiwillige Vorbereitung auf den Militärdienst dort zur gängigen Erwartungshaltung gehörte. Den Angelpunkt bildete dabei seit 1903 das brevet d’aptitude militaire – ein militärisches Befähigungszeugnis, das beim späteren Militärdienst die Wahl der Waffe und des Truppenteils sowie eine Bevorzugung bei der Ernennung zum Gefreiten und Unteroffizier ermöglichte. Darauf bereiteten u. a. die etwa 300 000 Mitglieder starken Turnvereine vor, an deren Spitze oft Militärangehörige standen, die Schießgesellschaften für Schüler und Schulabsolventen (sociétés scolaires et postscolaires de tir), die seit 1893 existierten und bei Kriegsbeginn ebenfalls über 300 000 Mitglieder verfügten, sowie die seit 1882 ins Leben gerufenen »Gesellschaften zur Verbreitung militärischer Kenntnisse und Fertigkeiten« (sociétés de préparation militaire), die privat finanziert waren, aber dem Militär unterstanden, vor allem Jugendliche ansprachen und deren Mitgliederzahl 1913 bei etwa 540 000 lag.[43] Ebenso skeptisch wie fasziniert blickte man in Deutschland überdies nach Großbritannien, das keine allgemeine Wehrpflicht kannte und wo in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine Reihe von uniformierten Jugendorganisationen entstanden. Eine erste Gruppe bildeten die Vereinigungen, die vom Militär kontrolliert wurden. Einige Matrosen, die am Krimkrieg teilgenommen hatten, hatten 1856 die Whistable Brigade ins Leben gerufen und damit den Nukleus der späteren Boy’s Naval Brigade (Sea cadet Corps) geschaffen. Vor allem aus Furcht vor einer französischen Invasion war zudem 1859/60 ein Freiwilligenkorps der Armee entstanden, dem sich einige Schulen mit Kadetteneinheiten anschlossen. Befördert durch steigende Bevölkerungszahlen erhielt diese Kadettenbewegung derartigen Zulauf, dass nach dem Ende des Burenkrieges knapp 100 Schuleinheiten bestanden, auch in bestimmten Berufen freiwillige Korps auf die Beine gestellt wurden und bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges etwa 40 000 Jugendliche Mitglied einer Kadetteneinheit waren.[44] Aber auch außerhalb unmittelbarer militärischer Kontrolle häuften sich in Großbritannien seit Ende des 19. Jahrhunderts die Gründungen von paramilitärischen Jugendorganisationen. Die 1883 in Glasgow geschaffenen Boy’s Brigades, eine kirchliche Organisation, die bei männlichen Jugendlichen mit Bibelstudium, Blasmusik, Drill und Körpertraining zu reüssieren versuchte, hatten als eine der größeren Vereinigungen beispielsweise über 50 000 Mitglieder und dabei nicht nur anglikanische, sondern auch katholische und sogar jüdische Abteilungen.[45] In Deutschland fanden die Boy’s Brigades ebenso zahlreiche Bewunderer wie kritische Beobachter.[46] Nicht minder galt dies für die Boy Scouts, die mit einem von General Robert Baden-Powell im Jahre 1907 organisierten Abenteuerlager ihren Anfang nahmen und sich binnen kürzester Zeit zu einer Massenbewegung von über 150 000 Mitgliedern entwickelten. Ihr Motto lautete Scouting is Serving, wobei ihr Dreifingergruß in emblematischer Weise Gott, König und Vaterland galt. Einschneidende Bedeutung besaß vor allem das staatliche Angebot, schon 12-jährigen Scouts im Rahmen eines Jugenddienstes eine militärische Laufbahn zu ermöglichen.[47]
So genau die Vorgänge im Ausland verfolgt wurden, so oft sie in einschlägigen Denkschriften und immer wieder auch in Zeitungsartikeln Erwähnung und kritische Kommentierung fanden, so deutlich verstärkten sich auch in Deutschland die Bemühungen, die militärische Jugenderziehung auf ein breiteres Fundament zu stellen. Wichtig war dabei das Wirken des 1911 von Goltz Pascha gegründeten, bald 750 000 Mitglieder starken »Jungdeutschlandbundes«, der es als seine Aufgabe betrachtete, »dem Zweig der Jugendpflege fördernd zu helfen, welcher durch planmässige [sic!] Leibesübungen die körperliche und sittliche Kräftigung der deutschen Jugend in vaterländischem Geiste anstrebt«.[48] Einen seiner größten Einzelverbände bildete der ebenfalls 1910/11 geschaffene »Bayerische Wehrkraftverein«, der schnell 9000 Mitglieder in 62 Ortsgruppen besaß. Die geförderten Vereine sollten prinzipiell Kinder und Jugendliche im Alter zwischen sieben und 21 Jahren erfassen, wobei die Gewinnung von Berufsschülern und jungen Arbeitern »ein Hauptanliegen« darstellte.[49] Geleitet wurden die Wehrvereine von Vertretern der bürgerlichen Eliten, die eng mit staatlichen Autoritäten verbunden waren.[50] Ungeachtet ihres Namens waren sie bestrebt, sich »militärischer Äußerlichkeit« zu enthalten.[51] Viel wichtiger erschien ihnen die »Stählung des Körpers, der Sinne und die Erweckung der moralischen Faktoren, die [...] wirklich nützliche Eigenschaften für den Militärdienst mitgeben« würden.[52] Nicht anders als die Boy’s Brigades oder die sociétés setzten die Wehrvereine auf eine Mischung aus militärischen und spielerischen Elementen, auf Ausbildung und Zerstreuung. Ein Treffen unter der Woche hatte häufig den Zweck, »durch Vorträge aus dem Gebiete der vaterländischen Geschichte, der Literatur und der Geografie sowie durch Vorlesen und Pflege der Musik auf die Jugend veredelnd einzuwirken«, während die Wochenenden bevorzugt »zu Märschen, Kriegsspielen und Pfadfinderübungen benutzt« wurden.[53] Schießen stand prinzipiell nicht auf der Agenda.
3. Ambivalenzen
Der ambivalente Charakter der Wehrvereine war wesentlich mit der Komplexität der Vorkriegsgesellschaften verbunden. Zweifelsohne kam dem Militär eine außerordentlich große Bedeutung zu: Soldaten waren im Alltag omnipräsent – sei es bei Paraden, Militärkonzerten oder Manövern. Kinderkleidung und Spielzeug spiegelten militärischen Habitus, Jugendliteratur feierte Soldaten, Feldherren und Seeoffiziere. Das Soldatenspielen gehörte fest zum Kinderalltag, und so manchem Jungen »schlug das Herz voll Verlangen, Soldat zu werden, besonders wenn [er] [...] Truppen unter klingendem Spiel stramm und froh einhermarschieren sah«.[54] In etlichen Staaten bestand eine mannigfaltige, etwa in Theater, Musik oder Festen manifest werdende Verbindung zwischen popular imperialism and the military.[55] In Zisleithanien repräsentierte allein der Österreichische Militärveteranen-Reichsbund im Jahre 1909 über 200 000 Mitglieder in 1400 Vereinen.[56] In Deutschland gab es gleichsam in jeder Ortschaft Kriegervereine, und die von ihnen in Erinnerung an den Sieg von 1870 veranstalteten Sedanfeiern hatten Volksfestcharakter.
Die Jugendwehrvereine besaßen vor diesem Hintergrund einerseits besonderes Prestige. Ihre oft aufwendig mit Konzerten, Theatervorführungen und Musikdarbietungen choreografierten Aufmärsche, Fahnenweihen oder Stiftungsfeste erfreuten sich stets reger Beteiligung der ansässigen Bevölkerung.[57] Andererseits sahen sie sich massiver Kritik ausgesetzt. Die Friedensbewegung verurteilte »entschieden die [...] pädagogisch äußerst bedenkliche Kriegsspielerei in Gruppen des Jungdeutschland-Bundes«.[58] Der sozialdemokratische »Verband jugendlicher Arbeiter« beklagte immer wieder lautstark, dass »der Staat [...] die Militärfrommheit und den blinden Gehorsam in seinen [...] Kapselschießvereinen« heranzüchte.[59] Selbst im bürgerlichen Lager hingen nicht wenige der Überzeugung an, dass »unser bürgerliches Leben von einem weiteren hereingreifen des von ihm in Zweck und Mitteln so grundverschiedenen kriegerischen Lebens möglichst freizuhalten« sei.[60] So mancher Angehörige der Jugendbewegung warf dem »Jungdeutschlandbund« »nationalistische Überhitzung« vor und dass er im Sinne eines »militärischen Absolutismus und völkischen Servilismus« erziehe.[61]
Der Erfolg der militärischen Jugenderziehung hatte in der Konsequenz klare Grenzen. Die deutliche Mehrheit der Jungen nahm nicht an ihr teil, Jugendwehrvereine wurden selten außerhalb der Großstädte gegründet, und vor allem gelang es anscheinend kaum, die eigentliche Zielgruppe, die schulentlassenen Arbeiterkinder beziehungsweise die Berufsschüler, zu erreichen.
Auffallend ist, dass die militärische Jugenderziehung auch mit diesen strukturellen Schwierigkeiten ein transnationales Phänomen bildete – was freilich im deutschen Diskurs weitgehend außen vor blieb. Für die Schweiz beispielsweise ist festzustellen, dass der verpflichtende Charakter der Schülerübungen mit der Zeit fast überall verloren ging, während sich Beschwerden über schlechte Ausrüstung und »Disziplinlosigkeit« häuften.[62] In Bezug auf die Militarisierung der französischen Jugend bestanden ebenfalls große Unterschiede zwischen urbanem und ländlichem Raum. So gab es 1886 in 38 von 87 Départements keine bataillons scolaires.[63] 1891 fand das System außerdem sein Ende, nachdem der französische General und Kriegsminister Georges Boulanger zwischen 1886 und 1890 eine bonapartistische Bewegung gegen die Republik angeführt hatte und die neue Regierung einstweilen die Existenz leidlich zu kontrollierender paramilitaristischer Organisationen verhindern wollte. Auch hinsichtlich des Wirkens der Vorbereitungsgesellschaften lässt sich etwa für das Jahr 1912 feststellen, dass lediglich in 4000 von 36 000 französischen Kommunen eine lokale Gruppierung bestand.[64] Die sociétés hatten mit Finanzierungsschwierigkeiten zu kämpfen, und ein Übriges tat »die frühzeitige Beeinflussung durch antimilitaristische Ideen«.[65] Sinnfälligerweise erhielten 1910 nicht einmal 6000 Jungen das brevet. In Großbritannien gestaltete sich die Situation einerseits wenig anders: Arbeiterkinder konnten die Kadettenorganisationen kaum gewinnen.[66] Das britische Militär bildete im Rahmen des berüchtigten Jugenddienstes vornehmlich Trommlerjungen aus, und es ist auffallend, dass dies 1914 gerade einmal 2500 Kinder waren. Kritik kam sowohl von pazifistischer Seite und der Labour Party als auch aus Kirchenkreisen. Als Gegenmodell zur Boy’s Brigade beispielsweise gründete im Jahre 1899 ein Reverend aus Nottingham die nicht-militaristische Boy’s Life Brigade.[67] Darüber hinaus ist andererseits das Spezifikum der britischen Freiwilligenarmee zu bedenken, die eine eminente Konkurrenz zu den Jugendorganisationen darstellte. Denn in beträchtlichem Maße zog sie Minderjährige – und zwar insbesondere aus sozial benachteiligten Schichten – an. 80 000 Soldaten, das heißt ein knappes Drittel der Armee, waren im Jahre 1914 jünger als 20 Jahre, 40 000 jünger als 18.[68] Viele logen über ihr Alter – selten wegen der Aussicht auf militärischen Ruhm, sondern vor allem aus materialistischen Gründen und mangelnden Perspektiven, wie es ein 17-Jähriger auf den Punkt brachte: »I’d like to join the army better than slogging down at the works for a few shillings a week.«[69]
In Anbetracht der kaum zu leugnenden Probleme dachten etliche europäische Regierungen, darunter besonders intensiv die preußische, in den letzten Friedensjahren über Zwang nach, das heißt eine pflichtmäßige militärische Jugendausbildung.[70] Zum Durchbruch kam es jedoch – vor allem wegen der ambivalenten Haltung zum Phänomen des Sozialmilitarismus – nirgends, und der Krieg schuf dann eine völlig neue Situation.
III. Militärische Jugenderziehung im Krieg
1. Idee(n)
Nach Kriegsausbruch wurde die militärische Erziehung der Jugend zu einem akuten Problem, dem sich kein kriegführender Staat entziehen konnte. So wurden etwa in Frankreich centres de préparations militaire gegründet, in denen das Ausbildungspersonal für den Sportunterricht geschult wurde.[71] In Großbritannien erkannte die Regierung schon am 10. August 1914 Pfadfinder und Jungbrigadisten offiziell als Hilfskräfte für staatliche Behörden oder Krankenhäuser an, allein bis Ende 1914 sollten diesem Ruf einige hunderttausend Jugendliche folgen. 15‑ bis 18-Jährige konnten Mitglied eines Scout Defence Corps werden, um das Land im Fall einer Invasion zu beschützen – »grouped in patrols, trained in rifle shooting, judging distance, signalling, pioneering, entrenching and drilling in accordance with infantery training methods«.[72] Bis Februar 1915 hatten immerhin circa 3300 Scouts von diesem Angebot Gebrauch gemacht. Etwa 1500 Pfadfinder und Boybrigadisten waren überdies als Küstenwachen für die Admiralität tätig und schließlich stieg die Zahl der Kadetten zumindest am Ende des Krieges enorm. 1918 lag sie wohl bei über 100 000. Dies war nicht zuletzt einer veränderten staatlichen Anwerbepolitik geschuldet. Lange Zeit hatte die Regierung lediglich an die Jugendvereine appelliert, mit der nationalen Kadettenorganisation zusammenzuarbeiten. Im vorletzten Kriegsjahr aber erhielten alle in der militärischen Jugenderziehung tätigen Vereine, also zum Beispiel die Boy Brigades, die konkrete Gelegenheit, sich selbst zu einer Kadettenorganisation zu erklären, wovon etwa ein Drittel Gebrauch machten.[73]
Die offenbar größten Mühen unternahmen Deutschland und ihm folgend die österreichische Reichshälfte der Habsburgermonarchie. Hier sollte die militärische Jugenderziehung nach 1914 von einer staatlich geförderten Privat‑ zu einer staatlichen Angelegenheit umgewandelt werden. Ausgehend von einem gemeinsamen Erlass dreier preußischer Ministerien (Kriegs‑, Innen‑ und Kultusministerium) vom 16. August 1914 institutionalisierten die deutschen Länder eine militärische Jugenderziehung, die das verwirklichen sollte, was der schwäbische Dichter Eduard Paulus schon im Jahre 1861 imaginiert hatte: »[d]ie ganze deutsche Jugend zu einer Jugendwehr« zusammenzuschließen.[74] Die österreichischen Behörden fassten im Juni 1915 ähnliche Beschlüsse. Zuvor hatten österreichische Militärs einschlägige Besichtigungsreisen nach Deutschland unternommen und dort an amtlichen Informationskursen teilgenommen.[75] Zugleich wurden sowohl in Zisleithanien als auch in Deutschland die internationalen Entwicklungen rege rezipiert und diskutiert. In kaum einer einschlägigen Publikation fehlten Verweise auf die fortschreitende Militarisierung in anderen kriegführenden Ländern und auch die Zeitungen griffen diese immer wieder auf. Besonders groß war die deutsche Sorge vor einem »Zusammenwirken der Boy-Scouts mit den Cadets der Art, daß jeder Junge bis etwa 16 Jahren im Geist der Scout erzogen würde und dann ein Kadett werde«.[76]
Um eine substanzielle Vorbereitung für den Kriegsdienst zu gewährleisten, wollte man in Deutschland daher die Jugend flächendeckend an militärischen Übungen teilnehmen lassen und sogenannte Jugendkompagnien (oder: Jugendwehren) einrichten. Das Interesse galt grundsätzlich allen Jungen, die das 16. Lebensjahr vollendet hatten, doch sollte »bei der Zulassung kräftiger junger Leute nicht pedantisch gerechnet werden«.[77] In bestimmten Regionen gab es sogar offiziell Jugendkompagnien für Jungen ab dem 13. Lebensjahr.[78] Formal galt das Prinzip der Freiwilligkeit, wobei immer wieder auf den Leitwert der »vaterländischen Ehre« rekurriert wurde, der im deutschen Fall vermutlich in den Kriegen gegen Napoleon erstmals Breitenwirkung entfaltet hatte. So wie damals sollten sich die jungen Leute das »Ehrenkleid der Nation« anziehen, bereit für den eventuellen Tod »auf dem Feld der Ehre«. Seit Jahrzehnten war die Jugend mit der Forderung aufgewachsen, »die Wohlfahrt und Ehre des Vaterlandes in allen Fragen« an die erste Stelle zu setzen. Jetzt sollte sie Taten folgen lassen. Denn – so hat es Max Weber formuliert – »um Ehre, nicht um Änderungen der Landkarte und des Wirtschaftsprofits [...] geht der deutsche Krieg«.[79]
Notwendig erschien eine staatlich geführte militärische Jugenderziehung, da die Vorkriegsorganisationen »sich nur auf geringe Bruchteile des Volkes« erstreckten. Die Verantwortlichen ließen keinen Zweifel daran, dass eine »Hauptaufgabe der Jugendwehr [...] die Vorbildung in den besonders militärisch einschlägigen Ausbildungszweigen« sei.[80] Immer wieder bekräftigten sie, aus den Jugendkompagnien Unteroffizierschulen zu befüllen, die Jugendlichen ab 16 Jahren eine umfassende militärische Ausbildung zuteilwerden lassen sollten.[81] Mitnichten sollte aber durch die Jugendkompagnien eine Armee von Kindersoldaten geschaffen werden. Zu wirkungsmächtig war die Vorstellung, dass »Kindheit« und »Jugend« schützenswerte, vom Erwachsenendasein zu separierende Sonderräume darstellten. Die Anstrengungen staatlicher Stellen richteten sich folglich darauf, die Vorkriegstradition zu beschwören und eine Art Hybrid zu beschreiben. So sollten die staatlichen Jugendkompagnien durchaus praktische militärische Instruktion betreiben, vor allem aber einem gleichsam ganzheitlichen Anspruch im Sinne der Persönlichkeitsbildung gerecht werden. Ziel war angeblich nicht die »Vorwegnahme der Rekrutenausbildung des Heeres«, sondern die »Förderung der körperlichen und sittlichen Kräfte der männlichen Jugend, zunächst zu Nutzen der einzelnen Person [...], sodann zur Hebung der gesamten Volkskraft und hierdurch mittelbar zur Stärkung der Wehrkraft«.[82] Große Mühen verwendeten staatliche Stellen darauf, sowohl den überkonfessionellen als auch den klassenübergreifenden Charakter der Jugendkompagnien zu akzentuieren. Dabei instrumentalisierten sie bestehende Männlichkeitsideale. Die Verpflichtung galt dem, was Robert Baden-Powell nach 1914 auch immer wieder für seine Boy Scouts reklamierte: »The Damoclesian sword of war ever hanging over a country has its value in keeping up the manliness of a people, in developing self-sacrificing heroism in its soldiers, in uniting classes, creeds, and parties.«[83] So sollte die militärische Jugenderziehung »Männer« hervorbringen, mithin »die Keime für Mannesehre und Manneswürde«[84] legen und eine »Erziehung zur kräftigen Männlichkeit«[85] vollführen. Die Männlichkeitsvorstellung gründete dabei auf eine spezifische Reinlichkeitsidee, Härte und Selbstverantwortung. »Jungmannen« hatten sich »eines soliden Lebenswandels [zu] befleißigen«. Sie sollten »ein freundliches und höfliches Betragen« zeigen, Rauchen und übermäßiger Alkoholgenuss waren ebenso verboten wie »wüste Reden«.[86] Wenn es darum ging, »[e]in tüchtiger, ein ganzer Mann« zu werden,[87] dann redeten Vorschriften und Propaganda von »Gehorsam« und »eiserne[r] Mannzucht«, sie forderten allerdings auch »denkende, zur Selbständigkeit erzogene Führer und selbsthandelnde Schützen«. Drill wurde in diesem Sinne ausdrücklich abgelehnt, die amtlichen Vorgaben verlangten, »die Kommandos [...] mit scharfer Betonung abzugeben, jedoch nicht lauter als der Zweck erfordert«.[88]
Entsprechend diesem intermediären Charakter war grundsätzlich keine einheitliche Uniform vorgesehen, wohl aber war es Jugendkompagnien gestattet, solche zu tragen. Prinzipiell trugen ihre Angehörigen eine Binde am Oberarm – die Leiter in den deutschen Reichs‑, die Jungmannen in den jeweiligen Landesfarben. Echte Waffen sollten die Jungen eigentlich nicht in die Hand bekommen. Allerdings bestand eine Kluft zwischen offiziellen Vorgaben und gelebter Praxis. Etliche Jugendkompagnien erschienen »vollständig mit Gewehren bewaffnet«, ohne dass rechtliche Konsequenzen folgten.[89] Außerdem gab es auch amtliche Ausnahmen bezüglich des Waffenverbots. Denn Jugendlichen, »die bisher mit Erfolg« an den Übungen teilgenommen hatten, sollte – so sah es eine Regelung vom Juni 1915 vor – »als Belohnung für den dargetanen Eifer die [...] Genehmigung erteilt werden, bei Schützen- oder Kriegervereinen Schießunterricht zu erhalten«.[90]
In einem offiziellen Schreiben versuchte der österreichische Minister für Landesverteidigung, den Hybridcharakter der Jugendkompagnien zu beschreiben:
»Nicht Soldatenspielerei, nicht unfruchtbare Spielerei mit Säbel und Gewehr, nicht der Geist des ›Habt Acht‹, nicht langweiliger geisttötender Drill und nicht die Kaserne sind es, die wir der Jugend aufoktroyieren wollen [...] Das, was wir [...] erstreben, liegt vornehmlich auf ethischem Gebiete: in der Pflege des Geistes, des Charakters sowie in der Pflege und Ertüchtigung des jugendlichen Körpers [...] Die Jugenderziehung liefere uns ganze Männer, die es verstehen, im harten Lebenskampfe durchzuhalten.«[91]
Gerade die fortwährenden Männlichkeitsbezüge zeigen allerdings, wie schwierig die Differenzierung und wie leicht dieser Substanzlosigkeit zu unterstellen war. Das soldatische Element schien doch zu dominieren. Denn:
Die jugendorientierte Propaganda für die militärische Ausbildung ging in eine andere Richtung als die Idealvorstellungen. So beförderten sowohl einschlägige Aufrufe als auch vor allem das umfangreiche propagandistische Liedgut, das für die Zwecke der militärischen Jugenderziehung verfasst wurde, die Vorstellung eines essenziellen Ersatzheeres: Die Texte feierten »das jüngste Regiment«, »ein neues Heer«, ja »das allergrößte Heer, das man auf Erden kennt«. Es wurde die nationale Tradition der »Befreiungskriege« beschworen (»Wir sind den Vätern gleich!«)[92] und der Einsatz »mit scharfem Schwert« für »Deutschland und den Kaiser« gefordert.[93] Wenn wieder »die Kriegesfackel brennt«, sollten die Jugendkompagnien »mit wucht’ger Hand gar scharfen Hieb und Streich« führen und »das liebe Vaterland [...] freiwillig bis zum Tod« beschützen.[94]
Die relevante Ausbildungsliteratur ließ keinen Zweifel am soldatischen Charakter der Jugendkompagnien. Relativ schnell wurde der Markt in den Jahren 1914/15 mit Ratgeberliteratur für die Leiter von Jugendkompagnien überschwemmt. Diese stammte zumeist von Militärs, die sich immer wieder auf Paragrafen von Felddienstordnungen sowie Exerzierreglements bezogen. Oft informierten sie sogleich ausführlich über den Aufbau der Armee und entsprechende Karrieremöglichkeiten.
Bezeichnenderweise wurde auch die eigentliche Militärausbildung traditionell als zweidimensionale »Schule der Männlichkeit« imaginiert. Einerseits stellte das Bestreben nach »Zucht« und »Ordnung« eine wesentliche Handlungsmaxime dar. So erfuhren etwa angehende Reserveoffiziere bereits beim Dienstantritt von ihrem Vorgesetzten, dass »ihre Dienstzeit eine Schule der Selbstzucht ist, in der sie zu Männern heranreifen sollen, die den größten Strapazen gewachsen sind«.[95] Andererseits betonten die Ausbildungsvorschriften, dass Drill und »Abgerichtet werden« nicht ausreichten und die Selbstständigkeit des Soldaten zu fördern sei. Prägnant hatte das Militär-Wochenblatt im Jahr 1900 geschrieben, dass der Soldat ein »hohe[s] Maß an Selbstthätigkeit, [...] und selbständigen Charaktereigenschaften« mitbringen müsse.[96]
2. Organisation(en)
Über militärische Jugenderziehung lässt sich kaum im Singular sprechen. Zunächst ist zu bedenken, dass die Jugendkompagnien zwar auf die Mithilfe der in militärischer Ertüchtigung erfahrenen Jugendpflege setzten, aber prinzipiell eine von ihr »scharf getrennte, militärdienstliche Einrichtung« darstellten.[97] In der Folge entstand eine Doppelstruktur: Die alten, die Wehrerziehung praktizierenden Vereine bestanden weiter und sollten den neuen staatlichen Jugendkompagnien zuarbeiten. Da sie prinzipiell Länderangelegenheit war, muss ferner die regionale Komponente bei der Organisation der militärischen Jugenderziehung bedacht werden. Zweifelsohne fungierte entsprechend den Machtverhältnissen im Reich das preußische Modell als Richtschnur. So gaben die dortigen Behörden am 19. August 1914 »Richtlinien für die militärische Vorbereitung [...]« heraus, die von den anderen Ländern zumeist fast wortgleich übernommen wurden. Dementsprechend unterschieden sich die Vorgaben für das Alltagsprogramm der Jugendkompagnien kaum. Die Jugendlichen sollten »möglichst in der Nähe ihrer Wohnungen oder nach ihren Gemeinden in Zügen – bis zu 70 Mann – oder in Kompanien über 70 Mann« zusammengefasst werden. Für die Teilnehmer standen für gewöhnlich ein bis drei Schulungseinheiten pro Woche auf dem Programm, eine davon am Wochenende terminiert. Es gab theoretischen Unterricht, zum Beispiel über Lagekarten, Militärgeschichte und ‑taktik, und es wurden praktische Wehrübungen durchgeführt: beispielsweise »schnelles lautloses Antreten in den einfachsten Aufstellungsformen [...], das Zerstreuen aus diesen Formen [...], Marschübungen [...], Bildung einer Schützenlinie, Bewegung von Gruppen [...] im Gelände [...], Entfernungsschätzen [...], Horchübungen, Spurenlesen [...], erste Hilfeleistungen bei Verwundeten«.[98] Oft wurden außerdem größere monatliche Übungen angesetzt: »Sie bestanden in gefechtsmäßigen Marschübungen [...], in einem Kriegsspiel mit planmäßiger Steigerung der [...] Schwierigkeiten, dem dazugehörigen Patrouillendienst und Meldewesen, in Flaggenmeldungen, Lagerschlagen, Zeltebauen u.s.w.«[99] Nach preußischem Vorbild zeichnete grundsätzlich das Kriegsministerium für die Jugendkompagnien verantwortlich. In den Provinzen bestimmten die stellvertretenden Generalkommandos. Die Regierungspräsidenten waren mit den für die Bildung von Jugendkompagnien nötigen Maßnahmen betraut, wobei ihnen ein inaktiver älterer Offizier zur Seite gestellt werden konnte. Dieser unterhielt dann den Kontakt zu den zuständigen Generalkommandos und warb die örtlichen Leiter der Jugendkompagnien. Diese waren grundsätzlich aktive Militärs, »aber auch inaktive und leicht verwundete Offiziere [...] und Leute ohne Vorkenntnisse«, zum Beispiel Lehrer, Verwaltungsangestellte, Landwirte, Fabrikanten oder Geistliche.[100] Die Tätigkeit als Leiter war ehrenamtlich. Prinzipiell waren die Jugendkompagnien selbst für ihre Ausrüstung und Versorgung verantwortlich, die örtlichen Jugendpflegeausschüsse konnten aber finanziell und logistisch ebenso helfen wie das Kriegsministerium. Der Staat zögerte auch nicht, berufstätigen beziehungsweise in Ausbildung befindlichen Jugendlichen ausfallende Arbeitszeit zu vergüten.[101]
Trotz dieser Gemeinsamkeiten existierten jedoch in Deutschland höchst unterschiedliche Modelle nebeneinander. In Berlin und Brandenburg zum Beispiel verantwortete die Durchführung der militärischen Jugenderziehung nicht das stellvertretende Generalkommando, sondern ein Generalkommissariat. In Baden übernahm diese Aufgabe ein »Jugendwehrausschuss«, in dem zwei hochrangige pensionierte Militärs und der Kultusminister saßen.[102] Im Königreich Württemberg lag die Federführung ebenfalls beim Kultusministerium, als geschäftsführendes Organ wurde ein Landesausschuss geschaffen, dem auch Vertreter der SPD angehörten; die preußischen Richtlinien wurden größtenteils übernommen, jedoch wurde der Umgang mit Waffen rigider als in diesen gehandhabt. In Bayern waren die Behörden demgegenüber in der Waffenfrage sehr konziliant.[103] Sogar ausdrücklich Abstand von den »Richtlinien« nahm das Königreich Sachsen.
Bei der Betrachtung der militärischen Jugenderziehung ist es ferner wichtig, zeitlich zu differenzieren. Als in Österreich die Weichen für das System der Jugendkompagnien erst gestellt wurden, erfuhr dieses in Deutschland bereits eine wichtige Revision. Seit der zweiten Hälfte des Jahres 1915 versuchten die Behörden, die Attraktivität der Jugendkompagnien durch eine stärkere Berücksichtigung des turnerischen Elements und damit eine intensivere Zusammenarbeit mit den Schulen zu steigern. »Wehrturnen« wurde als Ergänzung zu den Übungen der Jugendkompagnien festgeschrieben. Die Hälfte der Ausbildungszeit sollte fortan mit schulisch organisierten Leibesübungen verbracht werden. Außerdem hatten militärische Turnwettkämpfe stattzufinden. Zum Pflichtprogramm entsprechender Wettkämpfe gehörten zum Beispiel Handgranatenwerfen und Zielwurf aus Schützengräben, aber auch Faust- und Fußball.[104]
Am Grundprinzip der Freiwilligkeit änderte sich regionenübergreifend und während der Dauer des Krieges nichts. Sicherlich wurde Druck ausgeübt – etwa durch die Instrumentalisierung von Frontsoldateneinheiten: mittelbar durch Zeitungsaufrufe (»wollen wir [...] darauf hinweisen, welchen krassen Undank für jeden Jugendlichen mit gesunden Gliedern seine Nichtbeteiligung an der Jungwehr bedeutet gegenüber den Vätern und Brüdern im Felde, die jetzt ihr Leben und Blut freudig opfern«)[105] oder unmittelbar, wenn zum Beispiel Feldpostbriefe veröffentlicht wurden, die zum Eintritt in die Jugendkompagnien aufriefen.[106] Ferner gab es Drohungen, »Drückeberger« zum sofortigen Eintritt ins Heer zu drängen, die Arbeitslosenunterstützung zu verweigern, »ungebührliche Elemente« öffentlich bekannt zu machen oder sogar Freiheitsstrafen zu verhängen.[107] Die Maßnahmen erfolgten aber nicht flächendeckend und hatten oft auch nur temporären Charakter. Stattdessen versuchten die Regierenden im Laufe des Krieges verstärkt mit Anreizen zu arbeiten. So boten die Behörden für eine bescheinigte Jugendwehrausbildung Vergünstigungen an, etwa bei der Truppenzuteilung oder »Aussicht auf mehr Urlaub, Diensterleichterungen und frühzeitige Beförderung«.[108] Allerdings gab es kein Bevorzugungsrecht, sondern nur Einzelfallprüfungen, was bei einigen Rekruten zu großem Unmut führte.[109]
3. Erfahrung(en)
Gängigen Deutungen zufolge war die militärische Jugenderziehung im Ersten Weltkrieg ein Misserfolg. Für diese These gibt es gute Argumente:
Am Beginn des Krieges frohlockten die zuständigen Ministerien noch über den Zuspruch zur Institution der Jugendkompagnien: »Militärische Jugenderziehung! Wie selbstverständlich klingt heute das Wort vielen, die noch vor wenigen Wochen nichts davon hören wollten.«[110] »Auflodernde Begeisterung« und vor allem »das Pflichtbewußtsein, dem schwer bedrängten Vaterlande alle Kräfte zu widmen«, ließen die Jugendwehrabteilungen allerorten »zu starken Kompagnien anschwellen«. Als sich jedoch der Krieg »in die Länge zog und aus den Kriegsmonaten Kriegsjahre wurden, [...] da lichteten sich die Reihen«.[111] Ende 1914 nahmen in Deutschland rund 600 000 Jugendliche an der militärischen Ausbildung teil, Anfang 1917 dann nur noch knapp 260 000. Nicht nur »die Beteiligung der Schüler höherer Lehranstalten an der Jugendwehr [blieb] vielfach in bedauerlichem Mass [sic!] hinter den berechtigten Erwartungen zurück«.[112] Gerade auch bei Berufsschülern, Lehrlingen und jungen Arbeitern waren die Erfolge sehr beschränkt, sodass die Jugendkompagnien »eine große Zahl derjenigen Jugend, deren Gefolgschaft am erwünschtesten war, nicht zu fesseln« vermochten.[113]
Die Gründe für diese Entwicklung scheinen klar ersichtlich. Durch die Kriegssituation verschärften sich mannigfaltige Strukturschwächen auf verschiedenen Ebenen.
Die zeitliche Belastung der Jugendlichen: Oft klagten die Verantwortlichen der militärischen Jugenderziehung darüber, »daß die Zeit zu den Übungen förmlich erbettelt werden« musste.[114] Die Übungstermine kollidierten mit alltäglichen Handlungen, etwa häuslichen Pflichten, Familienaktivitäten oder dem Kirchgang. Umso schwieriger wurde die Situation zudem durch die Anforderungen der Kriegswirtschaft. Immer mehr Jungen konnten oder wollten nicht zu den Übungen der Jugendkompagnien erscheinen, weil sie sich an kriegswirtschaftlichen Sammlungen beteiligen mussten oder zu Arbeitseinsätzen – sei es in der Landwirtschaft oder der Rüstungsindustrie – herangezogen wurden.[115]
Die Probleme beim Ausbildungspersonal: Mit Fortdauer des Krieges fehlte es in wachsendem Maß an geeigneten Leitern. Dies hatte einerseits qualitative Gründe. Denn während die jüngeren Führer eingezogen waren, fehlte den älteren »häufig, von ihrer militärischen Qualifikation abgesehen, trotz besten Willens die [...] Fähigkeit Jugend richtig zu nehmen und ihre Autorität zu wahren«.[116] Andererseits gab es oft überhaupt keinen Leiter mehr. Immer wieder geschah es, »dass die Jugendwehrübungen in einem Ort nicht fortgesetzt werden [konnten], weil der Führer zum Heer einberufen [wurde]«.[117]
Der Versorgungsmangel: Die Ausstattung der Jugendkompagnien wurde zunehmend unzulänglicher. Vor allem »die Stiefelfrage« drohte in der zweiten Kriegshälfte »katastrophal zu werden«.[118] Geradezu sinnbildlich erscheint es, wenn 1917 für die Wehrturnwettkämpfe »mit Rücksicht auf die Schonung der Kleider und des Schuhzeugs« bestimmt wurde, »daß beim Hindernislauf das Kriechen fortfällt«.[119]
Die fehlende Motivation der Jugendlichen: Viele Jungen empfanden den »Betrieb in den Kompagnien [als] sehr langweilig und einförmig«.[120] Für die einen war der Dienst zu militärisch. Mancher hatte geglaubt, »draußen in Feld und Wald Schlachten mit Hurrageschrei und Gewehrschüssen zu schlagen und den übrigen ›Zivilisten‹ zu imponieren«. Stattdessen aber »wurde der Körper systematisch gekräftigt, Ruhe, Ordnung und Manneszucht gefordert«.[121] Anderen Jugendlichen wieder schien die Ausbildung zu wenig militärisch zu sein. Sie wollten mit regulären Waffen unter kriegsähnlichen Bedingungen trainieren und hatten daher »gar kein Interesse an der Sache«.[122]
Der Klassendünkel: Entgegen allen hehren Vorstellungen spielten soziale Vorbehalte in der militärischen Jugenderziehung eine große Rolle. Sie richteten sich gegen andere Angehörige der Jugendkompagnien ebenso wie gegen Ausbilder. Viele Gymnasiasten wollten »mit jungen Leuten des Arbeiterstandes in der Jugendwehr nicht zusammen gehen«. Vor allem widerstrebte es ihnen, »dass letztere womöglich als Gefreite oder Patrouillenführer Ihnen [sic!] gegenüber [...] ein gewisses Vorgesetztenverhältnis einnähmen«.[123] Außerdem hatten »Schüler der höheren Lehranstalten [...] eine [...] Abneigung, sich von Persönlichkeiten ausbilden zu lassen, die, wie sie glauben, auf einer Bildungsstufe stehen, die der Ihrigen [sic!] nachsteht«.[124]
Die Kritik der Familien: Die militärische Jugenderziehung wurde von verschiedenen Seiten missbilligt – etwa von den Familien der betroffenen Jugendlichen. Eltern beschwerten sich zunächst ganz allgemein darüber, dass die Übungen »die Jugend dem Familienleben entziehe«.[125] Sodann zweifelten sie grundsätzlich am angeblich nicht-soldatischen Charakter der Jugendkompagnien. Sie befürchteten, dass entsprechend vorgebildete Jugendliche vorzeitig zum Kriegsdienst herangezogen würden, und sie sorgten sich allgemein wegen der tradierten Vorstellung, dass die Militärzeit die Schwelle zum Erwachsensein im Allgemeinen und zur Mannwerdung im Besonderen markiere. Mit den Jugendkompagnien assoziierten sie, was über das Militär kolportiert wurde: körperliche Misshandlungen, »lose Sitte und unzüchtige Rede«.[126]
Die institutionelle Kritik: Auf Missfallen stieß das System der militärischen Jugenderziehung selbst beim Militär, wo etliche Stimmen die traditionelle Position vertraten, der »militärische Lehrstoff« werde »nirgends gewiß auch in verhältnismäßig kürzerer Zeit angeeignet als im Heer selbst«.[127] Nicht wenige Militärs bemängelten die Qualität der Ausbildung und sprachen despektierlich von »Stümperarbeit« und »Soldatenspielerei«.[128] Massiv war die Kritik vonseiten der Unternehmen, Kirchen, Vereine und insbesondere der Schulen. Etliche Arbeitgeber bekundeten ihren Unmut, weil sie zunehmend auf jede Arbeitskraft angewiesen waren. Vertreter der Kirchen störten sich an den Sonntagsübungen und kritisierten »die mittelbare Behinderung der Wirksamkeit der konfessionellen Jugendvereine«.[129] Viele Vereine, vor allem die in der Jugendpflege tätigen, sahen sich »durch zu häufige, oft auch anstrengende Uebungen [sic!] der militärischen Vorbereitung geschädigt«, teilweise sogar »in ihrem Bestand gefährdet«.[130] Zusehends lauter wurden die Klagen darüber, dass »die militärische Jugenderziehung der Schule Sorge um Sorge« bereitete. Lehrer verwiesen zum einen auf die ohnehin hohen Belastungen, die der Krieg der Schule auferlegte.[131] Zum anderen argumentierten sie entwicklungspsychologisch. Eine militärische Erziehung entspreche nicht dem Reifezustand der Schüler und treibe »ein[en] Zwiespalt in die Erziehung und in die Seele der Jugend«:
»Die Jungen müssen nicht mehr bloß zuschauen [...], sie machen selbst militärische Übungen, [...] auf Wanderungen werden sie in der Kaserne einquartiert. Das steigt den Jungen zu Kopf [...] Der Lehrer sieht die Wirkung. Er beobachtet, wie die Jungen aus den Grenzen der Jugendlichkeit herausdrängen, [...] wie sie den Bruch mit der Vergangenheit durch Äußerlichkeiten markieren, wie sie [...] ihre Schulpflichten versäumen.«[132]
Hier trafen sich Schule und Wissenschaft. Denn viele renommierte Pädagogen gaben zu bedenken, dass »die zu frühe Militarisierung der Jugend [...] Aufgaben der Charakterbildung« infrage stelle. »Die Jugendzeit bis zum achtzehnten Lebensjahre [sei] die Zeit der von innen kommenden freien Entfaltung – alles Vorherrschen starrer Bewegungs- und Umgangsformen müßte verhängnisvoll auf die treibende Jugendkraft drücken und [...] verkrüppelnd wirken.«[133]
8.Die Kritik aus der Politik: Vor allem innerhalb der sozialdemokratischen Parteien wuchs mit der Zeit die Zahl der Kritiker. Zu Beginn des Krieges herrschte unter den Sozialdemokraten bezüglich der Jugendkompagnien Uneinigkeit. »An verschiedenen Orten wurde das Entstehen der Jugendwehr in den sozialdemokratischen Blättern als politische Notwendigkeit begrüßt, und die proletarische Jugend zum Beitritt aufgefordert.«
Im Bemühen, nationale Zuverlässigkeit zu demonstrieren, übernahmen Sozialdemokraten mitunter sogar selbst die Leitung von Kompagnien.[134] Das weitreichende Engagement der württembergischen SPD bei der militärischen Jugenderziehung ist hierfür ein Beispiel. Andernorts wurden von der Parteiführung keine Vorgaben gemacht, und es gab viele Stimmen, »die eine Beteiligung an der Jugendwehr als mit den sozialdemokratischen Grundsätzen unvereinbar« ablehnten.[135] Der Parteivorstand änderte wiederholt seine Beschlüsse, die bei ihm angesiedelte Zentralstelle der arbeitenden Jugend rief schließlich nicht offen zur Beteiligung an den Jugendkompagnien auf. Im Lauf des Krieges machten dann gemäßigte Sozialdemokraten ihre Präferenzen für sozialpolitische Maßnahmen immer deutlicher: »Schützt den jugendlichen Körper vor Ausnützung, Hunger und Krankheit [...]: damit beginnt und endigt die Wehrhaftmachung der Jugend!«[136] Durchgehend radikal abgelehnt wurden die Jugendkompagnien von den Linkssozialisten. Die ihnen nahestehenden Jungarbeiterverbände sprachen von »dem Befreiungskampfe der klassenbewußten Arbeiterschaft direkt feindlich gegenüberstehenden Vereinen«.[137]
Trotz allem ist aber zu konstatieren: Die Bedeutung der militärischen Jugenderziehung blieb bis zuletzt groß. Es ist zum Beispiel das mit Fortdauer des Krieges immer weiter sinkende Wehralter in Rechnung zu stellen. Außerdem sind die Auswirkungen des Hilfsdienstgesetzes vom 5. Dezember 1916 zu bedenken, das alle männlichen Deutschen zwischen dem 17. und 60. Lebensjahr, die nicht einberufen waren, zum »vaterländischen Hilfsdienst« in kriegswichtigen Betrieben verpflichtete. Denn »Jungmannen, die sich im vaterländischen Hilfsdienst betätigen, [gelten] bei der militärischen Vorbildung der Jugend als beurlaubt«.[138] Umso schwerer wog es, wenn Jugendkompagnien noch im Sommer 1918 zu mehrtägigen militärischen Geländeübungen aufbrachen[139] und etwa die Provinzialschulkollegien auch im späteren Kriegsverlauf immer wieder feststellen konnten, dass »an den weitaus meisten höheren Lehranstalten und Seminaren die Schüler fast ohne Ausnahme an der allgemeinen Jugendwehr von Anfang bis jetzt sich eifrig beteiligt haben«.[140] Von den Oberlehrern, Studienassessoren und Lehrern hätten sich die, »die verwendbar sind, für die Jugendwehr zur Verfügung gestellt«.[141] Etliche der vor Ort Verantwortlichen betonen in ihren Berichten, »daß die Jugendwehr [...] zu einer heute für die Jungen segensreichen Einrichtung geworden ist, die volles Vertrauen verdient«.[142]
Die Jugendkompagnien gehörten trotz aller Kritik offenkundig zur weithin akzeptierten Lebenswelt des Kriegsalltags. In Selbstzeugnissen finden sich denn auch kaum negative Äußerungen. In für viele Menschen durchaus beispielhafter Nüchternheit schrieb etwa ein Heilbronner Bankier in einem Brief an einen amerikanischen Geschäftsfreund davon, was der Krieg für seine Familie bedeutete: »Jeder tut, was er kann, fürs Vaterland. Mein Hans [...] ist vor 14 Tagen Gefreiter geworden [...] Die beiden jüngeren sind Trommler bei der Jugendwehr, meine Tochter ist Schwester im Lazarett.«[143] Viele Eltern scheinen den regelmäßigen Besuch ihrer Kinder bei den Übungen der Jugendkompagnien für wichtig gehalten zu haben,[144] während viele Jugendliche einfach glaubten, ihre Pflicht gegenüber der Gemeinschaft erfüllen zu müssen. Einige taten dies eher unwillig, andere genossen die Zeit und zeigten »sehr anerkennenswerte[n] Eifer«.[145] So mancher wusste zu berichten: »Manchesmal [...] wollte der Drill gar nicht munden. Doch habe ich jedesmal erlebt, daß nach kurzer Zeit die verdrossenen Mienen sich aufheiterten, die Augen leuchteten.«[146] Die Jugendkompagnien waren für die einen eine nicht zu hinterfragende Kriegsnotwendigkeit, für die anderen besaßen sie erhebliches Emanzipationspotenzial, da sie die gern wahrgenommene Möglichkeit boten, von den Eltern, Ausbildern und/oder den Lehrern »wegzukommen«, sich auszuleben und etwas zu erleben. Hinzu kommt, dass die zeittypische Sorge um die Jugend angesichts der Abwesenheit vieler in die Armee eingezogener Väter und schwieriger sozioökonomischer Rahmenbedingungen im Lauf des Krieges weiter zunahm und sich der staatliche Kontrolldruck immer mehr erhöhte. So durften Jugendliche in bestimmten Regionen keine Gastwirtschaften mehr aufsuchen, in denen es Gesangsdarbietungen gab. Der Kinobesuch war ihnen vielerorts untersagt. Es wurden Ausschankverbote und Sperrzeiten festgelegt.[147] »Zielloses Verweilen« auf der Straße war nach Einbruch der Dunkelheit verboten.[148] An vielen Orten gründete sich ein »Jugendschutz«, dem oft Lehrer und Pfarrer angehörten und dessen Ziel es war, »dem Verhalten der Jugendlichen in der Öffentlichkeit [...] Aufmerksamkeit zuzuwenden, Ermittlungen anzustellen und Verfehlungen« nachzugehen.[149] In Anbetracht dessen wurden gerade größere Übungsmärsche, Ausflüge oder Fahrten der Jugendkompagnien oft »mit Jubel« begrüßt.[150] Außerdem blieb deren symbolisches Kapital hoch. Wenn die Jugendkompagnien aufmarschierten, war dies ein öffentliches Großereignis, das die Anwohnerschaft, Frauen wie Männer, nicht verpassen wollte,[151] das immer wieder zahlreiche Fotografen und sogar Filmschaffende anzog.[152] Immer wieder gab es Berichte, nach denen die Veranstaltungen der Jugendkompagnien »erfahrungsgemäß viele Zuschauer«,[153] ja oft »eine vieltausendköpfige Volksmenge«[154] zusammenbrachten und die Jugendkompagnien durchaus dazu beigetragen hätten, »die sonst [...] stark hervortretenden sozialen Gegensätze zu mildern«.[155] So mancher Arbeitgeber lobte die Jugendkompagnien und wollte sie gerne auch im Frieden aufrechterhalten: »Die Jungen haben ein viel besseres Benehmen, sind anständiger, ordentlicher und halten etwas auf sich.«[156] Überhaupt freuten sich viele Erwachsene über »sichtliche Erziehungsergebnisse«: »Die Jugend wurde am Sonntag Nachmittag von der Straße geholt, der Hang zum Wirtshausbesuch wurde eingeschränkt, das Benehmen der Jungen wurde gesitteter und ihr Ehrgefühl wurde gehoben.«[157]
Die Angehörigen selbst blickten nicht selten sehr gern auf ihre Zeit bei den Jugendkompagnien zurück. Etwa 15 Jahre nach Kriegsende berichtete zum Beispiel ein Ehemaliger mit Stolz: »Wir lernten entbehren, aber wir wurden damals auch selbstständig.«[158] Mit über 60 Jahren Abstand meinte ein vormaliges Mitglied der Jugendkompagnien: »Ich war noch keine 17 Jahre alt, als ich [...] die ›Einberufung‹ zur städtischen ›Jugendwehr‹ erhielt, worüber ich froh war wie alle meine ›Wehrkameraden‹.« Andere schwärmten davon, dass sie nach Militärübungen »aus einer Gulaschkanone [...] reichlich Erbsensuppe« bekommen hatten, oder sie berichteten stolz von der »außerordentlichen Tapferkeit« mancher ihrer Kameraden.[159] Für so manchen spielten die Jugendkompagnien offenbar doch »a key role in making male youths excited about war«.[160]
Die große Diskrepanz zwischen solchen Wahrnehmungen und der herrschenden Forschungsmeinung rührt auch daher, dass Letztere zwei Umstände zu wenig beachtet hat: Erstens verlief die Entwicklung der Jugendkompagnien während des Krieges nicht geradlinig, und in bestimmten Regionen gelangen durchaus eindrucksvolle Restrukturierungsprozesse. Beispielsweise sprach der württembergische Landesverband des Jungdeutschland-Bundes im Juni 1917 davon, »dass der Stand [...] eher wieder günstiger ist, als in den ersten Kriegsjahren«: »Die grösseren städtischen Ortsgruppen [...] stehen in reger Tätigkeit, ebenso eine ganze Anzahl kleinerer Ortsgruppen; führerlos gewesene Ortsgruppen [...] haben neue Führer gefunden und ihre Arbeit wieder aufgenommen«.[161] Zweitens wird zwar fortwährend behauptet, dass die Jugendkompagnien die berufstätige Jugend und die Arbeiterschaft nicht erreichten. An genauen sozialstatistischen Untersuchungen mangelt es jedoch. Die vorliegenden Aufstellungen sensibilisieren vor allem für sorgfältige Differenzierungen. So sind großstädtische Entwicklungen genauso wenig pars pro toto zu setzen wie das Verhalten der zumeist ungelernten Fabrikarbeiterschaft. Auffälligerweise lag die Quote berufstätiger beziehungsweise in Ausbildung befindlicher Jugendlicher in manchen Regionen bis zum Kriegsende – in Relation zum Anteil an der Gesamtbevölkerung – durchaus auf dem Niveau von Oberschülern. Die Elternhäuser der Jugendwehrangehörigen waren ebenso sozial bunt gemischt wie deren eigene Berufe – Arbeiterbursche, Bäckerlehrling, Schlosser, Schmied, Schreiber, Gärtner, Kellner oder Installateur.[162] Weder in Großbritannien noch gar in Frankreich erreichte die militärische Jugenderziehung trotz der Ausnahmesituation des Krieges eine solche gesellschaftliche Breite. Die Scouts konnten ihren elitären Charakter nicht abschütteln, nur bedingt gelang dies der Kadettenbewegung.[163] Schließlich sind auch die scheinbar so eindeutigen Zahlen genau zu betrachten. Betrug etwa das Quantum der Jugendkompagnien in Hamburg Ende 1914 weniger als ein halbes Prozent der Gesamtbevölkerung, so erreichten sie in drei von den vier Kreisen Württembergs im Herbst 1914 einen Bevölkerungsanteil von zwei, 1918 immer noch 1,3 Prozent.[164]
Sicherlich bezeugt die im Krieg wieder aufflammende, intensive Debatte über eine obligatorische Militärerziehung die strukturellen Probleme des Jugendkompagniesystems.[165] Die zahlreichen Fürsprecher eines Reichsjugendwehrgesetzes, die sich nicht nur in Militärkreisen befanden, verwiesen in diesem Rahmen im Wesentlichen auf die negative Auswirkung des bisherigen, auf Freiwilligkeit gründenden Systems. Doch konnten sie sich nicht durchsetzen, weil die Argumente der Kritiker – Jugendliche blieben in ihrem Ausbildungsstand zurück, eine weitere Belastung der Wirtschaft müsse vermieden werden, die Versorgungsmängel seien zu akut, es sei mit massiver Kritik aus der Bevölkerung zu rechnen – schwerer wogen. Es ist allerdings zu bedenken, dass die Diskussion über die Einführung einer Jugenddienstpflicht schon sehr früh einsetzte. In Preußen beispielsweise legte der Kriegsminister bereits am 2. Februar 1915 den Entwurf für ein Reichsgesetz über die »militärische Vorbereitung der Jugend« vor, das für alle 17‑ bis 22-Jährigen gelten sollte. In der Folge waren sowohl die Befürworter als auch die Kritiker einer Jugenddienstpflicht eifrig bemüht, auf die Mängel des bisherigen Systems hinzuweisen und seine Dysfunktionalität als Anlass für einen Systemwechsel zu nutzen.
Außerdem ist zu bedenken, dass selbst die meisten Kritiker eines Pflichtdienstes nicht an der grundsätzlichen Notwendigkeit einer militärischen Schulung zweifelten, sie mahnten eher Reformen an und unterstützten die militärische Jugenderziehung in praxi. Die bayerischen Handwerkskammern beispielsweise hielten »die weitere Ausbildung der körperlichen Tüchtigkeit der Jugend für notwendig im Interesse der Militärtauglichkeit«. Sie nahmen lediglich »dagegen Stellung, daß diese Ausbildung wieder auf Kosten der Lehrzeit [...] erfolgt«. Ihr Vorschlag sah daher vor, »die militärische Vorschulung [...] erst nach Beendigung der Lehrzeit beginnen und bis zur Einziehung zum Militär, also zwei bis drei Jahre dauern« zu lassen.[166] Selbst die Kirche – sowohl katholische als auch evangelische – stellte die militärische Jugenderziehung zu keinem Zeitpunkt infrage und sah keinen Anlass, von der Praxis Abstand zu nehmen, Jugendkompagnien im Gottesdienst Plätze freizuhalten.[167] Selbst diejenigen, die »im Interesse der für die jungen Leute ganz besonders nötigen Sonntagsruhe und streng gebotenen Sonntagsheiligung« Beschwerde führten, versicherten nachdrücklich, dass sie »der Sache der Jugendwehr volle Sympathie« entgegenbringen würden.[168] Und viele eigentlich kritische Lehrer glaubten, dass die Jugendkompagnien »die Kraft und den Beruf [hätten] die Gegensätze auch zu versöhnen, wenn sie Jugend, Schule und Familie einheitlich mit der Erkenntnis erfüllt hat: Wir gehören dem Vaterlande«.[169] Es wurde vorgeschlagen, »daß Schule und Heer gemeinschaftlich an die Lösung der Aufgabe herantreten sollen«, zum Beispiel indem die Schulverwaltung bis zum 17. Lebensjahr die militärische Ausbildung übernimmt.[170]
Letzthin zeigte sich die Bedeutung der Jugendkompagnien auch darin, dass einige Einheiten noch aufseiten der Konterrevolution nach Absetzung Kaiser Wilhelms II. aktiv waren.[171]
IV. Fazit
Forcierte militärische Jugenderziehung bildete ein internationales Phänomen des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts, was die nationalen Politiken in mehreren Ländern zusätzlich befeuerte. Sie resultierte aus einem fortgeschrittenen Machtstaatsdenken, das sich mit einem zunehmenden Verständnis für die Bedürfnisse und die politische Bedeutung von Jugendlichen paarte. Als Katalysator fungierte eine Politik, die gleichermaßen auf Fürsorge wie Härte setzte und dabei den neu erkannten Eigenwert von Jugend für staatlich-militärische Interessen nutzbar machen wollte. Im Hinblick auf Umfang, Formen und (Miss‑)Erfolge der militärischen Jugenderziehung war Deutschland im internationalen Vergleich bis 1914 in keiner Weise besonders. Die ungewollte Engführung auf den urbanen Raum und die Dominanz bürgerlicher Schichten stellten ebenso ein grenzüberschreitendes Charakteristikum dar wie die große Zahl der Kritiker. Nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges forcierten alle kriegführenden Staaten ihre Bemühungen bezüglich militärischer Jugenderziehung. Die Vorgänge im Ausland dienten dafür wiederum als wichtiges Argument, zugleich spielte der Wissenstransfer eine noch bedeutendere Rolle. Die Deutschen installierten ein spezielles Modell von Jugendkompagnien (Jugendwehren), das auf umfassenden Anspruch, Freiwilligkeit und staatliche Organisation setzte. Es oszillierte zwischen Rekrutenschule und Ort allgemeiner Militärvorbereitung, wurde aber stark als Ersteres wahrgenommen. Es bestanden große regionale Unterschiede, zum Beispiel in Bezug auf Zuständigkeiten oder den Umgang mit der Sozialdemokratie. Außerdem mühten sich die Verantwortlichen mit Fortdauer des Krieges, die turnerische Komponente zielgerichteter als bisher auszubauen. Insgesamt fielen die Rekrutierungserfolge der Jugendkompagnien begrenzt aus, zu stark wirkten sich Personal- und Materialmangel sowie die breiten Vorbehalte bei Eltern, im Militär, in Wirtschaft, Sport‑ und (alten) Militärvereinen, Wissenschaft und Politik aus. Allerdings ist die Bedeutung deutlich höher zu veranschlagen, als es die bisherige Forschung getan hat. Die Akzeptanz der Jugendkompagnien war sowohl in der Bevölkerung im Allgemeinen als auch bei den betroffenen Jugendlichen und deren Familien im Besonderen ebenso groß wie bei vielen ihrer Kritiker. Ihre Massenbasis besaß gerade in internationaler Perspektive einen Sonderstatus. Die einschlägige Literatur blickt außerdem allzu oberflächlich auf ihre quantitative Dimension und markante Veränderungen im Kriegsverlauf. Es zeigt sich, wie komplex sich das jugendliche Verhältnis zum Krieg gerade auch im zeitlichen Wandel gestaltete. Zwischen den Polen Enthusiasmus und Desillusionierung scheint ein weites Feld auf, und eine Deutung, die von anfänglicher Kriegsbegeisterung und bald einsetzender Ernüchterung spricht, greift viel zu kurz. So wie einschlägige Erhebungen aus der Zeit des Ersten Weltkrieges deutlich machen, dass viele Jugendliche den Krieg von Anfang an und mit Fortdauer des Krieges in zunehmendem Maße als »etwas Schreckliches, Furchtbares, Ernstes, Trauriges« ansahen,[172] so wenig wollten sich manche für eine in etlicher Hinsicht mangelhafte und gesellschaftlich umstrittene Angelegenheit wie das System der Jugendkompagnien engagieren. Höchst unterschiedliche Motive wie Schicksalsergebenheit, Pflichtbewusstsein, sozialer Druck, nationaler Eifer und jugendliches Emanzipationsstreben ließen jedoch auch nicht wenige zu einem anderen Urteil kommen. Gerade diese Mehrdeutigkeiten und Ungleichzeitigkeiten scheinen »die Mobilisierung der Gesellschaft im modernen ›Volkskrieg‹« auszumachen.[173]
In Anbetracht dessen sollte die militärische Jugenderziehung vor dem und im Ersten Weltkrieg in Zukunft dringend genauer mithilfe eines transnationalen institutionenhistorischen Zugriffs und insbesondere als (internationales) Erfahrungsphänomen konturiert werden. Jenseits aller vom Sonderwegs-Paradigma geprägten Engführungen könnten dann auch bestimmte Auffälligkeiten verständlich gemacht werden: Warum waren zum Beispiel relativ viele spätere NS-Führer Mitglied einer Jugendkompagnie?[174] Warum bildete diese Erfahrung für »die große Menge kleiner Nazis« gleichwohl kein hervorstechendes Element ihrer generationellen Selbstverortung?[175] Weshalb ist bei vielen, die mit einiger Wahrscheinlichkeit eine militärische Jugenderziehung genossen haben, so wenig darüber bekannt?[176] Warum erwähnt keine einschlägige Studie, dass zum Beispiel auch Werner Heisenberg Mitglied eines Wehrkraftvereins gewesen ist[177] und Gustav Heinemann an »Übungen zur militärischen Vorbereitung der Jugend« teilgenommen hat?[178] Warum ist nicht von Erich Maria Remarque die Rede, der nicht nur einer Jugendkompagnie angehörte, sondern diese Erfahrung auch in seiner ersten Publikation – durchaus differenziert, unter dem Titel »Von den Freuden und Mühen der Jugendwehr« – zum Thema machte?[179] So leicht die Annahme eines deutschen Sonderwegs zu widerlegen ist, so spannend bleibt die Frage, inwiefern Idee, Praxis und Tradition der militärischen Jugenderziehung vor dem und im Ersten Weltkrieg für kollektive Befindlichkeiten standen und stehen – in Deutschland und darüber hinaus.
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- Kapitän zur See Hans Langsdorff – »the Captain who defied Hitler«?
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- »Verehrter Parteigenosse Landfried!«
- Buchbesprechungen Allgemeines
- Jeremy Black, Military Strategy. A Global History, New Haven, CT, London: Yale University Press 2020, XVII, 306 S., £ 25.00 [ISBN 978‑0‑300‑21718‑6]
- Wolfgang Reinhard, Die Unterwerfung der Welt. Globalgeschichte der europäischen Expansion 1415–2015, München: C. H. Beck 2016, 1648 S. (= Historische Bibliothek der Gerda Henkel Stiftung), EUR 58,00 [ISBN 978‑3‑406‑68718‑1] Philip T. Hoffman, Wie Europa die Welt eroberte. Aus dem Engl. von Cornelius Hartz, Darmstadt: Theiss 2017, 336 S., EUR 24,95 [ISBN 978‑3‑8062‑3476‑3] Stefan Rinke, Conquistadoren und Azteken. Cortés und die Eroberung Mexikos, München: C. H. Beck 2019, 399 S., EUR 28,00 [ISBN 978‑3‑406‑73399‑4]
- 1870–1945. Weltmärkte und Weltkriege. Hrsg. von Emily S. Rosenberg, München: C. H. Beck 2012, 1152 S. (= Geschichte der Welt / A History of the World), EUR 48,00 [ISBN 978‑3‑406‑64105‑3]
- War and the City. The Urban Context of Conflict and Mass Destruction. Ed. by Tim Keogh, Paderborn [u. a.]: Schöningh 2020, IV, 200 S. (= War (Hi)Stories, 6), EUR 98,00 [ISBN 978‑3‑506‑70278‑4]
- Rudolf Jaun, Geschichte der Schweizer Armee. Vom 17. Jahrhundert bis in die Gegenwart, Zürich: Orell Füssli 2019, 548 S., CHF 68,00 [ISBN 978‑3‑280‑06125‑1]
- Hagen Fleischer, Krieg und Nachkrieg. Das schwierige deutsch-griechische Jahrhundert. Hrsg. von Chryssoula Kambas. Aus dem Griechischen übers. von Andrea Schellinger, Köln: Böhlau 2020, 366 S. (= Griechenland in Europa, 5), EUR 30,00 [ISBN 978‑3‑412‑51789‑2]
- War and Stereotypes. The Image of Japan’s Military Abroad. Ed. by Frank Jacob and Sepp Linhart, Paderborn [u. a.]: Schöningh 2020, XVI, 214 S. (= War (Hi)Stories, 7), EUR 99,00 [ISBN 978‑3‑506‑70293‑7]
- Altertum
- Mischa Meier, Geschichte der Völkerwanderung. Europa, Asien und Afrika vom 3. bis zum 8. Jahrhundert n. Chr., 4. Aufl., München: C. H. Beck 2020, 1532 S. (= Historische Bibliothek der Gerda Henkel Stiftung), EUR 58,00 [ISBN 978‑3‑406‑73959‑0]
- Christoph Haack, Die Krieger der Karolinger. Kriegsdienste als Prozesse gemeinschaftlicher Organisation um 800, Berlin, Boston, MA: De Gruyter 2020, X, 273 S. (= Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, 115), EUR 109,95 [ISBN 978‑3‑11‑062614‑8]
- 1789–1870
- Sara Petzold, Alltag in der Fremde. Hannoversche Soldaten im Dienst der British East India Company 1782–1791, Hamburg: Verlag Dr. Kovač 2019, 366 S. (= Studien zur Geschichtsforschung der Neuzeit, 98), EUR 99,80 [ISBN 978‑3‑339‑10522‑6]
- Arthur Kuhle, Die preußische Kriegstheorie um 1800 und ihre Suche nach dynamischen Gleichgewichten, Berlin: Duncker & Humblot 2018, 419 S. (= Quellen und Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte, 49), EUR 99,90 [ISBN 978‑3‑428‑15342‑8]
- Georg Nafziger, Napoleon at Dresden. The Battles of August 1813, Solihul: Helion & Company 2018, XVI, 360 S., £ 35.00 [ISBN 978‑1‑911512‑81‑3]
- Die Heilige Allianz. Entstehung – Wirkung – Rezeption. Hrsg. von Anselm Schubert und Wolfram Pyta, Stuttgart: Kohlhammer 2018, 280 S., EUR 39,00 [ISBN 978‑3‑17‑035284‑1]
- 1871–1918
- Götz Ulrich Penzel, Ein Leben für die Luftfahrt. Hermann Wilhelm Ludwig Moedebeck (1857–1910). Hrsg. vom Verkehrsmuseum Dresden, Dresden: Sandstein 2020, 120 S., EUR 24,00 [ISBN 978‑3‑95498‑543‑2]
- Gero Fedtke, Roter Orient. Muslimkommunisten und Bolschewiki in Turkestan (1917–1924), Wien [u. a.]: Böhlau 2020, 432 S. (= Peripherien. Beiträge zur Europäischen und Globalgeschichte, 5), EUR 60,00 [ISBN 978‑3‑412‑51324‑8]
- 1919–1945
- Eckart Conze, Die große Illusion. Versailles 1919 und die Neuordnung der Welt, München: Siedler 2018, 559 S., EUR 30,00 [ISBN 978‑3‑8275‑0055‑7]Klaus Schwabe, Versailles. Das Wagnis eines demokratischen Friedens 1919–1923, Paderborn [u. a.] Schöningh 2019, 293 S., EUR 39,90 [ISBN 978‑3‑506‑78239‑7]Marcus M. Payk, Frieden durch Recht? Der Aufstieg des modernen Völkerrechts und der Friedensschluss nach dem Ersten Weltkrieg, Berlin [u. a.]: De Gruyter Oldenbourg 2018, VIII, 739 S. (= Studien zur Internationalen Geschichte, 42), EUR 49,95 [ISBN 978‑3‑11‑057845‑4]
- Matthias Herrmann, Das Reichsarchiv (1919–1945). Eine archivische Institution im Spannungsfeld der deutschen Politik, Kamenz: Stadtarchiv Kamenz 2019, 533 S. (= Veröffentlichungen aus dem Stadtarchiv Kamenz, 4), EUR 49,00 [ISBN 978‑3‑910046‑78‑8]
- Stephan Lehnstaedt, Der vergessene Sieg. Der Polnisch-Sowjetische Krieg 1919–1921 und die Entstehung des modernen Osteuropa, München: C.H. Beck 2019, 221 S., EUR 14,95 [ISBN 978‑3‑406‑74022‑0]
- Nikos Späth, Das Thema hatte es in sich. Die Reaktion der deutschen und amerikanischen Presse auf Erich Maria Remarques Im Westen nichts Neues. Eine vergleichende Rezeptionsstudie über Fronterlebnis‑ und Weltkriegserinnerung in der Weimarer Republik und den USA in den Jahren 1929 und 1930. Göttingen: V&R unipress; Universitätsverlag Osnabrück 2020, 619 S. (= Schriften des Erich Maria Remarque-Archivs, 35), EUR 75,00 [ISBN 978‑3‑8471‑1021‑7]
- Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933–1945, Bd 8: Sowjetunion mit annektierten Gebieten II. Generalkommissariat Weißruthenien und Reichskommissariat Ukraine. Bearb. von Bert Hoppe, Mitarbeit: Imke Hansen, Martin Holler, Berlin [u. a.]: De Gruyter Oldenbourg 2016, 762 S., EUR 59,95 [ISBN 978‑3‑486‑78119‑9]
- Pierre Tiquet, The 3rd SS Panzer Regiment. 3rd SS Panzer Division Totenkopf, Oxford: Casemate 2020, 128 S., £ 19.99 [ISBN 978‑1‑61200‑731‑1]
- Gerrit Reichert, U 96. Realität und Mythos. Der Alte und Lothar-Günther Buchheim. Hamburg: Mittler 2019, 231 S., EUR 29,95 [ISBN 978‑3‑8132‑0990‑7]
- Tobias Korenke, Widerstand aus Loyalität. Zum Verständnis einer deutschen Freiheitsbewegung, Essen: Klartext 2020, 186 S., EUR 18,00 [ISBN 978‑3‑8375‑2077‑4]
- Robert Lackner, Camp Ritchie und seine Österreicher. Deutschsprachige Verhörsoldaten der US-Armee im Zweiten Weltkrieg. Mit einem Gastbeitrag von Florian Traussnig, Wien: Böhlau 2020, 342 S., EUR 39,00 [ISBN 978‑3‑205‑21009‑2]
- Ryszard Kaczmarek, Polen in der Wehrmacht. Aus dem Poln. übers. von Andreas R. Hofmann, wissenschaftliche Red.: Burkhard Olschowsky, Berlin [u. a.]: De Gruyter Oldenbourg 2017, 244 S. (= Schriften des Bundesinstituts für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, 65), EUR 39,95 [ISBN 978‑3‑11‑050158‑2]
- Kerstin Bischl, Frontbeziehungen. Geschlechterverhältnisse und Gewalt-dynamiken in der Roten Armee 1941–1945, Hamburg: Hamburger Edition 2019, 348 S. (= Studien zur Gewaltgeschichte des 20. Jahrhunderts), EUR 28,00 [ISBN 978‑3‑86854‑332‑2]
- Corinna Kuhr-Korolev, Ulrike Schmiegelt-Rietig und Elena Zubkova, Raub und Rettung. Russische Museen im Zweiten Weltkrieg. In Zusammenarbeit mit Wolfgang Eichwede, Köln [u. a.]: Böhlau 2019, 383 S. (= Studien zu kriegsbedingt verlagerten Kulturgütern, 1), EUR 45,00 [ISBN 978‑3‑412‑50188‑4]
- Nach 1945
- Astrid M. Eckert, West Germany and the Iron Curtain. Environment, Economy, and Culture in the Borderlands, Oxford, New York, Oxford University Press 2019, XV, 422 S., $ 99.00 [ISBN 978‑0‑19‑069005‑2]
- Armin Müller, Wellenkrieg. Agentenfunk und Funkaufklärung des Bundesnachrichtendienstes 1945–1968, Berlin: Ch. Links 2017, 416 S. (= Veröffentlichungen der Unabhängigen Historikerkommission zur Erforschung der Geschichte des Bundesnachrichtendienstes 1945–1968, 5), EUR 45,00 [ISBN 978‑3‑86153‑947‑6]
- Kriegsmaterial im Kalten Krieg. Rüstungsgüter in der Schweiz zwischen Militär, Industrie, Politik und Öffentlichkeit/Le matériel de guerre pendant la guerre froide. L’armement en Suisse – entre l’armée, l’industrie, la politique et le public. Hrsg. von/ed. par Monika Dommann und/et Sibylle Marti, Basel: Schwabe 2020, 180 S., sFr. 48,00 [ISBN 978‑3‑7965‑4104‑9]
- Prokop Tomek, Československá armáda v čase Sametové revoluce. Proměny ozbrojených sil na přelomu osmdesátých a devadesátých let [Die Tschechoslowakische Volksarmee während der Samtenen Revolution. Veränderungen in den Streitkräften Ende der 1980er/Anfang der 1990er Jahre], Cheb: Svět křídel 2019, 259 S., KČ 330,00 [ISBN 978‑80‑7573‑060‑2]
- Peter Heinze, Bundeswehr beeindruckt Deutschlands Osten. Ein Journalist erlebte die Armee der Einheit, Baden-Baden: Tectum 2019, 486 S., EUR 68,00 [ISBN 978‑3‑8288‑4410‑0]
- The Long End of the First World War. Ruptures, Continuities and Memories. Ed. by Katrin Bromber [u. a.], Frankfurt a. M., New York: Campus 2018, 296 S. (= Eigene und fremde Welten, 36), EUR 39,95 [ISBN 978‑3‑593‑50862‑7]
- Stephan Jaeger, The Second World War in the Twenty-First-Century Museum. From Narrative, Memory, and Experience to Experientiality, Berlin, Boston, MA: De Gruyter 2020, XIV, 354 S. (= Media and Cultural Memory/Medien und kulturelle Erinnerung, 26), EUR 86,95 [ISBN 978‑3‑11‑066106‑4]
- War and Memorials. The Second World War and Beyond. Ed. by Frank Jacob and Kenneth Pearl, Paderborn [u. a.]: Schöningh 2019, VI, 220 S. (= War (Hi)Stories, 4), EUR 98,00 [ISBN 978‑3‑506‑78823‑8]
- Nicht nur Raubkunst! Sensible Dinge in Museen und universitären Sammlungen. Hrsg. von Anna-Maria Brandstetter und Vera Hierholzer, Göttingen: V&R unipress, Mainz University Press 2018, 327 S., EUR 50,00 [ISBN 978‑3-8471‑0808‑5]
- Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
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- Frontmatter
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- Aufsätze
- Militärische Jugenderziehung vor dem und im Ersten Weltkrieg
- Chaos und Kohärenz
- Kapitän zur See Hans Langsdorff – »the Captain who defied Hitler«?
- Dokumentation
- »Verehrter Parteigenosse Landfried!«
- Buchbesprechungen Allgemeines
- Jeremy Black, Military Strategy. A Global History, New Haven, CT, London: Yale University Press 2020, XVII, 306 S., £ 25.00 [ISBN 978‑0‑300‑21718‑6]
- Wolfgang Reinhard, Die Unterwerfung der Welt. Globalgeschichte der europäischen Expansion 1415–2015, München: C. H. Beck 2016, 1648 S. (= Historische Bibliothek der Gerda Henkel Stiftung), EUR 58,00 [ISBN 978‑3‑406‑68718‑1] Philip T. Hoffman, Wie Europa die Welt eroberte. Aus dem Engl. von Cornelius Hartz, Darmstadt: Theiss 2017, 336 S., EUR 24,95 [ISBN 978‑3‑8062‑3476‑3] Stefan Rinke, Conquistadoren und Azteken. Cortés und die Eroberung Mexikos, München: C. H. Beck 2019, 399 S., EUR 28,00 [ISBN 978‑3‑406‑73399‑4]
- 1870–1945. Weltmärkte und Weltkriege. Hrsg. von Emily S. Rosenberg, München: C. H. Beck 2012, 1152 S. (= Geschichte der Welt / A History of the World), EUR 48,00 [ISBN 978‑3‑406‑64105‑3]
- War and the City. The Urban Context of Conflict and Mass Destruction. Ed. by Tim Keogh, Paderborn [u. a.]: Schöningh 2020, IV, 200 S. (= War (Hi)Stories, 6), EUR 98,00 [ISBN 978‑3‑506‑70278‑4]
- Rudolf Jaun, Geschichte der Schweizer Armee. Vom 17. Jahrhundert bis in die Gegenwart, Zürich: Orell Füssli 2019, 548 S., CHF 68,00 [ISBN 978‑3‑280‑06125‑1]
- Hagen Fleischer, Krieg und Nachkrieg. Das schwierige deutsch-griechische Jahrhundert. Hrsg. von Chryssoula Kambas. Aus dem Griechischen übers. von Andrea Schellinger, Köln: Böhlau 2020, 366 S. (= Griechenland in Europa, 5), EUR 30,00 [ISBN 978‑3‑412‑51789‑2]
- War and Stereotypes. The Image of Japan’s Military Abroad. Ed. by Frank Jacob and Sepp Linhart, Paderborn [u. a.]: Schöningh 2020, XVI, 214 S. (= War (Hi)Stories, 7), EUR 99,00 [ISBN 978‑3‑506‑70293‑7]
- Altertum
- Mischa Meier, Geschichte der Völkerwanderung. Europa, Asien und Afrika vom 3. bis zum 8. Jahrhundert n. Chr., 4. Aufl., München: C. H. Beck 2020, 1532 S. (= Historische Bibliothek der Gerda Henkel Stiftung), EUR 58,00 [ISBN 978‑3‑406‑73959‑0]
- Christoph Haack, Die Krieger der Karolinger. Kriegsdienste als Prozesse gemeinschaftlicher Organisation um 800, Berlin, Boston, MA: De Gruyter 2020, X, 273 S. (= Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, 115), EUR 109,95 [ISBN 978‑3‑11‑062614‑8]
- 1789–1870
- Sara Petzold, Alltag in der Fremde. Hannoversche Soldaten im Dienst der British East India Company 1782–1791, Hamburg: Verlag Dr. Kovač 2019, 366 S. (= Studien zur Geschichtsforschung der Neuzeit, 98), EUR 99,80 [ISBN 978‑3‑339‑10522‑6]
- Arthur Kuhle, Die preußische Kriegstheorie um 1800 und ihre Suche nach dynamischen Gleichgewichten, Berlin: Duncker & Humblot 2018, 419 S. (= Quellen und Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte, 49), EUR 99,90 [ISBN 978‑3‑428‑15342‑8]
- Georg Nafziger, Napoleon at Dresden. The Battles of August 1813, Solihul: Helion & Company 2018, XVI, 360 S., £ 35.00 [ISBN 978‑1‑911512‑81‑3]
- Die Heilige Allianz. Entstehung – Wirkung – Rezeption. Hrsg. von Anselm Schubert und Wolfram Pyta, Stuttgart: Kohlhammer 2018, 280 S., EUR 39,00 [ISBN 978‑3‑17‑035284‑1]
- 1871–1918
- Götz Ulrich Penzel, Ein Leben für die Luftfahrt. Hermann Wilhelm Ludwig Moedebeck (1857–1910). Hrsg. vom Verkehrsmuseum Dresden, Dresden: Sandstein 2020, 120 S., EUR 24,00 [ISBN 978‑3‑95498‑543‑2]
- Gero Fedtke, Roter Orient. Muslimkommunisten und Bolschewiki in Turkestan (1917–1924), Wien [u. a.]: Böhlau 2020, 432 S. (= Peripherien. Beiträge zur Europäischen und Globalgeschichte, 5), EUR 60,00 [ISBN 978‑3‑412‑51324‑8]
- 1919–1945
- Eckart Conze, Die große Illusion. Versailles 1919 und die Neuordnung der Welt, München: Siedler 2018, 559 S., EUR 30,00 [ISBN 978‑3‑8275‑0055‑7]Klaus Schwabe, Versailles. Das Wagnis eines demokratischen Friedens 1919–1923, Paderborn [u. a.] Schöningh 2019, 293 S., EUR 39,90 [ISBN 978‑3‑506‑78239‑7]Marcus M. Payk, Frieden durch Recht? Der Aufstieg des modernen Völkerrechts und der Friedensschluss nach dem Ersten Weltkrieg, Berlin [u. a.]: De Gruyter Oldenbourg 2018, VIII, 739 S. (= Studien zur Internationalen Geschichte, 42), EUR 49,95 [ISBN 978‑3‑11‑057845‑4]
- Matthias Herrmann, Das Reichsarchiv (1919–1945). Eine archivische Institution im Spannungsfeld der deutschen Politik, Kamenz: Stadtarchiv Kamenz 2019, 533 S. (= Veröffentlichungen aus dem Stadtarchiv Kamenz, 4), EUR 49,00 [ISBN 978‑3‑910046‑78‑8]
- Stephan Lehnstaedt, Der vergessene Sieg. Der Polnisch-Sowjetische Krieg 1919–1921 und die Entstehung des modernen Osteuropa, München: C.H. Beck 2019, 221 S., EUR 14,95 [ISBN 978‑3‑406‑74022‑0]
- Nikos Späth, Das Thema hatte es in sich. Die Reaktion der deutschen und amerikanischen Presse auf Erich Maria Remarques Im Westen nichts Neues. Eine vergleichende Rezeptionsstudie über Fronterlebnis‑ und Weltkriegserinnerung in der Weimarer Republik und den USA in den Jahren 1929 und 1930. Göttingen: V&R unipress; Universitätsverlag Osnabrück 2020, 619 S. (= Schriften des Erich Maria Remarque-Archivs, 35), EUR 75,00 [ISBN 978‑3‑8471‑1021‑7]
- Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933–1945, Bd 8: Sowjetunion mit annektierten Gebieten II. Generalkommissariat Weißruthenien und Reichskommissariat Ukraine. Bearb. von Bert Hoppe, Mitarbeit: Imke Hansen, Martin Holler, Berlin [u. a.]: De Gruyter Oldenbourg 2016, 762 S., EUR 59,95 [ISBN 978‑3‑486‑78119‑9]
- Pierre Tiquet, The 3rd SS Panzer Regiment. 3rd SS Panzer Division Totenkopf, Oxford: Casemate 2020, 128 S., £ 19.99 [ISBN 978‑1‑61200‑731‑1]
- Gerrit Reichert, U 96. Realität und Mythos. Der Alte und Lothar-Günther Buchheim. Hamburg: Mittler 2019, 231 S., EUR 29,95 [ISBN 978‑3‑8132‑0990‑7]
- Tobias Korenke, Widerstand aus Loyalität. Zum Verständnis einer deutschen Freiheitsbewegung, Essen: Klartext 2020, 186 S., EUR 18,00 [ISBN 978‑3‑8375‑2077‑4]
- Robert Lackner, Camp Ritchie und seine Österreicher. Deutschsprachige Verhörsoldaten der US-Armee im Zweiten Weltkrieg. Mit einem Gastbeitrag von Florian Traussnig, Wien: Böhlau 2020, 342 S., EUR 39,00 [ISBN 978‑3‑205‑21009‑2]
- Ryszard Kaczmarek, Polen in der Wehrmacht. Aus dem Poln. übers. von Andreas R. Hofmann, wissenschaftliche Red.: Burkhard Olschowsky, Berlin [u. a.]: De Gruyter Oldenbourg 2017, 244 S. (= Schriften des Bundesinstituts für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, 65), EUR 39,95 [ISBN 978‑3‑11‑050158‑2]
- Kerstin Bischl, Frontbeziehungen. Geschlechterverhältnisse und Gewalt-dynamiken in der Roten Armee 1941–1945, Hamburg: Hamburger Edition 2019, 348 S. (= Studien zur Gewaltgeschichte des 20. Jahrhunderts), EUR 28,00 [ISBN 978‑3‑86854‑332‑2]
- Corinna Kuhr-Korolev, Ulrike Schmiegelt-Rietig und Elena Zubkova, Raub und Rettung. Russische Museen im Zweiten Weltkrieg. In Zusammenarbeit mit Wolfgang Eichwede, Köln [u. a.]: Böhlau 2019, 383 S. (= Studien zu kriegsbedingt verlagerten Kulturgütern, 1), EUR 45,00 [ISBN 978‑3‑412‑50188‑4]
- Nach 1945
- Astrid M. Eckert, West Germany and the Iron Curtain. Environment, Economy, and Culture in the Borderlands, Oxford, New York, Oxford University Press 2019, XV, 422 S., $ 99.00 [ISBN 978‑0‑19‑069005‑2]
- Armin Müller, Wellenkrieg. Agentenfunk und Funkaufklärung des Bundesnachrichtendienstes 1945–1968, Berlin: Ch. Links 2017, 416 S. (= Veröffentlichungen der Unabhängigen Historikerkommission zur Erforschung der Geschichte des Bundesnachrichtendienstes 1945–1968, 5), EUR 45,00 [ISBN 978‑3‑86153‑947‑6]
- Kriegsmaterial im Kalten Krieg. Rüstungsgüter in der Schweiz zwischen Militär, Industrie, Politik und Öffentlichkeit/Le matériel de guerre pendant la guerre froide. L’armement en Suisse – entre l’armée, l’industrie, la politique et le public. Hrsg. von/ed. par Monika Dommann und/et Sibylle Marti, Basel: Schwabe 2020, 180 S., sFr. 48,00 [ISBN 978‑3‑7965‑4104‑9]
- Prokop Tomek, Československá armáda v čase Sametové revoluce. Proměny ozbrojených sil na přelomu osmdesátých a devadesátých let [Die Tschechoslowakische Volksarmee während der Samtenen Revolution. Veränderungen in den Streitkräften Ende der 1980er/Anfang der 1990er Jahre], Cheb: Svět křídel 2019, 259 S., KČ 330,00 [ISBN 978‑80‑7573‑060‑2]
- Peter Heinze, Bundeswehr beeindruckt Deutschlands Osten. Ein Journalist erlebte die Armee der Einheit, Baden-Baden: Tectum 2019, 486 S., EUR 68,00 [ISBN 978‑3‑8288‑4410‑0]
- The Long End of the First World War. Ruptures, Continuities and Memories. Ed. by Katrin Bromber [u. a.], Frankfurt a. M., New York: Campus 2018, 296 S. (= Eigene und fremde Welten, 36), EUR 39,95 [ISBN 978‑3‑593‑50862‑7]
- Stephan Jaeger, The Second World War in the Twenty-First-Century Museum. From Narrative, Memory, and Experience to Experientiality, Berlin, Boston, MA: De Gruyter 2020, XIV, 354 S. (= Media and Cultural Memory/Medien und kulturelle Erinnerung, 26), EUR 86,95 [ISBN 978‑3‑11‑066106‑4]
- War and Memorials. The Second World War and Beyond. Ed. by Frank Jacob and Kenneth Pearl, Paderborn [u. a.]: Schöningh 2019, VI, 220 S. (= War (Hi)Stories, 4), EUR 98,00 [ISBN 978‑3‑506‑78823‑8]
- Nicht nur Raubkunst! Sensible Dinge in Museen und universitären Sammlungen. Hrsg. von Anna-Maria Brandstetter und Vera Hierholzer, Göttingen: V&R unipress, Mainz University Press 2018, 327 S., EUR 50,00 [ISBN 978‑3-8471‑0808‑5]
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