Reviewed Publication:
Jim Townsend Andrea Kendall-Taylor David Shullman Gibbs McKinley A Limited Partnership Russia-China Relations in the Mediterranean Washington, D.C. Center for a New American Century (CNAS) September 2021
Jim Townsend, Andrea Kendall-Taylor, David Shullman und Gibbs McKinley untersuchen in ihrer Studie, ob der Mittelmeerraum eine neue Arena verstärkter Kooperation zwischen China und Russland werden könnte. Für die USA entstehe ein Risiko durch die sich verfestigende Partnerschaft, die nicht als „unangenehm oder unnatürlich“ abgetan werden sollte. Die globale Herausforderung liegt auf der Hand, dennoch betonen die Autoren und Autorinnen die wachsende Zusammenarbeit zwischen China und Russland im Mittelmeerraum sei nicht über zu bewerten (S. 17). Zu unterschiedlich sei das Interesse beider Akteure an der Region: Während für Russland der symbolische Wert einer Großmachtrolle bzw. die Sicherheitspolitik (S. 4) im Vordergrund stehe, konzentriere sich China (noch) auf die Wahrung und den Ausbau ökonomischer Interessen und weniger auf seinen geopolitischen Einfluss und den Aufbau militärischer Fähigkeiten (S. 8–9). Obgleich das gemeinsame Ziel, die Beschneidung des Einflusses der USA bzw. der EU bestünde, bleibe die partnerschaftliche Zusammenarbeit begrenzt (S. 11).
Ein Vorteil für beide Akteure liege in ihrer militärischen Zusammenarbeit: Die Durchführung gemeinsamer Übungen verbessere nicht nur die operativen Fähigkeiten der chinesischen Marine (PLAN), sondern trainiere auch ihre Befähigung zu gemeinsamen Kampfeinsätzen. Im Gegensatz zur vertieften Zusammenarbeit in anderen Weltregionen wie der Arktis, unterschieden sich die Prioritäten von Russland und China im Mittelmeer derartig, dass die Aktivitäten eher von „parallelen und komplementären Bemühungen denn von einer aktiven Zusammenarbeit“ geprägt seien (S. 4).
Der eigentliche Grund für die Entwicklung der Interessenslage im Mittelmeer sei Russlands Bemühen, das Vorrücken der NATO aufzuhalten (S. 3). Die militärischen Auseinandersetzungen um Georgien 2008 und die Ukraine 2014 verdeutlichten diese Motivation. Putin habe in der Folge die regionale Instabilität im östlichen Mittelmeerraum und die sich verschlechternden Beziehungen zwischen den USA und der Türkei ausgenutzt sowie die sinkende Bereitschaft der USA antizipiert, Verantwortung zu übernehmen. Nicht zuletzt mit einem heiklen Waffenhandel hätte der Kreml das russisch-türkische Verhältnis gefestigt.
Mit Blick auf Russland sehen die Autoren und Autorinnen daher die Aktivitäten im Mittelmeerraum sicherheitspolitisch motiviert: „Der Mittelmeerraum ist entscheidend für Russlands Fähigkeit seine Position im Schwarzen Meer und die dazugehörige Flotte zu verteidigen, die in Sewastopol auf der besetzten Krim stationiert ist“ (S. 4). Das Mittelmeer sei daher aus russischer Sicht eine Pufferzone, die als eine erweiterte Verteidigung (extended defence) fungiere. Russlands Präsenz zwinge die USA und die NATO, dies zur Kenntnis zu nehmen und unterminiere gleichsam den Zusammenhalt der NATO. Zudem verfolge Russland mit der gesteigerten Präsenz im Mittelmeer das Ziel, Europa zu entzweien und zu schwächen (S. 5). Russland präsentiere sich als „Großmacht“ (global power), „unentbehrlicher Spieler“ (indispensable player) und stakeholder. Zum militärischen Aufgebot zählten eine wachsende Flotte mit zusätzlichen sechs neuen Angriffs-U-Booten, drei Fregatten und weiteren Schiffen. Die Sicherung der Häfen und Militärbasen sei daher nicht von der Hand zu weisen. Obgleich untergeordnet, habe auch Russland ökonomische Interessen, die sich auf den Kornhandel mit Algerien, Ägypten oder der Türkei richteten. Im Bereich der Energieversorgung baue der Kreml ein Netzwerk auf. Unter den Eliten fänden sich auch italienische Führungskräfte aus dem Energie-, Finanz-, oder Agrikultursektor, die sich politisch „regelmäßig für russisch-europäische Interessen einsetzten und daher skeptisch gegenüber Sanktionen seien“ (S. 8).
Chinas Priorität hingegen liege auf dem ökonomischen Bereich. Da die EU Pekings größter Handelspartner ist und über 80 Prozent des Handels über den Seeweg abgewickelt werden, ziele Pekings Investment auf die Verkürzung von Fahrtzeiten und die Verringerung von Frachtkosten (S. 8). Die Pacht von zwei Container-Terminals am griechischen Hafen von Piräus durch die chinesisch-staatliche Schiffsfirma COSCO markiere den Startpunkt für enorme Investitionen in Infrastrukturprojekte. Anders als Russland seien die Mittelmeerländer jedoch keine Energielieferanten Chinas und daher (noch) nicht für die eigene Energieversorgung relevant. Ein Interesse an den Energievorkommen sowie dem politischen Einflussgewinn durch Handelsbeziehungen bestünde dennoch. Durch die Präsenz Chinas im Mittelmeer vergrößere sich jedoch auch seine militärische Reichweite. Nach der erschütternden Erfahrung der libyschen Krise 2011 – als Peking auf die griechische Unterstützung angewiesen war, um chinesische Arbeitskräfte zu retten – hätte der eigene Zugang zum Mittelmeer an strategischer Bedeutung gewonnen. Darüber hinaus fanden bereits gemeinsame Marineübungen statt, z. B. 2019 mit ägyptischen Marinestreitkräften. Eine Besonderheit der chinesischen Einflussnahme sei nun die Etablierung multilateraler Foren, wie z. B. das Forum of Marine Cooperation between China and South European Countries oder die 17+1 Gruppe der Central and Eastern European Countries (CEEC).
Russland und China verfolgen hauptsächlich eigene Prioritäten. Das Autorenteam skizziert jedoch auch die begrenzte partnerschaftliche Kooperation im Mittelmeerraum. Als Beispiel nennen sie die Entsendung des chinesischen Militärschiffs Jinggangshan zur Unterstützung Russlands. Als vordergründige Motivation ermitteln sie aber das gemeinsame Interesse, die Bedeutung der USA und Europas sowie die transatlantische Zusammenarbeit zu beschränken (S. 12).
Für die Autoren und Autorinnen erwächst aus der sino-russischen Annäherung im Mittelmeerraum eine umfassende Herausforderung mit drei hauptsächlichen Implikationen: Der regionale Einfluss der USA werde verdrängt, Demokratie und Menschenrechte werden verschärft infrage gestellt und die militärischen Fähigkeiten beider Akteure werden erweitert (S. 13–14). Daraus leiten sie Handlungsempfehlungen ab, die unter anderem den Umgang mit der Türkei oder Ägypten betreffen. So sollten die Beziehung zwischen den USA und der Türkei wieder repariert werden, da engere türkisch-amerikanische Beziehungen engeren türkisch-russischen Beziehung vorzuziehen sei. Auch Ägypten sollten „attraktive Alternativen“ gegenüber den chinesischen Investitionen geboten werden, um Pekings Einfluss zu begrenzen. Insbesondere die aggressivere Wolf Warrior-Diplomatie Chinas sei kritisch zu bewerten und Washington solle die Partner an die Risiken erinnern, die entstünden, wenn „ein autoritäres China größere Hebelkraft über ihre Wirtschaft und Außenpolitik erhält“ (S. 16). Aufkommende Spannungen zwischen Russland und China, so die Autoren und Autorinnen sollten wo möglich verstärkt werden. Allerdings räumen sie ein, dass die USA selbst wenig Spielraum hätten, um diese Spannungen zu verschärfen. Gegenwärtig sei die Partnerschaft noch begrenzt, sie könne aber wachsen und daher sollten die transatlantischen Allianzpartner diese noch komplementäre Zusammenarbeit im Auge behalten.
https://www.cnas.org/publications/reports/a-limited-partnership
© 2022 Josie-Marie Perkuhn, publiziert von Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston
Dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 4.0 International Lizenz.
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