Gerard DiPippo/Andrea Leonard Palazzi: Bearing the Brunt. The Impact of the Sanctions on Russia’s Economy and Lessons for the Use of Sanctions on China. Washington, D.C.: Center for Strategic and International Studies (CSIS), Februar 2023
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DiPippo Gerard Palazzi Andrea Leonard Bearing the Brunt. The Impact of the Sanctions on Russia’s Economy and Lessons for the Use of Sanctions on China Washington, D.C. Center for Strategic and International Studies (CSIS) Februar 2023
Dieser Bericht des CSIS analysiert die Auswirkungen und Effektivität der Wirtschaftssanktionen, die die USA und ihre Verbündeten nach dem russischen Überfall auf die Ukraine verhängt haben. Er will Erkenntnisse liefern, die auch für eventuelle Sanktionen gegen China relevant wären. Die Analyse kommt zu dem Schluss, dass die Sanktionen die russische Wirtschaft schädigen und teilweise ausbluten lassen, der erhoffte Effekt eines Politikwechsels in Moskau aber nicht eingetreten ist. Der Schaden für die russische Wirtschaft sei geringer als erhofft. Russlands Finanzsektor habe sich in den ersten Monaten sehr anfällig gezeigt, mittlerweile aber erholt. Russlands Importe haben sich nach einer ersten Schockphase wieder stabilisiert, weil China, die Türkei und andere Länder jene Konsum- und Kapitalgüter lieferten, die zuvor aus dem Westen bezogen wurden. Das Staatsdefizit habe sich 2022 nicht dramatisch entwickelt, da Moskau wegen der überhöhten Preise für Erdgas und Erdöl weiterhin Erlöse erzielen konnte. Die strukturellen Schwächen der russischen Wirtschaft hätten sich jedoch infolge der Sanktionen deutlich verschlechtert.
Es sei aber abzusehen, dass die Einnahmen aus den Exporten fossiler Energieträger zurückgehen und dadurch die finanzielle Lage des Staats in Schwierigkeiten bringen werden. Russlands Fähigkeiten, auf den internationalen und nationalen Anleihemärkten die wachsenden Staatsdefizite auszugleichen, werden als begrenzt bezeichnet. Russlands wirtschaftliche Aussichten seien daher bescheiden.
Die Verfasser stellen fest, dass die Ziele westlicher Sanktionspolitik sich im Lauf der Zeit gewandelt haben. Sollten Sanktionen ursprünglich einen Krieg verhindern – was bekanntlich nicht gelang –, so ging es nach dem Überfall darum, Russland zu destabilisieren und zum Rückzug aus der Ukraine zu zwingen, was sich aber ebenfalls als nicht realisierbar herausgestellt hat. Nun sei es Ziel der Sanktionen, Russlands Fähigkeiten der militärischen Kriegführung durch Schwächung der wirtschaftlichen Basis sukzessive zu verringern – also ein Wirtschaftskrieg, der auf Abnutzung der im Vergleich zum Westen schwächeren russischen Wirtschaft setzt. Die ergriffenen Maßnahmen seien diesem Ziel durchaus dienlich, doch bislang nicht ausreichend gewesen, um Russland zum Aufgeben zu veranlassen.
Laut den Verfassern würde sich eine Strategie von Sanktionen gegen China noch sehr viel schwieriger gestalten als im Fall Russland. Aus den Erfahrungen mit der Sanktionspolitik gegen Russland ließen sich mehrere Lehren ziehen, die bei einer Krise wegen des Streitapfels Taiwan auch gegen China zu beachten wären:
Ökonomische Integration und Interdependenz stellen keine Garantien für das Verhindern eines von Russland oder China ausgelösten Krieges dar. Aber, es ist davon auszugehen, dass das Kalkül der chinesischen Führung ein anderes wäre als das der russischen beim Angriff auf die Ukraine.
Wenn die USA und ihre Alliierten ökonomische Sanktionen als Mittel der Abschreckung einsetzen wollen, dann sollten sie diese Bereitschaft rechtzeitig und glaubwürdig unter Beweis stellen.
Wirtschaftliche Sanktionen sind dann am effektivsten, wenn sie nicht allein von den USA, sondern im Zusammenwirken mit Alliierten und strategischen Partnern erfolgen. Es wird schwieriger sein, eine wirtschaftliche Allianz gegen China aufzubauen als gegen Russland.
Sollen ökonomische Sanktionen ein Maximum an Wirkung erzielen, dann muss man das Zielland von seinen externen Einnahmeressourcen abschneiden. Das sei im Fall Russland nicht oder nicht ausreichend gelungen.
Staaten, die Sanktionen verhängen, müssen ausreichend resilient gegenüber Maßnahmen der Gegenseite sein.
Die Effektivität von Wirtschaftssanktionen schwindet in dem Maß, in dem Umgehungsstrategien und Schmuggelnetzwerke entstehen. Daher ist eine ständige Anpassung der Instrumente notwendig.
Die Effektivität von Sanktionen ist nur dann gegeben, wenn die politischen Führer in den westlichen Demokratien bereit sind, dafür Nachteile in Kauf zu nehmen.
Abschreckung durch Wirtschaftssanktionen ist kein Ersatz für militärische Abschreckung. Sie kann letztere aber unterstützen.
Alles in allem eine spannende und interessante Analyse, die einerseits ernüchternd ist, doch andererseits aufzeigt, dass Wirtschaftssanktionen im derzeitigen Ukraine-Krieg eine gewisse Wirkung entfalten können. Russland zahlt für seinen Angriffskrieg mit einer gravierenden Verschlechterung seiner Wirtschaftsaussichten – was auch seine Fähigkeiten zur Kriegführung einschränkt.
© 2023 bei den Autorinnen und Autoren, publiziert von De Gruyter.
Dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 4.0 International Lizenz.
Artikel in diesem Heft
- Titelseiten
- Editorial
- Editorial
- Aufsätze
- Energiesicherheit unter Bedingungen der Dekarbonisierung von Wirtschaft und Verkehr
- Eine EU-Rohstoffagentur – Sinnvolles Instrument für die europäische Rohstoffsicherheit?
- Toxische Türöffner – Smart Ports als geoökonomisches Handlungsfeld
- Der Schutz maritimer kritischer Infrastrukturen und das Konzept der Abschreckung
- Kurzanalysen
- Unruhefaktor Iran – Welche Kriegsrisiken bestehen im Nahen Osten?
- Der Disput über das Raketenabwehrsystem THAAD in Südkorea – Wie Seoul seine nationalen Interessen im Kontext des sino-amerikanischen strategischen Wettbewerbs verfolgte
- Kommentar
- Den Weltkrieg vermeiden – aber welchen?
- Ergebnisse internationaler strategischer Studien
- Kritische Infrastruktur
- Ferdinand Alexander Gehringer: Unterseekabel als Kritische Infrastruktur und geopolitisches Machtinstrument. Berlin: Konrad-Adenauer-Stiftung, Dezember 2022
- Ukraine-Krieg
- Seth G. Jones/Riley McCabe/Alexander Palmer: Ukrainian Innovation in a War of Attrition. Washington, D.C.: Center for Strategic and International Studies (CSIS), Februar 2023
- Seth G. Jones: Empty Bins in a Wartime Environment. The Challenge to the U.S. Defense Industrial Base. Washington, D.C.: Center for Strategic and International Studies (CSIS), Januar 2023
- Bryan Frederick/Samuel Charap/Karl P. Mueller: Responding to a Limited Russian Attack on NATO during the Ukraine War, a perspective. Santa Monica, Cal.: The RAND Corporation, Dezember 2022
- Samuel Charap/Miranda Priebe: Avoiding a Long War. U.S. Policy and the Trajectory of the Russia-Ukraine Conflict. Santa Monica, Cal.: The RAND Corporation, Januar 2023
- Wirksamkeit von Sanktionen gegen Russland
- Gerard DiPippo/Andrea Leonard Palazzi: Bearing the Brunt. The Impact of the Sanctions on Russia’s Economy and Lessons for the Use of Sanctions on China. Washington, D.C.: Center for Strategic and International Studies (CSIS), Februar 2023
- Maria Snegovaya/Tina Dolbaia/Nick Fenton/Max Bergmann: Russia Sanctions at One Year. Learning from the Cases of South Africa and Iran. Washington, D.C.: Center for Strategic and International Studies (CSIS), Februar 2023
- Andrew David/Sarah Stewart/Meagan Reid/Dmitri Alperovitch: Russia Shifting Import Sources Amid U.S. and Allied Export Restrictions. Washington, D.C.: Silverado Policy Accelerator, Januar 2023
- Buchbesprechungen
- Michael Thumann: Revanche. Wie Putin das bedrohlichste Regime der Welt geschaffen hat. München: C.H.Beck 2023, 288 Seiten
- Thomas Urban: Verstellter Blick. Die Deutsche Ostpolitik. 2. Auflage. Berlin: edition.fotoTAPETA_Flugschrift 2022, 191 Seiten.
- Gerhard Conrad/Martin Specht: Keine Lizenz zum Töten. 30 Jahre als BND-Mann und Geheimdiplomat. Berlin: Econ/Ullstein Buchverlage 2022, 320 Seiten
- Arye Sharuz Shalicar: Schalom Habibi. Zeitenwende für jüdisch-muslimische Freundschaft und Frieden. Leipzig: Hentrich & Hentrich 2022, 162 Seiten
- Michael Paul: Der Kampf um den Nordpol. Die Arktis, der Klimawandel und die Rivalität der Großmächte, Freiburg: Herder 2022, 286 Seiten
- Bücher von gestern – heute gelesen
- Hans L. Trefousse: Germany and American Neutrality, 1939–1941. New York: Octagon Books 1969, 247 Seiten
- Bildnachweise
Artikel in diesem Heft
- Titelseiten
- Editorial
- Editorial
- Aufsätze
- Energiesicherheit unter Bedingungen der Dekarbonisierung von Wirtschaft und Verkehr
- Eine EU-Rohstoffagentur – Sinnvolles Instrument für die europäische Rohstoffsicherheit?
- Toxische Türöffner – Smart Ports als geoökonomisches Handlungsfeld
- Der Schutz maritimer kritischer Infrastrukturen und das Konzept der Abschreckung
- Kurzanalysen
- Unruhefaktor Iran – Welche Kriegsrisiken bestehen im Nahen Osten?
- Der Disput über das Raketenabwehrsystem THAAD in Südkorea – Wie Seoul seine nationalen Interessen im Kontext des sino-amerikanischen strategischen Wettbewerbs verfolgte
- Kommentar
- Den Weltkrieg vermeiden – aber welchen?
- Ergebnisse internationaler strategischer Studien
- Kritische Infrastruktur
- Ferdinand Alexander Gehringer: Unterseekabel als Kritische Infrastruktur und geopolitisches Machtinstrument. Berlin: Konrad-Adenauer-Stiftung, Dezember 2022
- Ukraine-Krieg
- Seth G. Jones/Riley McCabe/Alexander Palmer: Ukrainian Innovation in a War of Attrition. Washington, D.C.: Center for Strategic and International Studies (CSIS), Februar 2023
- Seth G. Jones: Empty Bins in a Wartime Environment. The Challenge to the U.S. Defense Industrial Base. Washington, D.C.: Center for Strategic and International Studies (CSIS), Januar 2023
- Bryan Frederick/Samuel Charap/Karl P. Mueller: Responding to a Limited Russian Attack on NATO during the Ukraine War, a perspective. Santa Monica, Cal.: The RAND Corporation, Dezember 2022
- Samuel Charap/Miranda Priebe: Avoiding a Long War. U.S. Policy and the Trajectory of the Russia-Ukraine Conflict. Santa Monica, Cal.: The RAND Corporation, Januar 2023
- Wirksamkeit von Sanktionen gegen Russland
- Gerard DiPippo/Andrea Leonard Palazzi: Bearing the Brunt. The Impact of the Sanctions on Russia’s Economy and Lessons for the Use of Sanctions on China. Washington, D.C.: Center for Strategic and International Studies (CSIS), Februar 2023
- Maria Snegovaya/Tina Dolbaia/Nick Fenton/Max Bergmann: Russia Sanctions at One Year. Learning from the Cases of South Africa and Iran. Washington, D.C.: Center for Strategic and International Studies (CSIS), Februar 2023
- Andrew David/Sarah Stewart/Meagan Reid/Dmitri Alperovitch: Russia Shifting Import Sources Amid U.S. and Allied Export Restrictions. Washington, D.C.: Silverado Policy Accelerator, Januar 2023
- Buchbesprechungen
- Michael Thumann: Revanche. Wie Putin das bedrohlichste Regime der Welt geschaffen hat. München: C.H.Beck 2023, 288 Seiten
- Thomas Urban: Verstellter Blick. Die Deutsche Ostpolitik. 2. Auflage. Berlin: edition.fotoTAPETA_Flugschrift 2022, 191 Seiten.
- Gerhard Conrad/Martin Specht: Keine Lizenz zum Töten. 30 Jahre als BND-Mann und Geheimdiplomat. Berlin: Econ/Ullstein Buchverlage 2022, 320 Seiten
- Arye Sharuz Shalicar: Schalom Habibi. Zeitenwende für jüdisch-muslimische Freundschaft und Frieden. Leipzig: Hentrich & Hentrich 2022, 162 Seiten
- Michael Paul: Der Kampf um den Nordpol. Die Arktis, der Klimawandel und die Rivalität der Großmächte, Freiburg: Herder 2022, 286 Seiten
- Bücher von gestern – heute gelesen
- Hans L. Trefousse: Germany and American Neutrality, 1939–1941. New York: Octagon Books 1969, 247 Seiten
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