Startseite Andrew David/Sarah Stewart/Meagan Reid/Dmitri Alperovitch: Russia Shifting Import Sources Amid U.S. and Allied Export Restrictions. Washington, D.C.: Silverado Policy Accelerator, Januar 2023
Artikel Open Access

Andrew David/Sarah Stewart/Meagan Reid/Dmitri Alperovitch: Russia Shifting Import Sources Amid U.S. and Allied Export Restrictions. Washington, D.C.: Silverado Policy Accelerator, Januar 2023

Veröffentlicht/Copyright: 7. Juni 2023

Reviewed Publication:

David Andrew Stewart Sarah Reid Meagan Alperovitch Dmitri Russia Shifting Import Sources Amid U.S. and Allied Export Restrictions Washington, D.C. Silverado Policy Accelerator Januar 2023


Die vorliegende Analyse des relativ neuen Thinktanks in Washington zieht eine Bilanz der Effektivität der westlichen Exportrestriktionen, die nach dem 24. Februar 2022 gegen Russland verhängt worden sind, und befasst sich schwerpunktmäßig mit Russlands Versuchen, diese Maßnahmen zu umgehen bzw. deren Wirksamkeit abzuschwächen. Die Verfasser geben zuerst einen Überblick über die Struktur russischer Importe vor dem Krieg und analysieren dann anhand von fünf Gütergruppen die Effektivität der Sanktionen sowie Russlands Bemühungen, diesen auszuweichen. Die Studie schließt mit politischen Empfehlungen ab.

Die Untersuchung der Importe zeigt auf, dass Russland bei einer Vielzahl von Technologien und Gütern stark abhängig von westlichen Einfuhren war bzw. ist. Im Jahr 2021 sei zu beobachten gewesen, dass gerade bei kritischen Technologien, Komponenten für moderne Waffen, aber auch bei Haushaltswaren und Konsumgütern große Mengen auf Vorrat importiert wurden – in Vorwegnahme erwarteter westlicher Sanktionen. Daher hatten die Sanktionen im Bereich der Exportkontrollen zunächst keine so gewichtigen Folgen, doch gingen die Importe zurück. Je länger der Krieg andauerte, seien die Mängel zu spüren gewesen. Auffällig sei, wie stark China als Lieferant von Technologien oder technisch relevanten Gütern seither eingesprungen ist, was die Wirksamkeit der Sanktionen vermindere. Allerdings sei die Lage bei den verschiedenen Gütergruppen unterschiedlich.

Im Bereich der Gütergruppe „Halbleiter und integrierte Schaltkreise“ habe Russland, so die Verfasser, zuerst große Einbrüche erlitten, dann jedoch seine Importe vor allem aus China und Hong Kong, aber auch aus anderen Staaten, erhöht. Diese würden quantitativ oder auch qualitativ zwar nicht das Niveau der bisherigen westlichen Importe erreichen, die Wirksamkeit der westlichen Beschränkungen allerdings erheblich mindern.

Im Bereich der „Smartphones“ beobachten die Verfasser, dass nach Verhängung der westlichen Sanktionen der russische Markt für Mobiltelefone schwer einbrach. Mittlerweile hätten aber Importe aus China und anderen Ländern die Lage teilweise verbessert. Dennoch seien Smartphones in Russland heute erheblich teurer und schwerer erhältlich als vor dem Krieg.

Im Bereich „Haushaltsgüter“ ergibt sich ein ähnliches Bild, so die Studie. Im Einzelnen werden Importe von Kühlschränken, Gefrierschränken und Waschmaschinen analysiert. Alle drei Haushaltsgüter werden – in meist niedriger Qualität – in Russland hergestellt, aber die Einfuhr westlicher Produkte war bis zum Ausbruch des Krieges eine wichtige Ressource. Nach einem anfänglichen Einbruch des Markts für diese drei Haushaltsgüter hätten insbesondere China, die Türkei und Usbekistan den Wegfall westlicher Importe wettgemacht.

Im Sektor „Automobile“ sei zu beobachten gewesen, dass nach Verhängung der Sanktionen Importe neuer Autos aus westlichen Ländern auf null sanken und dann durch Importe vornehmlich chinesischer Herkunft zu einem wesentlichen Teil ausgeglichen wurden. China fand sich sogar bereit, in Russland Werke zur Herstellung von Kraftfahrzeugen aufzubauen. Zudem habe sich der (nicht von Sanktionen betroffene) Import von gebrauchten Automobilen aus westlichen Ländern erhöht.

Ein etwas anderes Bild ergibt sich bei „Komponenten für den Automobilbau.“ Russland verfügt über Kapazitäten zum Bau von Kraftfahrzeugen, die aber in hohem Maß von Zulieferungen aus westlichen Ländern abhängig sind. Die Sanktionen führten zu einem deutlichen Einbruch, den Ersatzlieferungen aus China nur partiell hätten ausgleichen können.

Die Ergebnisse der Analyse zeigen, dass vor allem im Bereich der Konsumprodukte westliche Exportverbote wenig bewirken, weil Russland auf chinesische Produkte ausweichen kann; aber auch die Türkei ist gern bereit, aus den Sanktionen Nutzen für die eigene Wirtschaft zu ziehen. Die Ergebnisse für diese fünf Güterkategorien lassen sich nicht auf alle anderen übertragen, doch sie machen deutlich, dass in einer globalisierten Welt mit China als zweitgrößter Wirtschaftsmacht die Wirksamkeit von Exportkontrollen gerade bei Konsumgütern begrenzt bleibt.

Die Verfasser legen im abschließenden Teil Empfehlungen für die Politik vor, die eher randständiger Natur sind und die Kernprobleme nicht angehen. Insbesondere wird vorgeschlagen, Koordinierungsmängel innerhalb der US-Administration durch eine Konzentration von Zuständigkeiten zu beseitigen. Außerdem sei eine engere Kooperation mit den Alliierten und dem privaten Sektor notwendig. Im Bereich von hochwertigen Halbleiterprodukten sei es zumindest möglich, China von Zulieferungen und Technologietransfers auszuschließen. Viel mehr gehe nicht. Das ist korrekt, es sei denn, man überlegt, ob man als Vergeltung für chinesische Umgehungen westlicher Sanktionen gegen Russland – die den Krieg und das Leiden verlängern – zu Maßnahmen greifen sollte, die Chinas Zugang zu westlichen Märkten empfindlich einengen. Auch die Türkei, die sehr abhängig ist von Handelsbeziehungen zu Europa, könnte Gegenstand von Sanktionen sein mit dem Ziel, ihre Exporte nach Russland einzuschränken. Solche Ideen sind politisch aber offenkundig „Kartoffeln“, die als zu „heiß“ gelten. https://www.wita.org/atp-research/russia-u-s-export-restrictions/

Published Online: 2023-06-07
Published in Print: 2023-06-05

© 2023 bei den Autorinnen und Autoren, publiziert von De Gruyter.

Dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 4.0 International Lizenz.

Artikel in diesem Heft

  1. Titelseiten
  2. Editorial
  3. Editorial
  4. Aufsätze
  5. Energiesicherheit unter Bedingungen der Dekarbonisierung von Wirtschaft und Verkehr
  6. Eine EU-Rohstoffagentur – Sinnvolles Instrument für die europäische Rohstoffsicherheit?
  7. Toxische Türöffner – Smart Ports als geoökonomisches Handlungsfeld
  8. Der Schutz maritimer kritischer Infrastrukturen und das Konzept der Abschreckung
  9. Kurzanalysen
  10. Unruhefaktor Iran – Welche Kriegsrisiken bestehen im Nahen Osten?
  11. Der Disput über das Raketenabwehrsystem THAAD in Südkorea – Wie Seoul seine nationalen Interessen im Kontext des sino-amerikanischen strategischen Wettbewerbs verfolgte
  12. Kommentar
  13. Den Weltkrieg vermeiden – aber welchen?
  14. Ergebnisse internationaler strategischer Studien
  15. Kritische Infrastruktur
  16. Ferdinand Alexander Gehringer: Unterseekabel als Kritische Infrastruktur und geopolitisches Machtinstrument. Berlin: Konrad-Adenauer-Stiftung, Dezember 2022
  17. Ukraine-Krieg
  18. Seth G. Jones/Riley McCabe/Alexander Palmer: Ukrainian Innovation in a War of Attrition. Washington, D.C.: Center for Strategic and International Studies (CSIS), Februar 2023
  19. Seth G. Jones: Empty Bins in a Wartime Environment. The Challenge to the U.S. Defense Industrial Base. Washington, D.C.: Center for Strategic and International Studies (CSIS), Januar 2023
  20. Bryan Frederick/Samuel Charap/Karl P. Mueller: Responding to a Limited Russian Attack on NATO during the Ukraine War, a perspective. Santa Monica, Cal.: The RAND Corporation, Dezember 2022
  21. Samuel Charap/Miranda Priebe: Avoiding a Long War. U.S. Policy and the Trajectory of the Russia-Ukraine Conflict. Santa Monica, Cal.: The RAND Corporation, Januar 2023
  22. Wirksamkeit von Sanktionen gegen Russland
  23. Gerard DiPippo/Andrea Leonard Palazzi: Bearing the Brunt. The Impact of the Sanctions on Russia’s Economy and Lessons for the Use of Sanctions on China. Washington, D.C.: Center for Strategic and International Studies (CSIS), Februar 2023
  24. Maria Snegovaya/Tina Dolbaia/Nick Fenton/Max Bergmann: Russia Sanctions at One Year. Learning from the Cases of South Africa and Iran. Washington, D.C.: Center for Strategic and International Studies (CSIS), Februar 2023
  25. Andrew David/Sarah Stewart/Meagan Reid/Dmitri Alperovitch: Russia Shifting Import Sources Amid U.S. and Allied Export Restrictions. Washington, D.C.: Silverado Policy Accelerator, Januar 2023
  26. Buchbesprechungen
  27. Michael Thumann: Revanche. Wie Putin das bedrohlichste Regime der Welt geschaffen hat. München: C.H.Beck 2023, 288 Seiten
  28. Thomas Urban: Verstellter Blick. Die Deutsche Ostpolitik. 2. Auflage. Berlin: edition.fotoTAPETA_Flugschrift 2022, 191 Seiten.
  29. Gerhard Conrad/Martin Specht: Keine Lizenz zum Töten. 30 Jahre als BND-Mann und Geheimdiplomat. Berlin: Econ/Ullstein Buchverlage 2022, 320 Seiten
  30. Arye Sharuz Shalicar: Schalom Habibi. Zeitenwende für jüdisch-muslimische Freundschaft und Frieden. Leipzig: Hentrich & Hentrich 2022, 162 Seiten
  31. Michael Paul: Der Kampf um den Nordpol. Die Arktis, der Klimawandel und die Rivalität der Großmächte, Freiburg: Herder 2022, 286 Seiten
  32. Bücher von gestern – heute gelesen
  33. Hans L. Trefousse: Germany and American Neutrality, 1939–1941. New York: Octagon Books 1969, 247 Seiten
  34. Bildnachweise
Heruntergeladen am 23.9.2025 von https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/sirius-2023-2016/html
Button zum nach oben scrollen