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Ferdinand Alexander Gehringer: Unterseekabel als Kritische Infrastruktur und geopolitisches Machtinstrument. Berlin: Konrad-Adenauer-Stiftung, Dezember 2022

Published/Copyright: June 7, 2023

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Gehringer Ferdinand Alexander Unterseekabel als Kritische Infrastruktur und geopolitisches Machtinstrument Berlin Konrad-Adenauer-Stiftung Dezember 2022


Derzeit wird der Schutz maritimer Infrastruktur auch in Politik und Medien zu einem Thema. Besondere Aufmerksamkeit gilt den Unterseekabeln, die zentrale Elemente der globalen Kommunikationsstruktur sind und von deren Funktionieren viele Branchen von Wirtschaft, Politik und Verkehr abhängen. Wer eine komprimierte, leicht verständliche Darstellung dieser Problematik sucht, der sei auf die von der Konrad-Adenauer-Stiftung veröffentlichte Analyse von Ferdinand Alexander Gehringer verwiesen. Für den Verfasser hat das Thema „Unterseekabel“ zwei Aspekte: erstens die Sicherheit der bestehenden Kabelverbindungen (gerade zwischen Europa und Nordamerika sowie innerhalb Europas, aber auch mit Asien), zweitens die Verfügungsmacht über oder gar Kontrolle von Unterseekabeln als einem wichtigen geopolitischen Machtinstrument. Das Verständnis für diese beiden kritischen Aspekte, so der Verfasser, beschränke sich in Deutschland und der Europäischen Union weitgehend noch auf wenige Experten.

Die Analyse beginnt mit einer Erklärung der Rolle und Infrastruktur von Unterseekabeln. In klaren Worten, unterlegt mit Daten und Statistiken, zeigt der Verfasser auf, welch hohe Bedeutung unterseeische Kabel unter den Bedingungen einer globalisierten Wirtschaft heute für die Datenübertragung haben und dass sie sich nicht einfach durch Satelliten ersetzen lassen. Beim kabelgebundenen Datentransfer gäbe es ein erhebliches Potenzial an Redundanzen und suchten Daten sich den schnellsten Übertragungsweg. Dennoch können Kabel unterbrochen werden, durch natürliche Ereignisse ebenso wie durch feindliche Einwirkung. Würden zu viele Kabel gleichzeitig zerstört, könnte es zur Überlastung der anderen Verbindungen oder gar längeren Ausfällen kommen.

Der Autor gibt einen Überblick über jene Länder, die in diesem Sektor Aktivitäten aufweisen – offensiver wie defensiver Natur. In erster Linie sei Russland zu erwähnen, das zwar kaum von einer Unterbrechung von Unterseekabeln betroffen wäre, aber umso aktiver dabei ist, Technologien und Verfahren zu entwickeln, mit denen sich transatlantische und innereuropäische Kabelverbindungen zerstören lassen. Russland habe dafür sogar kleine Unterseeboote entwickelt, die in bis zu 6.000 Meter Tiefe operieren können. Aber auch die USA und China setzten zunehmend auf solche Technologien. Zudem würden die USA, Großbritannien und Frankreich Fähigkeiten entwickeln, um derartige Angriffe rechtzeitig entdecken, Angreifer identifizieren und Abwehr- oder Gegenmaßnahmen ergreifen zu können. Ein wirksamer Angriff auf westliche Unterseekabel sei erst möglich, wenn mehrere Angriffe zur gleichen Zeit an unterschiedlichen Orten erfolgen würden. Ob die dafür notwendigen Kapazitäten etwa auf russischer Seite vorliegen, sei noch offen. Doch müsse man auf jeden Fall damit rechnen, dass Angriffe auf Unterseekabel als Teil hybrider Kriegsführung stattfinden werden.

Wichtig, aber häufig übersehen sei die Sicherheit der Daten vor nachrichtendienstlicher Spionage. Vor allem britische und amerikanische Geheimdienste hätten bereits versucht, an bestimmten Knotenpunkten Daten abzufangen und auszuwerten. Doch auch China sei hier zunehmend aktiv.

Brisant seien ferner die Bemühungen vieler staatlicher und wirtschaftlicher Akteure, sich von den bisherigen Netzen unabhängig zu machen und eigene Kabelverbindungen aufzubauen. Das gelte für China, Russland und Brasilien sowie für große Tech-Konzerne wie Apple, Meta, Alphabeth, Amazon und Huawei. Man könne durchaus einen geopolitischen Wettbewerb beobachten, in dem es darum gehe, so wenig Abhängigkeiten wie möglich von staatlichen und anderen privaten Akteuren zu akzeptieren und zugleich Leistungen anzubieten, die andere abhängig machen sollen (so Pekings Projekt der Digitalen Seidenstraße).

Die Studie endet mit Empfehlungen für die Politik. Das Bewusstsein für die geopolitische Bedeutung von Unterwasserkabeln müsse dringend geschärft werden. An erster Stelle müsse man die Sicherheit der bestehenden transatlantischen und europäischen Kabelverbindungen durch Überwachungsmaßnahmen und Reaktionsmöglichkeiten erhöhen. Auch sollte die EU dafür sorgen, dass die Datensouveränität nicht durch China oder große Tech-Konzerne gefährdet werde.

https://www.kas.de/de/analysen-und-argumente/detail/-/content/unterseekabel-als-kritische-infrastruktur-und-geopolitisches-machtinstrument

Published Online: 2023-06-07
Published in Print: 2023-06-05

© 2023 bei den Autorinnen und Autoren, publiziert von De Gruyter.

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