Home Scott W. Harold: Defeat, Not Merely Compete. China’s View of Its Military Aerospace Goals and Requirements in Relation to the United States. Santa Monica, Cal.: Rand Corp., November 2018.
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Scott W. Harold: Defeat, Not Merely Compete. China’s View of Its Military Aerospace Goals and Requirements in Relation to the United States. Santa Monica, Cal.: Rand Corp., November 2018.

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Published/Copyright: April 9, 2019

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Harold Scott W. Defeat, Not Merely Compete. China’s View of Its Military Aerospace Goals and Requirements in Relation to the United States Santa Monica, Cal. Rand Corp. November 2018


Scott W. Harold untersucht die militärische Rüstungsentwicklung Chinas mit dem Schwerpunkt, welche Rolle der Wettstreit mit den USA für die Luft- und Raumfahrtgestaltung der Volksbefreiungsarmee (People’s Liberation Army, PLA) einnimmt. Als Forschungsprodukt des RAND Projektes AIR FORCE (PAF) ist diese Studie von der US Air Force in Auftrag gegeben und vorab von Fachexperten der amerikanischen Luftwaffe begutachtet worden. In sieben Kapiteln setzt sich der Autor mit den jüngsten militärischen Entwicklungsbestrebungen Chinas auseinander und zwar, wann es zum Nachahmen (copy) ausländischen Militärs (Kapitel 5) bzw. wann es zur eigenen Innovation in militärischer Luft- und Raumfahrt komme (Kapitel 6). Wie der Titel verrät, schlussfolgert die Studie analog zum dritten Kapitel, dass die PLA danach strebe, das US-amerikanische Militär zu besiegen und nicht bloß damit zu konkurrieren (S. 17–23).

Schon bei der Gegenüberstellung des PLA Air Force Slogans „‚bright eyes, strong fists, and long arms‘ mit dem visionären Statement der US Air Force „global vigilance, global reach, and global power“ sieht Harold eine imitierende Angleichung an die militärische Luft- und Raumfahrt der USA. Die US Air Force sei ein Modell für Chinas Luft- und Raumfahrt Entwicklung (vii). Jedoch sei die militärische Aufrüstung in puncto Luft- und Raumfahrt den allgemeinen politischen Zielen der Kommunistischen Partei untergeordnet und auch das Nachahmen sei kein Selbstzweck. Für Harold ist klar: „the PLA seeks not merely to compete with, but to deter and, if necessary, defeat the U.S. military should the two countries ever come into direct confrontation.“ Weiter führt er aus: „the overwhelming majority of China’s military capabilities developments and reforms, including its military aeospace capabilities developments, are […] oriented toward this goal“ (S.3).

Abschließend fordert Harold die US Airforce dazu auf mögliche Angriffsvektoren der chinesischen Luftstreitkräfte genauestens zu analysieren. Er warnt vor zu engen direkten Kontakten zwischen Angehörigen beider Luftstreitkräfte, da diese der PLA in ihrem Entwicklungsbestreben hilfreich sein könnten (S.35). Allerdings sei China nicht nur versiert darin, innovative Lösungen für „operative Herausforderungen“ zu finden, sondern zeige sich auch einfallsreich „gänzlich neue Fähigkeiten“ zu entwickeln, um militärische Einsätze der USA in Küstennähe zu vereiteln (S. 37).

Ausgangspunkt der Untersuchung ist die überraschend rapide Entwicklung Chinas bei fortschrittlichen militärischen Fähigkeiten, die speziell in den vergangenen Jahren alle Erwartungen übertroffen habe. Noch 1995 bemerkte eine RAND-Studie die vorherrschenden Unzulänglichkeiten. 2005 fiel ebenfalls in einer RAND-Studie erstmalig das kompetitive Entwicklungspotential auf und 2011 ermittelte eine weitere RAND-Studie das gesteigerte Interesse Chinas an der Bedeutung einer mächtigen Luftwaffe. Zwar werden auch die Veränderungen in der politischen Umwelt seit der zweiten Hälfte der 1990er Jahre als externe Faktoren eingeräumt (S.14), jedoch sei vor allem mit der eingeleiteten personellen und organisatorischen Umstrukturierung des Militärs durch den 19. Parteikongress 2017 unter Xi Jinping (S. 13) der Fokus auf die Modernisierung der Luft- und Raumfahrt gestärkt worden. Das habe dazu geführt, „the development of military aerospace power“ zu priorisieren (S.16).

Vergleichend werden in der Studie zwei Entwicklungswege der chinesischen Luftwaffe gegenübergestellt, die als copying and adapting bzw. innovating auf einem Kontinuum zu unterscheiden sind. Erstes bezieht sich dabei auf den Nach- und Ausbau ausländischer Technologien (foreign military-industrial intellectual property) und die Übernahme operativer Strukturen (S. 8–9). Das Zweite setzt die substantielle Entwicklung neuer Technologien bzw. neuartige, autochthone Operations- und Organisationsformen voraus (indigenous operational or organizational responses, S.9). Ein Beispiel für den Entwicklungspfad copying and adapting sei der Nachbau der fortgeschrittenen J-20 Kampfflugzeuge (S.25), ein anderes Beispiel seien die militärischen Langzeiteinsätze (S.27). Hier komme es nicht nur zu Anleihen an die US Air Force, sondern auch zur Imitation hochentwickelter militärischer Technologien anderer Staaten wie Frankreich oder Russland (S.25). Innovative Fortschritte ermittelt Harold auf dem Gebiet der Überschallgeschwindigkeitstechnologie (gemeint sind hypersonic glide vehicles wie das russische Vorbild Avangard) oder im Bereich der Entschlüsselung (satellite communications encryption) (S.30).

In beiden Entwicklungswegen wird die Motivation des Wettstreits, also competing, vorausgesetzt. Eine alternative Erklärungsmöglichkeit für die Modernisierung, wie die Dynamik der technologischen Innovation des 21. Jahrhunderts, wird nicht berücksichtigt. Fraglich bleibt, ob die Tatsache, dass die USA und China die gleichen Prioritäten (strategische Aufklärung und Überwachung bzw. militärische Aufklärung) verfolgen, hinreichend Anlass für die Vermutung einer aufeinander bezogenen Rüstungskonkurrenz ist. Schließlich handelt es sich hier um allgemeine Prioritäten der Luft- und Raumfahrt.

Harold geht davon aus, dass die chinesischen Anstrengungen im Bereich der Luftstreitkräfte sich zwar an den Fähigkeiten und operativen Konzepten der US Air Force orientieren, dass es aber nicht das Ziel Chinas ist, mit den USA auf jeder Ebene gleichzuziehen und eine den amerikanischen Streitkräften vergleichbare Luftwaffe aufzubauen (S. 8). Die militärischen Ziele Chinas seien begrenzterer Natur, würden aber darauf hinaus laufen Überlegenheit gegenüber den US-Luftstreitkräften in Regionen zu suchen, die in der Nähe Chinas liegen. Ob man diese Einschätzung so stehen lassen kann, wird leider nicht weiter reflektiert.

Die Studie stützt sich auch auf chinesische Primärquellen, allerdings geben diese laut Auskunft des Autors nicht immer Antworten auf die wirklich harten Fragen (S.10). Insofern fließt doch eine Vielzahl von Sekundärliteratur aus der westlichen Forschungsgemeinde und von US-Regierungsberichten ein. In dieser Hinsicht bildet die Studie auch eine chinesische Sicht ab, reflektiert jedoch primär die Einschätzung der US-amerikanischen Experten zu Chinas Entwicklung im Bereich der Luftwaffe.

https://www.rand.org/pubs/research_reports/RR2588.html

Published Online: 2019-04-09
Published in Print: 2019-04-05

© 2019 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

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