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Maxwell B. Markusen: The Islamic State and the Persistent Threat of Extremism in Iraq. Washington, D.C.: Center for Strategic and International Studies, November 2018.

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Published/Copyright: April 9, 2019

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Maxwell B. Markusen The Islamic State and the Persistent Threat of Extremism in Iraq Washington, D.C. Center for Strategic and International Studies November 2018


Maxwell B. Markusen argumentiert, dass der Islamische Staat (IS) weiterhin eine erhebliche Sicherheitsbedrohung für den Irak darstelle, obwohl die Regierungen der USA und des Irak offiziell den Sieg gegen die Terrororganisation verkündet haben. Ungeachtet der Tatsache, dass das selbsternannte Kalifat des IS zusammengebrochen ist, seien die Dschihadisten weit davon entfernt zu kapitulieren. Der IS verfüge noch immer zwischen 20.000 bis 30.000 Kämpfer, von denen die Hälfte im Irak aktiv sei. Der IS habe relativ flexibel auf den Verlust seines Herrschaftsgebiets reagiert. Zwar können die Dschihadisten längst nicht mehr so frei agieren, wie noch vor einigen Jahren, den bewaffneten Kampf führen sie jedoch in klandestinen Netzwerken weiter, die aus mehr oder weniger autonomen Kämpferzellen bestünden. Aus dem Untergrund verbreiteten sie weiterhin ihren Terror und überziehen das Land mit Bombenanschlägen, komplexen Angriffen sowie gezielten Tötungen und Entführungen.

Um die nach wie vor hohe Schlagkraft des IS zu verdeutlichen, bedient sich die Studie einer Auswertung von Daten des Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED). Im Irak habe der IS demnach 2018 durchschnittlich 75 Gewalttaten pro Monat verübt. Eine deutliche Zunahme von Vorfällen mit IS-Bezug verzeichneten die Provinzen Kirkuk und Salah ad-Din. Beide Provinzen grenzen an die kurdischen Autonomiegebiete und umfassen Territorien, die zwischen Kurden und Arabern umstritten sind. Landesweit seien die Anschlagszahlen im Vergleich zum Vorjahr jedoch gesunken, sie lägen aber dennoch über dem Gesamtwert von 2016. Die Zahlen zeigten aber auch zum einen, dass die Opferzahlen im Irak rückläufig sind und zum anderen, dass weniger Zivilisten Ziel von Anschlägen werden, dafür umso mehr die irakischen Sicherheitskräfte. Auch wenn die Studie diese Daten weitgehend uninterpretiert und ohne weitere Analyse erwähnt, lassen sie den Schluss zu, dass der IS den Schwerpunkt seiner Strategie verlagert hat. Die Organisation ist von Angriffen auf weiche, zivile Ziele abgekehrt, auch wenn diese leicht zu treffen sind und hohe Opferzahlen versprechen, vermutlich weil sie in ihrer geschwächten Situation stärker auf die Unterstützung von Sympathisanten in der Zivilbevölkerung angewiesen ist.

Als eine weitere Folge der Gebietsverluste habe, so die Studie, der IS sein physisches Kalifat durch ein „virtuelles Kalifat“ ersetzt. Raffiniert potenziere der IS die Wirkung seiner Taten, indem er sie propagandawirksam und mit einem gezielten Narrativ versehen im Internet veröffentlicht. Auch mit eingeschränkter Handlungsfähigkeit könne die Organisation durch die Nutzung des Internets Stärke demonstrieren, ihre radikalen Botschaften verbreiten und Nachwuchs rekrutieren.

Die wesentliche Ursache für das Fortbestehen des IS sei laut dem Autor die Schwäche des irakischen Staates sowie die strukturellen Probleme und die sich überlagernden religiösen und ethnischen Konfliktlinien in dem Land. So hätten die irakischen Sicherheitskräfte das Herrschaftsgebiet des IS zwar zurückerobert, sie seien jedoch nicht in der Lage, das Staatsgebiet vollumfänglich zu kontrollieren. Zudem würden die Bemühungen um eine effektive Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung durch den Territorialdisput zwischen der Zentralregierung in Bagdad und der kurdischen Autonomieregierung in Erbil behindert, der sich 2017 zuspitzte. Insbesondere in den Provinzen Kirkuk und Salah ad-Din seien dadurch Sicherheitsvakuen entstanden, die es dem IS erlauben, sich neue Bewegungsfreiheit zu erschließen.

Bedingt durch die grassierende Korruption, Misswirtschaft, den schleppenden Wiederaufbau und die hohe Arbeitslosigkeit habe die Unzufriedenheit innerhalb der Bevölkerung erheblich zugenommen. Deutlich werde dies anhand der Zunahme öffentlicher Proteste und Demonstrationen. Dies lasse auf ein erhebliches Konfliktpotential schließen. Die zunehmende Unzufriedenheit sowie eine fehlende Perspektive, vor allem für den überwiegend jungen Teil der Bevölkerung, böten einen neuen Nährboden für eine Radikalisierung.

Gleichzeitig schüre die Präsenz der Volksmobilisierungseinheiten (Al-Haschd asch-Schaabi), die sich mehrheitlich aus schiitischen und irantreuen Milizen zusammensetzen, religiöse Spannungen zwischen Sunniten und Schiiten. Die Milizen wurden als Reaktion auf den Aufstieg des IS gegründet und spielten eine Schlüsselrolle im Kampf gegen die Dschihadisten. Nach wie vor seien diese in den sunnitischen Landesteilen präsent und übten starken politischen Einfluss aus. Brisant sei vor allem ihre Beteiligung an Racheaktionen und Vergeltungsmaßnahmen, bei denen auch unschuldige Opfer zu beklagen seien. Von den Sunniten würden sie daher zunehmend als Bedrohung wahrgenommen. Das Gefühl der Unsicherheit innerhalb der sunnitischen Bevölkerung werde von den Dschihadisten geschickt für ihre Zwecke instrumentalisiert. Indem sie sich als Schutzpatron der irakischen Sunniten aufspielen, versuchten sie erneut, Unterstützung und Anhänger zu gewinnen.

Die Analyse endet mit konkreten Handlungsempfehlungen. Um die Bedrohung durch den IS wirksam einzudämmen, bedarf es laut Autor einer Intensivierung der Kooperation zwischen den irakischen und kurdischen Sicherheitskräften sowie den im Irak stationierten Teilen der U.S. Armee. Ferner könne durch den Abzug der schiitischen Milizen eine Deeskalation der religiösen Spannungen erwirkt werden. Eine nachhaltige Stabilisierung könne jedoch nur durch langfristige Maßnahmen erreicht werden, die den Wiederaufbau fördern, wirtschaftliche Perspektiven schaffen sowie die Korruption bekämpfen und die Regierungsführung verbessern.

https://www.csis.org/analysis/islamic-state-and-persistent-threat-extremism-iraq

Published Online: 2019-04-09
Published in Print: 2019-04-05

© 2019 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

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