Home Michael J. Mazarr/Arthur Chan/Alyssa Demus/Bryan Frederick/Alireza Nader/Stephanie Pezard/Julia A. Thompson/Elina Treyger: What Deters and Why. Exploring Requirements for Effective Deterrence of Interstate Aggression. Santa Monica: Rand Corp. November 2018.
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Michael J. Mazarr/Arthur Chan/Alyssa Demus/Bryan Frederick/Alireza Nader/Stephanie Pezard/Julia A. Thompson/Elina Treyger: What Deters and Why. Exploring Requirements for Effective Deterrence of Interstate Aggression. Santa Monica: Rand Corp. November 2018.

  • Alexander Schuster

    M.A., Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur für Internationale Politik und transatlantische Beziehungen, Institut für Politikwissenschaft an der Universität Regensburg

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Published/Copyright: April 9, 2019

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Mazarr Michael J. Chan Arthur Demus Alyssa Frederick Bryan Nader Alireza Pezard Stephanie Thompson Julia A. Treyger Elina What Deters and Why. Exploring Requirements for Effective Deterrence of Interstate Aggression Santa Monica Rand Corp. November 2018


Territoriale Abschreckung spielte in den vergangenen Jahrzehnten nur eine nachgeordnete Rolle in der Strategie der USA. Jetzt rückt sie angesichts neuer Bedrohungen wieder in den Fokus. Die größten Herausforderungen sind dabei das aggressive Auftreten Russlands gegenüber seinen osteuropäischen und baltischen Nachbarn, die territorialen Ambitionen Chinas im Ost- und Südchinesischen Meer sowie das nuklear aufgerüstete Nordkorea.

Die Autoren der RAND-Studie gehen der Frage nach, wie eine erfolgreiche Abschreckungspolitik gegenüber staatlichen Aggressoren gestaltet werden muss. Dabei werden zunächst die bestehenden Konzepte territorialer Abschreckung analysiert und auf Basis eines Kriterienkatalogs bewertet. Das Augenmerk liegt hier explizit auf zwischenstaatlichen Konflikten. Ihre erschöpfende quantitative und qualitative Analyse bestehender Methoden im Bereich der erweiterten Abschreckung führt die Autoren zu fünf zentralen Erkenntnissen:

1. Die Intentionen eines potenziellen Aggressors sind oftmals schwer durchschaubar und komplex.

2. Opportunistische Motive für Aggression sind weitaus seltener zu finden als Motive, die aus einer realen oder empfundenen Bedrohung der staatlichen Sicherheit oder des Statusdenken erwachsen.

3. Klarheit und Beständigkeit der Abschreckung sind essenziell, um Fehlperzeptionen zu verhindern.

4. Kraftvolle, aber flexible Antworten auf Bedrohungen stärken jedes Abschreckungsszenario, da nur durch flexible Reaktionsmöglichkeiten bewaffnete Konflikte auf niedrigeren Eskalationsstufen verhindert werden können

5. Abschreckungsbemühungen im multilateralen Rahmen sind besonders komplex, da der potenzielle Aggressor glaubhaft abgeschreckt werden soll, während die Alliierten von Provokationen abgehalten werden müssen.

Zusammenfassend für den ersten Teil der Analyse lässt sich festhalten, dass der Erfolg von Abschreckungsbemühungen hauptsächlich von der Motivation des Aggressors abhängt. Schwach motivierte Aggressoren sind leicht abzuschrecken. Ein hoher Grad an Motivation kann hingegen unter Umständen eine erfolgreiche Abschreckungspolitik unmöglich machen. Diese Erkenntnis führt die Studie zu einer breiteren Definition des Abschreckungsbegriffs: Die Vereinigten Staaten versuchen hoch motivierte Aggressoren durch mehrere ineinandergreifende Aktionen von einem Angriff abzubringen. Dieser Handlungskatalog umfasst neben der klassischen militärischen Abschreckung auch politische Initiativen, die den Aggressor befrieden und von weiteren Aktionen abhalten sollen. Auf internationaler Ebene wird gleichzeitig diplomatisch ein Rahmen geschaffen, der alle Aggressionen in dem Fall sowohl unnötig als auch kontraproduktiv erscheinen lässt. Dies führt die Studie zu dem weiteren Schluss, dass Klarheit darüber, welches Verhalten von den USA sanktioniert wird und welche Mittel dafür zum Einsatz kommen, ein weiterer essenzieller Teil erfolgreicher Abschreckungspolitik ist.

Die Autoren der Studie testen ihre Erkenntnisse schließlich anhand der russischen Bedrohung des Baltikums und der Abschreckungspolitik der Vereinigten Staaten und ihrer NATO-Partner. Sie gelangen zu dem Schluss, dass gemessen an dem Grad der Motivation Russlands, einen der drei Staaten anzugreifen, die Abschreckungsmaßnahmen Washingtons und seiner Partner ausreichend sind.

Auf Basis der vorangegangenen Erkenntnisse formulieren die Autoren schließlich fünf Prinzipien erweiterter Abschreckung:

1. Die USA sollten in jedem Fall die nationalen Interessen der Aggressoren sorgfältig prüfen und berücksichtigen, um eine starke und dennoch flexible Abschreckungspolitik verfolgen zu können.

2. Die Vereinigten Staaten sollten vor allem durch regionale Diplomatie die negativen politischen Konsequenzen aggressiven staatlichen Verhaltens aufzeigen und so ein aggressionsfeindliches Umfeld schaffen.

3. Washington muss stets klare Aussagen dazu treffen, welches Verhalten nicht mehr toleriert wird und wie die Konsequenzen für die Aggressoren bei Überschreiten der roten Linien aussehen werden.

4. Die Vereinigten Staaten müssen für eine erfolgreiche Abschreckungspolitik situative Besonderheiten stets berücksichtigen. Diese können kultureller, geographischer oder politischer Natur sein.

5. Die USA müssen die richtige Menge an Truppen in das fragliche Gebiet verlegen oder verlegen können, um die Ernsthaftigkeit ihrer Position im Konflikt zu unterstreichen. Dabei müssen sie einerseits ausreichend Truppen und Waffen im Krisengebiet stationieren, um dem Aggressor keine handstreichartigen Erfolge zu ermöglichen. Andererseits dürfen sie auch nicht zu viele Militäreinheiten im Krisengebiet zusammenziehen, da dies den Aggressor möglicherweise zu militärischem Vorgehen provoziert.

Das Verdienst der vorliegenden Studie ist es, auf die zunehmende Wichtigkeit klassischer Abschreckungspolitik hinzuweisen. Leider beschränken sich die Autoren auf rein konventionelle Konfliktszenarien und blenden so vor allem hybride Formen staatlicher Aggression, wie sie von Moskau täglich in Osteuropa praktiziert wird, zu einem großen Teil aus. Das schmälert die Praxisrelevanz der Studie.

https://www.rand.org/content/dam/rand/pubs/research_reports/RR2400/RR2451/RAND_RR2451.pdf

About the author

Alexander Schuster

M.A., Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur für Internationale Politik und transatlantische Beziehungen, Institut für Politikwissenschaft an der Universität Regensburg

Published Online: 2019-04-09
Published in Print: 2019-04-05

© 2019 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

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