Home Michael Lüders: Armageddon im Orient. Wie die Saudi-Connection den Iran ins Visier nimmt, München: C.H. Beck Verlag 2018, 265. Seiten, €14,95.
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Michael Lüders: Armageddon im Orient. Wie die Saudi-Connection den Iran ins Visier nimmt, München: C.H. Beck Verlag 2018, 265. Seiten, €14,95.

  • Remko Leemhuis

    AJC Berlin Ramer Institute, Consultant on Antisemitism Affairs

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Published/Copyright: April 9, 2019

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Lüders Michael Armageddon im Orient. Wie die Saudi-Connection den Iran ins Visier nimmt München C.H. Beck Verlag 2018 1 265 €14,95


Eine breite gesellschaftliche Debatte über Außenpolitik steckt hierzulande nach wie vor in den Kinderschuhen. Erst in den vergangenen Jahren, insbesondere mit der Ankunft von hunderttausenden Flüchtlingen aus dem Nahen Osten und dem bereits unter Obama einsetzenden Rückzug der USA von der Weltbühne, wurde deutlich, dass die bisherige Zurückhaltung in außenpolitischen Fragen nicht mehr zeitgemäß ist. Daher ist es erstmal ein positives Zeichen, wenn es Sachbücher über die aktuellen Entwicklungen im Nahen Osten auf die Beststellerlisten schaffen und eine breite Leserschaft finden. Zweifellos wird auch das vorliegende Buch von Michael Lüders ein Verkaufsschlager werden. Allerdings wird nach der Lektüre deutlich, dass das Buch nichts zu einer informierten Debatte beizutragen hat und im Gegenteil nur die simpelsten Stereotype und Projektionen über den Nahen Osten reproduziert und darüber hinaus mit gefährlichen Verschwörungstheorien angereichert ist.

Lüders möchte mit seinem Buch, so ist im Vorwort zu erfahren, „die Geschichte hinter den Schlagzeilen“ (S.11) erzählen. Dabei will er „vorherrschende Meinungen und Gewissheiten“ (S.10) infrage stellen, denn die Zeiten, so der Autor, „verlangen nach klaren Worten“ (ebd.) und einer sachlichen Analyse. Was dann allerdings auf den folgenden 240 Seiten ausgebreitet wird, ist keine sachliche historisch und politisch informierte Analyse, sondern eine krude Aneinanderreihung von Halbwahrheiten, unbewiesenen Behauptungen und Verschwörungstheorien. Der Plot des Buches ist schnell erzählt und ergibt sich bereits aus dem Untertitel: Der Iran ist das Opfer eines Komplotts der USA, Israels und Saudi-Arabiens, die dort einen Regime-Change herbeiführen wollen, da das Land als einziges dem westlichen Hegemonialstreben im Weg stehe (S.185). Der Iran sei gar zum Abschuss freigegeben (S.234). Um dies zu belegen reiht der Autor alle tatsächlichen oder vermeintlichen Fehler des Westens in den letzten 70 Jahren auf. Es entsteht dabei ein stimmiges Bild des aggressiven Westens und eines Nahen Ostens, der stets nur Opfer neo-kolonialer Bestrebungen, insbesondere der USA, war. Diese Erzählung funktioniert indes nur deswegen, weil Lüders das Gebaren des Irans fast vollständig ausblendet. Wo er problematisches Verhalten des Iran konzediert, ist dies immer nur die Reaktion auf die Politik des Westens. So geht das auf knapp 250 Seiten.

Naturgemäß muss Lüders, um die Richtigkeit seiner These zu belegen, einen flexiblen Umgang mit der Wahrheit haben. So behauptet er etwa, dass das ballistische Raketenprogramm des Iran legal sei (S.112). Die Europäer und die USA sind sich hingegen einig, dass die Raketentests gegen die Sicherheitsrats-Resolution 2231 verstoßen. Ebenso behauptet er, dass Israel seit 2006 „hunderte Luftangriffe auf militärisch Ziele im Libanon und Syrien“ (S.213) geflogen habe. Im Hinblick auf Syrien stimmt dies, im Falle des Libanons hat es höchstens eine Handvoll solcher Angriffe seit dem letzten Krieg im Jahr 2006 gegeben. Ebenso ist schleierhaft, wie er darauf kommt, dass „rund 50 %“ (S.186) der Syrer das Assad-Regime unterstützen, schreibt er doch einige Seiten später, dass sich die Anhängerschaft Assads nur schwer beziffern lasse, nur um die Behauptung sogleich zu erneuern. Auch bei der Wiedergabe von Zitaten nimmt es Lüders nicht ganz so genau. So schreibt er über den derzeitigen US-Außenminister, dass dieser „den Islam“ als die größte Bedrohung für die USA einschätze und zitiert ihn mit den Worten „Muslime verabscheuen Christen“ (S.221). Eine kurze Internetrecherche ergibt, dass er weder das eine noch das andere gesagt hat. Tatsächlich hat Pompeo im Jahr 2014 nicht von „dem Islam“, sondern vom Islamismus gesprochen und keineswegs von „den Muslimen“ sondern von islamistischen Terroristen, aber gleichsam deutlich herausgestellt, dass es sich um eine kleine, aber radikale Minderheit unter den Muslimen handelt. Zu keinem Zeitpunkt hat Pompeo von der Gesamtheit der Muslime gesprochen, wie Lüders insinuiert. Und dass die Terrororganisation „Hisbollah“ eine ‚originär libanesisch-schiitische Bewegung‘ sei (S.87), dürfte man wohl nicht zuletzt auch in Süd-Beirut anders sehen.

Während Lüders es mit der Wahrheit also nicht so genau nimmt, wirft ausgerechnet er den westlichen Medien vor, nur die Sicht der Regierung wiederzugeben und nicht kritisch genug zu sein. Dabei scheint ihm wohl die Ironie zu entgehen, dass er seine kruden Thesen im Wochentakt im öffentlichen und privaten Rundfunk wiedergeben darf und seine Bücher in einem der renommiertesten Verlagshäuser des Landes erscheinen. Und trotz seiner harschen Kritik an den westlichen Medien offenbart ein Blick in seinen Anmerkungsapparat, dass er zwar kaum wissenschaftliche Literatur verwendet, dafür aber ganz überwiegend jene Medien nutzt, denen er die Verheimlichung der Wahrheit vorwirft. Nachgerade absurd wird es, wenn er dann noch ausgerechnet syrische (S.202f) und russische (S.179) Staatsmedien als vertrauenswürdige Quellen angibt. Die Liste der Halb- und Unwahrheiten, falschen Zitierungen und unüberprüfbaren Behauptungen ließe sich fortsetzen würde aber übersehen, dass es ihm gar nicht um eine politische Analyse geht, sondern ausschließlich um die Bestätigung seines verqueren Weltbildes.

Was das Buch indes wirklich problematisch macht, sind die Verschwörungstheorien denen Michael Lüders, immerhin Präsident der Deutsch-Arabischen Gesellschaft, ganz offenbar anhängt. Denn die US-Außenpolitik ist aus seiner Sicht kein Ergebnis eines komplexen Aushandlungsprozesses, sondern folgt alleine den finanziellen und politischen Interessen einiger weniger Strippenzieher im Hintergrund. So schreibt er: „Die verfassungsgemäße Gewaltenteilung erscheint aufgehoben durch Großspender, die rücksichtslos ihre eigenen Interessen durchsetzen.“ Demokratie und Menschrechte seien ferner nur Sprechblasen und Politik werde in den Hinterzimmern ausgehandelt (S.132). Darüber hinaus heißt es bei ihm: „Die Superreichen haben sich den Staat Untertan gemacht, allen voran die USA, und sie spielen nach ihren eigenen Regeln […] Die eigentlichen Entscheidungen fallen längst innerhalb eines kleinen Zirkels von Oligarchen, die neue Herrschaftselite im Hintergrund […]. “ Kaum überraschend handelt es sich bei diesen sinisteren Kräften im Hintergrund fast ausschließlich um Juden oder jüdische Organisationen, wie er mal explizit, mal implizit wiederholt im Buch behauptet (siehe dazu Seite 89, 90, 118, 119, 120, 124, 153, 220, 221f.). Diese Mächte im Hintergrund sind, so Lüders, auch für einen Weltkrieg bereit, um ihre Interessen durchzusetzen (S.178). ‚Der Jude‘ erscheint hier als Gefahr für die Menschheit. Diese Vorstellung sollte gerade hierzulande alle Alarmglocken schrillen lassen. Vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte sollte sich das Verlagshaus in München daher schon die Frage gefallen lassen, ob der finanzielle Erfolg des Buches es rechtfertigt, diese Verschwörungstheorien durch einen Platz in seinem Programm zu adeln und sein Renommee in den Dienst solcher wirren Ideen zu stellen.

About the author

Dr. Remko Leemhuis

AJC Berlin Ramer Institute, Consultant on Antisemitism Affairs

Published Online: 2019-04-09
Published in Print: 2019-04-05

© 2019 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

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