Startseite Samual Charap/Khrystyna Holynska: Russia’s War Aims in Ukraine. Objective-Setting and the Kremlin’s Use of Force Abroad. St. Monica, Cal.: The RAND Corporation, August 2024
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Samual Charap/Khrystyna Holynska: Russia’s War Aims in Ukraine. Objective-Setting and the Kremlin’s Use of Force Abroad. St. Monica, Cal.: The RAND Corporation, August 2024

Veröffentlicht/Copyright: 29. November 2024

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Samual Charap / Khrystyna Holynska: Russia’s War Aims in Ukraine. Objective-Setting and the Kremlin’s Use of Force Abroad. St. Monica, Cal.: The RAND Corporation, August 2024


Russlands Krieg gegen die Ukraine ist Moskaus umfangreichste Gewaltanwendung außerhalb seiner Grenzen seit dem Zweiten Weltkrieg. Selbst in der Anfangsphase der groß angelegten Invasion, die im Februar 2022 begann, war die Operation der mit Abstand größte Einsatz von Bodentruppen seit Jahrzehnten, und der Umfang der militärischen Ressourcen, die für den Krieg aufgewendet wurden, ist seitdem erheblich gestiegen. Die vorliegende Analyse der RAND-Corporation fragt nach den Zielsetzung Russlands, die von führenden Politikern im ersten Jahr des Krieges in der Ukraine geäußert wurden. Die Verfasser beginnen mit einer Analyse der russischen militärwissenschaftlichen Schriften über die politischen Ziele des Krieges. Anschließend untersuchen sie die jüngsten Fälle von russischer Gewaltanwendung im Ausland, um ein besseres Verständnis für vergangene Praktiken bei der öffentlichen Kommunikation von Zielen zu entwickeln. Anhand dieser beiden Informationsquellen extrapolieren sie die Erwartungen an die Zielsetzung in der russischen Kriegspolitik.

Anschließend werden Moskaus öffentlich gemachte Zielsetzungen während des ersten Jahres der „militärischen Spezialoperation“ untersucht. Dazu führten sie eine qualitative Analyse der wichtigsten Reden und eine quantitative Analyse eines Originaldatensatzes mit Beschreibungen der Ziele des russischen Staats- und Regierungschefs im Jahr 2022 durch. Sie kodierten die Aussagen von Putin, Außenminister Sergej Lawrow und Verteidigungsminister Sergej Schoigu mehrere Monate vor und nach der groß angelegten Invasion.

Im Ergebnis kommen die Verfasser zu der Feststellung, dass der Kreml keine kohärente öffentliche Darstellung der Ziele der Operation angeboten habe. Oft seien die Ziele einfach nicht artikuliert worden. Wenn doch, seien nur vage Konzepte verwendet worden, die erheblichen Interpretationsspielraum ließen. Hochrangige russische Führer hätten regelmäßig widersprüchliche Behauptungen über die Ziele der Operation aufgestellt. Es sei zwar zutreffend, dass Staatsmänner in der Öffentlichkeit oft ihre wahren Zielvorstellungen verschwiegen. Insbesondere der russische Präsident Wladimir Putin sei berüchtigt für seine Unwahrheiten. Bemerkenswert sei allerdings, dass die russische Führung weder der Öffentlichkeit noch den Truppen klar mitgeteilt habe, was Moskau mit der folgenreichsten Gewaltanwendung im Ausland seit mehreren Generationen zu erreichen versucht.

Eine solche Verwirrung über die Ziele, so die Verfasser, widerspreche einem Kernprinzip der russischen Strategie; nämlich der Notwendigkeit, politische Ziele und militärisches Handeln miteinander zu verknüpfen. Darüber hinaus unterscheide sich dieser mehrdeutige Ansatz erheblich von der russischen Praxis von vor 2022. Bei der Operation zur Annexion der Krim und der Invasion des Donbass nach 2014 leugnete die russische Führung die Tatsache, dass Gewalt angewendet wurde, und machte damit eine öffentliche Darstellung überflüssig. Bei seiner Intervention in Syrien habe der Kreml darauf geachtet, an einer konsistenten öffentlichen Darstellung seiner Ziele festzuhalten, auch wenn er sich an die veränderten Umstände vor Ort anpasste.

Die Verfasser, ausgewiesene Russlandexperten, vermuten, dass mehrere Faktoren zu diesem Ergebnis beigetragen hätten. Es sei wahrscheinlich, dass die russische Führung von einer begrenzten militärischen Aktion ausging und mit der Durchführung einer Militäroperationen dieses Ausmaßes nicht gerechnet hätten. Putin könne aber auch nach dem Scheitern des ursprünglichen Plans bewusst darauf verzichtet haben, ein empirisch beobachtbares Endziel festzulegen, um seinen politischen Handlungsspielraum zu maximieren. Schließlich könnte er den Erfolg der „Verteidigung der Menschen im Donbass“ auf jede beliebige Weise definieren. Auch das russische Volk sei nicht auf ein bestimmtes Ergebnis festgelegt. Im Februar 2023 wären 37 Prozent der Russen nicht in der Lage gewesen, eine klare Antwort auf die Frage nach dem Ziel des Krieges zu geben, und eine etwa gleich große Zahl von Russen schienen Verhandlungen oder eine Verlängerung der Operation zu unterstützen. Obwohl Putins Vagheit darüber, was er zu erreichen versuchte, für die Moral des Militärs äußerst schädlich sein könnte, deutet diese Unklarheit auch darauf hin, dass er versucht haben könnte, sich alle Optionen offen zu halten, wie er vorgehen sollte und vor allem, zu welchen Bedingungen er bereit wäre, sich zu einigen.

https://www.rand.org/pubs/research_reports/RRA2061-6.html

Online erschienen: 2024-11-29
Erschienen im Druck: 2024-11-27

© 2024 bei den Autorinnen und Autoren, publiziert von De Gruyter.

Dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 4.0 International Lizenz.

Artikel in diesem Heft

  1. Titelseiten
  2. Editorial
  3. Aufsätze
  4. Quellen des Nahöstlichen Antisemitismus
  5. Der Informationskrieg des Irans
  6. Chinas Fähigkeiten im Bereich der Unterwasser-Seekriegsführung: Technologische Aspekte
  7. Kritische Rohstoffabhängigkeiten und Lieferketten-Resilienz – ein Fall für die geheimen Nachrichtendienste?
  8. Kurzanalyse
  9. Vorschläge für eine neue Russland-Strategie der NATO
  10. Ergebnisse internationaler strategischer Studien
  11. Naher Osten
  12. Jack Watling/Nick Reynolds: Tactical Lessons from Israel Defense Forces Operations in Gaza, 2023. London: Royal United Services Institute (RUSI), Juli 2024
  13. Hassan Alhasan/Camille Lons: Gulf Bailout Diplomacy: Aid as Economic Statecraft in a Turbulent Region. London: IISS, Oktober 2023
  14. Brian Katulis, with Benjamin Freedman and Sydney Taylor: The Limits of Biden’s Middle East Diplomacy. An Assessment of US Policy. Washington, D.C.: The Middle East Institute, Juli 2024
  15. Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine
  16. Samual Charap/Khrystyna Holynska: Russia’s War Aims in Ukraine. Objective-Setting and the Kremlin’s Use of Force Abroad. St. Monica, Cal.: The RAND Corporation, August 2024
  17. Dara Massicot: Russian Military Wartime Personnel Recruiting and Retention 2022–2023. St. Monica: The RAND Corporation, Juli 2024
  18. Dapo Akande/Olivier Corten/Shotaro Hamamoto/Pierre Klein/Harold Hongju Koh/Paul Reichler/Hélène Ruiz Fabri/Philippe Sands/Nico Schrijver/Christian J. Tams/Philip Zelikow: On Proposed Countermeasures Against Russia to Compensate Injured States for Losses Caused by Russia’s War of Aggression Against Ukraine. London: International Institute for Strategic Studies, Mai 2024
  19. Lt. General (Ret.) Keith Kellogg/Fred Fleitz: America First, Russia, & Ukraine. Washington, D.C.: America First Policy Institute – Center for American Security, April 2024
  20. Militärrivalität USA-China
  21. Katherine L. Kuzminski/Taren Sylvester: Back to the Drafting Board. U.S. Draft Mobilization Capability for Modern Operational Requirements. Washington, D.C.: Center for a New American Security, Juni 2024
  22. Stacie Pettyjohn/Hannah Dennis/Molly Campbell: Swarms over the Strait. Drone Warfare in a Future Fight to Defend Taiwan. Washington, D.C.: CNAS
  23. Markus Schiller: Der große Sprung. Chinas ballistisches Raketenprogramm. Ein technischer Bericht. Hamburg: Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik, Mai 2024
  24. Buchbesprechungen
  25. Rashid Khalidi: Der Hundertjährige Krieg um Palästina. Eine Geschichte von Siedlerkolonialismus und Widerstand. Zürich: Unionsverlag 2024, 379 S.
  26. Henry Farrell/ Abraham Newman: Underground Empire. How America Weaponized the World Economy. London: Allen Lane 2023, 278 Seiten
  27. Boris Bondarew: Im Ministerium der Lügen. Ein russischer Diplomat über Moskaus Machtspiele, seinen Bruch mit dem Putin-Regime und die Zukunft Russlands. München: Wilhelm Heyne Verlag 2023, 255 Seiten
  28. Frank Bösch: Deals mit Diktaturen. Eine andere Geschichte der Bundesrepublik. C.H. Beck: München 2024, 622 Seiten
  29. Antje Nötzold/ Enrico Fels/ Andrea Rotter/ Moritz Brake (Hrsg.): Strategischer Wettbewerb im Weltraum. Politik, Recht, Sicherheit und Wirtschaft im All. Wiesbaden: Springer Nature, 2024, 883 Seiten
  30. Bildnachweise
Heruntergeladen am 25.9.2025 von https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/sirius-2024-4009/html
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