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Alexandra Prokopenko: Permanent Crisis Mode – Why Russia’s Economy has been so resilient against Sanctions. Berlin: Zentrum für Osteuropa und Internationale Studien, November 2023

Published/Copyright: March 5, 2024

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Prokopenko Alexandra Permanent Crisis Mode – Why Russia’s Economy has been so resilient against Sanctions Berlin Zentrum für Osteuropa und Internationale Studien November 2023


Nach der groß angelegten Invasion Russlands in der Ukraine im Februar 2022 verhängte eine Koalition westlicher Nationen ein umfassendes Sanktionspaket gegen Russland, das über 13.000 individuelle Beschränkungen umfasst und damit die kumulativen Beschränkungen für Kuba, Iran und Nordkorea übertrifft. Die russische Wirtschaft hat sich jedoch gegenüber diesen Strafmaßnahmen als bemerkenswert widerstandsfähig erwiesen. Im Jahr 2022 schrumpfte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) des Landes um nur 2,1 Prozent, für 2023 wird ein BIP-Wachstum von über 2 Prozent erwartet.

Der vorliegende Bericht will zum Verständnis dieses anscheinend paradoxen Ergebnisses beitragen, indem er die Schlüsselfaktoren der wirtschaftlichen Widerstandsfähigkeit Russlands analysiert. In der öffentlichen Debatte dominiert die Einschätzung, diese Resilienz sei vor allem auf Russlands Öleinnahmen zurückzuführen. Eine Erklärung, die sich allein auf diesen Grund stützt, wäre eine zu starke Vereinfachung. Die russischen Behörden scheinen generell auf weitreichende Sanktionen vorbereitet gewesen zu sein und Russlands Belastbarkeit beruht vor allem auf einer Mischung aus den großen Gewinnen, die die russische Regierung in der ersten Hälfte des Jahres 2022 erzielt hat, sowie einem besonderen Wirtschaftsmanagement.

Dieser Bericht konzentriert sich auf den Zeitraum 2008 bis 2023 und basiert auf einer Analyse der russischen Finanzmanagementpolitik, die sich auf Daten des russischen Föderalen Staatlichen Statistikdienstes (Rosstat), der Bank von Russland, Medienquellen und Interviews mit Führungskräften des Finanzsektors stützt.

In den letzten 15 Jahren, so die Verfasserin, war Russland mit einer Reihe bedeutender Krisen konfrontiert, darunter die globale Finanzkrise 2008, der Rückgang der Rohstoffpreise 2014–15, die COVID-19-Pandemie 2020–23 und die Auswirkungen des anhaltenden Ukraine-Kriegs. Diese häufigen Schocks innerhalb relativ kurzer Zeit hätten die russische Wirtschaft nachhaltig unter Druck gesetzt. Dennoch hätten die Führungen der russischen Zentralbank und des Finanzministeriums im gesamten Zeitraum keine Veränderungen erlebt, was eine gewisse Kontinuität in die Wirtschafts- und Finanzpolitik des Landes gebracht habe.

Russische Spitzenbürokraten hätten wertvolle Lehren aus dem Umgang mit diesen Krisen gezogen. Sie hätten eine sehr konservative makroökonomische Politik verfolgt, gekennzeichnet durch vorsichtigen Umgang mit Reserven, eine beschleunigte Anhäufung von Reserven zwischen den Krisen, erhöhte Mindestreserveanforderungen innerhalb des Finanzsystems, einen geringeren Wettbewerb im Bankensektor sowie durch eine einfachere Verwaltung und strenge Geld- und Fiskalpolitik. Auf die russische Wirtschaft habe sich diese Politik mit einem durchschnittliche BIP-Wachstum von fast 1 Prozent in dieser Zeitspanne ausgewirkt.

Die Abfolge von Krisen habe den russischen Beamten zu einer besonderen Einstellung verholfen. Die ständige Notwendigkeit, Herausforderungen anzugehen, die sich aus Faktoren ergeben, die sich ihrer Kontrolle entziehen und oft nichts mit finanz- und fiskalpolitischen Angelegenheiten zu tun haben, habe sie in einem Zustand ständiger Krisenbereitschaft gehalten. Diese Haltung, gepaart mit beträchtlichen Öleinnahmen, habe es der russischen Wirtschaft ermöglicht, den Effekten der Sanktionen standzuhalten und sich schnell an neue Realitäten anzupassen. Die Rolle des Krisenmanagements von Zentralbank und Finanzministerium bei der Reaktion auf Sanktionen sollte nicht unterschätzt werden.

Die gewählten „konservativen“ Ansätze und Ad-hoc-Managementpraktiken können zwar bei der Bewältigung von Krisen wirksam sein, würden langfristig aber, so vermerkt die Verfasserin, die Entwicklung der russischen Wirtschaft eher einschränken. Darüber hinaus könne die Abhängigkeit von hohen Öleinnahmen die wirtschaftliche Diversifizierung behindern. In der Zeit zwischen den Krisen hätten es die russischen Wirtschaftsbehörden zudem versäumt, die etablierten Institutionen zu stärken. Darüber hinaus seien die Reform der russischen Finanzarchitektur, die Berechenbarkeit des Steuersystems und die wirtschaftliche Stabilität fördernde Haushaltsregeln dem Krisenmanagement zum Opfer gefallen.

https://www.zois-berlin.de/publikationen/zois-report/permanent-crisis-mode-why-russias-economy-has-been-so-resilient-against-sanctions

Online erschienen: 2024-03-05
Erschienen im Druck: 2024-03-01

© 2024 bei den Autorinnen und Autoren, publiziert von De Gruyter.

Dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 4.0 International Lizenz.

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