Ahrenholz, Bernt; Jeuk, Stefan; Lütke, Beate; Paetsch, Jennifer; Roll, Heike (Hrsg.): Fachunterricht, Sprachbildung und Sprachkompetenzen. Berlin: De Gruyter, 2019 (DaZ-Forschung, 18). – ISBN 978-3-11-056897-4. 356 Seiten, € 99,95.

Der Titel Fachunterricht, Sprachbildung und Sprachkompetenzen beschreibt nur unzureichend, worum es im vorliegenden Band geht. Der Reihentitel DaZ-Forschung verweist eher auf den Schwerpunkt der insgesamt fünfzehn Beiträge, die von Bernt Ahrenholz^[1], Stefan Jeuk, Beate Lütke, Jennifer Paetsch und Heike Roll herausgegeben wurden: Alle geben einen Einblick in die aktuelle Forschung zur Rolle der Sprache im Fachunterricht und wurden auf einer interdisziplinären Tagung des BMBF-Projektes („Sprache im Fachunterricht“) diskutiert. In ihrer Einleitung geben die Herausgebenden einen Überblick über den Stand und die Methoden der Forschung im Bereich Sprache im fachlichen Unterricht.

Fachsprache steht schon länger im Fokus der Forschung. Aber spätestens seit darauf hingewiesen wird, wie stark Bildungserfolg und sprachliche Kompetenz voneinander abhängen, hat man sich den sprachlichen Aspekten des fachlichen Lernens besonders zugewandt. Die zu bearbeitenden Felder und Bereiche sind vielfältig: Wortschatz und grammatische Strukturen, Alltagssprache versus Bildungssprache, Mündlichkeit und Schriftlichkeit, Textsorten und -formen, kontinuierliche und diskontinuierliche Texte, aber auch Lerngruppenzusammensetzung, sprachliche Voraussetzungen von Lernenden und Lehrenden oder institutionelle Bedingungen, um nur einige der Faktoren zu nennen. Die Vielzahl und Unterschiedlichkeit der Forschungsgegenstände erfordern eine Vielzahl von Forschungsmethoden und -designs. Der vorliegende Band gibt dazu einen guten Einblick.

Die Beiträge haben einige Gemeinsamkeiten, denn sie beschreiben fast alle konkrete Forschungsprojekte: Fragestellung/Erkenntnisinteresse, Gegenstand und Zielgruppe, Methode und Durchführung, schließlich Auswertung/Interpretation der Ergebnisse und Perspektiven.

Der einleitende Artikel von Susanne Prediger weicht ein wenig davon ab und widmet sich grundlegend der Frage, welche Forschung die Sprachbildung im Fachunterricht (hier am Beispiel des Mathematikunterrichts) fundieren kann. In einer Untersuchung, die sie mit ein- und mehrsprachigen Lernenden durchführte, verdeutlicht sie, dass es mathematische Lernschwierigkeiten nicht notwendigerweise aufgrund der Mehrsprachigkeit gibt. Vielmehr haben sprachlich schwache Lernende signifikant größere Lernprobleme, unabhängig davon, ob sie ein- oder mehrsprachig sind. Es zeigt sich vielmehr, dass sprachlich schwache Lernende auch Defizite im konzeptuellen Denken aufweisen. Es geht in der Förderung nicht so sehr um eine fachsprachliche, sondern es geht darum, dass diese Lernenden dabei gefördert werden, Sachverhalte erklären zu können. Susanne Prediger geht es also darum zu verdeutlichen, dass die WAS-Frage geklärt sein muss, bevor man sich mit der WIE-Frage beschäftigt. Man muss sich über die spezifischen sprachlichen Anforderungen im Fach im Klaren sein, bevor man sich Gedanken über die unterrichtliche Umsetzung und deren Bewertung macht. Abschließend fasst sie Forschungsformate zusammen, auf die bei der Erforschung der Sprachbildung im Fachunterricht zurückgegriffen werden kann.

Die weiteren Beiträge fokussieren sehr unterschiedliche Aspekte der Sprachbildung im Fachunterricht: Die Themen reichen von der Diagnose der sprachlichen Kompetenzen im Mathematikunterricht über Textverstehen, die mündliche Partizipation im Unterricht und das Schreiben von Texten im Fachunterricht bis hin zu Konsequenzen für die Lehrkräfteaus- und -weiterbildung.

Alexandra Merkert und Anja Wildemann beschreiben in ihrem Beitrag das „SAMT-Verfahren“ (Sprachliche Ausdrucksfähigkeit in Mathematik, 42; meine Hervorhebung, KWF), das zur Diagnostik der mathematischen Kenntnisse am Ende der Grundschule dienen soll. Sie erläutern das Datenerhebungsverfahren und die daraus gewonnenen Subkategorien. Dafür werden statistisch Niveaustufen abgeleitet. Allerdings fehlt noch eine alltagstaugliche Version, mit der Lehrkräfte das Niveau ihrer Lernenden bestimmen und Fördermaßnahmen ableiten können.

Die Überlegungen zur Verständlichkeit von Lehrbuchtexten sind sehr anregend. Hansjakob Schneider, Eliane Gilg, Miriam Dittmar und Claudia Schmellentin entwickeln „Prinzipien der Verständlichkeit“, indem sie Biologielehrbücher für die 7. Klasse analysieren. Ausgangspunkt sind drei Merkmale schulischer Fachtexte: Es handelt sich um „konzeptionell schriftliche Texte“, sie verwenden „wissenschaftliche Fachsprache“ (mit den Elementen Präzision, Ökonomie, Origo-Exklusivität und Diskursivität) und sie sind didaktisch aufbereitet (62 ff.). In ihrem Forschungsprojekt „Textverstehen in den naturwissenschaftlichen Schulfächern“ (NawiText, 66) untersuchten die Autor(inn)en, wie diese Merkmale in Biologiebüchern realisiert sind und welche Probleme sich ergeben. Auf der Basis der Textanalyse und der Leseprozessbeobachtung von Lernenden identifizieren sie Verstehensschwierigkeiten auf verschiedenen Ebenen (mit Abbildungen, mit dem Layout, mit dem Wortschatz, mit der Syntax und mit den Fachbegriffen und -konzepten). Die 34 daraus entwickelten Textprinzipien fassen sie zu sechs Prinzipienkategorien (Layout, Inhaltsorganisation und Gliederung, Kohäsion, Bildgestaltung, Syntax sowie (Fach-)Wortschatz und Morphologie) (71) zusammen und wenden sie auf einen Lehrbuchtext an. Das Ergebnis ist ein neuformulierter und -gestalteter Text, der dann auf seine Wirksamkeit hin mit Lernenden getestet wird. Es zeigte sich, dass es zu einem „signifikanten und mittelstarken Wissenszuwachs“ (79) bei bestimmten Schülergruppen kommt. Die Berücksichtigung der Prinzipien durch Lehrbuchautor(inn)en könnte auf jeden Fall die Qualität der Lehrwerke verbessern.

Um die Verbesserung der Qualität von Lehrbüchern geht es auch Bernt Ahrenholz und Wilhelm Grießhaber. Sie nehmen sich ein Biologieschulbuch für die 7. und 8. Klasse vor, das nach dem Doppelseitenprinzip gestaltet ist. Die Analyse charakterisiert erst einmal die im Layout verwendeten „Textformate“ (160): ÜBERSCHRIFT, BILD TEXT, BILD&TEXT, TEXT, KASTEN, AUFGABE (162; auf die Textformate wird durch die Benennung in Großschrift verwiesen). Für den Gesamttext und die Textformate wird dann eine Frequenzanalyse für Substantive und Verben unter dem Aspekt „Fachlichkeit“ (163) durchgeführt. Daraus ergeben sich interessante Einblicke für die einzelnen Textformate, aber auch für die Verwendung unterschiedlicher Sprachregister. Circa ein Drittel der Wörter im untersuchten Biologietext sind Substantive; sie sind allerdings sehr ungleich auf die Textformate verteilt (in BILD&TEXT fast 40 %, in AUFGABE lediglich 10,7 %) (167). Zugleich ist festzustellen, dass, je seltener ein Wort in einem Wortschatzkorpus (hier: Wortschatzportal Leipzig) vorkommt, es desto wahrscheinlicher in den Fachwortschatz gehört. Bei den Verben hingegen ist festzustellen, dass sie eher bildungssprachlich und weniger fachsprachlich geprägt sind.

Zwei weitere Beiträge haben das Textverstehen zum Gegenstand. Caroline Schuttkowski, Anke Schmitz, Björn Rothstein und Cornelia Gräsel untersuchen die Wechselwirkung von temporaler Kohäsion und Textsortenerwartungen bei Lernenden mit unterschiedlichen Lesevoraussetzungen. Jennifer Dröse und Susanne Prediger entwerfen ein Förderkonzept für schwächere Lernende der 5. Klasse. Ziel ist es, das Verständnis der Textsorte „Textaufgabe“ durch „strategisches Scaffolding“ (112) systematisch zu entwickeln. Sie gehen davon aus, dass die allgemeine Verbesserung der Lesekompetenz nicht ausreicht, um Textaufgaben in mathematische Prozesse und Aktivitäten umzusetzen, weil dazu konzeptionelles Denken notwendig ist. Zur Unterstützung setzen die Autorinnen Concept-Maps in Form von Info-Netzen ein, mit deren Hilfe die Lernenden die einzelnen Informationen in Beziehung setzen können. Die während des Lösungsgespräches gemachten Äußerungen werden videografiert und anschließend in Form eines Prozessgraphen erfasst und ausgewertet. Im Laufe des Förderprogrammes werden die Hilfen abgebaut. Die Förderung scheint erfolgreich, lässt sich aber aufgrund der kleinen Probandenzahl noch nicht verallgemeinern.

Die Beschreibung von Bildungssprache und konzeptioneller Schriftlichkeit ist verbunden mit der Zuschreibung bestimmter Merkmale; dazu gehören Attributionen. Formen und Häufigkeit einfacher und komplexer Attribute untersuchen Marie Hempel, Jessica Neumann und Bernt Ahrenholz am Beispiel von Textkorpora aus Biologie- und Geographieschulbüchern für die 5./ 6. Klasse und für die 7./ 8. Klasse. Der Beitrag weist auf die Defizite im Bereich der Attributforschung hin und zeigt zugleich, wie aufwändig Untersuchungen sind, allein schon um die Häufigkeit von Attributionen zu bestimmen. Grund dafür ist die große Vielfalt, mit der im Deutschen attribuiert werden kann. Neben einfachen Attributen wie linksseitigen Adjektiv- oder Partizipialattributen oder rechtsseitigen Genitiv- oder Präpositionalattributen kommen alle Formen auch gehäuft, mehrfach und in allen möglichen Variationen vor, zum Teil wiederum attribuiert. Im Ergebnis zeigt sich, dass in Schulbuchtexten einfache und komplexe Attribute eine wichtige Rolle spielen und mit höheren Klassen zunehmen. Allerdings kann daraus nicht abgeleitet werden, ob diese Attribute das Textverstehen erschweren.

Wie der mündliche Sprachgebrauch entwickelt werden kann, untersuchen Patrick Voßkamp und Sören Ohlhus in ihren Beiträgen. Patrick Voßkamp plädiert für Präsentationen bereits in der Grundschule, damit Lernende frühzeitig mit längeren strukturierten Beiträgen ihre sprachliche Ausdrucksfähigkeit ausbauen können. An zwei Beispielen aus der 4. Klasse zeigen sich bereits erhebliche Unterschiede, die aber durch systematische Förderung angeglichen werden können. Sören Ohlhus beschreibt an einem konkreten Beispiel, wie routinisiertes Sprechen bei der Lösung von einfachen Additions- und Subtraktionsaufgaben aufgebaut werden kann. Im Rahmen einer Fördermaßnahme wird in einem vierstufigen Verfahren die Versprachlichung des Rechenweges geübt. Dabei wird die Veranschaulichung mit einem Rechenrahmen nach und nach zurückgeführt, so dass am Ende die Rechenroutine nur noch verbalisiert wird. Allerdings ist Ohlhus bewusst, dass das erworbene „Verbalisierungsmuster“ (230) letztlich einem schnelleren Denkprozess weichen muss.

Auch die Beispiele für die Schriftsprachentwicklung befassen sich mit sehr heterogenen Aspekten. Nur Akkuş und Jana Kaulvers stellen einige Ergebnisse des „interdisziplinären Projektes SchriFT“ (Schreiben im Unterricht unter Einbeziehung des Türkischen, 238) vor, in dem mehrschriftliche Lernende Instruktionstexte sowohl auf Deutsch als auch auf Türkisch verfassen sollten. Die Siebt- und Achtklässler waren aufgefordert, eine Bauanleitung zu einem Smartphone-Lautsprecher zu schreiben, so dass sich dieser ohne Abbildungen nachbauen ließe. Die Ergebnisse bleiben trotz aufwändiger statistischer Verfahren vage, obwohl festzustellen ist, dass Lernende, wenn sie einen Text verfassen können, dies in beiden Sprachen beherrschen.

Die Versprachlichung von Grafiken (Diagrammen, Schaubildern etc.) stellt viele Lernende vor große Probleme. Magdalena Michalak, Evelyn Beck und Tanyeli Tigrak untersuchen in ihrem Beitrag, wie „Schülerinnen und Schüler mit und ohne Deutsch als Zweitsprache mit Grafiken“ umgehen (259, Untertitel). Drei Gruppen von Schülern (Deutsch als Erstsprache, Deutsch als Zweitsprache in Regelklasse, Deutsch als Zweitsprache in Übergangsklasse) hatten die Aufgabe, dreimal eine Grafik zu beschreiben, wobei sie jeweils für einen Adressaten formulieren sollten (unbekannt, Lehrkraft, Mitschüler(innen)). Auf der Basis zuvor erarbeiteter Kriterien wurden die Texte statistisch ausgewertet. Das Ergebnis ist eher deprimierend: Die Lernenden ab der 7. Klasse an bayrischen Mittelschulen waren nur sehr eingeschränkt in der Lage, verständliche und strukturierte Grafikbeschreibungen zu verfassen, unabhängig ihrer sprachlichen Voraussetzungen.

Der Beitrag von Nadja Wulff und Stefan Nessler ist der einzige, der sich mit älteren Lernenden (zwischen 14 und 18 Jahren) beschäftigt. Beschrieben wird, wie die Schriftsprachkompetenz in Vorbereitungsklassen (Baden-Württemberg) fachsensibel gefördert werden kann. Ziel ist die Hinführung zur Textsorte „Versuchsprotokoll“, die im allgemeinsprachlichen Unterricht am Beispiel „Kochrezept“ vorbereitet wird, da die beiden Textsorten einige Gemeinsamkeiten haben (285). Besonders können Fachwortschatz und temporale Strukturierung eines Textes sowie die Vollständigkeit der Informationen geübt und praktisch erfahren werden. Die Auswertung am Ende der Förderphase macht deutlich, dass eine erhebliche Verbesserung der Texte erreicht werden kann. Doch bleiben erhebliche Defizite im sprachlichen Bereich aber auch bei der Vollständigkeit der notwendigen Informationen. Das zeigt, dass möglichst früh und kontinuierlich am Aufbau fachsensibler Sprachkenntnisse gearbeitet werden muss.

Die letzten drei Beiträge beschäftigen sich mit der Lehrkräfteaus- und -fortbildung. Lena Decker, Ina Kaplan und Gesa Siebert-Ott stellen Lernarrangements vor, mit denen Lehramtsstudierende der Universität Siegen im Modul DSSZ (Deutsch für Schülerinnen und Schüler mit Zuwanderungsgeschichte) mit den sprachlichen Herausforderungen im Unterricht bekannt gemacht werden. Am Beispiel eines von einem türkischsprachigen Schüler verfassten authentischen Märchentextes sollen die Studierenden in verschiedenen Schritten den Text analysieren und bewerten. Nach der Erarbeitung der Merkmale eines Märchens sollen die Schüler(innen) ein eigenes Märchen verfassen und überarbeiten können. Erst in den Interviews mit den Studierenden, die im Anschluss an das Modul erfolgten, wird diesen die Komplexität der schulischen Situation bewusst und damit die Notwendigkeit, sich mit fachsensibler Sprache schon im Studium auseinanderzusetzen.

Auch der Beitrag von Annkathrin Darsow, Fränze Sophie Wagner und Jennifer Paetsch hat den Kompetenzzuwachs von Lehramtsstudierenden (dieses Mal in Berlin) im Bereich Deutsch als Zweitsprache im Blick. Mit Hilfe eines Tests (DaZKom) wurde der Lernzuwachs durch das Studium ermittelt. Natürlich ist ein Zuwachs festzustellen, allerdings bleiben die Autorinnen skeptisch, ob diese Sensibilisierung und das Wissen ausreichen, um später als Lehrkraft erfolgreich zu arbeiten.

Für die Lehrkräfteausbildung ist auch die zweite Phase, das Referendariat, von entscheidender Wichtigkeit, besonders im Hinblick auf den sprachsensiblen Fachunterricht. Da die Diskussion um sprachliche Kompetenzen für den Fachunterricht zwar schon lange geführt wird, aber sich in der Lehrkräfteausbildung bislang nur zurückhaltend ausgewirkt hat, ist die Einbeziehung der Seminar- und Fachleitungen von erheblicher Bedeutung. Simone Dubiel, Jennifer Paetsch und Beate Lütke untersuchen, welche Auswirkungen die Fortbildung von Seminar- und Fachleitungen auf ihre Bereitschaft hat, verstärkt Lernangebote für die Lehramtskandidat(inn)en anzubieten.

Der von Bernt Ahrenholz et al. herausgegebene Band Fachunterricht, Sprachbildung und Sprachkompetenzen dokumentiert einen Zwischenstand der Forschung zu diesen Aspekten. Man erhält einen Einblick in Forschungsgegenstände und -fragestellungen und man wird mit – vor allem statistischen – Methoden und vorläufigen Ergebnissen vertraut gemacht. Für die Praxis erhält man wenige Handreichungen; dafür muss man die zu jedem Beitrag zusammengestellten Bibliographien durchgehen und weiterlesen. Zu hoffen ist, dass die Reihe DaZ-Forschung auch ohne ihren bisherigen Spiritus Rector Bernt Ahrenholz fortgesetzt wird.