Nickl, Benjamin; Popenici, Stefan; Blackler, Deane (Hrsg.): Transnational German Education and Comparative Education Systems. Research and Practice. Cham: Springer, 2020 (Global Germany in transnational dialogues). -- ISBN 978-3-030-36254-6. 178 Seiten, € 72,79.

Der Band umfasst drei Teile: Positioning Transnational Education in Germany, Teaching Transnational German Studies Across the Globe und Comparative Perspectives on Education Policy and Strategies. Einleitend skizzieren die Herausgebenden aktuelle Entwicklungen in der Germanistik als komplexes Zusammenspiel von Akteuren auf institutioneller, gesellschaftlicher, politischer und wirtschaftlicher Ebene. Richtungsweisend ist hierbei der kritisch-konstruktive Blick auf die zunehmende Ökonomisierung von Bildung einerseits, und die erforderliche Ausweitung traditioneller Verortungen der Germanistik andererseits (ix-xii).

Der erste Teil ordnet die Entwicklung verschiedener Aspekte Transnationaler Bildung in den Kontext Deutschlands ein. Susanne Kammüller, Susanne Otte und Wiebke Bachmann legen in ihrem Beitrag zu „Germany’s Road Towards Transnational Provision of Higher Education and Its Footprint in China and Turkey“ den Grundstein für das Verständnis Transnationaler Bildung und internationaler Mobilitätsprogramme im Sinne einer hochschulkooperativen Verantwortung für Qualität und Inhalte. Die mit dieser Verantwortung zusammenhängenden Prämissen und Eigenschaften, die als Gelingensbedingungen für erfolgreiche transnationale Partnerschaften gesetzt werden, stellen die Autorinnen im Verlaufe des Beitrags anhand kommentierter Statistiken näher dar. Aussagekräftig sind dann vor allem die Beispiele, welche den „Balanceakt“ (14) zwischen Qualitätstandards von Lehre und steigender Nachfrage nach arbeitsmarktorientierten Universitätsabschlüssen in China (14–19) sowie die Internationalisierungsbestrebungen des türkischen Hochschulwesens (19–25) illustrieren.

Im zweiten Beitrag zu „Transnational Education in the 21st Century and Its Quality Assurance from a German Perspective“ widmet sich Katrin Mayer-Kantermann den Aspekten der Qualitätssicherung. Die eingangs gegebene Definition von Transnationaler Bildung aus dem Positionspapier des Deutschen Akademischen Austauschdienstes greift das Stichwort der „wesentlichen akademischen Verantwortung“ (2016: 3) aus dem vorigen Beitrag auf. Diesmal jedoch steht die Qualitätssicherung des grenzüberschreitenden Hochschulwesens im Vordergrund, welche die Autorin mit Rückgriff auf den Abschlussbericht der European Association for Quality Assurance in Higher Education in den entsprechenden europäischen Rahmen rückt.

Nadin Fromm und Alexander Raev liefern mit dem dritten Beitrag zu „The Emergence of Transnationalisation of Higher Education of German Universities“ dann die notwendige Einordnung von Transnationalisierungsbestrebungen deutscher Hochschulen in einen bundespolitischen Gesamtkontext. Der Beitrag begnügt sich jedoch nicht damit, Internationalisierungsentwicklungen auf dem deutschen Hochschulsektor zu beschreiben, sondern rekonstruiert mit dem Ansatz des Akteurzentrierten Institutionalismus (Mayntz/Scharpf 1995; Scharpf 1997, 2006) das Zusammenspiel verschiedener Akteure, die mit zum Teil sehr unterschiedlichen Zielen die Ausweitung und Weiterentwicklung Transnationaler Bildungsprogramme in Deutschland gestalten.

Durch die forschungsmethodologische Rahmung leitet der Beitrag vom eher beschreibend-kommentierenden Charakter des ersten Teils zum analytisch-kritischen zweiten Teil des Buches über. Dieser zweite Teil kann dann durchaus als Aufruf zur Überwindung etablierter Perspektiven auf die und innerhalb der Germanistik verstanden werden.

Benjamin Nickl beginnt mit „Outside the Nation: Taking Stock of a Sense of Duty and Diversity in German Studies Abroad“, einem zeitgemäßen Blick auf die neuen Ansätze germanistischer Studiengänge im Ausland. Ausschlaggebend für diesen Blick ist die Abwendung von natio- und ethnozentristischen Ansätzen der Germanistik zugunsten (wissenschaftlicher) Vielfalt und (multi-institutioneller) Interdisziplinarität. Nickl erläutert aktuelle Ansätze in der Germanistik am Beispiel von transnationalen Bildungsinnovationen (71), postkolonialen Gesellschaften (72–75) und der Handlungsfähigkeit von und in Minderheitsgemeinschaften (75). Den Abschluss bilden drei Positionspapiere mit ihrem eindrucksvollen Einblick in die Komplexität der heutige Haltung von und zu Germanistik in der Welt. Carrie Smith plädiert für eine sensiblere Verortung der Germanistik im Kontext ihres postkolonialen Erbes und unter Einbezug dominanter Diskurse über Zugehörigkeit und Identität (78–79). Andrea Brandhauer und Maria Weber positionieren sich zur Problematik postkolonialer Narrative im Spannungsfeld von deutscher Kolonialisierung und indigener Bevölkerung in Australien (79–80). Kate Roy weitet den Blick auf hegemoniale Machtstrukturen in der Germanistik, die noch heute gängige Narrative und Wissensstrukturen bestimmen.

Daran anschließend beurteilt Ervin Malakaj in „The State of Diversity and Decolonization in North American German Studies“ aktuelle Entwicklungen der Germanistik in Nordamerika. Hierfür erklärt er zunächst die zunehmende Popularität anwendungsbezogener und dualer Studiengänge mit Blick auf die zunehmenden Forderungen nach Arbeitsmarkttauglichkeit von Abschlüssen aus den Sprach- und Kulturwissenschaften (87–90). Im Anschluss daran werden interessante demographische Entwicklungen der nordamerikanischen Germanistikstudiengänge beschrieben, die bislang noch wenig Berücksichtigung in der anwendungsorientierten Curriculumsplanung finden: Während die Studiengänge nach wie vor von Budgetkürzungen und Streichungen betroffen sind, steigen die Einschreibezahlen von Studierenden aus nicht-traditionellen und bislang nicht ausreichend repräsentierten Studierendengruppen (91–92). Folgerichtig schließt der Autor mit einem Appell, die Potenziale und Vielfalt der neuen Studierendenschaft als Impuls für ein Bekenntnis zur Vielfalt und Dekolonialisierungsarbeit der Germanistik zu nutzen. Malakajs Beitrag geht damit weit über den nordamerikanischen Kontext hinaus. Dies wird von drei anhängenden Kommentaren gegen die Annehmlichkeit einfacher Lippenbekenntnisse unterstützt. So fordert Regine Criser Raum für Stimmen abseits des Mehrheitsmainstreams (97), David Gramling ermutigt den Vorstoß der Dekolonialisierungsdiskurse in den tatsächlichen Handlungsraum (98), und Beverly Weber argumentiert für eine postkoloniale Pädagogik, die einen kritischen Blick auf gängige Epistemologie und Machtdiskurse lehrt.

Der zweite Teil des Sammelbands wird abgeschlossen durch Irina Herrschners Untersuchung „The Language-Culture Nexus: German Teaching in a Culturally Rich Environment as Part of the German Model of Cultural Diplomacy“. Die Autorin versucht hierbei eine Annäherung an verschiedene Unterrichtsstile, die sowohl durch einzelne Lehrkräfte innerhalb des Goethe-Instituts als auch durch die kulturvermittelnde Funktion des Instituts an sich vertreten sind. Die in den Lehrstilen inkorporierten kulturellen Inhalte spürt Herrschner auf Grundlage einer Fragebogen- und Interviewstudie auf. Obwohl das Datenkorpus eher klein ist (108), gelingen dennoch interessante Einblicke und Deutungsversuche individueller Handlungsmuster einzelner Lehrkräfte im Kontext des offiziellen kulturpolitischen Auftrags von Goethe-Instituten.

Ein Kommetar zur aktuellen Literatur für die bilinguale frühkindliche Erziehung leitet den dritten und letzten Teil des Sammelbands ein (119). Ivy Zhou fokussiert dafür in ihrem Beitrag „Bilingual German Childhood Education and School Transition: Literature Review and Policy Suggestions for Australia“ auf Publikationen aus dem Forschungsfeld der Psycho- und Soziolinguistik und leitet auf Grundlage dieses Überblicks Empfehlungen für Australien ab. Obwohl die Empfehlungen gut begründet werden, hätte ein kritischerer Umgang mit dem Begriff „migrant“ (119) und den damit verbundenen sozialen und politischen Setzungen dem Beitrag etwas mehr Tiefe verliehen.

In der darauffolgenden Analyse „Juggling Selves: Navigating Pre-service Teaching Experiences in Overseas Contexts“ zeigen Michiko Weinmann, Rod Neilsen und Isabel Martin anhand von Selbst- und Fremdpositionierungen, wie Prozesse der Erfahrungsverarbeitung und Sinnstiftung angehende Lehrende beeinflussen. Am Beispiel zweier transnationaler Lehr-Lernprogramme in Chile und Laos wird eindrucksvoll offengelegt, wie gesellschaftlich verankerte, teilweise biographisch begründbare Identitätskategorien diskursiv in interkulturellen Begegnungen verhandelt werden. Unvermeidlich sind daher die abschließend zurecht gestellten Fragen nach der Verhandlung von Raum, Kultur, Pädagogik und Professionalisierung im Rahmen aktueller Austauschprogramme.

Den Abschluss bildet Ann Vogels Bewertung der Bedeutung von transnationalen Bildungskooperationen für Akteure auf nationaler Ebene. „Transnational Institutions of Higher Education and Their Contribution to the National Innovation System: The Case of the German University of Technology in Oman“ beschreibt am Beispiel der Zusammenarbeit zwischen dem Oman und Deutschland vor allem die Vorteile, die sich für beide Länder beispielsweise im Innovationssektor ergeben.

Transnational German Education and Comparative Education Systems bietet einen eindrucksvollen globalen Blick auf die heutige Germanistik als gelebte, forschende und institutionelle Diversität im postkolonialen Raum. Die Herausgebenden sowie die Autorinnen und Autoren setzen deshalb wichtige Impulse für die Positionierung des Fachs und seiner Studierendenschaft im transnationalen Raum.