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Heinrich Magirius (1934‒2021)

  • Michael Kirsten
Veröffentlicht/Copyright: 28. Januar 2022
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Am 13. Juni 2021 verstarb der Kunsthistoriker und Denkmalpfleger Prof. Dr. Dr. h. c. Heinrich Magirius. Mit ihm verliert das Kollegium der Denkmalpflegerinnen und Denkmalpfleger in Deutschland, im Besonderen aber das seiner Kolleginnen und Kollegen der sächsischen Denkmalpflege eine Persönlichkeit, die über mehr als vier Jahrzehnte nicht nur die Denkmallandschaft, sondern auch das Denkmalbewusstsein zahlreicher Menschen nachhaltig geprägt hat. Dies galt für die Zeit seines beruflichen Wirkens am Institut – später Landesamt – für Denkmalpflege Sachsen als auch für die Zeit seines Ruhestands.

Am 1. Februar 1934 in Dresden geboren, besuchte Magirius 19401946 die Volks- und Oberschule in Radebeul. Seit 1946 ging er zur Kreuzschule in Dresden, an der er 1952 sein Abitur ablegte. Gleichzeitig war Magirius Mitglied des Kreuzchores unter Leitung des Kreuzkantors und Komponisten Rudolf Mauersberger (1889 –1971). Das Studium der Kunstgeschichte, der Klassischen und Christlichen Archäologie absolvierte er 19521957 an den Universitäten Greifswald und Leipzig, unter anderem bei Karl Heinz Clasen, Heinz Ladendorf und Johannes Jahn. Zwischen 1953 und 1956 war Magirius als freiberuflicher Mitarbeiter des Instituts für Denkmalpflege mit Grabungen im Zisterzienserkloster Altzella beschäftigt. Die dabei erworbenen Kenntnisse lagen seiner Diplomarbeit »Kloster Altzella, ein Abriß seiner Kunstgeschichte« (1957) zugrunde. Mit der Dissertation über Altzella erwarb er 1958 den Titel eines Doktors der Philosophie. Nach kurzer Tätigkeit als wissenschaftlicher Assistent am Institut für Christliche Archäologie an der Martin-Luther-Universität in Halle folgte Magirius seiner inneren Berufung zum Denkmalpfleger. Seit 1958 war der Kunsthistoriker vorerst als wissenschaftlicher Mitarbeiter, später dann als Abteilungsleiter am Institut für Denkmalpflege – Arbeitsstelle Dresden tätig. Mit seiner Arbeit zur »Geschichte der Denkmalpflege in Sachsen« habilitierte sich Magirius 1988. Im folgenden Jahr übertrug ihm die Hochschule für Bildende Künste Dresden eine Professur. 1994 bis 1999 war Magirius Landeskonservator am Landesamt für Denkmalpflege Sachsen.

In mehr als vier Jahrzehnten erwarb sich Magirius bleibende Verdienste um die wissenschaftliche Erschließung und die Pflege der Denkmallandschaft in Sachsen. Seinem Wirken ist die hohe Qualität einer Vielzahl von Restaurierungsmaßnahmen an bedeutenden Bau- und Kunstdenkmalen der Region zu danken. Dies gilt vor allem für die Thomas- und Nikolaikirche in Leipzig wie auch für den Freiberger Dom, die Stiftskirche zu Wechselburg, die Annenkirche zu Annaberg, den Meißner Dom oder das Dresdener Opernhaus von Gottfried Semper. Magirius gehörte zu den Ersten, die den Wiederaufbau der Frauenkirche in Dresden forderten und all diese Maßnahmen fachlich fundiert zum Erfolg führten. Auch der authentische Wiederaufbau des Residenzschlosses der Landeshauptstadt zeugt von hohem ideellem Anspruch, den der Verstorbene über Jahrzehnte immer wieder einforderte. Dieser wurde zuletzt in der profunden dreibändigen Publikation des Landesamts für Denkmalpflege Sachsen zur Geschichte des Dresdner Residenzschlosses deutlich, die ohne seinen das ganze Werk prägenden Beitrag nicht denkbar wäre.

 
Heinrich Magirius im Landesamt für Denkmalpflege, 1994

Heinrich Magirius im Landesamt für Denkmalpflege, 1994

Die Liste seiner Publikationen umfasst mehr als 150 Titel. Unter ihnen verdienen »Der Dom zu Freiberg« (Berlin 1969), »Der Wechselburger Lettner« (Weimar 1983) und »Gottfried Sempers zweites Hoftheater in Dresden« (Leipzig 1985) besondere Aufmerksamkeit. Heinrich Magirius wurde 1985 mit dem Nationalpreis der DDR II. Klasse für Kunst und Literatur ausgezeichnet. 1994 verlieh ihm die Freie Universität Berlin den Doctor honoris causa und würdigte damit das hohe Ansehen, das er als Kunstwissenschaftler seit Jahrzehnten international genießt. 1995 erhielt er das Verdienstkreuz 1. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. 2004 wurde er mit dem Sächsischen Verdienstorden ausgezeichnet. Im Jahre 2007 erhielt er den Andreas-Möller-Geschichtspreis der Stiftung für Kunst und Kultur der Kreissparkasse Freiberg und 2010 den Kunstpreis der Großen Kreisstadt Radebeul.

Die wissenschaftliche Erforschung der Denkmale war Magirius nie Selbstzweck. Stets galt seine Aufmerksamkeit der »Wertfülle« des Denkmals, die dessen Ruf und Schutzstatus begründe. Im Hinblick auf manch falsch verstandene Denkmaldoktrin lehrt uns Magirius, »daß Dokumente, die an nichts zu erinnern vermögen, so nichtsnutzig werden können, daß selbst ein reicher Staat sie sich nicht mehr wird leisten können. Kulturelle Fruchtbarkeit der Monumente hängt mit dem Eros zusammen, mit dem sie geliebt, erkannt und gepflegt werden […] Sie hat […] mit einem Taktgefühl zu tun, das nur sehr schwer anerzogen werden kann, aber immer wieder kultiviert werden muß« (Geschichte der Denkmalpflege in Sachsen. Berlin 1989). Magirius ermutigt uns damit, Denkmale nicht nur als historische Dokumente zu konservieren, sondern als Monumente zu pflegen. Die große Wertschätzung seiner Leistungen als Kunsthistoriker und Denkmalpfleger wurde schon an der Magirius zum 60. Geburtstag gewidmeten Festschrift »Denkmalkunde und Denkmalpflege. Wissen und Wirken« (Dresden 1995) deutlich und erfuhr seitdem keinen Abbruch.

Magirius prägte über 40 Jahre spürbar das Arbeitsklima und den kulturellen Anspruch des Instituts bzw. Landesamts für Denkmalpflege, und dies sowohl unter Hans Nadler (bis 1982) als auch unter Gerhard Glaser (seit 1982). Beide ermöglichten ihm, seine außergewöhnlichen Stärken als Wissenschaftler zur Geltung zu bringen und profitierten gleichzeitig von dem Respekt der Kolleginnen und Kollegen im deutschsprachigen Raum, der sich auf das Ansehen des Dresdner Amtes insgesamt übertrug. Amtsintern strahlte Magirius in seinem ruhigen Wesen trotz aller Anfechtungen aus dem politischen Bereich stets die Gewissheit aus, bei seiner Suche nach den wahren Werten unserer Kultur, auch im Hinblick auf das Verständnis unserer Denkmallandschaft, auf dem richtigen Weg zu sein. In seinem bescheidenen und eher zurückhaltenden Auftreten vermittelte er uns Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein Ziel, dem wir, auf diese Weise motiviert, gern folgten.

Neben seiner Sach- und Fachkompetenz trug insbesondere seine hohe Selbstdisziplin und Hingabefähigkeit dazu bei, dass unsere noch jungen Kolleginnen und Kollegen ihm höchsten Respekt zollten und daraus resultierend das Berufsbild des Denkmalpflegers in einem auch ethisch verpflichtenden Licht betrachteten. Damit hat sein Wirken Generationen von Denkmalpflegerinnen und Denkmalpflegern nachhaltig geprägt. Obwohl Magirius schon seit mehr als 20 Jahren im Ruhestand war, hat sein Tod bei vielen Kolleginnen und Kollegen tiefe Betroffenheit hinterlassen, da er bis zuletzt präsent war, als Mitglied des Sächsischen Denkmalrates, als Mitglied der Gestaltungskommission der Landeshauptstadt Dresden und als Autor.

Heinrich Magirius bleibt in einer Vielzahl seiner anspruchsvollen Publikationen und in den durch ihn nachhaltig gestalteten Restaurierungen hochkarätiger Monumente in dauerhafter Erinnerung. Heinrich Magirius lebt hier fort.

  1. Abbildungsnachweis: Evelyn Richter (Peter Richter, Dresden)

Published Online: 2022-01-28

© 2021 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston, Germany

Heruntergeladen am 28.9.2025 von https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/dkp-2021-2016/html
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