Zusammenfassung
Ethik hat allgemein, aber auch im Bibliothekssektor erheblich an Bedeutung hinzugewonnen. Einführend werden zunächst Ethik, Moral und Recht gegeneinander abgegrenzt, ehe die zentralen ethischen Grundwerte für Bibliotheken benannt und in ihrer Bedeutung für die wichtigsten bibliothekarischen Tätigkeitsfelder kurz zur Sprache kommen. Schließlich richtet sich der Blick auf den Stellenwert, den Ethik und ethische Reflexion in der Praxis deutscher Bibliotheken gegenwärtig einnehmen.
Abstract
Ethics has significantly gained importance in general, but also in the library sector. Initially, the article distinguishes ethics, morals, and law from each other, before it names ethical basic values for libraries and discusses their importance for the most important library fields of activity briefly. Finally, it focusses on the importance that ethics and ethical reflection currently have in daily practice at German libraries.
1 Einleitung
Die Bereitschaft der Öffentlichkeit, ethischen Belangen[1] Aufmerksamkeit zu schenken, hat in den vergangenen Jahren erheblich zugenommen. Dies ist u. a. an der Vielzahl von Ethikkommissionen abzulesen, die mittlerweile auf politischer und wissenschaftlicher Ebene sowie von Verbänden und Unternehmen gegründet worden sind. Die Ursachen sind vielfältiger Art. Zu nennen ist in diesem Zusammenhang sicher der Bedeutungsverlust, den religiöse Sinnstiftungssysteme in den säkularisierten Gesellschaften erfahren haben und weiter erfahren. Darüber hinaus konfrontieren wissenschaftlicher Fortschritt und technische Neuerungen die handelnden Personen, aber auch Gesellschaften insgesamt mit bislang unbekannten Handlungsoptionen, die nach ethischer und moralischer Bewertung verlangen. Zu denken ist etwa an Stammzellenforschung, Sterbehilfe, selbststeuernde Autos usw. Dieser Befund trifft auch auf Bibliotheken und verwandte Informationseinrichtungen zu, wie im Folgenden zu zeigen sein wird. Einführend werden zunächst Ethik, Moral und Recht gegeneinander abgegrenzt, ehe die zentralen ethischen Grundwerte für Bibliotheken benannt und in ihrer Bedeutung für bibliothekarisches Handeln in den wichtigsten Tätigkeitsfeldern kurz zur Sprache kommen. Schließlich richtet sich der Blick auf den Stellenwert, den Ethik und ethische Reflexion in der Praxis deutscher Bibliotheken gegenwärtig einnehmen.
2 Ethik, Moral und Recht
Ethik widmet sich der Frage, wie menschliches Handeln möglich wird, das allgemein als gut, hilfreich und verantwortungsbewusst bezeichnet werden kann. Bei der Suche nach einer Antwort zeichnet sich Ethik durch methodisches Vorgehen und argumentative Begründung ihrer Befunde aus. Gegenstand ethischer Reflexion ist das moralische, wertbezogene Handeln des Einzelnen oder eines Kollektivs ebenso wie die moralischen Konventionen einer Gemeinschaft oder Gesellschaft. Ethik ist daher zu verstehen als „Theorie moralischer Praxis“[2], die menschliches Handeln mit dem Ziel beschreibt, vergleicht und bewertet, „das ‚gute‘ Handeln zu identifizieren“[3]. Moral also ist keineswegs identisch mit Ethik, sondern deren Gegenstand. Dabei verfolgt Ethik nicht das Ziel, abschließende und verbindliche Handlungsanweisungen zu geben, sondern bezieht immer die jeweiligen Rahmenbedingungen und möglichen Konsequenzen in die Betrachtung ein. Ethik entwickelt Kriterien, die es in konkreten Kontexten unter Abschätzung der möglichen Folgen erlauben, sich für ein bestimmtes wertbezogenes Verhalten zu entscheiden. Die Berufung auf „Ethik“ nimmt dem Individuum keineswegs die Entscheidung ab und entlässt es nicht aus seiner Verantwortung. Ethische Reflexion vermag allerdings Orientierung zu geben, allgemeine oder im Berufsfeld konsensualisierte Wertestandards ins Bewusstsein zu rufen und damit wohlabgewogene, eigenverantwortliche Entscheidungen zu treffen.
Ethik und Recht verfolgen beide das Ziel, das Leben in der Gemeinschaft auf der Grundlage allgemein anerkannter und verbindlicher Regelungen zu erleichtern. Ein Verstoß gegen ethische Werte wird, sofern diese nicht darüber hinaus rechtlich kodiert sind, in der Regel nicht mittels festgelegter Strafen geahndet, sondern zumeist durch Missachtung und Respektentzug. Das Recht dient ebenfalls als Steuerungsinstrument für individuelles Verhalten und verfolgt dabei den Zweck, individuelle Rechtsgüter zu schützen und die bestehende Rechtsordnung durch verbindliche Vorschriften in Gesetzesform zu sichern. Werden Gesetze verletzt, drohen Strafen. Große Teile des Rechts haben moralische und ethische Bezüge. Idealerweise basieren Rechtsnormen auf Werten, die ethische Ansprüche erfüllen. Der Grundrechtekatalog des Grundgesetzes hat nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes auch die Funktion einer gesellschaftlichen Werteordnung.[4] Ethik kann damit als Basiswissenschaft des Rechts[5] gelten: Sie ist dem Recht vorgelagert und geht zugleich darüber hinaus. Letzteres ist etwa dann der Fall, wenn rechtliche Regelungen, die grundsätzlich im Einklang mit ethischen Anforderungen stehen, unter bestimmten Bedingungen zu ethisch problematischen Ergebnissen führen.
Eine klare Trennung zwischen Ethik und Recht ist besonders wichtig, weil in der Praxis ethische Überlegungen unter Verweis auf bestehende rechtliche Regelungen oft erst gar nicht angestellt werden. Insbesondere in Gesellschaften, die von obrigkeitsstaatlichem Denken geprägt sind, führt die starre Fixierung auf das geltende Recht zu einem Legalismus, der weder ethische Bezüge noch Konsequenzen in Betracht zieht. Der Wertbezug des Handelns erfolgt dann allein über rechtliche Regelungen, die keineswegs zwangsläufig ethischen Anforderungen entsprechen müssen. Ausgangsfrage sollte daher immer sein: Was ist aus ethischer Sicht naheliegend? Erst danach ist zu fragen, was gesetzlich erlaubt ist. Falls dabei eine Kollision festzustellen ist, kann die Lösung natürlich nicht im offenen Rechtsbruch bestehen. Stattdessen sollte in einer rechtsstaatlichen Gesellschaft eine öffentliche Debatte initiiert werden mit dem Ziel, die Rechtslage auf dem dafür vorgesehenen Weg zu verändern. Ethik muss also auch verstanden werden als Instrument der Rechtskritik.
3 Ethikkodizes und Ethikkommissionen
Ethikkodizes enthalten moralische Normen, nach denen Individuen und Institutionen ihr Handeln ausrichten sollen, in manchen Fällen auch müssen. Ihre Aufgabe besteht darin, Soll-Vorschriften dauerhaft zu implementieren und die ethische Sensibilität der Adressatinnen und Adressaten zu schärfen. Individuen und Institutionen sollen dabei unterstützt werden, Kriterien zur Unterscheidung von richtigem und falschem, gutem und schlechtem Handeln zu gewinnen und anzuwenden. Eine entscheidende Rolle für die Wirksamkeit ethischer Kodizes spielt die Art ihrer Entstehung und ihrer kontinuierlichen Pflege. Wenn der Wertekanon in einem strukturierten Prozess gemeinsam mit den Betroffenen entwickelt worden ist, deren Erfahrungen und Erwartungen berücksichtigt worden sind, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass der Ethikkodex wahr- und ernstgenommen wird. Wichtig ist darüber hinaus, dass den Kodizes durch Berufsverbände oder andere Trägerorganisationen Gewicht verliehen wird. Idealerweise bieten Ethikkommissionen oder Ethikbeauftragte die Möglichkeit, etwaige Verstöße anzuzeigen oder im Falle ethischer Konflikte und Dilemmata Rat einzuholen. Grundsätzlich erfüllen Ethikkodizes mehrere Funktionen. Zum einen bieten sie z. B. im Falle der Berufsethik Orientierung über die für das berufliche Handeln relevanten Werte und haben so langfristig eine standardisierende Wirkung. Darüber hinaus wird durch die gemeinsame Wertebasis ein Wir-Gefühl erzeugt, das letztlich auch das Berufsbild prägt. Wenn durch die Wertbezüge ein klares Berufsbild nach innen und außen entsteht, wenn etwa deutlich wird, dass Bibliothekarinnen und Bibliothekare sich grundsätzlich als Anwälte der Meinungs- und Informationsfreiheit verstehen, so hat dies Auswirkungen auf das Sozialprestige des Berufes. Weitere Funktionen von Ethikkodizes bestehen darin, die gesellschaftliche Verantwortung des Handelns zu klären, die ethische Überprüfung von Rechtsnormen und Rechtspraxis zu erleichtern und schließlich als wichtiges Hilfsmittel bei öffentlichen Auseinandersetzungen zu dienen.
Von besonderer Bedeutung ist die Unterscheidung in institutionenethische und individualethische Kodizes. Institutionenethische Kodizes haben die Aufgabe, das Handeln der jeweiligen Institution aufgrund möglichst einheitlicher Wertbezüge zu steuern. Die moralischen Wirkungen werden im Wesentlichen im arbeitsteiligen Zusammenwirken der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einer Institution erzielt. Die moralische Verantwortung liegt auch, aber eben nicht nur beim Individuum. Umso wichtiger ist es, dass Management bzw. Leitungsgremien eines Unternehmens, eines Verbandes, einer Behörde oder einer sonstigen Institution dafür sorgen, dass alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter selbstverständlich unter Einschluss der Leitungsebene auf der Grundlage gemeinsamer Werte arbeiten. In der Praxis werden institutionenethische Kodizes oft als Leitsätze, Leitbilder, Policies oder Mission Statements bezeichnet. Individualethische Kodizes beziehen sich auf das Verhalten, das ausschließlich vom Einzelnen zu verantworten ist. Sie richten sich als Berufsethiken nicht unabhängig von deren Tätigkeit an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eines spezifischen Unternehmens oder einer konkreten Institution, sondern pauschal an die Angehörigen eines Berufsstandes. Zusammengestellt werden darin die moralischen Werte und Normen, die bei der Ausübung des Berufs Beachtung finden sollen.[6] Häufig werden Berufsethiken von Berufsverbänden auf nationaler oder internationaler Ebene als Verhaltenserwartungen nach eingehender Diskussion festgelegt und bei Bedarf aktualisiert. Der Wertekanon wirkt so als kollektives soziales Gewissen des Berufsstandes. Allerdings bleibt festzuhalten, dass Berufsethiken weder ein Lösungsreservoir für konkrete Problemfälle bereithalten, noch den Einzelnen aus seiner Verantwortung entlassen. Sie behandeln Grundwerte und bieten eine Art Checkliste bei der Reflexion über die jeweils tangierten berufsspezifischen moralischen Grundwerte und die möglichen Folgen getroffener Entscheidungen.
Ethikkodizes entfalten eine nachhaltige Wirkung nur dann, wenn es Gremien wie Ethikkommissionen und Routinen gibt, die dafür sorgen, dass die Inhalte immer wieder thematisiert und im Bewusstsein der Adressatinnen und Adressaten präsent bleiben. Die Arbeit dieser Kommissionen besteht nicht nur darin, Ethikkodizes zu entwickeln und kontinuierlich zu pflegen, sondern auch Schulungsangebote und Lernmaterialien zu erarbeiten, um die ethische Sensibilität und das am Kodex orientierte Reflexionsvermögen der Mitglieder ihrer Institution bzw. ihres Berufsstandes nachhaltig zu fördern. Darüber hinaus beraten sie ihre Trägerinstitution bzw. Einzelpersonen in konkreten Konflikten und Dilemmata. Die Bedeutung von Ethikschulungen ist kaum zu überschätzen. Vermittelt werden sollen dabei Reflexionstechniken, Begriffsdefinitionen und moralische Wertesysteme. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sollen lernen, mit welchen Techniken und Verfahren sie Konflikte und Dilemmata bewältigen sowie Gefahren abwenden können. Methodisch bieten sich zur Durchführung solcher Schulungen klassische Formen wie Vorträge, Seminare und einfache Gespräche an. Als besonders wirkungsvoll erweisen sich Fallstudiensimulationen und Dilemmataanalysen, die z. B. in Form von Rollenspielen inszeniert und durchlebt werden. Dabei werden Szenarien mit konkreten Wertkonflikten zugrunde gelegt und die unterschiedlichen Lösungsoptionen im Hinblick auf die damit verbundenen Wertbezüge und Auswirkungen auf die jeweils Betroffenen argumentativ überprüft.
4 Ethische Grundwerte der bibliothekarischen Handlungsfelder
Die nachfolgende Zusammenstellung resultiert aus der Analyse der bibliotheks- und informationsethischen Fachliteratur und einschlägigen Ethikkodizes, die als Niederschlag diesbezüglicher Debatten anzusehen sind.[7] Sie soll keinesfalls missverstanden werden als feststehende Vorgabe.
Als Grundwert, der allen anderen bibliotheksethischen Werten übergeordnet ist, kann Meinungs- und Informationsfreiheit angesehen werden. Dies zeigt sich z. B. daran, dass in der Library Bill of Rights,[8] der US-amerikanischen Institutionenethik, vier von sieben Artikeln sich auf Meinungs- und Informationsfreiheit bzw. Freiheit von Zensur beziehen. Auch in den Berufsethiken von IFLA[9] und BID[10] stehen „Access to Information“ bzw. „Zugang zu und Vermittlung von Informationen“ jeweils am Beginn des Wertekanons. Paul Sturges stellt daher fest, „that the library essentially functions as an intellectual freedom institution by serving the personal, private state of mind of seekers and receivers“.[11]
Neben Meinungs- und Informationsfreiheit lassen sich acht weitere Wertecluster benennen; die zugehörigen Aspekte werden in Klammern angefügt. Es sind dies Informationsgerechtigkeit (Gleichbehandlung, Leseförderung und Förderung von Informationskompetenz), Schutz der Privatsphäre (Datenschutz, informationelle Selbstbestimmung), Schutz des geistigen Eigentums (Wahrung des Urheberrechts, Bekämpfung von Plagiarismus, Förderung guter wissenschaftlicher Praxis), Informationsqualität und Informationsökologie (Maßnahmen gegen Desinformation, Fake News und Fake Science, Überlieferung des kulturellen Erbes), Gesellschaftliche Verantwortung (Demokratieförderung, Bildungsförderung, Jugendschutz, Inklusion, Integration, Emanzipation, ökonomiefreier Schutzraum, Förderung von Forschung und Lehre, Nachhaltigkeit/Umweltverträglichkeit), Dienstleistungsorientierung (Nutzerorientierung, Fort- und Weiterbildung, proaktive Grundhaltung), professionelle und moderne Bibliotheksverwaltung (Innovationsfähigkeit und -bereitschaft, Veränderungsmanagement, Transparenz) sowie schließlich persönliche Integrität (Kollegialität, Unbestechlichkeit, Zurückstellung privater Interessen und persönlicher Überzeugungen).
5 Bibliotheksethik in der Praxis
Nachfolgend werden ethische Bezüge der wichtigsten bibliothekarischen Handlungsfelder dargestellt. Es versteht sich, dass dabei nur ausgewählte, besonders wichtige oder aktuelle Beispiele behandelt werden können.
5.1 Bestandsmanagement, Lizenzierung, Informationszugang
Bibliotheken in demokratischen Gesellschaften haben den Auftrag, einen wirklichen Beitrag zur Garantie von Meinungs- und Informationsfreiheit zu leisten. Daher müssen sie dafür Sorge tragen, dass die Bibliotheksbestände bzw. der durch die Bibliothek erschlossene Informationsraum das gesamte Meinungsspektrum unzensiert repräsentieren. Nur wenn auch die Nutzung unkontrolliert und unbeeinflusst erfolgt, tragen Bibliotheken zur informationellen Grundversorgung der Bürgerinnen und Bürger bei. Dies stellt eine wichtige Voraussetzung dafür dar, dass sich die informationelle Asymmetrie zwischen Regierenden und Regierten verringert oder gar auflöst und Partizipation am demokratischen Wettstreit der Ideen möglich wird. Insbesondere im Umgang mit umstrittenen Werken müssen Bibliotheken beweisen, dass sie Zensur grundsätzlich ablehnen.[12] Meinungs- und Informationsfreiheit stoßen nur dann an Grenzen, wenn das Wohl Anderer in unzumutbarer Weise beeinträchtigt wird. Ob und wann es gerechtfertigt erscheint, Einschränkungen vorzunehmen, muss immer wieder Gegenstand öffentlicher Diskurse sein. Entsprechende Maßnahmen wie Entfernung aus dem Bestand, Sekretierung oder andere Formen der Zugangsverweigerung müssen klar benannt und transparent begründet werden. Grundsätzlich muss das Ziel darin bestehen, Meinungs- und Informationsfreiheit möglichst umfassend zuzulassen, Einschränkungen hingegen so gering wie möglich halten.[13] Nur so werden Bibliotheken ihrer gesellschaftlichen Verantwortung in demokratischen, pluralistischen Gesellschaften gerecht. Mündige Bürgerinnen und Bürger müssen in einer offenen Gesellschaft Gelegenheit haben, fragwürdige Inhalte selbst zu überprüfen und zu demaskieren. Dies wird in Bibliotheken erleichtert durch Kontextualisierung, wie z. B. die Bereitstellung von Publikationen, die sich kritisch auf die jeweiligen umstrittenen Werke beziehen. Wenn es jedoch zutrifft, dass „Menschen (das Volk!) gelenkt werden müssen“, wenn man ihnen das Selberdenken nicht zutrauen kann, dann ist, so die Zensurexpertin Nicola Roßmann, das Konzept der offenen, demokratischen Gesellschaft gescheitert.[14] Während in der Bestandspolitik und beim Informationszugang Neutralität und Pluralismus zu wahren sind, sollte z. B. in der Programmarbeit (vor allem der Öffentlichen Bibliotheken) zum Ausdruck kommen, dass Bibliotheken, wie es in der IFLA-Berufsethik heißt, den Auftrag haben, zur Festigung demokratischer Strukturen beizutragen. Dies kann z. B. durch Diskussionsveranstaltungen, Workshops und Seminare erfolgen, in denen rechtspopulistische Argumentationsmuster, akut zirkulierende Verschwörungstheorien und andere Formen von Desinformation aufgegriffen und dekonstruiert werden. Die Tatsache, dass Bestandspolitik und Programmarbeit unterschiedlich zu bewerten sind, ist darauf zurückzuführen, dass die Wahrung der Informationsfreiheit von einer ausgewogene Bestandspolitik nicht aber von der Programmarbeit abhängt.
Die Problematik des freien Zugangs zu Informationen hat für Bibliotheken auch in der analogen Welt eine wichtige Rolle gespielt. Mit digitalen Medien und dem Internet aber stellen sich neue Herausforderungen. Dazu zählt etwa die Frage, wie mit dem Einsatz von Filtersoftware auf Internetrechnern in Bibliotheken umzugehen ist.[15] Gilt hier die Verpflichtung zur Garantie von Informationsfreiheit oder gibt es einen Auftrag, jugendlichen und erwachsenen Nutzerinnen und Nutzern den Zugang zu unangemessen erscheinenden Inhalten zu verwehren? Allzu oft wird in der Praxis Filtersoftware bedenkenlos generell mit der Begründung eingesetzt, der Jugendschutz erfordere dies, da nicht zu kontrollieren sei, welche Rechner Jugendliche nutzten. Häufig wird weder erwogen, ob der Jugendschutz nicht auch ohne Filtersoftware möglich wäre, noch den Nutzerinnen und Nutzern mitgeteilt, dass ihre Informationsfreiheit drastisch eingeschränkt wird. Die American Library Association hält den Einsatz von Filtersoftware schon seit langem für äußerst bedenklich, da diese unzuverlässig ist, eine unzulässige Einschränkung der Informationsfreiheit erzeugt und die Entscheidung darüber, was an Informationen ausgefiltert wird, bibliotheksfremden Softwareentwicklern überlässt.[16] Zum Jugendschutz heißt es übrigens in der Berufsethik der IFLA: „Librarians and other information workers respect the protection of minors while ensuring this does not impact on the information rights of adults.“[17]
5.2 Erschließung
Im Erschließungsbereich sind die wesentlichen Grundwerte Neutralität und Gleichbehandlung. An nationalen wie international gebräuchlichen Erschließungsstandards ist in der Vergangenheit immer wieder kritisiert worden, dass sie einseitig eine bestimmte Sicht bevorzugen. So wird an der GND etwa bemängelt, dass eine männliche Perspektive unübersehbar sei. Als Beispiel sei das Schlagwort „Sextourismus“ genannt, auf das von dem Begriff „Prostitutionstourismus“ verwiesen wird, obwohl es sich in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle tatsächlich um Prostitutionstourismus handelt. Die Tatsache, dass es die Schlagwörter „Arbeitslosigkeit“ und „Frauenarbeitslosigkeit“ gibt, nicht aber „Männerarbeitslosigkeit“ belegt, dass Frauenaspekte dem Normalfall, der als männlich gedacht wird, untergeordnet werden. Eine Debatte hat sich aufgrund des in der GND enthaltenen Schlagworts „Überfremdung“ entzündet. Bemängelt wurde, dass der Begriff ideologisch aufgeladen sei. Zwar wurde daraufhin die konkrete Verschlagwortung seitens der DNB verändert, das Schlagwort existiert jedoch weiterhin.
An der weltweit verbreiteten Dewey Decimal Classification lässt sich leicht erkennen, dass diese eindeutig geprägt ist durch die ideologische Fixierung auf ein christlich-abendländisches, nordamerikanisches Weltbild. So sind etwa in der Hauptklasse Religion die Unterklassen 220 bis 289 dem Christentum vorbehalten, während für alle anderen Religionssysteme die Klassen 280 bis 299 zur Verfügung stehen. Frappierend ist etwa auch, dass „Nordamerikanische Ureinwohner“ nicht als „Nordamerikaner“ gelten.
Die Erschließungspraxis kann durch leichtfertige und unprofessionelle Handhabung, aber auch durch absichtliche Eingriffe manipulative Effekte erzeugen. So sind z. B. in der DDR Publikationen zum Aufstand des 17. Juni 1953 so verkürzt worden, dass am Katalogisat nicht mehr zu erkennen war, auf welches Ereignis sich der Inhalt bezieht. Manche Herausforderung ist ohne gründliche ethische Reflexion kaum zu bewältigen. Wie soll z. B. mit Publikationen verfahren werden, die sich aus christlich-fundamentalistischer Sicht vehement gegen die darwinsche Evolutionstheorie wenden und stattdessen biblischem Kreationismus oder anderen Theorien des Intelligent Design das Wort reden? Soll in diesem Fall eine Einordnung unter Religion erfolgen, eine Zuordnung zu Evolutionstheorie oder zu beidem? Darf die Entscheidung abhängig sein von der Einschätzung der Indexierenden oder der Selbsteinschätzung der Autorinnen und Autoren?
Die vielfältigen ethischen Aspekte der Erschließungspraxis haben das amerikanisch-britische Cataloging Ethics Steering Committee veranlasst, in einem mehrjährigen, offenen Diskussionsprozess einen „Cataloging Code of Ethics“ zu erarbeiten, der Anfang 2021 der verabschiedet worden ist.[18] Zu den ethischen Grundsätzen der Erschließungsarbeit gehört es demnach u. a., Diskriminierung zu vermeiden, die Arbeit am Nutzerbedarf zu orientieren und Entscheidungsgrundlagen transparent zu machen, die eigene Befangenheit anzuerkennen und dadurch zu minimieren sowie Erschließungsstandards kritisch anzuwenden, um die darin enthaltenen Verzerrungen zu vermeiden.[19]
Moderne Katalogdatenbanken eröffnen die Möglichkeit, zusätzlich zu den klassischen Metadaten weitere Erschließungselemente hinzuzufügen. Zu dieser Form der Kataloganreicherung gehören u. a. Inhaltsverzeichnisse, Klappentexte, Abstracts, Titelcover, Rezensionen und Autorenbiografien. Klappentexte und Titelcover werden in der Regel von den Marketingabteilungen der Verlage zum Zwecke der Absatzsteigerung erzeugt und sind insofern als Werbung anzusehen. Besonders heikel ist die unkommentierte Übernahme derartiger Texte und Abbildungen, wenn es sich um Werke aus rechten, linken oder religiös-fundamentalistischen Verlagen handelt. Discoverysysteme, die schon seit vielen Jahren Einzug in Bibliotheken gehalten haben, werfen ebenfalls ethisch bedeutsame Fragen auf. Problematisch ist zum einen, dass der jeweils erschlossene Informationsraum nicht exakt bekannt ist und zum anderen, dass das Ranking auf Algorithmen beruht, die nicht offen gelegt werden, da sie von den kommerziellen Anbietern als Betriebsgeheimnis deklariert werden.
5.3 Überlieferung
Die Überlieferung des kulturellen Erbes gehört zu den auch ethisch zu begründenden zentralen Aufgaben von Archiven, Bibliotheken und Museen. Auch in der Berufsethik der BID werden „Bewahrung, Erschließung, Vermittlung und die öffentliche Zugänglichkeit des kulturellen Erbes“ zu den bibliothekarischen Kernfunktionen gerechnet.[20] Dabei ist jedoch zu beachten, dass diese Aufgabe nicht für alle Bibliothekstypen den gleichen Stellenwert hat. Im Zusammenhang mit Überlieferung geht es um die Frage, was in welchem Umfang zu überliefern ist, wie die Langzeitarchivierung sichergestellt werden kann und wie die Integrität und Authentizität der Dokumente garantiert werden kann. Die wichtigsten ethischen Grundwerte, die dabei eine Rolle spielen, sind Neutralität, Pluralismus, Freiheit von Zensur und natürlich die authentische Bewahrung des kulturellen Erbes selbst.
Die Überlieferung des kulturellen Erbes kann immer nur in ausgewählter Form erfolgen. Auch Bibliotheken überliefern bestimmte Dokumenttypen nicht, andere hingegen mit dem Anspruch auf Vollständigkeit. In der Festlegung der zu überliefernden Dokumenttypen und Inhalte aber liegen Herausforderungen, denen nur durch ständige Diskussionen, Überprüfungen und Anpassungen begegnet werden kann. Wichtig ist dabei, dass Neutralität angestrebt und ideologisch bedingte Verzerrungen bei der Auswahl vermieden werden. Auch Minderheitsmeinungen und nach gängiger Auffassung abstruse Positionen müssen angemessen vertreten sein, damit das gesamte Spektrum öffentlicher Diskurse repräsentiert wird.
Während sich die Sammelrichtlinien hinsichtlich gedruckter und körperlicher Medien vergleichsweise klar formulieren lassen, stellt sich die Lage für Netzpublikationen und sog. unkörperliche Medien höchst komplex dar. Ohne Zweifel gehört die Vielfalt des Webs zum kulturellen Erbe. Die schiere Menge der infrage kommenden Objekte, deren dynamischer, interaktiver und vernetzter Charakter und die Tatsache, dass die Grenzen zwischen privater Kommunikation und publizierten Inhalten verschwimmen, werfen Fragen auf, die gegenwärtig kaum zufriedenstellend beantwortet werden können. Als Ausweg bleibt nur, für diese Quellengattung das Ziel der vollständigen Überlieferung aufzugeben und stattdessen eine angemessene Auswahl zu treffen. Auswahl aber ist immer heikel und sollte auf der Grundlage umsichtiger Überlegungen und transparenter, immer wieder überprüfter Regelungen erfolgen. Die DNB hat in diesem Zusammenhang in erfreulicher Deutlichkeit herausgestrichen, dass sie es als ihre Pflicht ansieht, bei der repräsentativen Auswahl „ohne inhaltliche Wertung authentisch [zu] sammeln, Meinungsfreiheit [zu] dokumentieren und sich auch gegen Eingriffe von außen [zu] wehren“.[21] Da eine zukunftsweisende Lösung für die langfristige Überlieferung des Webs nicht in Sicht ist, wäre es umso wichtiger, daran mit vereinten Kräften und in voller Transparenz zu arbeiten. Nationalbibliotheken, Staats- und Landesbibliotheken, Fachinformationsdienste und alle übrigen Bibliotheken, welche die dauerhafte Überlieferung digitaler Dokumente und Netzpublikationen als ihre Aufgabe ansehen, sollten systematisch kooperieren und institutionell sowie territorial verteilte Zuständigkeiten festlegen.
Zum überliefernswerten kulturellen Erbe gehören nicht nur die zivilisatorisch und ethisch positiv zu bewertenden Aspekte, sondern auch Schattenseiten und peinlich nachwirkende Verfehlungen. Ein interessantes Fallbeispiel bietet in diesem Zusammenhang die Auseinandersetzung darum, ob auch Dokumente aus der Zeit des Nationalsozialismus retrospektiv digitalisiert werden sollen. Während in Deutschland z. B. Tageszeitungen insgesamt in groß angelegten Projekten digitalisiert werden, werden NS-Zeitungen unter Verweis auf rechtliche Vorgaben davon bislang weitgehend ausgenommen. Bei genauer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass die gesetzlichen Einschränkungen höchst marginal sind und die ethischen Aspekte der Problemstellung noch nicht einmal erwogen werden.[22] Unter ethischen Gesichtspunkten aber stellt sich die Frage, warum es Privatpersonen verwehrt sein sollte, NS-Zeitungen in digitaler Form in der Bibliothek oder über das Internet zu nutzen, sei es aus privatem oder sonstigem Interesse. Für die freie Verfügbarkeit spricht eindeutig der Grundwert der Informationsfreiheit. Zu einzelnen weltanschaulichen Auffassungen kann sich nur wirksam und glaubwürdig positionieren, wer sich eigenständig damit auseinandersetzen konnte. Dafür muss auch die Chance gegeben sein, Originalquellen heranzuziehen. Besonders für Schülerinnen und Schüler, für Lokalhistorikerinnen und -historiker bietet dieses Material im Rahmen von Projektarbeiten die Chance, den wahren Gehalt der NS-Ideologie zu identifizieren und Parallelen zu Positionen der Neuen Rechten zu aufzudecken. Damit wäre zudem ein wichtiger Beitrag zur Stärkung demokratischer Strukturen erbracht. Darüber hinaus könnte die NS-Forschung zu neuen, wichtigen Erkenntnissen kommen, wenn diese Digitalisate zu einem Forschungsdatenpool zusammengespielt würden und mittels Künstlicher Intelligenz und Algorithmen ausgewertet werden könnten.
5.4 Benutzung
Benutzung umfasst die Bereitstellung von Literatur und Medien, zukünftig wohl auch vermehrt Objekten aus dem eigenen Bestand und aus Ressourcen, die nicht von der Bibliothek kuratiert werden. Hinzutritt die Inanspruchnahme der von der Bibliothek bereitgestellten Lern- und Forschungsumgebungen, des Lesesaals, der technischen Infrastruktur und des Internetauftritts. Die wichtigsten der dabei tangierten ethischen Grundwerte sind Schutz der Privatsphäre, Gleichbehandlung, Informationsfreiheit, Jugendschutz und Informationsqualität.
Bei der klassischen Bibliotheksbenutzung, erst recht bei der Recherche in Online-Katalogen, Datenbanken und der Internetnutzung entstehen aussagekräftige, personenbezogene Daten in hohem Umfang. Aus dem Recht auf Schutz der Privatsphäre und den Erfordernissen des Datenschutzes ist abzuleiten, dass Bibliotheken diese Daten grundsätzlich vor fremdem Zugriff schützen müssen. Die Praxis muss sich an den Grundgedanken der Zweckbindung, der Speicherzeitbegrenzung und der Datenminimierung orientieren. In einer für jeden leicht zugänglichen Policy sollte nachvollziehbar erklärt werden, welche Daten erhoben werden, wer Zugriff darauf hat und wie lange die Daten aufbewahrt werden.
Aus der Vielzahl der damit verbundenen Problemfelder seien nur wenige kurz aufgegriffen. In der Bibliothekswelt ist es nicht unüblich, die Datenhaltung und -verarbeitung aus Gründen der Kostenersparnis in die Cloud eines externen Anbieters auszulagern. Dies geschieht z. B. beim Einsatz kommerzieller Discoverysysteme, die auf den Servern der Anbieter betrieben werden. Damit taucht das Problem auf, dass Bibliotheken einerseits die letzte Kontrolle über die ihnen anvertrauten Nutzerdaten verlieren, andererseits aber rechtlich und ethisch verantwortlich bleiben für den Schutz der Privatsphäre. Bekannterweise sind US-amerikanische Unternehmen dazu verpflichtet, Daten, die von einer europäischen Tochtergesellschaft erhoben worden sind, den Behörden auch ohne richterliche Anordnung zu übergeben. Dies ist mit den Standards des europäischen Datenschutzes unvereinbar.
Eine weitere ernsthafte Bedrohung geht von großen Wissenschaftsverlagen aus, deren Geschäftsmodell darin besteht, im Zuge der sog. GetFTR-Strategie[23] die Datenspuren, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bei der Nutzung digitaler Verlagspublikationen hinterlassen (Zugriffs- und Nutzungsdaten, Verweildauer usw.) zu personalisierten Profilen zu verdichten und die so aggregierten Daten weiterzuverkaufen.[24] Damit wäre es darüber hinaus möglich, die Arbeit von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu überwachen und zu bewerten. Wenn die Nutzungsdaten ohne Wissen der Betroffenen erhoben werden, liegt darin eine eindeutige Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Wenn die Zustimmung zur Erhebung Voraussetzung für die Nutzung wird, ist dies eine inakzeptable Einschränkung der Informationsfreiheit. Bedenken seitens wichtiger Wissenschaftsorganisationen wurden formuliert und publiziert. Es bleibt zu hoffen, dass Bibliotheken und ihre Interessenverbände sich auch auf die ethischen Hintergründe besinnen, um sich selbstbewusst gegen die Absichten von GetFTR durchzusetzen, hinter denen u. a. die Verlage Elsevier, Springer, Wiley und Taylor & Francis stehen.
Seit der Popularisierung Sozialer Netzwerke setzen auch Bibliotheken diesen Kanal intensiv ein, um Benutzerinnen und Benutzer dort abzuholen, wo sie sich bewegen und so ihrer Öffentlichkeit zu größerer Wirksamkeit zu verhelfen. Dabei ist nicht zu übersehen, dass das Geschäftsmodell von Facebook, Instagram usw. klar gegen ethische Grundsätze wie Datenschutz, Datenminimierung, Schutz der Privatsphäre usw. verstößt. Immerhin hat der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber in einem Rundschreiben an alle Bundesministerien und die obersten Bundesbehörden vom 16. Juni 2021 festgestellt, „dass ein datenschutzkonformer Betrieb einer Facebook-Fanpage gegenwärtig nicht möglich ist“, da dessen Praxis die Anforderungen von Art. 26 Datenschutz-Grundverordnung nicht erfüllt. Kelber fordert die Adressaten auf, ihre Facebook-Auftritte bis Ende 2021 abzuschalten, weil „den öffentlichen Stellen des Bundes [...] im Hinblick auf die Einhaltung des Datenschutzrechts eine Vorbildfunktion zu[kommt]“.[25] Von wenigen Ausnahmen abgesehen fordern die meisten Bibliotheken unbedarft zur Nutzung ihres Accounts bei Facebook auf, ohne auch nur den leisesten Hinweis auf die damit verbundenen Gefahren zu geben. In der Öffentlichkeit werden die Geschäftspraktiken der Sozialen Netzwerke oft leichtfertig marginalisiert. Bibliotheken sollten daraus jedoch den Auftrag ableiten, im Rahmen ihrer Angebote zur Förderung von Informationskompetenz die Funktionsweise, das Geschäftsmodell sowie die Vor- und Nachteile Sozialer Netzwerke ausführlich zu erläutern. Ob sie selbst unbedingt Facebook oder andere kommerzielle Soziale Netzwerke im Rahmen ihrer Öffentlichkeitsarbeit einsetzen müssen, sollte auch unter ethischen Gesichtspunkten einer neuerlichen Prüfung unterzogen werden.
5.5 Informationsvermittlung, Vermittlung von Informationskompetenz und weitere Dienstleistungen
Bei diesem Tätigkeitsfeld handelt es sich um Angebote zur Informationsverbreitung, zur Vermittlung von Informationskompetenz und um Dienstleistungsangebote, die die klassische Bestandsorientierung hinter sich lassen und den Nutzerbedarf in den Vordergrund rücken. Bibliothek gilt in diesem Verständnis nicht nur als Ort, an dem der Zugang zu einem kuratierten Informationsraum gewährt wird, sondern als proaktive Institution, die darüber hinaus soziale und politische Funktionen in der offenen demokratischen Gesellschaft des 21. Jahrhunderts zu erfüllen hat. Das Spektrum an ethischen Grundwerten, die in diesem Bereich von Bedeutung sind, ist breit. Es reicht von Meinungs- und Informationsfreiheit über Gleichbehandlung, Informationsgerechtigkeit, Schutz der Privatsphäre, Schutz des geistigen Eigentums bis zu gesellschaftlicher Verantwortung.
Auch unter ethischen Gesichtspunkten kommt dem Thema Förderung und Vermittlung von Informationskompetenz besondere Bedeutung zu. Schon mit der klassischen Leseförderung haben Bibliotheken dazu beigetragen, Benachteiligte zu fördern, Ungleichheiten zu mildern und integrativ zu wirken. Im 21. Jahrhundert muss Leseförderung natürlich ergänzt werden um die vielfältigen Aspekte der Informationskompetenz. Bibliotheken erfüllen damit gemeinsam mit Schulen und Hochschulen einen gesellschaftlichen Auftrag, der in einer von digitalen Informationstechnologien und dem Internet geprägten Welt von allergrößter Bedeutung ist. In den bibliothekarischen Angeboten zur Förderung von Informationskompetenz liegt gleichzeitig ein Beitrag zur Verringerung der digitalen Spaltung und zur Verbesserung von Informationsgerechtigkeit. Informationskompetenz spielt auch in der Auseinandersetzung mit Fake News, gezielter Desinformation und Verschwörungstheorien eine wichtige Rolle. Wer gelernt hat, Informationsressourcen kritisch zu bewerten, Aussagen auf ihre Validität und Seriosität hin zu überprüfen und interessegeleitete Verzerrungen zu identifizieren, der wird gegenüber Desinformationskampagnen eine größere Immunität aufweisen. Im Rahmen der Vermittlung von Informationskompetenz muss auch darauf hingewiesen werden, wieviel Schaden man sich und anderen durch unüberlegte Äußerungen und Handlungen im Netz zufügen kann. Dies gilt insbesondere für Soziale Netzwerke.
Das auch aus ethischen Gründen erforderliche Bestreben der Bibliotheken um Neutralität und Objektivität auf der einen Seite und ihr Bekenntnis zu demokratischen Grundwerten, ihre Anstrengungen zur Förderung von Integration, Inklusion und Emanzipation auf der anderen Seite scheinen rein oberflächlich betrachtet zunächst im Widerspruch zueinander zu stehen. Ein unauflösbares Paradox besteht darin, dass bestimmte Werte dezidiert verfolgt und umgesetzt werden müssen, um Wertepluralismus, freien Wettstreit der Ideen erst zu ermöglichen. Insofern ist in der Verpflichtung auf demokratische Werte sowie auf die Förderung von Emanzipation, Integration und Inklusion keine Verletzung von Neutralität und Objektivität zu sehen, wenn Letzteres pointiert bei der Medienauswahl und der Informationsvermittlung zugrunde gelegt wird. Dem trägt auch der dbv Rechnung, der einerseits gemeinsam mit BID Zensur auch im Falle umstrittener Werke ablehnt[26] und andererseits in der Stellungnahme „Bibliotheken und Demokratie“ hervorhebt, dass Bibliotheken „einen unverzichtbaren Beitrag zu einem demokratischen Gemeinwesen sowie zur politischen Willensbildung“[27] leisten. Bibliotheken stehen in der Tradition der Aufklärung, sollen sich an den Werten des Grundgesetzes orientieren und durch ihre Angebote und Dienstleistungen „Verantwortlichkeit, Integrität, Solidarität, Zivilcourage, Gerechtigkeit, Demokratie, Rechts- und Sozialstaatlichkeit“[28] fördern.
5.6 Management und Personal
Überlegungen zum ethischen Handeln im Bibliotheksmanagement berühren institutionenethische Aspekte in deutlich stärkerem Maße als individualethische.
Dies gilt vor allem für Nutzer- und Dienstleistungsorientierung, Innovationsbereitschaft und Transparenz. Zur Dienstleistungsorientierung gehört z. B., dass Bibliotheken proaktiv Informationsdienstleistungen wie etwa personalisierte Pushdienste entwickeln und für deren Akzeptanz werben. Wenn sowohl hinsichtlich des Dienstleistungsportfolios als auch der gesamten Bibliotheksorganisation immer wieder überprüft wird, ob bzw. welche technischen Neuerungen sinnvollerweise adaptiert werden können, stellen Bibliotheken zudem ihre Innovationsbereitschaft unter Beweis. Besonders wichtig ist, dass Bibliotheken nach innen wie nach außen transparent agieren. Dies wird gefördert durch Leitbilder und Policies, die für die Bibliothek insgesamt, aber auch für einzelne Arbeitsbereiche entwickelt und gepflegt werden. Nutzerinnen und Nutzer, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Unterhaltsträger haben so die Möglichkeit zu prüfen, inwieweit Anspruch und Wirklichkeit übereinstimmen.
Bibliotheken müssen knappe Ressourcen so einsetzen, dass sie effizient und effektiv wirken. Nur unter Einsatz betriebswirtschaftlicher Methoden können sie ihrer politischen und gesellschaftlichen Funktion, ihrer sozialen Verantwortung und den übrigen ethischen Werten gerecht werden. Dabei muss jedoch klar bleiben, dass Bibliotheken Betriebe sind und keine gewinnorientierten Unternehmen. Sie sind Marktteilnehmer, wenn sie materielle Ressourcen wie Mobiliar oder Bestandteile technischer Infrastruktur erwerben, wenn sie sich am Arbeitsmarkt um Personal bemühen oder wenn sie Medien anschaffen. Gegenüber Nutzerinnen und Nutzern aber sind sie eben keine Marktteilnehmer, sondern Anbieter von Dienstleistungen, die im Rahmen staatlicher Daseinsvorsorge erbracht werden. Nur dann fungieren Bibliotheken, wie der dbv fordert, als „nicht-kommerzielle Orte für alle Bürger*innen“ und leisten „einen wichtigen sozialen Beitrag zur Integration aller gesellschaftlichen Gruppen“.[29] Unter dieser Voraussetzung wird deutlich, dass die Bezeichnung Kundin bzw. Kunde für Nutzerin bzw. Nutzer unangemessen ist. Die Interaktionen zwischen Bibliotheken und ihren Nutzerinnen und Nutzern unterscheiden sich grundsätzlich von Marktprozessen. Einschlägige Fachlexika aber definieren Kundin oder Kunde jedoch als Marktteilnehmerin bzw. -teilnehmer, die bzw. der eine Leistung nachfragt und durch Kauf, d. h. Bezahlung, erwirbt.[30]
Ein nicht unerhebliches Problem ergibt sich dadurch, dass Unterhaltsträger von Bibliotheken häufig einen nicht unerheblichen Refinanzierungsanteil fordern, der nur durch Gebühren zu erbringen ist. Bibliotheksgebühren aber widersprechen dem Grundgedanken der Öffentlichen Bibliotheken, bergen die Gefahr, dass bildungsferne Schichten, die durch einen möglichst niedrigschwelligen Zugang zu Büchern, Medien und anderen Bildungsressourcen zur Bibliotheksnutzung animiert werden sollen, abgeschreckt oder gar ausgeschlossen werden. Im Code of Ethics der IFLA wird dazu festgestellt:
„Librarians and other information workers offering services to the public should make every endeavour to offer access to their collections and services free of cost to the user. If membership fees and administrative charges are inevitable, they should be kept as low as possible, and practical solutions found so that socially disadvantaged people are not excluded.“[31]
Im Rahmen der Personalführung und -entwicklung sollte auch sichergestellt werden, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit den für ihr berufliches Handeln wichtigen ethischen Grundwerten vertraut sind. Regelmäßige Schulungen und kontinuierlicher Austausch sollte allen Beschäftigten die Chance bieten, ihr bibliotheksethisches Problembewusstsein zu entwickeln und immer wieder aufzufrischen.
Für die einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stehen neben den bereits mehrfach erwähnten bibliotheksethischen Grundwerten hier diejenigen Aspekte im Vordergrund, die das individuelle Verhalten in besonderer Weise charakterisieren. Dies sind neben Nutzer- und Dienstleistungsorientierung vor allem Professionalität und persönliche Integrität. Zur Professionalität gehört die strikte Unterscheidung zwischen beruflichen Pflichten und privaten Interessen. Nur wenn persönliche Vorlieben und Überzeugungen zurückgestellt werden, kann jenes Maß an Neutralität erreicht werden, das unbedingt notwendig ist, um Gleichbehandlung, Auswahl der Informationsressourcen nach fachlichen Kriterien sowie nutzerorientierte Beratungsdienstleistungen zu ermöglichen.
Auch wenn Bibliotheken sicher nicht zu den Bereichen gehören, in denen eine besonders große Anfälligkeit für Korruption herrscht, sollte nicht unterschätzt werden, dass Investitions- und Kaufentscheidungen einen Anreiz darstellen können, um durch „Gefälligkeiten“ und „kleine Aufmerksamkeiten“ Aufträge zu akquirieren. Es geht dabei nicht nur um Geschenke in Form von Geld und Sachwerten, sondern auch um geldwerte Leistungen wie Bewirtungen, Gutscheine oder Rabatte. Sofern die Unterhaltsträger der Bibliotheken nicht über eine eigene Regelung zur Korruptionsprävention verfügen, kann der „Fragen-/Antwortenkatalog zum Thema Annahme von Belohnungen, Geschenken und sonstigen Vorteilen (Zuwendungen)“[32] für Beschäftigte der Bundesverwaltung als Orientierungshilfe herangezogen werden. Neben der Immunität gegenüber Korruptionsversuchen gehören zu der von Bibliothekarinnen und Bibliothekaren zu erwartenden persönlichen Integrität die Fähigkeit und Bereitschaft, untereinander eine Kultur der Fairness, des Respektes und der Kooperation zu pflegen. Dazu gehört auf allen Ebenen die Bereitschaft, konstruktive Kritik nicht nur zu artikulieren, sondern auch anzunehmen.
6 Bibliotheksethik in Deutschland
Auch in der analogen Welt hat bibliothekarisches Handeln grundsätzlich ethische Fragen berührt. Mit digitaler Informationstechnik und darauf beruhender weltweiter Vernetzung sind zahlreiche Handlungsoptionen entstanden, die der ethischen Klärung bedürfen. Unabhängig davon entstehen durch Interessengegensätze immer wieder wertbezogene Konflikte, die auf der Grundlage verbindlicher Wertestandards zu lösen sind. In manchen Fällen kollidieren ethische Grundwerte untereinander, so dass es zu Dilemmata kommt. In diesen Fällen kommt es in jeder sich anbietenden Lösungsvariante zur Verletzung eines der beteiligten Grundwerte. Im Rahmen einer ethischen Reflexion, in die nicht nur die beteiligten Grundwerte, sondern auch konkreten Kontexte der gegebenen Situation einbezogen werden, sollte nach der Handlungsvariante gesucht werden, in der die bibliotheksethischen Grundwerte am stärksten gewahrt bleiben.
Trotz des offenkundigen Problemdrucks und der klar erkennbaren Relevanz ethischer Gesichtspunkte, spielen Ethik, ethische Reflexionen und ethisch fundierte Debatten im deutschen Bibliothekswesen eine bemerkenswert nachrangige Rolle. Dies erstaunt umso mehr, als Rafael Capurro in der Bundesrepublik bereits in den 1980er-Jahren begonnen hatte, sich mit der Bedeutung von Ethik in der Informationspraxis zu beschäftigen. Der Vergleich mit den USA macht den Rückstand unmissverständlich deutlich. Während die American Library Association bereits 1938/39 eine bibliothekarische Berufsethik verabschiedet hat, ist es dazu in Deutschland erst 2007, also knapp sieben Jahrzehnte später gekommen. Dieser Kodex ist allerdings ebenso wie die zehn Jahre später veröffentlichte Neufassung ohne Beteiligung der bibliothekarischen Öffentlichkeit entstanden. Die deutsche Berufsethik verfügt in der Bibliothekswelt bislang über kaum nennenswerte Bekanntheit und Akzeptanz. In den USA unterhält die ALA ein eigenes Office for Intellectual Freedom mit mehreren Planstellen, ein Intellectual Freedom Committee und ein Committee on Professional Ethics, die zu aktuellen Fragestellungen Positionspapiere veröffentlichen und Schulungen veranstalten. Prominentes Beispiel bildet die „Banned Books Week“,[33] die jedes Jahr im September diejenigen Bücher in einer Top Ten vorstellt, die am häufigsten, meist aufgrund des Drucks lokaler Gruppierungen, aus Bibliotheken entfernt werden mussten. In Deutschland wurde 2010 eine Ethikkommission seitens des Dachverbandes BID ins Leben gerufen, die jedoch 2015 aus undurchsichtigen Gründen wieder aufgelöst worden ist.
In der deutschen Fachliteratur wie in der Praxis finden sich immer wieder Beispiele dafür, dass bibliotheksethische Fragen ignoriert werden. Es reicht nicht, wenn lediglich über Rationalisierungseffekte und sonstige Vorteile diskutiert wird und wenn Praxiserfahrungen unkommentiert ausgetauscht werden. Ethisch abgesichertes Handeln, das sich auf gemeinsame Standards stützt, wird erst dann möglich sein, wenn neben den natürlich wichtigen pragmatischen Aspekten auch die Wertbezüge in eine dann ganzheitliche Sichtweise einbezogen werden. Es liegt in der Verantwortung der Bibliotheksverbände, proaktiv durch systematische Schulungs- und Beratungsangebote einen wichtigen Beitrag zur Herausbildung bzw. Schärfung des bibliotheksethischen und informationsethischen Problembewusstseins der Kolleginnen und Kollegen zu leisten. Es wäre zu wünschen, dass die Verbände wieder eine Ethikkommission gründen, deren Aufgabe darin bestehen sollte, die bestehenden berufsfeldbezogenen Ethikkodizes zu pflegen und zu popularisieren, ein systematisches Schulungsangebot zu entwickeln, auf Fachkonferenzen und durch Publikationen ethische Fragestellungen in den Vordergrund zu rücken und als Beratungsinstanz in konkreten Konflikten und Dilemmata zur Verfügung zu stehen. Dabei sollten die Kommission auch mit den Ausbildungs-, Fortbildungs- und Studienstätten kooperieren.
Nicht selten ziehen Kolleginnen und Kollegen den Gebrauchswert ihrer Berufsethik in Zweifel, weil es ihnen schwer fällt, die allgemeinen Aussagen mit ihrer alltäglichen Berufspraxis in Verbindung zu bringen. Diese Lücke können Fallstudien schließen, in denen praktische Alltagssituationen dargestellt und in ihren Wertbezügen auf der Grundlage der bestehenden Berufsethik analysiert werden. Für die in den Praxisbeispielen enthaltenen Wertkonflikte werden unterschiedliche Lösungsoptionen erarbeitet. Zu diskutieren ist, welche Auswirkungen die einzelnen Entscheidungsvarianten für die unmittelbar Betroffenen haben. Bei der Bestimmung der tangierten Werte bieten die Ethikkodizes den primären Bezugsrahmen. Unter Berücksichtigung der Kontexte können sich natürlich weitere Wertbezüge ergeben. Wichtig für die Schulungsarbeit mit Fallstudien ist, dass keine Musterlösungen präsentiert werden, sondern die verschiedenen Varianten gemeinsam analysiert und bewertet werden. Nur so sind die erwünschten Lerneffekte zu erzielen.[34]
Auch einzelne Bibliotheken können einen Beitrag zur Stärkung bibliotheksethischen Denkens leisten, indem sie auf ihren Webseiten und in Selbstdarstellungsdokumenten klar zum Ausdruck bringen, dass sie auf der Grundlage des bzw. der nationalen Ethikkodizes arbeiten. Sofern noch nicht vorhanden, sollten lokale Policies und Leitbilder geschaffen werden, in denen wertbezogene Aussagen in Bezug zur Berufsethik bzw. zur Institutionenethik gesetzt werden.
Von besonderer Wichtigkeit wäre es, im Rahmen einer breit angelegten Debatte eine bibliothekarische Institutionenethik zu entwickeln. Dies ist auch deswegen wichtig, weil viele bibliotheksethische Grundwerte sich nicht allein aufgrund des Handelns der einzelnen Personen verwirklichen lassen, sondern nur, wenn die Institution in toto sich darum bemüht. Darüber hinaus würde es eine Institutionenethik erlauben, z. B. die Mitgliedsbibliotheken des dbv auf Demokratie, Menschenrechte, soziale Verantwortung, Integration, Inklusion und Emanzipation zu verpflichten. Damit stünde ein Instrument zur Verfügung, dass es gestattete, solche Bibliotheken aus dem Verband zu entfernen, die nur dem Schein nach als Bibliothek fungieren, sich aber tatsächlich in ihrer Programmarbeit als Think Tank demokratiefeindlicher, rechtsextremer, linksextremer oder militanter religiöser Gruppierungen erweisen.
Unabhängig davon steht jedenfalls fest, dass mit der steigenden Komplexität auch im bibliothekarischen Sektor der Bedarf an ethisch abgesicherten Entscheidungen und Regelungen steigen wird.
7 Ausblick
Damit die deutsche Bibliothekswelt auch im Hinblick auf die ethische Absicherung ihres Handelns Anschluss z. B. an die angloamerikanische Welt gewinnt, erscheinen mehrere Maßnahmen erforderlich. Zunächst wäre es wichtig, erneut eine Ethikkommission einzurichten, die durch Schulungen, geeignetes Lernmaterial, Diskussionsveranstaltungen und Publikationen dafür sorgt, dass die bestehende Berufsethik bekannt wird und Wirkung zeigt. In diesem Zusammenhang empfiehlt es sich, unter möglichst großer Beteiligung der Kolleginnen und Kollegen Beispiele für ethische Konflikte und Dilemmata aus der Praxis zu sammeln und daraus Fallstudien zu entwickeln, die wiederum für Schulungszwecke herangezogen werden können. Darüber hinaus wäre es hilfreich, wenn Foren eingerichtet werden könnten, in denen sich Bibliothekarinnen und Bibliothekare über ethisch brisante Alltagssituationen austauschen können. Dringender Bedarf besteht hinsichtlich der Erarbeitung einer Institutionenethik, durch die die Arbeit der Bibliotheken sich auf einen ethischen Standard beziehen könnte. Dies wäre sicher besonders hilfreich, wenn einzelne Tätigkeitsfelder und der dafür benötigte Aufwand gegenüber den Unterhaltsträgern und der breiten Öffentlichkeit zu rechtfertigen sind. Unabhängig davon jedoch steht fest, dass mit der steigenden Komplexität auch im bibliothekarischen Sektor der Bedarf an ethisch abgesicherten Entscheidungen und Regelungen steigen wird.
Über den Autor / die Autorin

TH Köln Technology, Arts, Sciences, Institut für Informationswissenschaft, Claudiusstr. 1, D-50678 Köln
Literaturverzeichnis
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© 2022 Hermann Rösch, publiziert von Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston
Dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.
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- Howell, David; Snijders, Ludo: Conservation Research in Libraries. Mit Beiträgen von Andrew Beeby, Kelly Domoney und Anita Quye. Berlin, Boston: De Gruyter, 2020 (Current Topics in Library and Information Practice). 247 S., ISBN 978-3-11-037525-1, 99,95 €
- Davidis, Michael: Schiller und die Seinen. Beiträge zur Familien- und Wirkungsgeschichte. Göttingen: Wallstein Verlag, 2021. 262 S., 96 farbige Abb., fest gebunden. ISBN 978-3-8353-3578-3, 34,90 €
- Canuel, Robin; Crichton, Chad (Hrsg.): Approaches to Liaison Librarianship: Innovations in Organization and Engagement. Chicago, Ill: Association of College and Research Libraries, 2021.
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