Stacie Pettyjohn/Hannah Dennis/Molly Campbell: Swarms over the Strait. Drone Warfare in a Future Fight to Defend Taiwan. Washington, D.C.: CNAS
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Stacie Pettyjohn / Hannah Dennis / Molly Campbell: Swarms over the Strait. Drone Warfare in a Future Fight to Defend Taiwan. Washington, D.C.: CNAS
Die vorliegende Studie des Centers for A New American Security befasst sich mit der Rolle, die Drohnen im Falle eines hypothetischen Angriffs Chinas auf Taiwan spielen könnten. Der Bericht beginnt mit einer Analyse der Ausbreitung von Drohnen in den jüngsten bewaffneten Konflikten und damit, wie diese die jeweilige Kriegsführung verändert haben. Ziel der Studie ist es, Lehren für die amerikanische Kriegführung im Fall eines chinesischen Angriffs auf Taiwan zu ziehen. Die Autoren identifizieren eine Reihe von Möglichkeiten, wie Drohnen in diesem Szenario eingesetzt werden könnten. Sie gehen davon aus, dass alle Parteien Drohnen in großem Umfang einsetzen werden.
Die Verfasser kritisieren die vorherrschende Meinung in den amerikanischen Streitkräften, wonach die USA gegenüber China im Bereich der militärischen Drohnen im Vorteil seien. Sie weisen darauf hin, dass der Ukraine-Krieg gezeigt habe, dass Drohnen der Ukraine immer wieder neue Möglichkeiten der Kriegsführung ermöglichten. Aber Russland hätte seine Drohnenproduktion schnell angepasst und in einer Weise skaliert, bei der die Ukraine nicht mithalten konnte. Technologische und taktische Innovationen seien zwar notwendig, aber nicht ausreichend. Vor allem die Massenproduktion einer erschwinglichen Mischung an Drohnen sei erforderlich, um einen großen und wahrscheinlich langwierigen Konflikt durchhalten zu können.
Die Studie gelangt zu dem Ergebnis, dass die Geografie des indopazifischen Raums die Vereinigten Staaten erheblich benachteilige. Die USA benötigten viel mehr Drohnen mit großer Reichweite und Ausdauer als andere. Diese würden mehr kosten als die Drohnen, die in der Ukraine, Bergkarabach und Libyen eingesetzt werden. Die Bedrohungslage sei zudem dadurch gekennzeichnet, dass China heute über eine umfangreiche Drohnenflotte verfüge, was einen Vorteil in einem Krieg um Taiwan bedeute. Die Vereinigten Staaten und Taiwan müssten diese Lücke schnell schließen und ein mehrschichtiges System zur Drohnenabwehr entwickeln. Andernfalls riskierten sie, einen von China begonnenen Krieg zu verlieren. Washington müsse auch Wege finden, Verbündete und Partner wie Taiwan mit militärischen und kommerziellen Drohnen in ausreichender Menge zu versorgen. Und das Pentagon müsse sich überlegen, welche neuen operativen Konzepte durch vielfältige Drohnentechnologien ermöglicht werden. Letztendlich müssten die Vereinigten Staaten erkennen, dass Drohnen allein zwar einen Krieg gegen China zur Verteidigung Taiwans nicht gewinnen würden, dass sie aber zu einem wichtigen Teil des Wettbewerbs geworden sind und dass die Vereinigten Staaten es sich nicht leisten können zurückzubleiben.
Die Studie enthält eine Reihe von Empfehlungen für die Streitkräfte der USA. Das US-Verteidigungsministerium müsse eine große Menge an Langstreckendrohnen entwickeln und beschaffen. Nur so könne sie auf einem pazifischen Kriegsschauplatz die notwendigen Missionen durchführen. Die USA bräuchten zudem eine vielseitige Flotte von Flugdrohnen, die eine Mischung aus höherwertigen und billigeren Systemen umfassen muss. Vor allem sollten eine kleinere Anzahl von Tarnkappendrohnen beschafft werden, die den stark umkämpften Luftraum überwachen und Zielinformationen für Raketenangriffe liefern können. Intelligente Drohnen werden wahrscheinlich auch als Teil eines künftigen Kampfflugzeugprogramms benötigt werden. Die Vereinigten Staaten sollten zudem in autonome Kamikaze-Drohnen investieren, um Schiffe angreifen zu können. Erschwingliche Kamikaze-Drohnen mit relativ einfacher Autonomie könnten die Luftverteidigung der chinesischen Marine überwältigen und wären wichtig, um eine chinesische Invasionsflotte zu bekämpfen. Die Vereinigten Staaten sollten außerdem erwägen, Kurz- und Mittelstreckendrohnen auf Taiwan zu positionieren. Kleinere Drohnen würden schwer zu platzieren sein, sobald ein Krieg begonnen hat.
Das Verteidigungsministerium müsse außerdem operative Konzepte und Taktiken für den Einsatz von Drohnen entwickeln und bestehende Konzepte verfeinern, damit diese speziell auf die Herausforderungen der USA in einem Kampf im Indopazifik zugeschnitten sind. Insbesondere sei zu überlegen, wie US-Streitkräfte Drohnen vor oder schnell nach Beginn eines Konflikts auf den Einsatzort bringen und wie Drohnen mit bemannten Plattformen kombiniert werden können.
Die Vereinigten Staaten sollten in die Ausbildung von Drohnenpiloten investieren, damit diese ausreichend qualifiziert sind und eng mit bemannten Systemen zusammenarbeiten können. Da die meisten Drohnen, die die Vereinigten Staaten entwickeln, wahrscheinlich ferngesteuert oder halbautonom sein werden, muss das Verteidigungsministerium in die Ausbildung einer großen Anzahl von Drohnenpiloten investieren und ein strenges Programm umsetzen, um sie für den Einsatz neben bemannten Plattformen in allen Bereichen zu testen und zu schulen.
Das US-Verteidigungsministerium müsse auch dringend in eine Reihe von Fähigkeiten zur Drohnenabwehr investieren, darunter mehrschichtige, hochleistungsfähige Luftverteidigungs- und elektronische Kampfführungssysteme. Das US-Militär sollte sich darauf vorbereiten, großen, vielfältigen feindlichen Drohnenflotten entgegenzuwirken, indem es in billigere, bewährte Technologien und höherwertige Zukunftstechnologien investiert, die sich gegen Drohnenschwärme verteidigen könnten. Das Verteidigungsministerium sollte Bemühungen zur Umwidmung bestehender Technologien, wie z. B. des für die Ukraine entwickelten Vampirsystems, prüfen und auf Kanonen basierende Systeme finden, die schnell eingesetzt werden können und viel billiger sind als Raketenabfangraketen.
Voraussetzung für ein derartiges Programm sei, dass das Verteidigungsministerium und der Kongress in Zusammenarbeit mit der US-Industrie sowohl die kommerzielle als auch die militärisch-industrielle Basis für Drohnen aufbauen. Es gilt die Produktion massiv zu steigern und Kapazitäten für Entwicklung und Produktion zu schaffen.
Die Vereinigten Staaten sollten sich für Änderungen des Raketentechnologie-Kontrollregimes (MTCR) einsetzen und nach Wegen suchen, um die Verbreitung von Drohnentechnologien einzudämmen. Sie sollte sich weiterhin für Änderungen der MTCR-Kontrollen für Drohnen der Kategorie I einsetzen, um sicherzustellen, dass ihre Verbündeten über die für Operationen im Indopazifik erforderlichen Drohnentypen verfügen.
Das Verteidigungsministerium müsse in diesem Zusammenhang mit dem Kongress, dem Außenministerium und dem Nationalen Sicherheitsrat zusammenarbeiten, um die Exportkontrolle und den Prozess des Verkaufs ausländischer Militärgüter anzupassen. Es ginge nicht, dass Verbündete und Partner aufgrund von Exportkontrollbestimmungen keinen Zugang zu fortgeschrittenen Fähigkeiten der Drohnenkriegführung zur Verfügung gestellt bekommen. Die Vereinigten Staaten müssten in der Lage sein, Verbündete und Partner schnell und zeitnah mit Drohnen- und Antidrohnentechnologien zu versorgen.
Das Verteidigungsministerium und der Kongress sollten zudem prüfen, ob die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten und Partner die drohnenindustriellen Fähigkeiten ihrer Verbündeten nutzen können. Die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten und Partner müssen vertrauenswürdige und erschwingliche nicht-chinesische Quellen für militärische und kommerzielle Drohnen finden. Die Studie schließt ab mit einer Reihe von Empfehlungen an die Adresse Taiwans bezüglich der Beschaffung offensiver und defensiver Drohnenwaffen.
Diese Studie ist gerade für die deutsche Diskussion sehr wichtig. Sie zeigt auf, (1) wie zentral Drohnen in künftigen militärisch ausgetragenen Konflikten sind, (2) wie volatil das drohnenspezifische Umfeld im Falle eines Konfliktes ausfällt, weil neue Technologien des Angriffs, der Verteidigung oder der Aufklärung Optionen erlauben und Gegenmaßnahmen erforderlich machen, die oft nicht vorhersehbar sind. Sie zeigt (3) wie sehr in einem durch Drohnen bestimmten Kriegsschauplatz industrielle Kapazitäten und technologische Innovationsfähigkeiten von großer Bedeutung werden und dass es (4) darauf ankommt, dass die Politik sich rechtzeitig auf diese Veränderungen einstellt. Es ist nur zu hoffen, dass diese Studie auch in deutschen Amtsstuben und insbesondere im Deutschen Bundestag gelesen wird. Sie lässt in erschreckender Weise klar werden, wie sehr Deutschland in diesem Sektor weit hinten liegt, weil Beschaffungsvorhaben in der Vergangenheit aus rüstungskontrollpolitischen und ethischen Erwägungen heraus ausgebremst wurden.
https://www.cnas.org/publications/reports/swarms-over-the-strait
© 2024 bei den Autorinnen und Autoren, publiziert von De Gruyter.
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