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Maria Snegovaya/Tina Dolbaia/Nick Fenton/Max Bergmann: Russia Sanctions at One Year. Learning from the Cases of South Africa and Iran. Washington, D.C.: Center for Strategic and International Studies (CSIS), Februar 2023

Published/Copyright: June 7, 2023

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Snegovaya Maria Dolbaia Tina Fenton Nick Bergmann Max Russia Sanctions at One Year. Learning from the Cases of South Africa and Iran Washington, D.C. Center for Strategic and International Studies (CSIS) Februar 2023


Das vorliegende Kurzpapier des CSIS versucht die gegen Russland verhängten Sanktionen zu bilanzieren – angefangen von den Sanktionen gegen Einzelpersonen bis zu den Exporteinschränkungen und den weiteren Wirtschaftssanktionen. Von den Sanktionen gegen Einzelpersonen, so die Analyse, seien mehr als 2.000 Personen aus dem Umkreis der russischen Führung betroffen. Ein Effekt auf die politischen Entscheidungen im Kreml sei nicht zu verzeichnen, auch gäbe es keine Hinweise darauf, dass dadurch in der politischen Elite Russlands oder von Belarus Bruchstellen entstanden seien. Doch würden diese Sanktionen Mitverantwortliche des Krieges daran hindern, an ihre Konten oder Güter im Westen zu gelangen, und Russlands Fähigkeiten zur Projektion von Soft Power im Westen reduzieren.

Die Exportrestriktionen hätten in einigen Branchen bereits erhebliche Folgen gezeigt. Diese beträfen den zivilen Flugsektor, wo es keine Ersatzteile mehr für im Westen hergestellte Flugzeuge gäbe und der Flugverkehr schrumpfe. Auch die Luftfahrt- und Automobilindustrie hätten enorme Einschnitte hinnehmen müssen. Vor allem die Industriebereiche, die auf Importe von Chips und anderen Hightech-Komponenten aus dem Westen angewiesen sind, seien schwer betroffen. Die pharmazeutische Industrie leide ebenfalls schwer unter den Exportrestriktionen. Am meisten treffen die Sanktionen die Verteidigungsindustrie. Russland produziere vermehrt Waffensysteme aus den Zeiten der Sowjetunion. Zwar habe Russland mittlerweile ein System des Umgehens der westlichen Exportkontrollen entwickelt. Dieses sei aber anfällig für Störungen und Gegenmaßnahmen und könne die Verluste infolge der Sanktionen bei Weitem nicht ausgleichen.

Die Verfasser gehen dann auf die Folgen der makroökonomischen Sanktionen ein. Darunter fallen der Ausschluss russischer Banken vom SWIFT-System und Verbote, die eine Kreditaufnahme russischer Banken auf internationalen Märkten verhindern sollen, sowie das Einfrieren russischen Staatsvermögens im Ausland. Diese Sanktionen hätten nicht den wirtschaftlichen Kollaps Russlands bewirkt, würden aber schon in diesem Jahr weitergehende Wirkungen entfalten, indem sich die Schwächen der russischen Wirtschaft bemerkbar machen.

Diese Schwächen träten vor allem als Folge der westlichen Embargomaßnahmen gegen Russland im Bereich Erdgas und Erdöl auf. Russland mache das Embargo durch Exporte nach Asien teilweise wett, was aber nicht die Verluste infolge des Ausfalls europäischer und amerikanischer Exporterlöse ausgleiche.

Unter Berücksichtigung der Erfahrungen mit langanhaltenden Sanktionen gegen Südafrika (in den 70er-und 80er-Jahren) und gegen den Iran geben die Autoren eine Reihe von Voraussagen ab:

  1. Russlands Wirtschaft wird weiter zurückgehen und der finanzielle Spielraum für die Kriegführung kleiner werden. Dennoch wird Russland den Krieg weiterhin führen können, doch zu steigenden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Kosten.

  2. Die russische Regierung wird auf die derzeitigen und kommenden Probleme und Notlagen mit einer Nationalisierung seiner Wirtschaft reagieren. Das wird die Probleme voraussichtlich eher verschärfen.

  3. Russland verfolgt eine Strategie der mangelhaften Importsubstitution. Diese wird zwar manche Erfolge zeitigen, im Großen und Ganzen aber die Inflation antreiben und das Niveau der industriellen Produktion absenken.

  4. Russland wird sich auf eine erhebliche Inflation einstellen müssen. Diese lag nach offiziellen Angaben bei knapp 12 Prozent im Jahr 2022, dürfte jedoch effektiv höher gewesen sein. Die russische Regierung wird sich schwertun, die Inflation durch Anpassungsmaßnahmen zu senken.

  5. Die hier aufgeführten ökonomischen Effekte werden die politische Unzufriedenheit in Russland fördern. Zwar werden Proteste durch die massive Repression der Regierung sofort unterdrückt, allerdings hätten die Erfahrungen aus dem Iran und Südafrika gezeigt, dass selbst massive Unterdrückung langfristig nicht immer wirke.

  6. Die westlichen Sanktionen würden nicht die Position der russischen Regierung stützen. Es gäbe bislang keine Anzeichen für einen Rally-around-the-Flag-Effekt.

  7. Dass sich das Putin-Regime zunehmend auf Polizei, Milizen und Justiz zur Unterdrückung und Kontrolle der Bevölkerung stützt, dürfte die ökonomische Lage Russlands weiter verschlimmern, weil auf diese Weise wichtige Ressourcen aus dem produktiven Sektor abgezweigt werden.

Die Verfasser gelangen zu dem Ergebnis, dass die Sanktionen insgesamt bereits erhebliche Effekte erzielt hätten, die größten Auswirkungen aber in den kommenden Jahren zu beobachten sein werden. Eine originelle und interessante Analyse.

https://www.csis.org/analysis/russia-sanctions-one-year

Published Online: 2023-06-07
Published in Print: 2023-06-05

© 2023 bei den Autorinnen und Autoren, publiziert von De Gruyter.

Dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 4.0 International Lizenz.

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