Reviewed Publication:
Lyall Jason Divided Armies. Inequality & Battlefield Performance in Modern War Princeton und Oxford Princeton University Press 2020 1 528

Jason Lyall, der einem spezialisiertem Publikum bereits seit längerem ein Begriff als einer der führenden Vertreter der sogenannten Micro-Studies of War ist, hat mit Divided Armies sein zweites Buch vorgelegt, das sich mit der Frage beschäftigt, welche Faktoren dazu beitragen, dass Armeen auf dem Schlachtfeld siegreich oder erfolgslos sind. Diese Frage ist nicht neu, und Studien dazu füllen Bibliotheken. Zumeist ist diese Frage auf der Makroebene beantwortet worden. Gerät, Strategie, technologische Überlegenheit etc. wurden dabei oftmals als entscheidende Variablen identifiziert, um diese Frage zu beantworten. Dabei ging und geht der Blick auf den eigentlichen Akteur auf dem Schlachtfeld, den Soldaten, oftmals verloren. Diesem Akteur Agency zurück zu geben, ist eines der Anliegen des Buches. Lyall wirft einen neuen Blick auf die alte Frage nach Erfolg und Misserfolg auf dem Schlachtfeld, indem er den Fokus auf die ethnische Zusammensetzung von Streitkräften legt und diese verbindet mit der Frage, wie die hinter diesen Streitkräften stehenden Gesellschaften mit ihrer ethnischen Zusammensetzung umgehen. Vereinfach gesagt, testet Lyall die Hypothese, wonach ethnisch heterogene Streitkräfte umso erfolgreicher kämpfen, je mehr die hinter ihr stehende Gesellschaft, ihrerseits ihre ethnischen Probleme gelöst haben. Wenn dies aber nicht der Fall ist, dann haben ethnisch heterogene Streitkräfte ein erhebliches Problem, mit Deserteuren, Defekteuren und interner Gewaltanwendung um die hierarchische Struktur aufrecht zu erhalten. Damit lenkt Lyall, wie bereits gesagt, die Aufmerksamkeit der Forschung auf die Mikroebene des Krieges und verbindet zugleich War Studies mit Regierungs- und Gesellschaftsforschung.
Nun zeichnet sich Lyalls Studie nicht nur durch seine innovative Fragestellung aus. Um ihr nachzugehen hat er über die letzten Jahre auch eine neue Datenbank erstellt (Project Mars), die auch Kriege enthält, die bislang in der berühmten Correlates of War (COW) Datenbank nicht enthalten sind. Auch hier beschreitet das Buch neue Wege für zukünftige Forschung.
Wer jedoch vermutet, dass es bei Lyalls Studie hauptsächlich um quantitative Zahlenhuberei geht, dem sei gesagt, dass die einzelnen historischen Fallstudien, die sich Lyall qualitativ anschaut, sich durch eine Fülle an hochinteressanten Details auszeichnen, die selbst erfahrenen Historikern und Politikwissenschaftlern neu sind. Es ist eine faszinierende Lektüre, die Lyall hier vorlegt, die auch für den Nicht-Experten leicht nachzuvollziehen ist.
Alles in Allem bietet Divided Armies eine wunderbar reichhaltige Analyse ungleicher Gesellschaften und der Armeen, die sie hervorbringen. Die vielleicht bemerkenswerteste Eigenschaft des Buches ist seine Fähigkeit, einem Phänomen einen Sinn zu geben, das viele Menschen bereits bei dem von Sartori geforderten first look around begreifen, es konzeptionell aber nicht erfassen können. Wir wissen, dass soziale Ungleichheit gewaltige und tiefgreifende Auswirkungen auf alles hat, von der Gesundheit über die Wohnverhältnisse bis hin zur politischen Zugehörigkeit, so dass es naheliegt, dass sie auch Folgen für die Streitkräfte hat. Doch das Ausmaß der Folgen, die die militärische Ungleichheit für Armeen hat, sollte jeden Leser von „Divided Armies“ in Erstaunen versetzen. Und dazu trägt Lyalls Studie erheblich bei.
© 2020 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston
Artikel in diesem Heft
- Titelseiten
- Editorial
- Editorial
- Aufsätze
- Die (unvollkommene) Rückkehr der Abschreckung
- Auf der Suche nach politischer Rationalität nuklearer Abschreckung
- Neue Herausforderungen erfordern neue Ideen: Elemente einer Theorie des Sieges in modernen strategischen Konflikten
- Zur Bedeutung von Kernwaffen unter Bedingungen strategischer Rivalität – analytische Denkanstöße
- Iran und Israel: Ist ein Krieg unvermeidlich?
- Kurzanalysen und Berichte
- Erdogan schafft im Windschatten von Corona in Libyen Fakten!
- Geopolitische Folgen und Herausforderungen der Coronakrise für die Ukraine
- Forum – welche Politik ist angesagt gegenüber China und Russland?
- Anregungen zu einer neuen transatlantischen China-Politik
- Russlandpolitik in der Kontroverse
- Russlandpolitik in der Kontroverse
- Ergebnisse strategischer Studien
- Russland
- Sergey Sukhankin: Instruments of Russian Foreign Policy: Special Troops, Militias, Volunteers, and Private Military Enterprises. Washington, D.C.: The Jamestown Foundation, 2019
- Richard Sokolsky/Eugene Rumer: U.S.-Russian Relations in 2030. Washington, D.C.: Carnegie Endowment for International Peace, Juni 2020
- Mathieu Boulègue/Orysia Lutsevych: Resilient Ukraine. Safeguarding Society from Russian Aggression. London: Chatham House, Juni 2020
- Naher Osten
- Peter Salisbury: Risk Perception and Appetite in UAE Foreign and National Security Policy. London: Chatham House, Juli 2020
- Ilan Goldenberg/Elisa Catalano Ewers/Kaleigh Thomas: Reengaging Iran. A New Strategy for the United States. Washington D.C.: CNAS, August 2020
- International Crisis Group: Taking Stock of the Taliban’s Perspectives on Peace. Brüssel, August 2020
- Europäische Sicherheit
- Peter Rudolf: Deutschland, die NATO und die nukleare Abschreckung. Berlin: SWP, Mai 2020
- Jana Puglierin/Ulrike Esther Franke: The big engine that might: How France and Germany can build a geopolitical Europe. Berlin/London: European Council on Foreign Relations, Juli 2020
- Digitale Sicherheit
- Kenneth Geers: Alliance Power for Cyber Security. Washington, D.C.: The Atlantic Council, August 2020
- Daniel Kliman/Andrea Kendall-Taylor/Kristine Lee/Joshua Fitt/Carisa Nietsche: Dangerous Synergies. Countering Chinese and Russian Digital Influence Operations. Washington, D.C.: Centers for a New American Security, Juni 2020
- JD Work/Richard Harknett: Troubled vision: Understanding recent Israeli-Iranian offensive cyber exchanges. Washington D.C.: The Atlantic Council, Juli 2020
- Ökonomische Aspekte des internationalen Wandels
- Bayern LB Research/Prognos: Das Ende der Globalisierung – braucht Deutschland ein neues Geschäftsmodell? Wie Unternehmen jetzt die Weichen richtig stellen. München: Prognos, Juni 2020
- Buchbesprechungen
- David Shambaugh (Hg.): China and the World. New York: Oxford University Press 2020, 394 Seiten
- Tingyang Zhao: Alles unter einem Himmel. Vergangenheit und Zukunft der Weltordnung. Berlin: Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft 2020, 266 Seiten
- Campbell Craig/Frederik Logevall: America’s Cold War. The Politics of Insecurity. Second Edition. Cambridge, MA und London: Harvard University Press 2020, 443 Seiten
- Christopher Hill: The Future of British Foreign Policy. Security and Diplomacy in a World after Brexit, London: Polity Press 2019, 238 Seiten
- Jason Lyall: Divided Armies. Inequality & Battlefield Performance in Modern War. Princeton und Oxford: Princeton University Press 2020, 528 Seiten
- Ben Saul/Dapo Akande: The Oxford Guide to International Humanitarian Law. Oxford: Oxford University Press 2020, 480 Seiten
- James D. Bindenagel: Germany from Peace to Power. Can Germany lead in Europe without dominating? Bonn: Bonn University Press 2020, 223 Seiten
- Bildnachweise
- Iran and Israel: The Inevitable War?
Artikel in diesem Heft
- Titelseiten
- Editorial
- Editorial
- Aufsätze
- Die (unvollkommene) Rückkehr der Abschreckung
- Auf der Suche nach politischer Rationalität nuklearer Abschreckung
- Neue Herausforderungen erfordern neue Ideen: Elemente einer Theorie des Sieges in modernen strategischen Konflikten
- Zur Bedeutung von Kernwaffen unter Bedingungen strategischer Rivalität – analytische Denkanstöße
- Iran und Israel: Ist ein Krieg unvermeidlich?
- Kurzanalysen und Berichte
- Erdogan schafft im Windschatten von Corona in Libyen Fakten!
- Geopolitische Folgen und Herausforderungen der Coronakrise für die Ukraine
- Forum – welche Politik ist angesagt gegenüber China und Russland?
- Anregungen zu einer neuen transatlantischen China-Politik
- Russlandpolitik in der Kontroverse
- Russlandpolitik in der Kontroverse
- Ergebnisse strategischer Studien
- Russland
- Sergey Sukhankin: Instruments of Russian Foreign Policy: Special Troops, Militias, Volunteers, and Private Military Enterprises. Washington, D.C.: The Jamestown Foundation, 2019
- Richard Sokolsky/Eugene Rumer: U.S.-Russian Relations in 2030. Washington, D.C.: Carnegie Endowment for International Peace, Juni 2020
- Mathieu Boulègue/Orysia Lutsevych: Resilient Ukraine. Safeguarding Society from Russian Aggression. London: Chatham House, Juni 2020
- Naher Osten
- Peter Salisbury: Risk Perception and Appetite in UAE Foreign and National Security Policy. London: Chatham House, Juli 2020
- Ilan Goldenberg/Elisa Catalano Ewers/Kaleigh Thomas: Reengaging Iran. A New Strategy for the United States. Washington D.C.: CNAS, August 2020
- International Crisis Group: Taking Stock of the Taliban’s Perspectives on Peace. Brüssel, August 2020
- Europäische Sicherheit
- Peter Rudolf: Deutschland, die NATO und die nukleare Abschreckung. Berlin: SWP, Mai 2020
- Jana Puglierin/Ulrike Esther Franke: The big engine that might: How France and Germany can build a geopolitical Europe. Berlin/London: European Council on Foreign Relations, Juli 2020
- Digitale Sicherheit
- Kenneth Geers: Alliance Power for Cyber Security. Washington, D.C.: The Atlantic Council, August 2020
- Daniel Kliman/Andrea Kendall-Taylor/Kristine Lee/Joshua Fitt/Carisa Nietsche: Dangerous Synergies. Countering Chinese and Russian Digital Influence Operations. Washington, D.C.: Centers for a New American Security, Juni 2020
- JD Work/Richard Harknett: Troubled vision: Understanding recent Israeli-Iranian offensive cyber exchanges. Washington D.C.: The Atlantic Council, Juli 2020
- Ökonomische Aspekte des internationalen Wandels
- Bayern LB Research/Prognos: Das Ende der Globalisierung – braucht Deutschland ein neues Geschäftsmodell? Wie Unternehmen jetzt die Weichen richtig stellen. München: Prognos, Juni 2020
- Buchbesprechungen
- David Shambaugh (Hg.): China and the World. New York: Oxford University Press 2020, 394 Seiten
- Tingyang Zhao: Alles unter einem Himmel. Vergangenheit und Zukunft der Weltordnung. Berlin: Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft 2020, 266 Seiten
- Campbell Craig/Frederik Logevall: America’s Cold War. The Politics of Insecurity. Second Edition. Cambridge, MA und London: Harvard University Press 2020, 443 Seiten
- Christopher Hill: The Future of British Foreign Policy. Security and Diplomacy in a World after Brexit, London: Polity Press 2019, 238 Seiten
- Jason Lyall: Divided Armies. Inequality & Battlefield Performance in Modern War. Princeton und Oxford: Princeton University Press 2020, 528 Seiten
- Ben Saul/Dapo Akande: The Oxford Guide to International Humanitarian Law. Oxford: Oxford University Press 2020, 480 Seiten
- James D. Bindenagel: Germany from Peace to Power. Can Germany lead in Europe without dominating? Bonn: Bonn University Press 2020, 223 Seiten
- Bildnachweise
- Iran and Israel: The Inevitable War?