Reviewed Publication:
Goldenberg Ilan Ewers Elisa Catalano Thomas Kaleigh Reengaging Iran. A New Strategy for the United States Washington D.C. CNAS August 2020
Der Austritt der USA aus dem Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA), dem iranischen Atomabkommen, führte zu einer vollständigen Wiedereinführung der Sanktionen gegen die Islamische Republik Iran und somit zu einer Verschlechterung der Beziehungen zwischen beiden Staaten. Die hier rezensierte Studie versucht daher, eine mögliche Strategie aufzuzeigen, wie die USA und Iran ihre Beziehungen normalisieren könnten, ohne dass Iran seine atomare Aufrüstung abschließt.
Nachdem im November dieses Jahres in den USA und kommendes Jahr im Iran Präsidentschaftswahlen anstehen, stellen die Autoren fest, dass sich eine Wiederaufnahme der Verhandlungen anböte. Aus den vergangenen vier Jahren ließen sich einige Schlüsse ableiten, die für die kommenden Verhandlungen mit Iran nützlich wären. Einerseits eröffne sich die Möglichkeit, mit Iran einen Nuklearwaffenkontrollvertrag abzuschließen, während andererseits angezeigt sei, bei zukünftigen Verhandlungen sowohl die regionalen Verbündeten der USA stärker einzubeziehen, als auch einen breiteren parteiübergreifenden Rückhalt zu schaffen, um ein nachhaltiges Abkommen zu schließen.
Die in der Studie dargestellte Strategie besteht aus drei Phasen, die zeitlich aneinander anschließen. In der ersten Phase solle versucht werden, die Beziehungen durch einen „Deal“ zu deeskalieren. Die USA müssten die massiven Sanktionen zurücknehmen, um Teheran dazu zu bewegen, sein Atomprogramm einzufrieren oder im besten Fall zurückzufahren. Zusätzlich könne dieser Vertrag einen calm for calm-Ansatz verfolgen, wodurch festgelegt werden würde, dass Teheran davon absieht, amerikanische Interessen im Nahen Osten durch seine Stellvertreter anzugreifen. Im Gegenzug dazu würde sich Washington verpflichten, nicht gegen iranische „Proxies“ vorzugehen.
Eine Möglichkeit, um diese Ziele zu erreichen, wäre, dass die USA das JCPOA erneut durch ein Präsidialdekret ratifizieren, um so eine abermalige Debatte im Kongress zu umgehen. Eine mögliche Alternative dazu wäre, ein eigenständiges Abkommen zu schließen, das Washington ermöglichen würde, die Sanktionen gegen Iran partiell zurückzunehmen, aber seinen wirtschaftlichen Einfluss nicht vollständig zu verlieren. Die dritte Option, die die Studie aufzeigt, würde eine Rückkehr zum JCPOA beinhalten, aber gleichzeitig auch eine Zurücksetzung der Sunset-Klauseln. Diese Option würde auf ein vorläufiges Abkommen verzichten und sofort auf die Neuverhandlung eines internationalen Abkommens abzielen. Die Zustimmung Teherans zu den letzten beiden Varianten sei aber unwahrscheinlich, weil sie weitreichende Konsequenzen für das Land hätten. Die erste Variante erscheine hingegen als weitaus wahrscheinlicher, weil sie national wie international leichter durchsetzbar wäre.
In einer zweiten Phase könne die erneute Überlegung einer nationalen Iran-Strategie beginnen, die überparteilich diskutiert und auch mit den regionalen Partnern der Vereinigten Staaten abgestimmt werde müsse. Im Gegenzug zum JCPOA müsste ein neues Abkommen wesentlich stärker auf die regionalen Interessen der USA und seiner Partner eingehen. Um diese regionale Komponente einzubeziehen, solle ein regionales Forum geschaffen werden, damit Kontroversen beseitigt werden können. Bedingungen an Iran wären demnach eine Mäßigung seiner offensiven Außenpolitik in der Levante und am Persischen Golf, inklusive des Verzichts, subversive Gruppen in den Golfstaaten zu unterstützen. Auf dieser Basis sollten die Regionalmächte ihre Stellvertreterkonflikte wie im Jemen, in Syrien und Afghanistan beenden und ihre aggressive maritime Strategie im Golf beschränken, um den internationalen Erdölhandel nicht einzuschränken.
In der dritten Phase sollten die Vereinigten Staaten zeitgleich neue internationale Verhandlungen mit Iran starten, um die bestehenden Bedenken der internationalen Partner auszuräumen. Neben den alten Verhandlungspartnern sollen insbesondere die Golfstaaten und Israel einbezogen werden, um auf ihre Interessen angemessen Rücksicht zu nehmen. Diese Akteure seien durch eine mögliche iranische atomare Aufrüstung schließlich am meisten betroffen. Ergänzend solle der amerikanische Präsident auch die nationale Politik stark einbinden, um eine parteiübergreifende Unterstützung für ein neues Abkommen zu sichern. Dazu müsse er den Meinungsführern der Demokraten und Republikaner die entsprechenden Schritte offen und klar kommunizieren und eine kohärente Gruppe an Abgeordneten schaffen, die sich mit dem Iranportfolio auseinandersetze.
Obwohl die in der Studie dargelegte Strategie sehr umsichtig ist, lässt sie sich eindeutig einem politischen Spektrum zu ordnen, das von einem politischen Machtwechsel in Washington im November ausgeht. Hinzukommt, dass seit der Veröffentlichung die derzeitige US-Administration versucht hat, den Snap Back-Mechanismus auszulösen, obwohl die USA unilateral aus dem Abkommen ausgestiegen sind. Dieser Versuch hat die USA in dieser Angelegenheit international weitgehend isoliert, was die Umsetzung dieser Strategie zweifelhaft erscheinen lässt.
© 2020 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston
Artikel in diesem Heft
- Titelseiten
- Editorial
- Editorial
- Aufsätze
- Die (unvollkommene) Rückkehr der Abschreckung
- Auf der Suche nach politischer Rationalität nuklearer Abschreckung
- Neue Herausforderungen erfordern neue Ideen: Elemente einer Theorie des Sieges in modernen strategischen Konflikten
- Zur Bedeutung von Kernwaffen unter Bedingungen strategischer Rivalität – analytische Denkanstöße
- Iran und Israel: Ist ein Krieg unvermeidlich?
- Kurzanalysen und Berichte
- Erdogan schafft im Windschatten von Corona in Libyen Fakten!
- Geopolitische Folgen und Herausforderungen der Coronakrise für die Ukraine
- Forum – welche Politik ist angesagt gegenüber China und Russland?
- Anregungen zu einer neuen transatlantischen China-Politik
- Russlandpolitik in der Kontroverse
- Russlandpolitik in der Kontroverse
- Ergebnisse strategischer Studien
- Russland
- Sergey Sukhankin: Instruments of Russian Foreign Policy: Special Troops, Militias, Volunteers, and Private Military Enterprises. Washington, D.C.: The Jamestown Foundation, 2019
- Richard Sokolsky/Eugene Rumer: U.S.-Russian Relations in 2030. Washington, D.C.: Carnegie Endowment for International Peace, Juni 2020
- Mathieu Boulègue/Orysia Lutsevych: Resilient Ukraine. Safeguarding Society from Russian Aggression. London: Chatham House, Juni 2020
- Naher Osten
- Peter Salisbury: Risk Perception and Appetite in UAE Foreign and National Security Policy. London: Chatham House, Juli 2020
- Ilan Goldenberg/Elisa Catalano Ewers/Kaleigh Thomas: Reengaging Iran. A New Strategy for the United States. Washington D.C.: CNAS, August 2020
- International Crisis Group: Taking Stock of the Taliban’s Perspectives on Peace. Brüssel, August 2020
- Europäische Sicherheit
- Peter Rudolf: Deutschland, die NATO und die nukleare Abschreckung. Berlin: SWP, Mai 2020
- Jana Puglierin/Ulrike Esther Franke: The big engine that might: How France and Germany can build a geopolitical Europe. Berlin/London: European Council on Foreign Relations, Juli 2020
- Digitale Sicherheit
- Kenneth Geers: Alliance Power for Cyber Security. Washington, D.C.: The Atlantic Council, August 2020
- Daniel Kliman/Andrea Kendall-Taylor/Kristine Lee/Joshua Fitt/Carisa Nietsche: Dangerous Synergies. Countering Chinese and Russian Digital Influence Operations. Washington, D.C.: Centers for a New American Security, Juni 2020
- JD Work/Richard Harknett: Troubled vision: Understanding recent Israeli-Iranian offensive cyber exchanges. Washington D.C.: The Atlantic Council, Juli 2020
- Ökonomische Aspekte des internationalen Wandels
- Bayern LB Research/Prognos: Das Ende der Globalisierung – braucht Deutschland ein neues Geschäftsmodell? Wie Unternehmen jetzt die Weichen richtig stellen. München: Prognos, Juni 2020
- Buchbesprechungen
- David Shambaugh (Hg.): China and the World. New York: Oxford University Press 2020, 394 Seiten
- Tingyang Zhao: Alles unter einem Himmel. Vergangenheit und Zukunft der Weltordnung. Berlin: Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft 2020, 266 Seiten
- Campbell Craig/Frederik Logevall: America’s Cold War. The Politics of Insecurity. Second Edition. Cambridge, MA und London: Harvard University Press 2020, 443 Seiten
- Christopher Hill: The Future of British Foreign Policy. Security and Diplomacy in a World after Brexit, London: Polity Press 2019, 238 Seiten
- Jason Lyall: Divided Armies. Inequality & Battlefield Performance in Modern War. Princeton und Oxford: Princeton University Press 2020, 528 Seiten
- Ben Saul/Dapo Akande: The Oxford Guide to International Humanitarian Law. Oxford: Oxford University Press 2020, 480 Seiten
- James D. Bindenagel: Germany from Peace to Power. Can Germany lead in Europe without dominating? Bonn: Bonn University Press 2020, 223 Seiten
- Bildnachweise
- Iran and Israel: The Inevitable War?
Artikel in diesem Heft
- Titelseiten
- Editorial
- Editorial
- Aufsätze
- Die (unvollkommene) Rückkehr der Abschreckung
- Auf der Suche nach politischer Rationalität nuklearer Abschreckung
- Neue Herausforderungen erfordern neue Ideen: Elemente einer Theorie des Sieges in modernen strategischen Konflikten
- Zur Bedeutung von Kernwaffen unter Bedingungen strategischer Rivalität – analytische Denkanstöße
- Iran und Israel: Ist ein Krieg unvermeidlich?
- Kurzanalysen und Berichte
- Erdogan schafft im Windschatten von Corona in Libyen Fakten!
- Geopolitische Folgen und Herausforderungen der Coronakrise für die Ukraine
- Forum – welche Politik ist angesagt gegenüber China und Russland?
- Anregungen zu einer neuen transatlantischen China-Politik
- Russlandpolitik in der Kontroverse
- Russlandpolitik in der Kontroverse
- Ergebnisse strategischer Studien
- Russland
- Sergey Sukhankin: Instruments of Russian Foreign Policy: Special Troops, Militias, Volunteers, and Private Military Enterprises. Washington, D.C.: The Jamestown Foundation, 2019
- Richard Sokolsky/Eugene Rumer: U.S.-Russian Relations in 2030. Washington, D.C.: Carnegie Endowment for International Peace, Juni 2020
- Mathieu Boulègue/Orysia Lutsevych: Resilient Ukraine. Safeguarding Society from Russian Aggression. London: Chatham House, Juni 2020
- Naher Osten
- Peter Salisbury: Risk Perception and Appetite in UAE Foreign and National Security Policy. London: Chatham House, Juli 2020
- Ilan Goldenberg/Elisa Catalano Ewers/Kaleigh Thomas: Reengaging Iran. A New Strategy for the United States. Washington D.C.: CNAS, August 2020
- International Crisis Group: Taking Stock of the Taliban’s Perspectives on Peace. Brüssel, August 2020
- Europäische Sicherheit
- Peter Rudolf: Deutschland, die NATO und die nukleare Abschreckung. Berlin: SWP, Mai 2020
- Jana Puglierin/Ulrike Esther Franke: The big engine that might: How France and Germany can build a geopolitical Europe. Berlin/London: European Council on Foreign Relations, Juli 2020
- Digitale Sicherheit
- Kenneth Geers: Alliance Power for Cyber Security. Washington, D.C.: The Atlantic Council, August 2020
- Daniel Kliman/Andrea Kendall-Taylor/Kristine Lee/Joshua Fitt/Carisa Nietsche: Dangerous Synergies. Countering Chinese and Russian Digital Influence Operations. Washington, D.C.: Centers for a New American Security, Juni 2020
- JD Work/Richard Harknett: Troubled vision: Understanding recent Israeli-Iranian offensive cyber exchanges. Washington D.C.: The Atlantic Council, Juli 2020
- Ökonomische Aspekte des internationalen Wandels
- Bayern LB Research/Prognos: Das Ende der Globalisierung – braucht Deutschland ein neues Geschäftsmodell? Wie Unternehmen jetzt die Weichen richtig stellen. München: Prognos, Juni 2020
- Buchbesprechungen
- David Shambaugh (Hg.): China and the World. New York: Oxford University Press 2020, 394 Seiten
- Tingyang Zhao: Alles unter einem Himmel. Vergangenheit und Zukunft der Weltordnung. Berlin: Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft 2020, 266 Seiten
- Campbell Craig/Frederik Logevall: America’s Cold War. The Politics of Insecurity. Second Edition. Cambridge, MA und London: Harvard University Press 2020, 443 Seiten
- Christopher Hill: The Future of British Foreign Policy. Security and Diplomacy in a World after Brexit, London: Polity Press 2019, 238 Seiten
- Jason Lyall: Divided Armies. Inequality & Battlefield Performance in Modern War. Princeton und Oxford: Princeton University Press 2020, 528 Seiten
- Ben Saul/Dapo Akande: The Oxford Guide to International Humanitarian Law. Oxford: Oxford University Press 2020, 480 Seiten
- James D. Bindenagel: Germany from Peace to Power. Can Germany lead in Europe without dominating? Bonn: Bonn University Press 2020, 223 Seiten
- Bildnachweise
- Iran and Israel: The Inevitable War?