Reviewed Publication:
Salisbury Peter Risk Perception and Appetite in UAE Foreign and National Security Policy London Chatham House Juli 2020
Seitdem der Arabische Frühling die Staaten Nordafrikas und des Nahen Ostens erschüttert hat, sind die Vereinigten Arabischen Emirate durch ihre Teilnahme am Krieg im Jemen und Libyen in den Blickpunkt der internationalen Politik gerückt. Die von Peter Salisbury verfasste Studie versucht daher, einen Einblick in die Außen- und Sicherheitspolitik der Emirate zu gewähren.
Seit ihrer Unabhängigkeit von Großbritannien 1971 haben die Vereinigten Emirate zahlreiche politische Umbrüche in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft erlebt. Diese Umbrüche, von denen die Islamische Revolution 1979 der gravierendste war, führten dazu, dass die jungen Emirate durch ihren Präsidenten Zayed bin Sultan al-Nahyan gute Kontakte innerhalb der arabischen Welt aufbauen konnten. Trotz dieses Netzwerkes blieben die Emirate aber ein isoliertes Land, das vor allem Saudi-Arabien und Iran als größte Bedrohung für ihre Unabhängigkeit betrachtete.
Die Studie legt dar, dass nach dem Tod Zayed al-Nahyans 2004 eine jüngere Gruppe der regierenden Familien, an ihrer Spitze Mohammad bin Zayed, die Macht übernommen habe und das Land eine grundlegende Neuorientierung seiner Außenpolitik durchlaufe. Der Kronprinz sei seit 1993 fester Bestandteil der regierenden Gruppe der Al Nahyan Familie und habe seither die militärische Aufrüstung des Landes vorangetrieben und nach dem Tod seines Vaters die Macht in seinen Händen konzentriert, um die Emirate als Regionalmacht zu etablieren. Zur Absicherung seiner internen Macht solle er die „Bani Fatima“, seine leiblichen Brüder, in wichtige Positionen wie Ministerämter gehievt und seinem Vater loyale Minister und Berater entlassen haben. Seither gelte er als de facto Herrscher, da sein älterer Bruder Khalifa aufgrund seiner angeschlagenen Gesundheit nicht in der Lage sei, das Land zu regieren.
Im Unterschied zu seinem Vater verfolge Mohammad bin Zayed eine aktivere Außenpolitik, die kontinuierlich zwei Bedrohungen identifiziere, einerseits Iran und andererseits die „Ikhwan“, die Moslembruderschaft. Der Kronprinz solle, so Salisbury, von der Idee einer möglichen Invasion Irans besessen sein, weil der Iran kurz vor der Unabhängigkeit der Emirate die strategisch wichtigen Inseln Abu Musa sowie Greater und Lesser Tunb besetzt hatte. Diese Furcht einer möglichen Invasion habe sich seit der Islamischen Revolution 1979 nur verstärkt, weil die Emirate einen nicht unerheblichen Teil schiitischer Muslime beherbergen und auch zahlreiche Iraner in den Emiraten leben. Nachdem im benachbarten Golfstaat Bahrain radikale Schiiten einen Putsch gegen die regierende Familie al-Khalifa geplant hatten, stünden die Schiiten der Emirate unter Generalverdacht, von Teheran gegen die regierenden Familien aufgewiegelt zu werden. Die zweite aktive Bedrohung seien die Muslimbrüder, die von Mohammad bin Zayed als Unterstützer des internationalen Terrorismus gesehen werden würden, obwohl er sich selbst in seiner Jugend durch seinen ägyptischen Tutor zu den Ideen der Bruderschaft hingezogen gefühlt habe.
Durch den Ausbruch des Arabischen Frühlings 2011 seien diese beiden Bedrohungen für Abu Dhabi akuter geworden, da verbündete Regime in der gesamten Region ins Wanken gekommen und teilweise zugunsten von islamistischen Regierungen wie in Ägypten kollabiert sind. Diese Entwicklungen hätten zu einer Annäherung zwischen Abu Dhabi und Riad geführt, um einerseits die eigene Position in der Region abzusichern und andererseits die Übernahme der Muslimbrüder zu verhindern. Salisbury führt an, dass dieses neue Verhältnis zwischen beiden Staaten auf die persönliche Freundschaft zwischen den Kronprinzen Mohammad bin Salman und Mohammad bin Zayed zurückzuführen sei. Während Saudi-Arabien viele Konflikte in der Region als Stellvertreterkonflikte mit Iran sehe, agierten die Vereinigten Emirate im Hinblick auf wirtschaftliche Interessen pragmatisch. Dies führe dazu, dass beide Staaten nicht immer eine gemeinsame Politik verfolgen würden, sondern sich auch, so wie im jemenitischen Bürgerkrieg, direkt gegenüberstünden.
Trotz der aktiveren Rolle der Vereinigten Emirate in der islamischen Welt seien nur wenige Länder in der Lage, die tatsächlichen Interessen des Landes zu entschlüsseln. Darüber hinaus, so die Studie, vertieften die Emirate ihre Lobbyarbeit in westlichen Staaten, vor allem in den USA, wo sie zu unverzichtbaren Beratern geworden seien und so ihre außenpolitischen Interessen durchsetzen könnten.
Peter Salisbury stellt die Behauptung auf, dass die Vereinigten Arabischen Emirate zwar in der Lage gewesen wären, ihre Position als aufstrebende Regionalmacht zu festigen, aber Gefahr liefen, mangels Niederlagen einen Übermut zu entwickeln, der ihre Position gefährden könne. Ein weiterer Punkt, den es abzuwarten gilt, ist, ob die Emirate aus der Reihe der Verbündeten Amerikas heraustreten werden, nachdem es erste Verträge mit China und Russland, den Gegnern Washingtons, abgeschlossen hat.
https://www.chathamhouse.org/publication/risk-in-uae-salisbury
© 2020 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston
Artikel in diesem Heft
- Titelseiten
- Editorial
- Editorial
- Aufsätze
- Die (unvollkommene) Rückkehr der Abschreckung
- Auf der Suche nach politischer Rationalität nuklearer Abschreckung
- Neue Herausforderungen erfordern neue Ideen: Elemente einer Theorie des Sieges in modernen strategischen Konflikten
- Zur Bedeutung von Kernwaffen unter Bedingungen strategischer Rivalität – analytische Denkanstöße
- Iran und Israel: Ist ein Krieg unvermeidlich?
- Kurzanalysen und Berichte
- Erdogan schafft im Windschatten von Corona in Libyen Fakten!
- Geopolitische Folgen und Herausforderungen der Coronakrise für die Ukraine
- Forum – welche Politik ist angesagt gegenüber China und Russland?
- Anregungen zu einer neuen transatlantischen China-Politik
- Russlandpolitik in der Kontroverse
- Russlandpolitik in der Kontroverse
- Ergebnisse strategischer Studien
- Russland
- Sergey Sukhankin: Instruments of Russian Foreign Policy: Special Troops, Militias, Volunteers, and Private Military Enterprises. Washington, D.C.: The Jamestown Foundation, 2019
- Richard Sokolsky/Eugene Rumer: U.S.-Russian Relations in 2030. Washington, D.C.: Carnegie Endowment for International Peace, Juni 2020
- Mathieu Boulègue/Orysia Lutsevych: Resilient Ukraine. Safeguarding Society from Russian Aggression. London: Chatham House, Juni 2020
- Naher Osten
- Peter Salisbury: Risk Perception and Appetite in UAE Foreign and National Security Policy. London: Chatham House, Juli 2020
- Ilan Goldenberg/Elisa Catalano Ewers/Kaleigh Thomas: Reengaging Iran. A New Strategy for the United States. Washington D.C.: CNAS, August 2020
- International Crisis Group: Taking Stock of the Taliban’s Perspectives on Peace. Brüssel, August 2020
- Europäische Sicherheit
- Peter Rudolf: Deutschland, die NATO und die nukleare Abschreckung. Berlin: SWP, Mai 2020
- Jana Puglierin/Ulrike Esther Franke: The big engine that might: How France and Germany can build a geopolitical Europe. Berlin/London: European Council on Foreign Relations, Juli 2020
- Digitale Sicherheit
- Kenneth Geers: Alliance Power for Cyber Security. Washington, D.C.: The Atlantic Council, August 2020
- Daniel Kliman/Andrea Kendall-Taylor/Kristine Lee/Joshua Fitt/Carisa Nietsche: Dangerous Synergies. Countering Chinese and Russian Digital Influence Operations. Washington, D.C.: Centers for a New American Security, Juni 2020
- JD Work/Richard Harknett: Troubled vision: Understanding recent Israeli-Iranian offensive cyber exchanges. Washington D.C.: The Atlantic Council, Juli 2020
- Ökonomische Aspekte des internationalen Wandels
- Bayern LB Research/Prognos: Das Ende der Globalisierung – braucht Deutschland ein neues Geschäftsmodell? Wie Unternehmen jetzt die Weichen richtig stellen. München: Prognos, Juni 2020
- Buchbesprechungen
- David Shambaugh (Hg.): China and the World. New York: Oxford University Press 2020, 394 Seiten
- Tingyang Zhao: Alles unter einem Himmel. Vergangenheit und Zukunft der Weltordnung. Berlin: Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft 2020, 266 Seiten
- Campbell Craig/Frederik Logevall: America’s Cold War. The Politics of Insecurity. Second Edition. Cambridge, MA und London: Harvard University Press 2020, 443 Seiten
- Christopher Hill: The Future of British Foreign Policy. Security and Diplomacy in a World after Brexit, London: Polity Press 2019, 238 Seiten
- Jason Lyall: Divided Armies. Inequality & Battlefield Performance in Modern War. Princeton und Oxford: Princeton University Press 2020, 528 Seiten
- Ben Saul/Dapo Akande: The Oxford Guide to International Humanitarian Law. Oxford: Oxford University Press 2020, 480 Seiten
- James D. Bindenagel: Germany from Peace to Power. Can Germany lead in Europe without dominating? Bonn: Bonn University Press 2020, 223 Seiten
- Bildnachweise
- Iran and Israel: The Inevitable War?
Artikel in diesem Heft
- Titelseiten
- Editorial
- Editorial
- Aufsätze
- Die (unvollkommene) Rückkehr der Abschreckung
- Auf der Suche nach politischer Rationalität nuklearer Abschreckung
- Neue Herausforderungen erfordern neue Ideen: Elemente einer Theorie des Sieges in modernen strategischen Konflikten
- Zur Bedeutung von Kernwaffen unter Bedingungen strategischer Rivalität – analytische Denkanstöße
- Iran und Israel: Ist ein Krieg unvermeidlich?
- Kurzanalysen und Berichte
- Erdogan schafft im Windschatten von Corona in Libyen Fakten!
- Geopolitische Folgen und Herausforderungen der Coronakrise für die Ukraine
- Forum – welche Politik ist angesagt gegenüber China und Russland?
- Anregungen zu einer neuen transatlantischen China-Politik
- Russlandpolitik in der Kontroverse
- Russlandpolitik in der Kontroverse
- Ergebnisse strategischer Studien
- Russland
- Sergey Sukhankin: Instruments of Russian Foreign Policy: Special Troops, Militias, Volunteers, and Private Military Enterprises. Washington, D.C.: The Jamestown Foundation, 2019
- Richard Sokolsky/Eugene Rumer: U.S.-Russian Relations in 2030. Washington, D.C.: Carnegie Endowment for International Peace, Juni 2020
- Mathieu Boulègue/Orysia Lutsevych: Resilient Ukraine. Safeguarding Society from Russian Aggression. London: Chatham House, Juni 2020
- Naher Osten
- Peter Salisbury: Risk Perception and Appetite in UAE Foreign and National Security Policy. London: Chatham House, Juli 2020
- Ilan Goldenberg/Elisa Catalano Ewers/Kaleigh Thomas: Reengaging Iran. A New Strategy for the United States. Washington D.C.: CNAS, August 2020
- International Crisis Group: Taking Stock of the Taliban’s Perspectives on Peace. Brüssel, August 2020
- Europäische Sicherheit
- Peter Rudolf: Deutschland, die NATO und die nukleare Abschreckung. Berlin: SWP, Mai 2020
- Jana Puglierin/Ulrike Esther Franke: The big engine that might: How France and Germany can build a geopolitical Europe. Berlin/London: European Council on Foreign Relations, Juli 2020
- Digitale Sicherheit
- Kenneth Geers: Alliance Power for Cyber Security. Washington, D.C.: The Atlantic Council, August 2020
- Daniel Kliman/Andrea Kendall-Taylor/Kristine Lee/Joshua Fitt/Carisa Nietsche: Dangerous Synergies. Countering Chinese and Russian Digital Influence Operations. Washington, D.C.: Centers for a New American Security, Juni 2020
- JD Work/Richard Harknett: Troubled vision: Understanding recent Israeli-Iranian offensive cyber exchanges. Washington D.C.: The Atlantic Council, Juli 2020
- Ökonomische Aspekte des internationalen Wandels
- Bayern LB Research/Prognos: Das Ende der Globalisierung – braucht Deutschland ein neues Geschäftsmodell? Wie Unternehmen jetzt die Weichen richtig stellen. München: Prognos, Juni 2020
- Buchbesprechungen
- David Shambaugh (Hg.): China and the World. New York: Oxford University Press 2020, 394 Seiten
- Tingyang Zhao: Alles unter einem Himmel. Vergangenheit und Zukunft der Weltordnung. Berlin: Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft 2020, 266 Seiten
- Campbell Craig/Frederik Logevall: America’s Cold War. The Politics of Insecurity. Second Edition. Cambridge, MA und London: Harvard University Press 2020, 443 Seiten
- Christopher Hill: The Future of British Foreign Policy. Security and Diplomacy in a World after Brexit, London: Polity Press 2019, 238 Seiten
- Jason Lyall: Divided Armies. Inequality & Battlefield Performance in Modern War. Princeton und Oxford: Princeton University Press 2020, 528 Seiten
- Ben Saul/Dapo Akande: The Oxford Guide to International Humanitarian Law. Oxford: Oxford University Press 2020, 480 Seiten
- James D. Bindenagel: Germany from Peace to Power. Can Germany lead in Europe without dominating? Bonn: Bonn University Press 2020, 223 Seiten
- Bildnachweise
- Iran and Israel: The Inevitable War?