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Daniel Kliman/Andrea Kendall-Taylor/Kristine Lee/Joshua Fitt/Carisa Nietsche: Dangerous Synergies. Countering Chinese and Russian Digital Influence Operations. Washington, D.C.: Centers for a New American Security, Juni 2020

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Published/Copyright: November 27, 2020

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Kliman Daniel Kendall-Taylor Andrea Lee Kristine Fitt Joshua Nietsche Carisa Dangerous Synergies. Countering Chinese and Russian Digital Influence Operations Washington, D.C. Centers for a New American Security Juni 2020


Das Autorenteam des Centers for a New American Security analysiert in der breit angelegten und sehr tiefgehenden Studie Dangerous Synergies die russischen und chinesischen Versuche, durch digitale Beeinflussung den Wettbewerb zwischen Demokratien und Autokratien zu gestalten. Sie ist eine Leseempfehlung für jeden an wissenschaftlichen Analysen und Methoden von Cyber- und Informationskampagnen interessierten Forschenden und auch als Lektüre für entsprechende Vorlesungen oder Einführungen geeignet.

Mit Bezug auf Russland und China zeigt die Studie folgende gemeinsame Ziele ihrer Informationskampagnen auf: 1. Das Untergraben westlicher demokratischer Normen und Institutionen, 2. Die Schwächung des Zusammenhalts zwischen demokratischen Verbündeten, 3. Die Verringerung des globalen Einflusses der U.S.A und, 4. Die Förderung russischer und chinesischer Positionen. Dabei wird festgestellt, dass Russland und China in der Ausführung und Anwendung voneinander lernen und ihre direkte Koordination verbessern, so dass sich eine zunehmende Konvergenz in ihren digitalen Anstrengungen feststellen lasse.

Um diesen Aktivitäten entgegenzutreten, sollten die USA und ihre demokratischen Verbündeten und Partner einen ganzheitlichen Ansatz wählen, für den vier Handlungsfelder vorgeschlagen werden:

  1. Stärkung der gesellschaftlichen Resilienz gegen digitale Beeinflussungskampagnen,

  2. Ausbau der gemeinsamen Koordination zwischen Demokratien,

  3. Aufbau und Unterhalt eines freiheitlichen Informationsökosystems in China und Russland sowie der Schutz des eigenen Systems,

  4. Steigerung der Anstrengungen, China und Russland von weiteren Maßnahmen abzuschrecken.

Diese Empfehlungen sind jeweils mit mehreren weiteren Handlungsempfehlungen unterlegt, die von gesellschaftlichen Maßnahmen, wie Digital Literacy Education, über konzertierte Maßnahmen im Rahmen der G7 und der Finanzierung unabhängiger Medien bis hin zu konkreten diplomatischen Aktionen der USA gegenüber China und Russland reichen.

In einer umfassend mit Quellen sehr gut dokumentierten Analyse stellen die Autoren aber auch die Unterschiede russischer und chinesischer Beeinflussungskampagnen vor. Auf russischer Seite liefen sie eher konfrontativ ab, auf chinesischer Seite eher manipulativ. Dabei ließen sich aber in der Zielbildung Gemeinsamkeiten nachweisen, wie etwa das gezielte Ansprechen von Diasporagruppen, das Verschleiern der Herkunft von Meldungen (Astroturfing), das Zusammenwirken mit ausländischen und gleichermaßen autokratischen Regierungsvertretern, Druck auf ausländische, insbesondere US-Firmen, sowie die Rechtfertigung von Normveränderungen. Dieses bestätigt sich auch in der Auswahl und Art der Beeinflussungswerkzeuge. Beide Akteure nutzten dieselben Social Media-Werkzeuge, hätten dabei aber ihre jeweils eigene Handschrift.

Das gemeinsame Ziele sei es, die globale Reichweite der USA einzuschränken. Das führe dazu, dass sich die Maßnahmen Russlands und Chinas gegenüber den USA zunehmend komplementär und symbiotisch auswirken. Beide Staaten handelten zwar im Rahmen unterschiedlicher Bezüge – aus Sicht der Autoren versucht Russland unter Putin, den politischen Abstieg zu verhindern, während China sich weiterhin im Aufstieg befindet – aber ihre Cyber-Aktivitäten lassen Synergien erkennen. Beide versuchten, „intern und extern gemeinsam Druck auf offene Gesellschaften durch das Kompromittieren der Integrität bestehender Social Media-Plattformen bei gleichzeitigem Unterbieten des empfundenen westlichen [US] Monopols im globalen Informationsökosystems auszuüben.“

Die eingangs bereits angesprochenen Handlungsempfehlungen sollen diesen Aktivitäten entgegenwirken und insbesondere autoritäre Handlungsweisen, wie Wahlbeeinflussung, Polarisierung und das einseitige Einschleifen pro-russischer und -chinesischer Narrative, verhindern.

Die Studie ist stringent aufgebaut, fundiert hinterlegt und logisch in sich geschlossen. In „normalen“ Zeiten könnte sie daher einen wesentlichen Beitrag eines sicherheitspolitisch orientierten Think Tanks zur gemeinsamen und kooperativen Aufrechterhaltung westlicher Freiheitswerte sein. Sie liest sich allerdings gleichzeitig wie eine Analyse der Methoden der Trumpschen Regierungs- und Wahlkampfführung, ohne dies mit einem einzigen Wort zu erwähnen. Die Autoren unterschlagen, dass sich amerikanische Firmen, wie beispielsweise Clearview oder Facebook, aus ökonomischen Absichten (hoffentlich) genauso verhalten und damit trotz unterschiedlicher Motivation dieselben negativen Konsequenzen für die davon betroffenen Gesellschaften entstehen.

Ergänzt man das Verhalten und die digitalen Fähigkeiten der USA unter Trump mit ihrem nach innen gerichteten Make America Great Again-Mantra in der Studie, so behalten sämtliche Schlussfolgerungen ihre Richtigkeit. Im Gegensatz zu dem Kooperationsansatz der Autoren ergibt sich für die EU dann allerdings die Notwendigkeit eines beschleunigten Aufbaus einer digitalen Autonomie – sowohl gegenüber Russland und China, als eben auch gegenüber der Trump-Administration. Nimmt man im weiteren die Schlussfolgerungen zur Konvergenz chinesischer und russischer Maßnahmen und Aktionen ernst, zu denen Trump gerade mit Blick auf Russland immer wieder selbst beiträgt, so gilt es, auch diese Autonomie zu einer digitalen Souveränität auszubauen. Die EU ist aufgefordert, den Dangerous Synergies etwas gegenüber zu stellen.

https://www.cnas.org/publications/reports/dangerous-synergies

Published Online: 2020-11-27
Published in Print: 2020-11-25

© 2020 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

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