Die Sprache neu denken?
-
Jürgen Trabant
Abstract
Sprachen (langues) sind heute vielfach politischem Druck zur Erneuerung ausgesetzt. Unwillkommenes Altes soll aus ihnen verschwinden. Diese Erneuerungswut verdankt sich einer Sicht auf die Sprachen, die vor Jahrhunderten neu war: nämlich der großen neuzeitlichen Entdeckung, dass Wörter nicht nur – wie Aristoteles dachte – verschiedene Laute sind, sondern dass sie – ungenaues und partikulares – „Denken“ enthalten. Die philosophische Kritik dieser Entdeckung übertreibt die Abhängigkeit des Denkens von der (unwillkommenen) Semantik der Sprachen und verfehlt damit die positive – und immer noch neue – Einschätzung ihrer Verschiedenheit als „wunderbare Vielfalt des Geistes“ (Leibniz). Unbeantwortet bleibt die Frage, ob die aktuellen neuen Formen der Kommunikation eine neue Sprache (langage) und einen neuen Menschen schaffen.
Literatur
Aristoteles (1962): The Categories. On Interpretation. Prior Analytics. London.Suche in Google Scholar
Bacon, F. (1620): Neues Organon (Hg. W. Krohn). Darmstadt 1990.Suche in Google Scholar
Bloomfield, L. (1933): Language. 12London 1970.Suche in Google Scholar
Bopp, F. (1816): Über das Conjugationssystem der Sanskritsprache in Vergleichung mit jenem der griechischen, lateinischen, persischen und germanischen Sprache. Frankfurt/M.Suche in Google Scholar
Bühler, K. (1934): Sprachtheorie. Die Darstellungsfunktion der Sprache. 3Stuttgart 1999.Suche in Google Scholar
Chomsky, N. (1957): Syntactic Structures. ’s-Gravenhage.10.1515/9783112316009Suche in Google Scholar
Chomsky, N. (1966): Cartesian Linguistics. A Chapter in the History of Rational Thought. New York.Suche in Google Scholar
Delbrück, B. (1880): Einleitung in das Sprachstudium. Ein Beitrag zur Geschichte und Methodik der vergleichenden Sprachforschung. Leipzig.Suche in Google Scholar
Deutscher, G. (2010): Im Spiegel der Sprache. München.Suche in Google Scholar
Grimm, J. (1822-37): Deutsche Grammatik. 4 Bde. Göttingen.Suche in Google Scholar
Harris, Z. S. (1951): Methods in Structural Linguistics. Chicago.Suche in Google Scholar
Humboldt, W. von (1903-36): Gesammelte Schriften. 17 Bde. (Hg. A. Leitzmann u.a.). Berlin.10.1515/9783110818284Suche in Google Scholar
Judet de la Combe, P./Wismann, H. (2004): L’avenir des langues. Repenser les Humanités. Paris.10.4000/labyrinthe.233Suche in Google Scholar
Leibniz, G. W. (1684): Mediationes de cognitione, veritate et ideis. In: Kleine Schriften zur Metaphysik (Hg. H. H. Holz). 2Darmstadt 1985, S. 25-47.Suche in Google Scholar
Leibniz, G. W. (1765): Nouveaux essais sur l’entendement humain (Hg. J. Brunschwig). Paris 1966.Suche in Google Scholar
Locke, J. (1690): An Essay Concerning Human Understanding. 2 Bde. (Hg. J. W. Yolton). London, New York 1971-74.10.1093/oseo/instance.00018020Suche in Google Scholar
Merlin-Kajman, H. (2003): La langue est-elle fasciste? Langue, pouvoir, enseignement. Paris.Suche in Google Scholar
Ong, W. J. (1982): Orality and Literacy. The Technologizing of the Word. London, New York.10.4324/9780203328064Suche in Google Scholar
Pinker, S. (1994): The Language Instinct. The New Science of Language and Mind. London.10.1037/e412952005-009Suche in Google Scholar
Saussure, F. de (1916): Cours de linguistique générale (Hg. Tullio De Mauro). Paris 1975.Suche in Google Scholar
Serres, M. (2012): Petite poucette. Paris.Suche in Google Scholar
Thiering, M. (2018): Kognitive Semantik und Kognitive Anthropologie. Berlin.10.1515/9783110445169Suche in Google Scholar
Trabant, J. (2003): Mithridates im Paradies. Kleine Geschichte des Sprachdenkens. München.Suche in Google Scholar
© 2020 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston
Artikel in diesem Heft
- Frontmatter
- Editorial
- I. Anthropozän, Technik, Digitalisierung
- Den Menschen neu denken im Anthropozän
- Der Mensch im Klima
- Zum Werden des ökologischen Phänomens Mensch
- Vom Gefühl, eine Maschine zu sein
- Der Tod, das Leben und die Röhre: Die menschliche Existenz hängt an einem Wirrsal von Schläuchen – vom Anfang bis zum Ende
- Redefining Humanity in the Era of AI – Technical Civilization
- II. Tier, Körper, Sprache
- Über den Menschen, der kein Tier sein will, und den Menschen auf Verwandtensuche
- Was für ein Tier ist der Mensch?
- Von der Überwindung des Ressentiments
- Die vier Körper des gedopten Athleten
- Emotionen: Zwischen Romantisierung und Technologisierung
- Homo periculosus sui
- Die Sprache neu denken?
- III. Anthropologie, Kunst, Ästhetik
- Was ist Theateranthropologie?
- „Mensch und Kunstfigur“
- Die alte Hoffnung auf den neuen Menschen
- Wassergeschichten
- Sonus und Persona
- Die ästhetischen Grundlagen der historischen Anthropologie
Artikel in diesem Heft
- Frontmatter
- Editorial
- I. Anthropozän, Technik, Digitalisierung
- Den Menschen neu denken im Anthropozän
- Der Mensch im Klima
- Zum Werden des ökologischen Phänomens Mensch
- Vom Gefühl, eine Maschine zu sein
- Der Tod, das Leben und die Röhre: Die menschliche Existenz hängt an einem Wirrsal von Schläuchen – vom Anfang bis zum Ende
- Redefining Humanity in the Era of AI – Technical Civilization
- II. Tier, Körper, Sprache
- Über den Menschen, der kein Tier sein will, und den Menschen auf Verwandtensuche
- Was für ein Tier ist der Mensch?
- Von der Überwindung des Ressentiments
- Die vier Körper des gedopten Athleten
- Emotionen: Zwischen Romantisierung und Technologisierung
- Homo periculosus sui
- Die Sprache neu denken?
- III. Anthropologie, Kunst, Ästhetik
- Was ist Theateranthropologie?
- „Mensch und Kunstfigur“
- Die alte Hoffnung auf den neuen Menschen
- Wassergeschichten
- Sonus und Persona
- Die ästhetischen Grundlagen der historischen Anthropologie