Yes, we’re open! Open Libraries innovativ und praxisnah umsetzen. Herausgegeben von Sabine Wolf. Wiesbaden: b.i.t.verlag gmbh, 2024 (b.i.t.online – Innovativ; 94). – 307 S., Ill., Diagr., – ISBN 978-3-9826339-1-6 (Broschur). 34,50 €
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Robin Simonow
Rezensierte Publikation:
Yes, we’re open! Open Libraries innovativ und praxisnah umsetzen. Herausgegeben von Sabine Wolf. Wiesbaden: b.i.t.verlag gmbh, 2024 (b.i.t.online – Innovativ; 94). 307 S., – Ill., Diagr., – ISBN 978-3-9826339-1-6 (Broschur). 34,50 €

Open Libraries sind Bibliotheken, die zumindest zu bestimmten Zeiten ohne Fachpersonal geöffnet haben, sodass Nutzende währenddessen weitgehend auf sich selbst gestellt sind. Erste Open Libraries gibt es seit der Jahrtausendwende, zunächst in Singapur, Dänemark und Schweden, aber seit gut zehn Jahren auch vereinzelt in Deutschland. Um diese Entwicklung voranzutreiben, will der Sammelband Yes, we’re open! Open Libraries innovativ und praxisnah umsetzen von Sabine Wolf öffentlichen Bibliotheken die Umstellung erleichtern. Der Sammelband umfasst 15 Beiträge, gegliedert in Planung, Umsetzung und Erfahrungsberichte aus der Praxis, wobei gleich vorweg betont sei, dass sich diese klare Dreiteilung nicht aufrechterhalten lässt.
Den Auftakt für den Planungsprozess bestreitet Ursula Georgy, die die Bedeutung einer durchdachten internen und externen Kommunikationsstrategie unterstreicht, um Innovationen (wie Open Library) erfolgreich zu gestalten. Sie mahnt, Verlustaversionen zu berücksichtigen und deswegen frühzeitig „Wissens- und Wollensbarrieren“ bei Mitarbeitenden und Benutzenden anzugehen, um Vertrauen in den Innovationsprozess und das Neue zu schaffen. Denn um die Erfolgschancen von Innovationen zu verbessern, komme es darauf an, dass die „messbaren und gefühlten Verluste“ spürbar geringer ausfallen „als der Gewinn des Gebrauchs des Neuen“. Auch Sabine Wolf und Veit Köppen sehen gelungene Kommunikation als einen Eckpfeiler im Planungsprozess und führen hierfür mit Blick auf die Beteiligung der Mitarbeitenden in die Workshop-Methode vom „World Café“ ein – eine Möglichkeit, um niedrigschwellig, fast schon informell anmutend, fragegeleitet und in Kleingruppen in einen offenen Meinungs- und Ideenaustausch zu gelangen. Cornelia Vonhof gibt einen kurzen Einblick in Change Management, um dann mit dem Change Canvas („Leinwand des Wandels“) anhand von bebilderten Beispielen ein Instrument vorzustellen, das sowohl als Werkzeug zur Dokumentation und Information sowie zur Kommunikation und Beteiligung fungiert. Wie Veränderungen ist ein Change Canvas weder starr noch abschließend, sondern soll die Mitarbeitenden dazu ermuntern, Veränderungsprozesse stets zu bearbeiten, mit Ideen zu bereichern und weiterzuentwickeln. Dem im Vergleich zu diesen Appellen an eine offene und inklusive Kommunikationskultur fast schon trockenen, aber nicht weniger wichtigen strategisch-analytischen Management widmet sich Meik Schild-Steiniger mit einem systemtheoretischen Mehrebenenmodell, um die wechselseitig miteinander in Beziehung stehenden strategischen Ebenen einer Bibliothek ganzheitlich in den Blick nehmen zu können. Gleichwohl all diese Beiträge des ersten Teils Open Libraries berühren, nähern sie sich dem Thema freilich aus einer Perspektive, die einschlägige Handbücher zu Projektmanagement und Change Management durchaus umfassender und klarer behandeln. Das soll den Wert dieser kompakten Einführungsbeiträge allerdings nicht schmälern.
Näher an das eigentliche Thema führen erwartungsgemäß die Beiträge zum Umsetzungsprozess, wenn auch sie wiederholt mit guten Gründen den Bogen vom Konzept des „Dritten Orts“ bis zur Open Library spannen oder vorweg klarstellen, dass die Darlegungen nicht auf Open Libraries beschränkt sind. Ralf Depping nimmt eine sozialpsychologische Perspektive ein und kommt zu dem Schluss, dass die gesellschaftliche Entwicklung zum „gemeinschaftlichen Alleinsein“ und die Verbreitung von Selbstbedienungstechnologien zeigen würden, dass Open Libraries im Trend seien. Ferner entstehe mit der Abwesenheit des Bibliothekspersonals weniger ein neuer Bibliothekstyp als ein anderes Nutzungsszenario, für das es auf eine „Wohlfühlatmosphäre“ und klare Zonierung ankomme, um Konflikte zu vermeiden. Besonders lesenswert ist daran anschließend der instruktive Beitrag von Anja Kluge zur „menschenzentrierten Bibliothek“, für die sie plädiert, das Wohlbefinden der Nutzenden in den Fokus zu rücken, Bibliotheken menschengerecht und bedürfnisorientiert zu planen und deshalb architekturpsychologische und sozialpsychologische Erkenntnisse verstärkt zu berücksichtigen. Wenn allerdings für den sicheren Betrieb einer Open Library nicht allein auf Zonierung, Beleuchtung, gepflegte Innenräume, deren selbstregulierende Wirkung auf Nutzende etc. vertraut werden soll (wofür es gute Argumente gibt), kommt die Beauftragung eines externen Sicherheitsdienstes in Frage. Rolf Duden skizziert hierfür lehrreich und stringent die nötigen Schritte von der Erstellung eines Sicherheits- und eines Einsatzkonzepts über Ausschreibung und Auftragsvergabe bis hin zu einem geglückten Betriebsalltag und der regelmäßigen Evaluation. Als technische Alternative zum Sicherheitsdienst gilt der Einsatz von Kameras. Dies hinterfragt jedoch Nils Zurawski in seinem Beitrag, der zum weiteren Nachdenken über Open Libraries hinaus anregt. Er diskutiert in konzentrierter Form die Wirkung von Kameras und mahnt zur Vorsicht vor einer Überwachungskultur, die Bibliotheken eher als „Ort der Unsicherheit“ denn als einladender, (halb-)öffentlicher „Dritter Ort“ erscheinen lassen. Einen interessanten Beitrag liefert ferner Jens Ilg, der den Begriff der Nutzendenpartizipation problematisiert, um schließlich gut unterfüttert auf Nutzendengruppen hinzuweisen, die unbeabsichtigt aus dem Blick geraten können, auch wenn eine Open Library den Anspruch hat, wirklich für alle da zu sein.
Inspirierende, erfahrungsgesättigte, reich bebilderte und mitunter auch anleitende Berichte aus der Praxis von Open Libraries bietet der dritte Teil des Sammelbands. Eva Eichhorn stellt die Würzburger Stadtteilbücherei Hubland vor, ein Ort, wie sie sagt, „an dem ‚das Leben stattfindet‘“ und deren Erfolge und Herausforderungen als „öffentliches Wohnzimmer und sozialer Lernort“ sie beschreibt. Sarah Fabisch und Angela Rustemeier von den Bücherhallen Hamburg geben detaillierte, praxisnahe Einblicke in die konkreten Schritte zur Realisierung ihrer „FlexiBibs“, inklusive technischer Unterstützung, Begutachtung der Räumlichkeiten und Evaluation der Nutzung. Stephan Schwering zeichnet den Weg der Zentralbibliothek im KAP1 der Stadtbüchereien Düsseldorf als Open Library zu mehr als einer Million Besucherinnen und Besuchern 2023 nach, geht besonders auf die digitalen Self-Services sowie die Einrichtungsplanung ein und weist zu Recht auf die entscheidende Bedeutung der Sonntagsöffnung für öffentliche Bibliotheken hin. Eileen Sygulla ermöglicht Einblicke in die Planung und Umsetzung samt Bürgerbeteiligung der Open Library am Standort „Eden“ der Stadtbibliothek Paderborn, die in einem denkmalgeschützten Gebäude realisiert wurde und gänzlich ohne Präsenzzeiten von Fachpersonal funktioniert. Wem die Praxisberichte noch nicht inspirierend genug sind oder wer bereits weitere Herausforderungen sucht, dürfte in Andreas Mittrowanns aus gesellschaftlichen Megatrends hergeleiteten Zukunftsszenarien Anregungen finden, um Open Libraries weiterzudenken, etwa angesichts des demografischen Wandels bis hin zum „Ort für Gesundheit und Resilienz“. Ein wenig aus der Reihe fällt der lesenswerte Schlussbeitrag von Sarah Wohlfeld, der mit Open Libraries als der zumindest vorübergehenden Abwesenheit von Fachpersonal wenig zu tun hat, dafür umso mehr die zentrale gesellschaftliche Rolle von Bibliotheken unterstreicht, in der sie als wichtige Orte der Begegnung und des Austauschs zur Überwindung gesellschaftlicher Spaltungen beitragen können.
Sammelbände haben oft den Vorteil, sie nicht von vorne bis hinten lesen zu müssen, weil die Beiträge selten aufeinander aufbauen. Dies ist auch hier der Fall. Wer stärker praxisorientiert ist und nach Impulsen sucht, wird deshalb dazu neigen, mit den Erfahrungsberichten im hinteren Teil einzusteigen. Das ist auch allen empfohlen, die sich dem Thema Open Library zunächst weiter annähern und ein erstes Gespür für die Herausforderungen entwickeln wollen. Danach lohnt es sich aber auch, die anderen Teile zu lesen. Eine Schwäche ist indes, dass das Verständnis von Open Library in den Beiträgen immer wieder voneinander abweicht, mit dem „Dritten Ort“ verschwimmt oder als dessen Fortentwicklung betrachtet wird. Der Schärfung des Begriffs Open Library hilft das nicht unbedingt. Dies lässt sich jedoch durchaus auch als Vorteil sehen, da die Beiträge damit die vielfältigen Potenziale und Anwendungsmöglichkeiten zeigen, die sich im Umfeld von Open Libraries entwickeln können. Darüber hinaus bietet Sabine Wolfs Sammelband das, was versprochen wurde: Unterstützung bei der innovativen und praxisnahen Umsetzung von Open Libraries.
© 2025 bei den Autoren, publiziert von Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston
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