In den letzten Jahren haben sich an Bibliotheken und Archiven zunehmend Bereiche entwickelt, die sich ausdrücklich konzeptuell und forschungsnah mit digitalen Beständen, digitalen Methoden und der Vermittlung von beidem an die Forschung und andere Nutzende beschäftigen. Diese Bereiche haben unterschiedliche Formen, Umfänge, Namen und Ausrichtungen und arbeiten mit und in physischen und digitalen Räumen, oftmals mit fließenden Übergängen. Die Bandbreite reicht von einzelnen Digital Scholarship Librarians oder Digital Humanities Fachreferaten über Bibliotheks-Labs und -Makerspaces bis zu großen Teams in eigenständigen Kompetenzzentren. Dabei unterscheiden sich die Ausrichtungen und Schwerpunktsetzungen. DH-Fachreferate werden als Teil der Fachreferatsstruktur entwickelt, die Labs großer Forschungsbibliotheken sind oft darauf ausgerichtet, Forschende bei der Nutzung der eigenen Bestände zu unterstützen, in anderen Fällen bezeichnen Labs eher Abteilungen, die niedrigschwellige Angebote zur Kompetenzvermittlung im Bereich digitale Methoden und Bestände anbieten, und schließlich fokussieren sich die größeren Kompetenzzentren oftmals auf die Umsetzung von umfangreicheren DH-Projekten als technische Partner für die Forschung, während Bibliotheken institutionell als Garant für eine Sicherung von Ergebnissen über die Projektlaufzeit hinaus fungieren, etwa bei digitalen Sammlungen und digitalen Editionen.
Gemeinsam ist diesen Entwicklungen, dass sie auf einen Trend reagieren, in dem zunehmende Digitalisierung von Bibliotheks- und Archivbeständen sowie eine Stabilisierung und Kanonisierung von computergestützten Analysemethoden zu beobachten ist, während gleichzeitig in der Forschung Ausdifferenzierungs- und Spezialisierungsprozesse eine Teilnahme an Spezialdiskursen voraussetzungsreicher werden lassen. Diese gleichzeitige Verbreiterung und Vertiefung von digitalen Methoden bedeutet einerseits einen zunehmenden Kompetenzaufbau in Bibliotheken und Forschung, und führt andererseits zu einem erhöhten Kompetenzbedarf, sei es bezogen auf je spezifische Strukturen von digitalen Beständen oder bezogen auf digitale Methoden für eine reflektierte wissenschaftliche Arbeit damit.
Eine weitere Gemeinsamkeit ist die Ausrichtung an der praktischen Umsetzung von Analyseansätzen und der Herstellung von Datensätzen. Dabei sind die Übergänge zwischen Beratung, strukturierter Kompetenzvermittlung, technischer Unterstützung und Kooperation oft fließend. Das mag auch daran liegen, dass sich dieser Bereich weiterhin im Aufbau befindet, und dass die Angebote, die in diesem Zusammenhang ausgearbeitet werden, noch nicht kanonisiert und institutionalisiert sind, sondern oft selbst noch Projektform haben.
Die Kompetenzwerkstatt Digital Humanities (KDH) an der Universitätsbibliothek der Humboldt-Universität zu Berlin[1] fokussiert sich in diesem Zusammenhang auf die Vermittlung von Werkzeugkompetenz, praxisorientierte Beratung zur Umsetzung von computergestützten Forschungsvorhaben und Kooperationen in den Geistes- und Kulturwissenschaften. Zum Auftrag des Projekts gehört eine prototypische Entwicklung und Umsetzung von Formaten, Angeboten und Räumen, auch im Austausch mit ähnlich ausgerichteten Projekten. Unser Eindruck aus Gesprächen, gegenseitigen Besuchen und gemeinsamen Veranstaltungen der vergangenen drei Jahre ist, dass inzwischen an vielen Bibliotheken und Forschungseinrichtungen Fachbereiche, Abteilungen oder Projekte etabliert wurden, die im Aufbau und in der Entwicklung eigener Angebote und Räume einige Erfahrungen gemacht haben und zu ersten Ergebnissen gekommen sind. Unser Eindruck ist auch, dass sich mit den Ergebnissen auch die Fragen in Bezug auf die Gestaltung von forschungsnahen Diensten, Aufbau digitaler Infrastruktur, Kompetenzvermittlung und Forschungskooperationen entwickelt haben.
Um diese Entwicklungen und Ergebnisse, Problemstellungen und Lösungsansätze zusammenzutragen und einen Anlass für fortgesetzten Austausch zu schaffen, haben wir im Herbst 2024 zu einem Textsprint unter dem Titel „Making Research. Digital Humanities Fachreferate, Labs, Makerspaces, Werkstätten und Kompetenzzentren an wissenschaftlichen Bibliotheken und anderen Forschungseinrichtungen“ eingeladen. In einer ersten Auftaktveranstaltung im Grimm-Zentrum der Universitätsbibliothek der Humboldt-Universität kamen rund 20 Teilnehmende zusammen und erarbeiteten in eineinhalb intensiven Tagen gemeinsam Themenschwerpunkte und Textentwürfe. Es folgten eine dreimonatige Schreibphase und schließlich wechselseitige Reviews für weitere inhaltliche Auseinandersetzung und Textarbeit, aus der die hier vorgelegten Texte entstanden sind. Sie liefern unterschiedliche Perspektiven auf das Feld, das sich zwischen der Entwicklung von konkreten Räumen, digitalen Methoden und Objekten und wissenschaftlicher Praxis aufspannt.
Danken möchten wir auf diesem Weg dem Team des Referats Öffentlichkeitsarbeit und dem Team Veranstaltungsmanagement der Universitätsbibliothek der Humboldt-Universität für die Unterstützung bei der Vorbereitung und Durchführung der Veranstaltung. Unser besonderer Dank gilt allen Autor:innen für die gemeinsame inhaltliche Arbeit während der Veranstaltung vor Ort und während der Schreib- und Reviewphasen. Danken möchten wir auch der Redaktion von ABI Technik für das Angebot und die Bereitschaft, dem Thema ein Heft zu widmen.
Wir hoffen, dass die hier gesammelten Erfahrungen und Lösungsansätze dazu beitragen, den Austausch und die Zusammenarbeit in diesem Bereich weiter zu fördern und die offene Entwicklung von digitalen und raumbezogenen forschungsnahen Diensten und Infrastrukturen voranzubringen.
© 2025 bei den Autoren, publiziert von Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston
Dieses Werk ist lizenziert unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.
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