Zusammenfassung
Der Beitrag thematisiert aus unterschiedlichen Perspektiven Handlungsbedarfe und -optionen für Beratung und Unterstützung interdisziplinärer Forschungs- und Lehrprojekte sowie ihrer digitalen Methoden. Er fragt nach Förderfähigkeit digitaler Vorhaben; Digitalität in Forschung, Lehre und Vermittlung unabhängig von der Förderfähigkeit sowie Nachhaltigkeit digitaler Aktivitäten in den tragenden Institutionen. Die Lösungsansätze zeigen, dass sich das Zusammenspiel technischer und personeller Infrastruktur sowie der Arbeitsweisen in den beratenden begleitenden Organisationseinheiten und der Forschenden vor dem Hintergrund sich wandelnder Bedarfe in Forschung, Lehre und Vermittlung regelmäßig anpassen muss. Dafür ist eine flexible Organisationsentwicklung wesentlich.
Abstract
This article examines the needs and strategic options for advising and supporting interdisciplinary research and teaching projects from different perspectives, particularly concerning digital methods. It explores the eligibility of digital initiatives for funding, the role of digitality in research, teaching, and dissemination beyond funding considerations, and the sustainability of digital activities within institutional frameworks. The proposed solutions highlight the necessity of continuously adapting the interaction between technical and human infrastructure, as well as work processes, to meet evolving demands in research, teaching, and dissemination. To achieve this, flexible organizational development is essential.
1 Einleitung und Fragestellung
Die wissenschaftliche Arbeit und Forschung mit und über digitale Methoden erfordert interdisziplinäre Expertise in Bezug auf Daten, Software und IT-Infrastrukturen sowie das Zusammenwirken von verschiedenen externen und/oder internen Organisationseinheiten und Dienstleistern. Relevante Aspekte in Bezug auf Technologie, Infrastruktur und rechtliche Rahmenbedingungen sowie Nachhaltigkeitsstrategien können häufig nicht allein durch die Forschenden identifiziert, adressiert und/oder umgesetzt werden.[1] Daher gibt es bereits unterschiedliche Beratungs- und Unterstützungsangebote, die zum Teil auch infrastrukturelle Module anbieten: Zentren, Teams, Beratungsstellen, Fachreferate, Labs oder Makerspaces, angesiedelt an zentralen Einheiten wie Bibliotheken und Rechenzentren oder auf Ebene von Fakultäten und Instituten. Werden Bedarfe an sie herangetragen, sehen sie sich mit folgenden Themen konfrontiert:
Anforderungen der Forschungsziele und -methoden,
Prüfung der Förderfähigkeit,
Prüfung der Umsetzung aus Bordmitteln,
Übernahme der aus dem Vorhaben resultierenden Daueraufgaben,
Entwicklung und Ausbau der fachspezifischen methodischen Bandbreite insbesondere im Bereich der IT-, Daten-, Software- und Servicestrukturen.
Fragen ergeben sich zudem im Hinblick auf beratende Einrichtungen, ihre Charakteristik und des Serviceportfolios:[2]
Formen der Beratung,
Formen der Begleitung,
Formen der Vermittlung von für das Vorhaben relevanten Aspekten,
fachliche Expertise seitens der Beratungseinheiten,
Governance und
Organisationsstruktur der Beratungseinheiten.
In unserem Beitrag beschäftigen wir uns auf Grundlage der Erfahrungen, die wir in unterschiedlichen Rollen gemacht haben, mit folgenden Fragen:
Wie kann die Förderfähigkeit digitaler Vorhaben hergestellt oder gesteigert werden?
Wie kann Digitalität in Forschung, Lehre und Vermittlung unabhängig von der Förderfähigkeit ermöglicht werden?
Wie können die in Projekten stattfindenden digitalen Aktivitäten für die sie tragenden Institutionen handhabbar und nachhaltig integriert werden?
Mit unseren Angeboten betreuen wir Forschende und Lehrende, die in sehr unterschiedlichen Organisationseinheiten digital arbeiten (wollen). Es kann sich um lose Zusammenschlüsse für ein digitales Vorhaben handeln, oft finden die Aktivitäten im Rahmen eines Projekts statt (das nicht immer über Fördermittel verfügt), es gibt aber auch digitale Aktivitäten in verstetigten und institutionalisierten Strukturen, die einer Unterstützung bedürfen. Die digitalen Vorhaben können der Hauptgegenstand eines Projekts sein oder auch nur ein Teilaspekt. Die Akteure können an einem Ort bzw. in einer Institution zusammenarbeiten oder auf mehrere Institutionen verteilt sein, manchmal auch als rein virtuell konstituierte Gruppe.
Auch die Schwerpunkte der Beratungstätigkeit können sehr unterschiedlich sein: Das Spektrum reicht von der Beratung und Vermittlung bis zu einer Begleitung und kollaborativen Umsetzung. Inhaltlich kann der Fokus disziplinär ausgerichtet sein, also bezogen auf eine mehr oder weniger eng definierte Fachrichtung oder auch eher generisch für fachübergreifende Aspekte.
Bislang haben sich keine festen Bezüge der Einheitenbezeichnung wie Lab oder Zentrum zu deren Aufbau und Aufgabenbereichen etabliert (und dies ist vielleicht auch nicht notwendig).[3] Die Beispiele (vgl. Abschnitt: Beratung, Begleitung und Kooperation in der Praxis) und die übergeordneten Fragestellungen dazu diskutieren wir aus den folgenden Organisationseinheiten und Perspektiven der Autor*innen des Beitrags: individuelle Stellenprofile mit digitalem Schwerpunkt, forschungsunterstützende Dienstleistungen (FUD) und Projekte in Universitätsbibliotheken sowie einer universitätsinternen Projektförderung einer interfakultären Forschungsinfrastruktur.
2 Beratung, Begleitung und Kooperation in der Praxis
2.1 Universitätsbibliothek der Humboldt-Universität zu Berlin
Vor dem Hintergrund neuer Themen, Aufgaben und sich verändernder Bedarfe einer zunehmend datengetriebenen und computergestützten Forschung ist es notwendig, dass sich Organisationseinheiten nicht nur technisch, sondern auch personell weiterentwickeln. Beispielsweise unterstützen wissenschaftliche Bibliotheken seit Beginn der Digitalisierung Forschende im Umgang mit digitalen Methoden und Werkzeugen.[4] Doch wie können sie auf die an sie herangetragenen neuen Themen, Aufgaben und Bedarfe in der Forschungsunterstützung – unter anderem beim Aufbau von Beratungsleistungen in den Digital Humanities – bei häufig gleichbleibenden personellen Ressourcen reagieren? Diese Frage berührt die Themen Organisations- und Personalentwicklung sowie Kompetenzaufbau in wissenschaftlichen Bibliotheken, der am Beispiel der Universitätsbibliothek (UB) der Humboldt-Universität zu Berlin (HU) nachgegangen wird.[5]
Hier gewährleisten zum einen personelle Infrastrukturen wie das forschungsnah arbeitende Fachreferat als bibliothekarische Kernaufgabe eine fachspezifische Beratung zu allen an der Universität gelehrten Fächern. Bereits seit einigen Jahren verschiebt es seinen Fokus von der auf den Bestand ausgerichteten Fachreferatsarbeit hin zu den Anforderungen der Nutzenden, bei denen ihm verschiedene Funktionen als „Scharnier“, „Schnittstelle“, „Brückenbauer“, „(Informations-)Broker“, „Bindeglied“, „Übersetzer“, „(Informations-)Vermittler“ und „Multiplikator“ zugeschrieben werden.[6] Dabei berät es zunehmend in allen den Umgang mit Daten, Informationen und Dokumenten betreffenden Aspekten des Forschungsprozesses.[7] Zudem haben sich auch Fachreferate mit Schwerpunkt Digital Humanities entwickelt.[8] Zum anderen werden an der UB seit Mai 2018 forschungsunterstützende Dienstleistungen für datenintensive und toolbasierte digitale Arbeits- und Forschungsformen durch das DFG-geförderte Projekt „Future e-Research Support in the Humanities“ (FuReSH) organisatorisch und technisch unterstützt. In einer zweiten Projektphase wurde mit der Kompetenzwerkstatt Digital Humanities (KDH) ein prototypischer physischer und virtueller Raum für Forschende der Geistes- und Kulturwissenschaften an der UB implementiert. Ein niedrigschwelliges Austausch- und Vermittlungsformat der KDH für die Fachreferate kultur-, geistes-, sprach- und sozialwissenschaftlicher Fächer der UB zeigt, wie Wissen über digitale Methoden, Infrastrukturen und Tools stärker im Fachreferatsalltag verankert werden kann. Herausforderungen bestehen dabei im Kompetenzaufbau, um das Bibliothekspersonal bei zeitlich geringen Kapazitäten zu befähigen, auf Anfragen zu digitalen Methoden und Werkzeugen adäquat zu reagieren und passgenau vermitteln zu können.
2.2 Universitätsbibliothek Osnabrück
Die Universitätsbibliothek Osnabrück sieht sich angesichts der zunehmenden Relevanz digitaler Methoden in den Geistes- und Sozialwissenschaften vor die Überlegungen gestellt: Wie kann eine innovative, breite Nutzerorientierung in Zeiten der digitalen Transformation erfolgreich gestaltet werden? Welche Themenfelder kann die Organisationseinheit an einer mittelgroßen Universität in diesem Kontext besetzen? Da die Zugänglichmachung von Texten, das Management von Forschungsdaten und das Open-Access-Publizieren zu ihren etablierten Kompetenzen gehören, war eine Spezialisierung auf digitale Editorik naheliegend – ein dynamisches Anwendungsfeld der Digital Humanities, das diese Kompetenzen zusammenführt.
Wissenschaftliche digitale Editionen sind ein dynamisches Anwendungsfeld der Digital Humanities. Das Projekt osnaEditions[9] an der UB Osnabrück entwickelt eine benutzerfreundliche, nachhaltige, nachnutzbare Publikationsumgebung für wissenschaftliche digitale Editionen unterschiedlicher Dimensionierungen entwickelt. Dafür werden international anschlussfähige Open-Source-Softwarekomponenten zu einem flexiblen, modularen Workflow für die Arbeit und Forschung an Textdaten kombiniert, integriert, angepasst und weiterentwickelt. Das Projekt begleitet Nutzer*innen entlang des gesamten Editionsprozesses – von der Datenmodellierung mit NocoDB über die automatisierte Texterkennung mit eScriptorium, das Edieren nach TEI/XML bis hin zur Handhabung des TEI-Publishers für die Veröffentlichung und Präsentation der Editionsarbeit im Netz. Zudem werden der Nachweis und die langfristige Verfügbarkeit des Edendums[10] angestrebt. Zielgruppen sind insbesondere Forschende und Lehrende, die digitale Editionen als vielversprechendes Zukunftsfeld der Textarbeit betrachten, aber damit wenig oder keine Erfahrungen mit Editionen sammeln konnten. Der Fokus liegt nicht in erster Linie auf großen Leuchtturmprojekten,[11] sondern vielmehr auf kleineren (Lehr-)Projekten – im Einklang mit einem der Profile der Universität Osnabrück als Standort für die Lehramtsausbildung.[12]
Um die Zielgruppen niedrigschwellig zu erreichen, ist osnaEditions als eine webbasierte Publikationsinfrastruktur als Software-as-a-Service (SaaS) konzipiert. Diese senkt technische Hürden und gewährt First-Level-Support vor Ort. So wird eine praktikable Alternative zu marktüblichen, oft komplexen und ressourcenintensiven Lösungen geschaffen. Die Förderung von Data Literacy hat in dem skizzierten Workflow hohe Priorität, um Nutzende zu befähigen, im Sinne der FAIR-Prinzipien internationale Standards (TEI/XML) einsetzen und digitale Editionen lesen und nachnutzen zu können. Anstatt Werkzeuge bereitzustellen, für deren Nutzung der Erwerb von Kompetenzen wenig(er) relevant ist, wird ein ganzheitlicher Ansatz verfolgt. Herausforderungen bestehen in der Verstetigung und Weiterentwicklung der aus dem Projekt resultierenden Nachfrage und Aufgaben.
2.3 Digitales Netzwerk Sammlungen Berlin
Beratung, Begleitung und Unterstützung wird immer wieder von Forschungsvorhaben benötigt, die nicht im engeren Sinne mit digitalen Methoden arbeiten, also etwa mit computationellen Analyseverfahren, Netzwerkanalysen oder Datenvisualisierungen. Da dies eigentlich keine digitalen Projekte sind, ist für sie in der Regel weder von Förderprogrammen noch von ihren Instituten eine Versorgung mit oder der Aufbau von digitalen Infrastrukturen vorgesehen. Doch solche Projekte arbeiten in vielen Fällen durchaus digital: Sie organisieren das Wissensmanagement im Projekt digital und wollen ihre Arbeitsergebnisse projektbegleitend, möglichst in Echtzeit, transparent und umfassend für die Fachöffentlichkeit digital zugänglich machen. Das betrifft beispielsweise die Provenienzforschung. Die Arbeit mit einer Forschungsdatenbank, die in der Lage ist, die komplexen Recherchen zu Herkunft und Verbleib von Kunstwerken quellentransparent abzubilden und schon im Forschungsprozess der Scientific Community zugänglich zu machen, bietet klar erkennbare Vorteile. Bislang stehen solche Dokumentationssysteme aber nicht zur Verfügung und müssen in jedem Projekt mit in der Regel unzureichenden Ressourcen neu geschaffen werden. Anschließend stellen diese mehr oder weniger improvisierten Lösungen für die Infrastruktureinrichtungen der Universitäten ein Problem dar, weil sie als Solitäre in der infrastrukturellen Landschaft nur mit unverhältnismäßigem Aufwand verfügbar gehalten werden können. Die bisherige Situation kann man nur als Dilemma bezeichnen: Entweder arbeiten die Forschungsvorhaben mit unzureichenden digitalen Werkzeugen oder die Infrastruktureinrichtungen werden von einer absehbar nicht mehr zu bewältigenden Vielzahl von Einzellösungen überfordert oder die digitalen Angebote gehen nach Projektende (und einer „Galgenfrist“) offline. Für dieses Dilemma wird dringend Abhilfe benötigt.
Ansatzpunkte für eine Lösung bieten die Erfahrungen, die im Projekt „Digitales Netzwerk Sammlungen“ (DNS)[13] bei der Unterstützung der Berliner Universitätssammlungen in ihren digitalen Aktivitäten gemacht wurden. Bewährt hat sich der Aufbau eines Portfolios an Tools und frei verfügbaren Softwaremodulen, das es den Kolleg*innen ermöglicht, effizient und nach modernen Standards zu arbeiten, ohne sich an Infrastrukturen zu binden, die an ihren Einrichtungen nicht nachhaltig zur Verfügung stehen. Die im Sammlungskontext entwickelte Konzeption sieht ein Zusammenspiel von vorhandener Software, einem modular aufgebauten, technisch generischen Toolset und projektbegleitender Unterstützung vor.[14] Aktuell erproben wir, wie sich dieses Modell auf die Unterstützung von Forschungsprojekten mit der oben skizzierten infrastrukturellen Problematik übertragen lässt.
2.4 Interdisziplinäres Zentrum für Digitalität und digitale Methoden am Campus Mitte der Humboldt-Universität zu Berlin
Forschende in den digitalen Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften visieren unterschiedlichste digitale Forschungsvorhaben an, wie beispielsweise Digitalisierungsprojekte von historischen Textsammlungen mit anschließender Datenaufbereitung und empirischer Analyse (beispielsweise via Methoden des Nature Language Processing oder KI-gestützte Methoden zur Datengenerierung, projektspezifische Annotationsmodellierung und -umsetzung, Analyse mittels Datenbankabfragen und statistischer Auswertung). Die Forschungsfrage ist klar, das Korpusdesign motiviert und einzelne Methoden bereits recherchiert (Design im Forschungszyklus). Interdisziplinäre Forschungsnetzwerke, die verschiedene Aspekte der Forschungsfrage beleuchten können, sind typischerweise stark ausgebaut. Das Interdisziplinäre Zentrum für Digitalität und digitale Methoden am Campus Mitte (IZ D2MCM) der HU[15] berät und begleitet digitale Forschungsprojekte und unterstützt beispielsweise in den folgenden Fragen: Wie können diese Bausteine der ersten Stationen des Forschungszyklus sinnvoll in eine Projektskizze überführt werden (Projektierung)? Wie kann eingeschätzt werden, welche konkreten Methoden zielführend und zuverlässig im Zeitrahmen eingesetzt und ggf. weiterentwickelt werden, welche Arbeitspakete in Bezug auf eine nachhaltige Infrastruktur und Forschungsdaten- sowie Forschungssoftwaremanagement noch fehlen oder wie diese im Detail aufgebaut sein müssen (Workflow, Management)? Welche projektexternen Stakeholder müssen in Bezug auf IT-Infrastruktur, Softwarearchitektur und -maintenance wie einbezogen werden? Welche Fachprofile der Projektmitarbeitenden werden benötigt? Wie kann eine Nachhaltigkeitsstrategie im Sinne der FAIR-Prinzipien für Forschungsdaten[16] und Forschungssoftware[17] entwickelt werden? Wie wesentlich und notwendig ist die Einbindung von Projektpartner*innen auf fachlicher und infrastruktureller Ebene?
Um diese vielfältigen Fragestellungen zu adressieren, werden am IZ Digitalität und digitale Methoden am Campus Mitte domänenspezifische Forschungsnetzwerke aufgebaut, Beratungen, Projektbegleitungen, Kooperationsvermittlungen sowie Workshops angeboten und Vermittlungs- und Netzwerkveranstaltungen durchgeführt.
3 Das Spektrum der Aufgaben und Herausforderungen
An den hier vorgestellten Beispielen aus unserer Praxis wird deutlich, wie umfangreich und vielfältig das Spektrum der Aufgaben für beratende und begleitende Angebote ist. Der Bedarf an Unterstützung zeigt sich in allen Phasen der wissenschaftlichen Arbeit, von der Projektierung von Forschungsvorhaben bis zur Sicherstellung der Langzeitverfügbarkeit der Ergebnisse. Dabei bezieht er sich auf die spezifischen Anforderungen von Einzelprojekten und die (Weiter-)Entwicklung von digitalen Infrastrukturen und Services, die notwendige Voraussetzungen für ein zeitgemäßes wissenschaftliches Arbeiten schaffen. Er umfasst technische Aspekte wie die Ausstattung mit Hardware und Software, konzeptionelle Fragen und nicht zuletzt den Aufbau von digitalen Kompetenzen bei allen Beteiligten.
Vor diesem Hintergrund existiert ein Bedarf an Beratung oder Begleitung bis hin zum Aufbau von Kooperationen für das betreffende Vorhaben. Unter Beratung verstehen wir eine zeitlich und funktional eng begrenzte Dienstleistung, die direkt auf einen konkreten Fall (Forschungsprojekt, Vorhaben) bezogen und für die Beratenden nicht bindend ist. Begleitungen erstrecken sich über einen längeren Zeitraum und können neben im Verlauf des Vorhabens angepassten Beratungsleistungen auch die Übernahme von Teilaufgaben umfassen, wobei die Verantwortung bei den Begleiteten verbleibt. Bei Kooperationen wird das Vorhaben in gemeinsamer Verantwortung durchgeführt. Beratungen und Begleitungen sind idealerweise bei Förderfähigkeit im Antrag konkret aufzunehmen, inkl. Zeiten und Umfang, ggf. mit einer Teilförderung. Bei Beratung und Begleitung ohne Förderhintergrund sind die Organisationseinheiten gehalten, Servicestrukturen aufzubauen und explizit zu kommunizieren.
Der Austausch über die in den unterschiedlichen Beratungs- und Unterstützungsaktivitäten gemachten Erfahrungen, der nicht zuletzt im Rahmen dieses Book Sprints und in Vorbereitung für diesen Beitrag stattfand, hat ergeben, dass sich bei aller Unterschiedlichkeit doch sehr deutlich eine Reihe von typischen Problemstellungen abzeichnet, die im Folgenden erörtert werden sollen.
3.1 Wie kann die Förderfähigkeit digitaler Vorhaben hergestellt oder gesteigert werden?
Viele digitale (Forschungs-)Vorhaben können nur durchgeführt werden, wenn Fördermittel eingeworben werden. Ob die Anforderungen von Förderprogrammen erfüllt werden können, ist eine Frage, die häufig über die Gestaltung eines Antrags hinausreicht bzw. die Einbindung von projektexternen Stakeholdern erfordert. Für die erfolgreiche Durchführung digitaler Vorhaben müssen Aufgaben und Rahmenbedingungen aus der „Linie“ (den wiederkehrenden, regelmäßigen Aufgaben der beantragenden Einrichtungen) und die für das Vorhaben projektierten Aufgaben zusammenspielen. In beiden Bereichen, die des Projekts und der Organisationen, können Voraussetzungen aus vorhandenen Mitteln geschaffen oder durch eine ergänzende Förderung finanziert werden.
In der Praxis der Beratung digitaler Vorhaben hat sich gezeigt, dass Wissen über vorhandene Angebote in der Universität nicht vorausgesetzt werden kann. Eine wesentliche Beratungsleistung besteht dann darin, vorhandene Service- und Infrastrukturangebote im Detail zu kennen und ihre Relevanz und Leistungsfähigkeit für das geplante Vorhaben präzise benennen zu können. Auf dieser Informationsgrundlage können die entsprechenden Leistungen und Kapazitäten im Antrag benannt und belastbar eingeplant werden. Konkrete Anforderungen beispielsweise bezüglich der Daten- und Softwarearchitektur zu benennen, ist mit der Abstimmung und/oder Kooperation von infrastrukturellen Stakeholdern wie Service- oder Datenprovidern eng verknüpft. Dies erfordert die Kommunikation und Abstimmung zwischen den Projektvorhaben und den infrastrukturellen Dienstleistern durch die beratende und vermittelnde Einheit, die damit typische Herausforderungen in Förderanträgen adressieren: Vermeidung von pauschalen oder ungenauen Angaben etwa zu Aufgabenerbringung und -kapazitäten seitens der infrastrukturellen Dienstleister oder quantitativ und qualitativ nicht hinreichend klare Formulierung von Anforderungen seitens der Projektierenden. Da Förderer erwarten, dass Vorhaben durch Linienaufgaben der beantragenden Einrichtungen unterstützt werden, also nicht durch Aufgaben und Projekte finanziert werden, die Universitäten aus ihren Haushaltsmitteln erbringen müssten,[18] ist die optimale Einbeziehung vorhandener Ressourcen ein entscheidendes Erfolgskriterium.
Die hier beschriebenen Beratungs- und Begleitangebote schaffen gute Voraussetzungen, indem sie die in den Projekten oft nicht vorhandenen Kompetenzen und Erfahrungen bereitstellen. Die Kompetenzen, die notwendig sind, um die Integration von an der eigenen Institution und/oder extern vorhandenen Ressourcen belastbar zu projektieren, können bei den Initiator*innen der Forschungsvorhaben nicht in ausreichendem Maß vorhanden sein. Die beratenden Einheiten können zum Erfolg von Vorhaben beitragen, indem sie Erfahrungen einbringen, die sie bei ihrer Tätigkeit durch Vermittlung, Beratung und Begleitung kontinuierlich aufgebaut haben. Die Herausforderung, sich gängige Standards und insbesondere System- und IT-Infrastrukturanforderungen anzueignen, stellt sich Forschenden wie forschungsnahen Profilen gleichermaßen. Auch solche Kompetenzen können hingegen in den beratenden/begleitenden Einheiten aufgebaut werden. Dazu ist ein gut organisiertes Wissensmanagement notwendig, um sicherzustellen, dass Erkenntnisse aus der Beratungstätigkeit strukturiert, dokumentiert, aktuell und verfügbar gehalten werden.
Die Förderfähigkeit digitaler Vorhaben kann durch die optimale Nutzung der an der eigenen Institution vorhandenen Infrastrukturen, Ressourcen und Kompetenzen hergestellt oder gesteigert werden. So ist es über den reinen Wissenstransfer hinaus wichtig, Kontakte zu den Verantwortlichen für die Services und Infrastrukturen der Einrichtungen zu vermitteln und die notwendigen Planungs- und Aushandlungsprozesse zu begleiten. Dabei stehen seitens der Infrastruktureinrichtungen typischerweise Fragen der Integrierbarkeit und der Beanspruchung von Ressourcen – auch über die Laufzeit des Vorhabens hinaus, seitens der Projekte Fragen zur funktionalen Adäquatheit der Angebote im Vordergrund. Besonders dringlicher Planungs- und Abstimmungsbedarf besteht im Hinblick auf die Langzeitverfügbarkeit der in Projekten erstellten, angereicherten, analysierten, publizierten und wiederverwendeten Forschungsdaten (Forschungsdatenlebenszyklus[19]). Sie zu gewährleisten, bedeutet für die Infrastrukturanbieter eine dauerhafte Bindung von Ressourcen, wird von den Fördermittelgebern zugleich als eine unbedingt zu erfüllende Voraussetzung gesehen. Damit werden die Vorgaben seitens der Fachcommunitys, der Förderer wie auch der Forschungseinrichtungen nach einer nachhaltigen und FAIRen Ergebnissicherung und Zugänglichmachung adressiert.
Des Weiteren kann die Förderfähigkeit digitaler Vorhaben durch die optimale Nutzung vorhandener externer Ressourcen hergestellt oder gesteigert werden. Beispielsweise sind Basisdienste wie Backup als infrastrukturelle Voraussetzung an der antragstellenden Einrichtung typischerweise ausreichend vorhanden. Für jedes Vorhaben ist zu prüfen, ob ein Auf- oder Ausbau dieser institutionellen Voraussetzungen notwendig wäre, um das Vorhaben umzusetzen und nachhaltig in die IT-Struktur zu überführen. Ein solcher Auf- oder Ausbau erfolgt nach einer anderen Logik als bei vielen disziplinär fokussierten Drittmittelprojekten. Unterstützende Einrichtungen können in Situationen, in denen eine Diskrepanz zwischen dem Notwendigen und vom Fördermittelgeber Vorausgesetzten und dem tatsächlich (bereits) Vorhandenen besteht, auf zwei Wegen helfen: Zum einen können die Auswahl der Förderlinie oder die Kombination von Förderlinien, insbesondere wenn ein infrastruktureller Ausbau eine notwendige Bedingung ist, (erneut) geprüft werden.[20] Zum anderen können neben den Ressourcen und Diensten der eigenen Einrichtungen auch häufig Ressourcen und Dienste anderer Einrichtungen oder Forschungsinfrastrukturen wie der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI[21]) einbezogen werden.
3.2 Wie kann Digitalität in Forschung, Lehre und Vermittlung unabhängig von der Förderfähigkeit ermöglicht werden?
Die nachhaltige Integration digitaler Methoden in Forschung, Lehre und Vermittlung erfordert lösungsorientierte Ansätze auf institutioneller Ebene. Durch die Bereitstellung minimal aufwendiger, flexibel einsetzbarer Tools und Dienste, die Beratung und Begleitung von Projekten sowie die Förderung organisationsinterner Kooperationen können auch Vorhaben ohne eigene Förderfähigkeit wirkungsvoll unterstützt werden. Digitale Methoden spielen in ganz unterschiedlichen Kontexten in Forschung und Lehre eine Rolle.
Wissenschaftliche digitale Editionen sind eines der Anwendungsfelder der Digital Humanities für intensive Textarbeit. Im Verlauf beispielsweise des digital gestützten Editionsprozesses werden Fragen verschiedenster Art virulent, die für Einzelpersonen oder auch einzelne Projekte, unabhängig von ihrer Finanzierung oder Förderfähigkeit, kaum zu lösen sind. Diese betreffen sowohl technische Fähigkeiten als auch technisch-infrastrukturelle Anliegen, beispielsweise im Hinblick auf die Präsentation der publikationsreifen Editionsarbeit, ihren Nachweis und ihre langfristige Verfügbarkeit. Hier ist die Bereitstellung von Lösungen durch die unterstützenden Einrichtungen gefragt. Um komplexe, ressourcenintensive, „softwarekonservative“[22] Eigenentwicklungen zu vermeiden, hat sich beispielsweise das Projektteam von osnaEditions für den Einsatz von Open-Source-Software entschieden und diese zu einem Workflow kombiniert (vgl. Abschnitt: Universitätsbibliothek Osnabrück). Dadurch wird nicht nur eine langfristig wartbare Publikationsplattform mit geringem Pflegeaufwand ermöglicht, sondern auch die Weiterentwicklung durch Open-Source-Communitys. Parallel dazu trägt die Förderung von Data Literacy wesentlich zur Befähigung der Nutzenden bei. Initiativen wie die Workshopreihe „Going Digital“ vermitteln praxisnahe Kompetenzen für Datenmodellierung, automatische Textsegmentierung, -erkennung und -transkription – über digitale Editionen hinaus. Dennoch binden auch solche aus vorhandenen Mitteln finanzierte Angebote Ressourcen. Nicht nur für das Anwendungsfeld der digitalen Editorik, sondern auch in anderen Digital-Humanities-Projekten, z. B. aus den Bereichen Datenvisualisierung, Sentimentanalyse oder den Spatial Humanities, besteht das Desiderat, auf eine Organisationseinheiten übergreifende Organisationsstruktur zurückgreifen zu können, wie sie andernorts bereits existiert. Eine organisationsübergreifende Kooperationsstruktur, wie sie etwa das IZ Digitalität und digitale Methoden am Campus Mitte (vgl. Abschnitt: Beratung, Begleitung und Kooperation in der Praxis) bietet, könnte auch hier Antrags- und Sprechfähigkeit sichern, Projekte verstetigen und neue Vorhaben ermöglichen.
Die Digitalität in Forschung, Lehre und Vermittlung kann unabhängig von der Förderfähigkeit durch projektbegleitende Maßnahmen bzw. der Übernahme von Aufgaben ermöglicht oder gesteigert werden.
Je weiter sich die Unterstützungsleistung hin zu einer Projektbegleitung entwickelt, desto dringlicher stellt sich die Frage, ob das Unterstützungsmodell im (engen) gegebenen Rahmen der finanziellen und personellen Ressourcen realisiert werden kann. Dies betrifft nicht zuletzt die Entwicklung und den Ausbau von Serviceportfolios der beratenden Einheiten. Da sich Projekte oft über ein bis drei Jahre erstrecken, kann schnell der Punkt erreicht werden, an dem die Übernahme weiterer Unterstützungsleistungen kapazitär nicht mehr umgesetzt werden kann, weil aktuell zu begleitende Projekte die verfügbaren Ressourcen bereits ausschöpfen. Auch die projektbegleitende Unterstützung kann in einem realistischen Rahmen bleiben, wenn zwei Voraussetzungen gegeben sind: Erstens sollten sich die Unterstützungsleistungen auf Aufgaben konzentrieren, bei denen vor allem die notwendige Kompetenz fehlt, wo also die Qualität der Unterstützungsleistung, nicht ihre Quantität der entscheidende Faktor ist. Zweitens sollte bei der Entwicklung der technischen Lösungen darauf geachtet werden, dass generische, also nicht für das aktuell unterstützte Vorhaben spezifische Anteile erkannt und durch eine fachgerechte Modularisierung für die Nachnutzung verfügbar gemacht werden. Dies erfordert zunächst etwas Mehraufwand und eine gewisse Disziplin, zahlt sich aber mittel- und langfristig aus, weil man bei folgenden Projekten bereits auf ein praxiserprobtes Toolset zurückgreifen kann. Der Aufgabenbereich Altdatenaufbereitung und Datenmapping sind hierfür ein gutes Beispiel. Letztlich geht es dabei immer wieder um ähnliche Prozessschritte, die weitgehend durch Standardmodule (verfügbare Libraries oder eigene Module) geleistet werden können.
Wo hingegen inhaltlich mit Daten gearbeitet wird, sollte sich die Unterstützung auf die Bereitstellung moderner Tools beschränken, mit denen die Anwender*innen ihre Arbeiten effizienter und im Hinblick auf die Datenqualität (Konsistenz, Vollständigkeit, Standardkonformität) besser und kontrollierter durchführen können. Bei der Unterstützung von digitalen Vorhaben der Universitätssammlungen haben sich dabei vor allem zwei Instrumente bewährt: Datenhotels und Inspector-Frontends.
Ein Datenhotel ist eine interimistisch genutzte Datenbanksoftware, die es erlaubt, die Arbeit mit Sammlungsdaten in einer modernen, nutzerfreundlichen, nach kurzer Einweisung leicht zu bedienenden Umgebung durchzuführen.[23] Jederzeit – spätestens am Ende des Unterstützungsprojekts – können die Daten wieder „ausziehen“, sie liegen dann in wohlstrukturierter, softwareunabhängiger Form vor, typischerweise als SVG und als JSON-Dokument. Als Software kommen Open-Source-Systeme zum Einsatz, die über Docker-Container oder ein automatisiertes Deployment ohne nennenswerten Aufwand in einer Instanz zur Verfügung gestellt und ohne Programmierleistung für das benötigte Datenmodell konfiguriert werden können. Erprobt und verwendet wurde bislang: Omeka S, Directus, Strapi und Payload.
Unter einem Inspector-Frontend verstehen wir eine funktionalistische kleine Webanwendung für den projektinternen Gebrauch, die den Umgang mit den Daten erleichtern soll. Die Daten stammen aus einem Datenhotel oder einer bestehenden Quelldatenbank. Die Form der Präsentation ist auf die notwendigen Operationen (Kontrolle, Redaktion, Anreicherung usw.) zugeschnitten. Das Inspector-Frontend setzt da an, wo die Funktionalität der Datenhaltung Limitierungen aufweist, weil ein Datenhotel per definitionem generisch und eine bestehende Quelldatenbank nicht oder nicht mit den verfügbaren Ressourcen anpassbar ist. Da diese Präsentationsschicht nur intern genutzt wird, fallen viele klassische Anforderungen weg, und es kann mit vertretbarem Aufwand genutzt werden. Auch hier hat sich die konsequente Modularisierung bewährt; ein neues Inspector-Frontend startet immer mit dem Klon eines Vorgängerprojekts, das an die speziellen Anforderungen angepasst wird.
Einen weiteren großen Schwerpunkt für projektbegleitende Maßnahmen bilden Vermittlungsangebote und Workshops. Diese können von beratenden/begleitenden Einheiten entweder selbst entwickelt und regelmäßig angeboten werden oder in Kooperationen mit anderen beratenden/begleitenden Einheiten umgesetzt werden. Diese Workshops können beispielsweise für Nutzung und Maintenance von Anwendungen oder Projektmanagement,[24] auch projektspezifisch, angeboten und auch von anderen Einheiten angefragt werden. Eine Vermittlung und ein Austausch dieser Angebote fördern Profilschärfe und Kooperationen (vgl. Abschnitt: Wie kann die Förderfähigkeit digitaler Vorhaben hergestellt oder gesteigert werden?).
3.3 Wie können die in Projekten stattfindenden digitalen Aktivitäten für die sie tragenden Institutionen handhabbar und nachhaltig integriert werden?
Die Beratung und Begleitung in Kombination mit Vermittlungsaufgaben digitaler Projekte erfordert eine dauerhafte Anlaufstelle, die in engem und kontinuierlichen Austausch mit den Forschenden der betreffenden Fachrichtungen arbeitet und mit deren spezifischen Herausforderungen vertraut ist. Ein wichtiger Faktor sind die notwendigen domänen- und fachspezifischen Kenntnisse von Forschungsdaten, Forschungssoftware, Methoden und Netzwerken bis hin zu Strategieerfahrung, Kenntnisse von Förderlinien, deren Begutachtungen und üblichen Projekten, strategischer Aufbau des Netzwerks und der Kompetenzen. Das IZ Digitalität und digitale Methoden am Campus Mitte baut hierfür beispielsweise eine Forschungsinfrastruktur an der HU auf, das Projekt „osnaEditions“ an der Universitätsbibliothek Osnabrück entwickelt eine modulare digitale Infrastruktur für die Arbeit mit Textdaten und die Erstellung und Präsentation digitaler Editionen. Perspektivisch ist die Einbettung des Projekts in eine Organisationseinheiten übergreifende Infrastruktur ein Desiderat. Diese Arten von Anlaufstellen (beratende/begleitende Organisationseinheit) müssen ein institutionelles Fundament besitzen, um die Abhängigkeit von individuellen, in (Projekt-/Lehrstuhl-)Teams verhafteten Strukturen zu vermeiden. Ein Kernkonzept sind daher die institutionalisierten sozialen Fachstrukturen, die die bereits vorhandenen und gut ausgebauten Informations- und Weiterbildungsangebote wie Blogs, Tutorials oder Workshops der fachlichen Domänen für Forschende kennen und für die jeweiligen Beratungs- und Begleitkontexte einbeziehen können.
Diese Vermittlungsaufgaben leisten auch Fachreferate, die sich vor allem in den im anglo-amerikanischen Raum entwickelten Konzepten des Embedded Librarian und Liaison Librarian widerspiegeln.[25] Als go-between sind Liaison Librarians beispielsweise an der Helsinki University Library der University of Helsinki (Finnland) oder der UB der Freien Universität Berlin erste Kontaktpersonen für Forschende, die zu Fragen des Forschungsdatenmanagements, Open Access, digitalen Publizierens oder digitalen Methoden domänenspezifisch beraten.[26] Fort- und Weiterbildungen tragen dazu bei, dass Fachreferent*innen ihr Wissen nicht nur im Beratungsalltag einsetzen, sondern auch im Kollegium teilen, um den Kompetenzaufbau innerhalb der Einrichtung zu befördern. Ausgehend von einer Bedarfserhebung unter den Fachreferaten kultur-, geistes-, sprach- und sozialwissenschaftlicher Fächer der UB der HU wurde ein Workshop konzipiert, der den Kolleg*innen unter anderem einen Überblick über die Digital-Humanities-Landschaft ermöglichte und Good-Practice-Beispiele anderer Bibliotheken aufzeigte. Die Ergebnisse des Workshops wurden dokumentiert und intern zur Nachnutzung bereitgestellt. Die in Projekten stattfindenden digitalen Aktivitäten können durch Informations- und Wissenstransfer über Möglichkeiten und die Integration von in Projekten entwickelten Lösungen in das dauerhaft vorgehaltene Service-Portfolio der tragenden Institutionen handhabbar und nachhaltig integriert werden.
Ein wichtiger Aspekt in der Projektberatung und -begleitung ist der Überblick über vorhandene Infrastrukturen, Dienstleistungen und Netzwerke und die Weitervermittlung der Ratsuchenden an diese (vgl. Abschnitt: Wie kann Digitalität in Forschung, Lehre und Vermittlung unabhängig von der Förderfähigkeit ermöglicht werden?). Aber nicht nur die Vermittlungstätigkeit, sondern auch die Integration von Angeboten und Materialien dieser vorhandenen externen Ressourcen in das eigene Serviceportfolio ist eine Möglichkeit, um die Nachfrage nach Unterstützungsleistungen für die jeweiligen Einrichtungen im Rahmen ihrer Kapazitäten handhabbar zu halten. So wäre z. B. der Einsatz von Open Educational Resources (OER), wie sie unter anderem das Projekt „#dariahTeach“[27] zur Verfügung stellt, eine wertvolle didaktische Ergänzung von Schulungsangeboten zur Förderung digitaler Kompetenzen, gerade im Hinblick auf personelle Engpässe im Bereich der Lehre, als Unterstützung für die direkte, interaktive Förderung von Data Literacy mit Ansprechpersonen vor Ort. Hier gilt es insbesondere auch die OER-spezifischen Projekte wie beispielsweise AI-Skills[28] oder das Datenkompetenzzentrum QUADRIGA[29] für den Raum Berlin-Brandenburg in die jeweiligen Beratungen und Begleitungen zu integrieren.
Wikimedia in Residence (WiR) heißt ein Rollenmodell für Vermittlungs- und Beratungsleistungen mit Bezügen zum Wikiversum: „Ein ‚Wikipedian in Residence‘ (WiR) ist in der Regel jemand aus der Wikimedia-Bewegung, der oder die befristet in einer Institution arbeitet“[30] bzw. „Wikipedians (or Wikimedians) in Residence are Wikimedians who dedicate time to working in-house at an organization. Wikipedians in Residence are usually financially compensated by the institution or by a Wikimedia chapter, but they may also be volunteers“.[31] Institutionen und Projekte, die langfristig im Wikiversum aktiv sind, können sich an den Erfahrungen solcher Kooperationen orientieren, auch um ein eigenes Rollenverständnis und eigene Routinen für die Arbeit mit wiki-basierten Infrastrukturen und Gemeinschaften zu entwickeln.[32]
Die im Text beschriebenen Handlungsfelder erfordern eine umfassende Organisationsentwicklung, die auf Flexibilität, Interdisziplinarität und einer starken Vernetzung zwischen den verschiedenen Akteuren basiert. Kern dieser Entwicklung ist der Übergang von starren, hierarchischen Strukturen hin zu vernetzten Teams, die fächer- und institutionsübergreifend agieren und projektbezogen aus verschiedenen Kompetenzbereichen zusammengestellt werden können. Dabei sind sowohl die Anpassung von Prozessen als auch die Förderung einer offenen Fehlerkultur essentiell. An diesem Wandel sollten Forschende, Lehrende und Informationsinfrastruktureinrichtungen beteiligt sein, unterstützt durch externe Expertise. Umfassende Fort- und Weiterbildungsangebote, Kompetenzwerkstätten und die Etablierung von Communitys of Practice fördern den Wissensaustausch und den Kompetenzaufbau. Entscheidend für den Erfolg sind langfristige Investitionen in Ressourcen, eine transparente Kommunikation und die nachhaltige Verankerung der Veränderungen in den Strukturen der Einrichtung. Die Anlehnung an bewährte Modelle wie „Wikipedian in Residence“ oder die Förderung interdisziplinärer Netzwerke kann dabei wertvolle Impulse liefern.
4 Fazit
Der Beitrag beleuchtete aus unterschiedlichen Perspektiven den Handlungsbedarf, der sich aus der Unterstützung interdisziplinärer Forschungs- und Lehrprojekte, die digitale Methoden einsetzen, ergibt. Insgesamt zielen die vorgestellten Lösungsansätze darauf ab, die Effizienz und Effektivität der Unterstützung von Forschenden und Lehrenden zu verbessern, indem bestehende Grenzen zwischen Disziplinen, Technologien und institutionellen Strukturen überwunden werden.
Es wurde deutlich, dass dafür nicht nur die Bereitstellung technischer Lösungen notwendig ist, sondern auch Forschungs- und Fachkompetenz, „Übersetzungsleistungen“ (Makler, Vermittler, Broker) zwischen Fachkulturen, Personal- und Organisationsentwicklung sowie die Förderung von Data Literacy Erfolgsfaktoren sind. Deutlich wurde dabei auch, dass sich digitale Arbeitsweisen unterscheiden und dass das akademische Universitäts- und GLAM-Universum mit dem sogenannten Wikiversum der Wikimedia-Bewegung nur punktuell oder zurückhaltend interagieren. Zwischen diesen Soziotopen Brücken zu bauen ist eine Herausforderung für Beratung und Organisationsentwicklung. Solche Wissenstransfers für wikimedia-basierte Kooperationen entstehend weniger theoretisch als vielmehr durch digital making: durch eigene Edits, ihre Links, Wiki-Links und andere sowie Gespräche darüber.
Die Erfahrung in Bezug auf die Beratung und Begleitung von förderfähigen Projekten und Vorhaben, die aus bestehenden Mitteln finanziert und umgesetzt werden, ist ein wesentlicher Wert der beratenden/begleitenden Organisationseinheiten. Nicht zuletzt entsteht so ein Kompetenznetzwerk zwischen Forschenden, zentralen Infrastruktureinheiten, IT-Dienstleistern und den beratenden/begleitenden Einheiten, das nachhaltig und bedarfsgerecht ausgebaut und weiterentwickelt werden muss. Diese Entwicklung muss sich auch in Serviceportfolios sowie strategischen Ausrichtungen der Kapazitäten und Kompetenzen widerspiegeln. Die Berichte aus der Unterstützungspraxis zeigen auch, dass regelmäßige Anpassungen an die sich wandelnden Bedarfe und Technologien notwendig sind. Die vorgestellten Lösungsansätze setzen flexibles Handeln um – auch und gerade dort, wo institutionelle Ressourcen begrenzt sind. Sie können nachgenutzt und in die bestehenden Strukturen der Organisationseinheiten überführt werden. Die erfolgreiche Unterstützung digitaler Forschungs- und Lehrprojekte darf aber nicht nur von individuellen Kompetenzen und/oder vorhandenen finanziellen und personellen Ressourcen abhängen. Sie basiert auch entscheidend auf der Kombination der in den Einrichtungen vorhandenen Kapazitäten mit übergreifenden, (inter-)nationalen Netzwerken und Initiativen. Innovative Projekte erfordern ein solides infrastrukturelles Fundament, damit sich Neuerungen erfolgreich etablieren können. Weiterführend wäre beispielsweise das Verhältnis zwischen kleineren Projekten und größeren Initiativen wie der NFDI und/oder CLARIN-D[33] genauer zu beleuchten.
Es zeichnet sich deutlich ab, dass der intensive Erfahrungsaustausch und die gemeinsame Arbeit an Konzepten und konkreten Bausteinen, die in unterschiedlichen Szenarien – vom Seminarprojekt bis zum groß angelegten Forschungsvorhaben – zum Einsatz kommen können, großes Potenzial haben. Dazu ist es notwendig, dass Beratung, Begleitung und Kooperation fest in der Organisationsstruktur der wissenschaftlichen Institutionen verankert werden. Dies kann und soll durch die Einrichtung entsprechender Serviceangebote geschehen sowie ergänzend durch eine stärkere Orientierung an den konkreten Bedarfen der Anwender*innen in Forschung, Lehre und Vermittlung aufseiten der Infrastruktureinrichtungen. Bestehende Serviceangebote, von denen einige in diesem Beitrag vorgestellt wurden, sind durch ihre Praxisorientierung, ihren reichen Erfahrungsschatz und ihren – oft durch limitierte Ressourcen erzwungenen – pragmatischen und flexiblen Operationsmodus aus unserer Sicht ein guter Ausgangspunkt und Impulsgeber für diesen Prozess.
© 2025 bei den Autoren, publiziert von Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston
Dieses Werk ist lizenziert unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.
Artikel in diesem Heft
- Titelseiten
- Editorial
- Fachbeiträge
- Digital Humanities in wissenschaftlichen Bibliotheken – ein Textsprint
- DH Spaces: Freie Schaffensräume als multifunktionale Orte an Bibliotheken
- Campus-HUB – AktionsRAUM einer offenen Wissenschaft
- Supporting Research – Beratungsinfrastrukturen und Organisationsentwicklung
- Makerspaces in der Hochschullehre etablieren: Erfolgreiche Methoden, Werkzeuge und Messkriterien
- Akademische Textverarbeitung
- Labs und Makerspaces für wissenschaftliche Kontexte – Eine kollaborative Annäherung
- Digital History of Education Lab – im Spannungsfeld zwischen Bedarfsorientierung und Innovation
- Stabi Lab – Vielfalt von Themen und Skills
- Von der Idee zum DNBLab: ein zentraler Zugang zu digitalen Ressourcen
- Ein Digital Makerspace für die Herzogin Anna Amalia Bibliothek der Klassik Stiftung Weimar
- DigiPop – eine Wissensplattform als Living Document
- Kompetenzerwerb und Kompetenzerhalt
- Werkstatt: Integrierte Entwicklung von Hands-On-Kompetenzvermittlung und forschungsorientierten digitalen Diensten
- Tagungsbericht
- „RDMO Hackathon 2024“
- Nachrichten
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- Produktinformationen
- Produktinformationen
- ABI Technik-Frage
- Was machen Digital Humanists in Bibliotheken – Was machen Bibliotheken in den Digital Humanities?
- Rezensionen
- Yes, we’re open! Open Libraries innovativ und praxisnah umsetzen. Herausgegeben von Sabine Wolf. Wiesbaden: b.i.t.verlag gmbh, 2024 (b.i.t.online – Innovativ; 94). – 307 S., Ill., Diagr., – ISBN 978-3-9826339-1-6 (Broschur). 34,50 €
- Praxishandbuch Bibliotheksmanagement. Herausgegeben von Jochen Johannsen, Bernhard Mittermaier, Hildegard Schäffler und Konstanze Söllner. 2., völlig neu überarbeitete Auflage. Berlin, Boston: De Gruyter Saur, 2025. – XXII + 849 S., 33 Ill. – eBook ISBN: 978-3-11104-634-1. Open Access. ISBN: 978-3-11102-991-7. 189,94 €.
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