Das Wort und der Tod
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Bettina Rabelhofer
Abstract
Die ästhetische Repräsentation des Todes ist wortreich, während der klinische Tod stumm bleibt. Als ein absolutes Phänomen der Grenze setzt das literarische Sterben Metaphern frei, die den Tod immer weiter an den Rand des Textes schieben, ihn im Anderen, bevorzugt in der Anderen, unterbringen und so den Erzähler konsequent in seiner Beobachterposition halten. Kunde vom eigenen Totsein zu geben ist unmöglich. In der Psychoanalyse, die ein Derivat der Biologie und zugleich deren Verwerfung ist, geht es um Leben und (psychischen) Tod. Im Unbewussten, so Freud, sind wir von unserer Unsterblichkeit überzeugt. Wir verdrängen den Tod und müssen ihn aber (als Symptom?) artikulieren. Wir erzählen, Scheherazade gleich, gegen das Sterben: Solange ich spreche, bin ich. Können wir die Sprache nicht mehr adäquat bewohnen, wie es zum Beispiel in der Melancholie und in der Psychose der Fall ist, verliert die Sprache die Kraft, Metaphern zu bilden, und der Sprechakt selbst wird zu einer Allegorie des Sinnlosen. Bedroht ist das System der Repräsentation durch den Tod selbst, durch ein abruptes Anhalten aller Signifikantenketten und den Sturz in die absolute Abwesenheit.
Abstract
Die ästhetische Repräsentation des Todes ist wortreich, während der klinische Tod stumm bleibt. Als ein absolutes Phänomen der Grenze setzt das literarische Sterben Metaphern frei, die den Tod immer weiter an den Rand des Textes schieben, ihn im Anderen, bevorzugt in der Anderen, unterbringen und so den Erzähler konsequent in seiner Beobachterposition halten. Kunde vom eigenen Totsein zu geben ist unmöglich. In der Psychoanalyse, die ein Derivat der Biologie und zugleich deren Verwerfung ist, geht es um Leben und (psychischen) Tod. Im Unbewussten, so Freud, sind wir von unserer Unsterblichkeit überzeugt. Wir verdrängen den Tod und müssen ihn aber (als Symptom?) artikulieren. Wir erzählen, Scheherazade gleich, gegen das Sterben: Solange ich spreche, bin ich. Können wir die Sprache nicht mehr adäquat bewohnen, wie es zum Beispiel in der Melancholie und in der Psychose der Fall ist, verliert die Sprache die Kraft, Metaphern zu bilden, und der Sprechakt selbst wird zu einer Allegorie des Sinnlosen. Bedroht ist das System der Repräsentation durch den Tod selbst, durch ein abruptes Anhalten aller Signifikantenketten und den Sturz in die absolute Abwesenheit.
Chapters in this book
- Frontmatter I
- Vorwort V
- Inhalt VII
- Sprache des Sterbens, Sprache des Todes 1
-
Teil 1: Gegenwartssprachliche Zugänge
- Die Textsorte Konventionelles Kondolenzschreiben 15
- Elektronische Kondolenzbücher 41
- PolitikerInnen kondolieren auf Twitter – Kondolenztweets als formelhafte Texte 71
- Notizen zum Tod einer Person in Kalenderbüchern älterer Schreiber/-innen 91
- Vom Requiem zum Sterbebildchen 109
- „Aber das Getto ist grausam, es hält seine Opfer fest in seinen faulenden Zähnen“ 121
- Trost und Trösten 141
- „Ach, heute wurde mir zum ersten Mal ein Sitzplatz angeboten im Tram“ 165
- Bedeutungsvarianz und sozialer Stil 185
- Diskursive Bilder des Todes in deutschsprachigen Raptexten 209
- Perspektiven der Thanatolinguistik 229
-
Teil 2: Sprachgeschichtliche Zugänge
- Sprache des Sterbens – Sprache des Todes in Danziger Leichenpredigten (1586–1746) 251
- Zur Geschichte, Form, Funktion und Sprache von Totenzetteln 265
- Der Mensch, der Tod und die Grenzen der Macht 281
- „… sagt der Todt …“ 297
- Sprachliche Entpersonalisierungsstrategien in barockem Funeraldiskurs 317
-
Teil 3: Interdisziplinäre Zugänge
- „… zu deinem Volk versammelt“ 337
- Sprache des Sterbens in altindogermanischen Sprachen 357
- The risk of death and the fear of dying 377
- Grieving on the Home Front 397
- Das Wort und der Tod 415
- Das Werk, das Kollektiv und der Tod 427
- Index 441
Chapters in this book
- Frontmatter I
- Vorwort V
- Inhalt VII
- Sprache des Sterbens, Sprache des Todes 1
-
Teil 1: Gegenwartssprachliche Zugänge
- Die Textsorte Konventionelles Kondolenzschreiben 15
- Elektronische Kondolenzbücher 41
- PolitikerInnen kondolieren auf Twitter – Kondolenztweets als formelhafte Texte 71
- Notizen zum Tod einer Person in Kalenderbüchern älterer Schreiber/-innen 91
- Vom Requiem zum Sterbebildchen 109
- „Aber das Getto ist grausam, es hält seine Opfer fest in seinen faulenden Zähnen“ 121
- Trost und Trösten 141
- „Ach, heute wurde mir zum ersten Mal ein Sitzplatz angeboten im Tram“ 165
- Bedeutungsvarianz und sozialer Stil 185
- Diskursive Bilder des Todes in deutschsprachigen Raptexten 209
- Perspektiven der Thanatolinguistik 229
-
Teil 2: Sprachgeschichtliche Zugänge
- Sprache des Sterbens – Sprache des Todes in Danziger Leichenpredigten (1586–1746) 251
- Zur Geschichte, Form, Funktion und Sprache von Totenzetteln 265
- Der Mensch, der Tod und die Grenzen der Macht 281
- „… sagt der Todt …“ 297
- Sprachliche Entpersonalisierungsstrategien in barockem Funeraldiskurs 317
-
Teil 3: Interdisziplinäre Zugänge
- „… zu deinem Volk versammelt“ 337
- Sprache des Sterbens in altindogermanischen Sprachen 357
- The risk of death and the fear of dying 377
- Grieving on the Home Front 397
- Das Wort und der Tod 415
- Das Werk, das Kollektiv und der Tod 427
- Index 441