Zusammenfassung
Die Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg sammelt im Rahmen ihres Auftrags als Landes- und Pflichtexemplarbibliothek Pflichtexemplare der in Hamburg erscheinenden Medien in Print, Ton und elektronisch. Im folgenden Artikel wird der aktuelle Stand der Pflichtexemplarpraxis der Bibliothek bezogen auf verschiedene Medienarten dargestellt.
Abstract
The Hamburg State and University Library collects deposit copies of print, audio and electronic media published in Hamburg as part of its mandate as state library and deposit repository. This article describes the practical implementation of the library’s collection mandate with regard to various media types and formats.
1 Einleitung
In ihrer Funktion als Landesbibliothek der Freien und Hansestadt Hamburg verfolgt die Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky (SUB Hamburg) das zentrale Ziel, das kulturelle Erbe Hamburgs und seiner Umgebung umfassend zu sammeln, zu dokumentieren und langfristig zu archivieren. Seit 1696 ist die damalige „Stadtbibliothek“ Pflichtexemplarbibliothek Hamburgs. Denn bereits im Senatsbeschluss vom 24. April 1696 wurde festgelegt, „daß alle hiesigen Buchführer und Drucker, von allen Büchern, Schriften und Advisen so allhie gedruckt, oder von … hiesige verlegt wurden, ein Exemplar an die Stadt Bibliothek geben sollen.“[1].
2 Rechtliche Grundlagen
Das heutige Pflichtexemplargesetz umfasst längst nicht mehr nur Druckschriften, sondern neben Tonträgern auch digitale Publikationen. Das aktuell geltende Gesetz über die Ablieferung von Pflichtexemplaren (Pflichtexemplargesetz – PEG)[2] stammt von 1988, geändert 2009 und löste das Gesetz über die Abgabe von Freistücken der Druckwerke an die Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg von 1934[3] ab. Eine Verfahrensanordnung zur Durchführung des Gesetzes trat rückwirkend zum 12.09.2009 in Kraft.
Die Abgabe amtlicher Druckschriften ist in Hamburg über die Anordnung über die Abgabe amtlicher Druckschriften an öffentliche Bibliotheken[4] von 2008 geregelt.
Die SUB Hamburg prüft zurzeit eine Anpassung der gesetzlichen Grundlagen, um auf die weitere Entwicklung bei der Digitalisierung des Publikationsmarktes zu reagieren.
3 Konkretisierung der Ablieferungspflicht
Nach § 5 des PEG kann die SUB Hamburg Druckwerke von der Ablieferungspflicht ausnehmen, wenn an deren Sammlung kein öffentliches Interesse besteht. Bestimmte Ausnahmen sind in der Verfahrensanordnung zur Durchführung des PEG festgelegt. Diese besagt zudem, dass die Bibliothek auf die Ablieferung verzichten kann, wenn technische Verfahren die Sammlung und Archivierung nicht oder nur mit beträchtlichem Aufwand erlauben.
Eine interne Sammelrichtlinie spezifiziert die aktuellen Festlegungen und Ausnahmen. Von der Ablieferung ausgenommen sind demnach aktuell u. a.: Druckwerke, die in einer geringeren Auflage als 10 Exemplaren erscheinen, unveränderte Neuauflagen, Plakate und Flugblätter, Filmwerke und Videomaterialien sowie Audiodateien.
4 Erschließung
Alle Pflichtexemplare werden in der gemeinsamen Verbunddatenbank K10plus des GBV und SWB sowie bei fortlaufenden Ressourcen in der Zeitschriftendatenbank (ZDB) nach den geltenden Standards erschlossen und sind somit auch in den überregionalen Verbundkatalogen sowie im WorldCat nachgewiesen. Eine Sacherschließung erfolgt im Rahmen der generellen Regeln der SUB.
Für E-Medien ist eine automatisierte Einspielung der Metadaten in Kooperation mit dem Bibliotheksservice-Zentrum Baden-Württemberg (BSZ) in Vorbereitung.
Seit 2020 werden alle Pflichtexemplare im PICA-Feld 4233 (MARC 583) gemäß der Empfehlung der Arbeitsgemeinschaft Regionalbibliotheken[5] mit einem einheitlichen Code für die überregionale Kennzeichnung von Pflichtexemplaren belegt. Eine rückwirkende Kennzeichnung ist teilweise bereits erfolgt bzw. in Vorbereitung.
5 Printexemplare
An die SUB Hamburg ist jeweils ein Exemplar abzuliefern. Bei parallelem Erscheinen von Print- und Onlinepublikation werden in der Regel beide Formen gesammelt. Bei amtlichen Druckschriften wird in der Regel nur die elektronische Form gesammelt. Die Aufstellung der Printexemplare erfolgt in der Regel im geschlossenen Magazin. Sie sind nach den normalen Regeln der Bibliothek ausleihbar oder nur im Lesesaal nutzbar (z. B. Comics und Mangas). Die Pflichtbestände aus den Jahren 1840–1990 wurden inzwischen fast ganzheitlich entsäuert (bei Zeitungen teilweise bis ins Jahr 2022 aufgrund der andauernden Verwendung von säurehaltigem Papier).
Bestand Printpflichtexemplare ab 1949 (Stand 01.09.2024).
| Monografien | Zeitschriften (Titel) | 
| 292.305 | 13.178 | 
6 Tonträger
Seit der Verabschiedung des heutigen Pflichtexemplargesetzes 1988 fallen auch Tonträger unter die Pflichtablieferung. Im Bestand der SUB befinden sich aktuell ca. 60.000 Tonträger (CDs, Schallplatten und teilweise Musikkassetten), davon ca. 53.000 Musiktonträger und 7.000 Hörbücher/Hörspiele. Alle Tonträger sind inzwischen in der Verbunddatenbank K10plus erschlossen und somit online in unterschiedlichen Katalogen nachgewiesen. Pflicht-Tonträger werden im Magazin aufgestellt und sind nicht frei zugänglich. Sie können über den Katalogplus der Bibliothek für die Nutzung bestellt werden. Musik-Tonträger sind nach einer Absprache mit dem Bundesverband Musikindustrie nur im Lesesaal nutzbar. Audiokassetten sind aus Gründen der Bestandserhaltung für die Benutzung gesperrt.
Online vorliegende Audiofiles sind nach der jetzigen Sammelrichtlinie der SUB Hamburg aus technischen Gründen von der Sammlung ausgeschlossen. Die SUB strebt zukünftig an, die Sammlung auf diese Publikationen schrittweise und im Rahmen der Verfügbarkeit technischer Verfahren der automatisierten Ablieferung und Speicherung sowie Langzeitarchivierung auszuweiten.
7 E-Pflicht
7.1 E-Books und Zeitschriften
Seit der Änderung des Pflichtexemplargesetzes 2009 gehören auch digitale Publikationen zum Sammelauftrag der SUB Hamburg. Das bereits 2013 im Bibliotheksdienst[6] beschriebene Verfahren findet weitestgehend auch heute noch Anwendung. Inzwischen hat die SUB Hamburg über 90.000 Publikationen im Rahmen der E-Pflicht gesammelt, erschlossen und auf dem Opus-Repositorium epub[7] archiviert. Die hauptsächlich archivierten Formate sind dabei PDF und EPUB. Der Zugriff erfolgt in der Regel am Einzelplatz in der Bibliothek, mit Zustimmung der Rechteinhaber*innen ist eine campusweite oder unbeschränkte Freischaltung möglich. Amtliche Publikationen sind gemäß Amtsdruckschriftenverordnung in der Regel frei zugänglich. Über die Jahre ist die Anzahl der elektronischen Pflichtexemplare stetig gewachsen. 2023 wurden an der SUB Hamburg mehr digitale als konventionelle Publikationen abgeliefert. Der Wunsch nach einer automatisierten Verarbeitung wurde so immer dringender. Auch eine Lösung für die digitale Langzeitarchivierung wurde gesucht. Die SUB Hamburg wird deshalb auf das E-Pflicht-System des Bibliotheksservice-Zentrums Baden-Württemberg (BSZ), welches das BSZ bereits für die Badische Landesbibliothek in Karlsruhe und die Württembergische Landesbibliothek in Stuttgart betreibt, umsteigen. Zur Einführung des Dienstes, der neben der automatisierten Ablieferung von E-Publikationen auch die Überführung in die Langzeitarchivierung in Rosetta beinhaltet, läuft derzeit ein gemeinsames Vorprojekt mit dem BSZ.
Bestand E-Pflicht Hamburg (EPUB, Stand 01.09.2024).
| E-Pflicht Monografien | E-Pflicht Zeitschriften (Titel) | E-Pflicht Zeitschriftenteile (Hefte etc.) | 
| 88.476 | 3.039 | 77.000 | 
7.2 Webarchivierung
Die SUB Hamburg sammelt seit 2015 Webseiten Hamburger Institutionen bzw. zu regional relevanten Themen. Die SUB Hamburg war Pilotanwender des DFG-Projekts der Bayerischen Staatsbibliothek Langzeitarchivierung von Websites: Entwicklung eines Servicemodells auf Grundlage praktischer Erfahrungen (2013–2016). 2020 erfolgte der Wechsel zur Kooperation mit der Deutschen Nationalbibliothek (DNB), da seit 2017 auf der Grundlage von § 16 a Abs. 1 in Verbindung mit § 21 DNBG ein kooperatives Sammeln von Webseiten zwischen DNB und Regionalbibliotheken mittels Harvesting rechtssicher erlaubt ist.
Die Kooperation mit der DNB zum Aufbau eines Webarchivs mit Hamburger Webseiten startete im Frühjahr 2020 mit zwei Event-Crawls: einem Event-Crawl zur Bürgerschaftswahl Hamburg und zur Corona-Pandemie in Hamburg. Sukzessiv erfolgte der Aufbau eines selektiven allgemeinen Webarchivs Hamburgs[8], welches aktuell 545 Webseiten beinhaltet. Ab 2022 folgte ein weiterer Event-Crawl: Thema „Krieg in der Ukraine“.
Die Auswahl der für das Webarchiv Hamburg relevanten Webseiten folgt einem internen Sammelprofil der Bibliothek, das 2017 im Bibliotheksdienst[9] von Ulrich Hagenah detailliert beschrieben vorliegt.
Die formale Erfassung einer Webseite erfolgt in der Zeitschriftendatenbank (ZDB) als fortlaufende integrierende Ressource.
Aus urheberrechtlichen Gründen ist der Zugriff auf die gesammelten Webseiten in der Regel nur vor Ort im Lesesaal an einem ausgewählten Rechner möglich. Eine Freischaltung darüber hinaus bedarf immer der Zustimmung der Rechteinhaber*innen einer Webseite.
Anzahl Webseiten im allgemeinen Webarchiv Hamburg und Event-Crawls (Stand 01.09.2024).
| Webseiten – allgemeines Webarchiv Hamburg | Webseiten – Event-Crawls | 
| 545 | 165 | 
7.3 E-Paper Zeitungen
Die SUB Hamburg nimmt seit Beginn der Inbetriebnahme 2018 am „Service Regionale Bereitstellung Pflicht-E-Paper“[10] via „Regionaler Fensterlösung“ der DNB teil.
Aktuell erhalten die Nutzer*innen der SUB Zugriff auf acht laufende Zeitungen über das Regionalfenster. Zeitungen, die nicht über das Regionalfenster der DNB verfügbar sind, werden wie sonstige E-Pflicht-Medien auf epub gesammelt, so z. B. die Hamburger Wochenblätter.
8 Ausblick
In den kommenden Jahren strebt die SUB an, die Sammlung digitaler Medien entsprechend ihrem gesetzlichen Auftrag auszuweiten, insbesondere (abhängig von der Verfügbarkeit von effizienten Harvestingverfahren) durch Einbezug weiterer digitaler Publikationsarten (Blogs, Podcasts, audiovisuelle Darstellungen) in die Hamburg-Sammlung.
© 2024 bei den Autoren, publiziert von Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston
Dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.
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