Home Das Pflichtexemplar in Bremen
Article Open Access

Das Pflichtexemplar in Bremen

  • Manja Czieluch

    Manja Czieluch

    , Jutta Fraas

    Jutta Fraas

    , Maria Hermes-Wladarsch

    Dr. Maria Hermes-Wladarsch

    ORCID logo EMAIL logo
    and Annett Pawlowski

    Annett Pawlowski

Published/Copyright: November 12, 2024
Become an author with De Gruyter Brill

Zusammenfassung

Die Pflichtexemplarregelung für das kleinste Bundesland Bremen ist im Bremischen Bibliotheksgesetz mit Stand vom April 2023 als Anbietungspflicht geregelt. Die bremische Verlagslandschaft beinhaltet vorwiegend Klein- und Kleinstverlage. Gemäß der hausinternen Differenzierung der Geschäftsgänge in der für die Umsetzung der Pflichtexemplarregelung verantwortlichen Staats- und Universitätsbibliothek werden Monographien und Zeitschriften in unterschiedlichen Sachgebieten gesammelt und erschlossen. Für die Sammlung elektronischer Stücke wird seit 2020 der Dokumentenserver in seiner Funktion als Hochschulrepositorium genutzt.

Herausforderungen für die Pflicht entstehen aus der Doppelfunktion der SuUB Bremen als Staats- bzw. Landes- sowie als Universitätsbibliothek sowie aus der internen Organisation der über mehrere Sachgebiete verteilten Pflicht.

Abstract

The deposit copy regulation for the smallest of federal states, Bremen, is regulated by the Bremen Library Act 2023 as obligation to deliver copies to a specific repository. Bremen’s publishing landscape predominantly consists of small and very small publishers. In line with the internal course of business in the Bremen State and University Library, the central deposit repository, monographs and journals are collected and indexed according to different subject areas. The university document server has been used as repository for the collection of electronic items since 2020. Challenges arise from the dual function of the Bremen library as state library and university library, as well as from internal organizational structures requiring the mandate to be distributed across different subject areas.

1 Gesetzliche Grundlage

Die SuUB Bremen sammelt, erschließt und archiviert die im Land Bremen (mit den beiden Städten Bremen und Bremerhaven) verlegte und gedruckte Literatur als sogenannte Pflichtexemplare gemäß des Bremischen Bibliotheksgesetzes in der aktuellen Fassung vom April 2023.[1] Es handelt sich um eine Anbietungspflicht. Mit einbezogen sind körperliche ebenso wie unkörperliche Medienwerke (s. u.). Die Abgabe amtlicher Druckschriften ist in § 8 des Bremischen Bibliotheksgesetzes geregelt.

Die Verlagslandschaft des kleinen Bundeslandes Bremen ist überschaubar und beinhaltet (neben einigen größeren) vorwiegend Klein- und Kleinstverlage. Schwerpunkte der bremischen Veröffentlichungen bilden graue Literatur, Behördenpublikationen sowie Veröffentlichungen wissenschaftlicher Einrichtungen.

Erstmals regte der damalige Bibliothekar Johann Georg Kohl in den späten 1860er Jahren die kostenlose Ablieferung in Bremen gedruckter Werke an die damalige Stadtbibliothek Bremen an, die Vorläuferinstitution der heutigen Staats- und Universitätsbibliothek Bremen.[2] Dieser erste Antrag bei der Bürgerschaft zur Einführung eines gesetzlichen, direkt an die Bibliothek abzuliefernden Pflichtexemplars war motiviert durch das Ansinnen, bei gleichbleibend geringem Etat der Stadtbibliothek eine qualitativ hochwertige landeskundliche Sammlung vorhalten zu können. Kohl konzipierte die Pflichtexemplarregelung als Ablieferungspflicht: Als „gesetzliche[…] Bestimmung, nach der jedem Verleger, Herausgeber oder Drucker im bremischen Staate die Verpflichtung obliegen solle, von jeder hier erscheinenden Druckschrift ein Exemplar unentgeltlich an die Stadtbibliothek zu liefern.“[3] Dieser Antrag wurde mit dem Hinweis abgelehnt, einzelne Berufe würden damit über Gebühr belastet.

Bis 1927 geschahen keine neuen Versuche auf diesem Gebiet. Ab 1935 war die Pflichtexemplarregelung im „Gesetz über die Abgabe von Freistücken der Druckwerke an die Staatsbibliothek vom 25. Juli 1935“[4] geregelt. Die Regelung wurde 1965 abgelöst durch die Pflichtexemplarregelung für das Bundesland Bremen in § 12 des „Gesetzes über die Presse (Pressegesetz) vom 16. März 1965 (Brem.GBl. 1965, 63, 75)“.[5] Diese Regelung wurde mit dem Bremischen Bibliotheksgesetz im Jahr 2018 aufgehoben.

Da das Bremische Pflichtexemplarrecht in der heutigen Formulierung erst auf das Jahr 1965 zurückgeht (s. o.), fallen die zuvor erschienenen Titel streng genommen nicht unter die Pflichtexemplarregelung. In der SuUB Bremen werden sie dennoch (auch retrospektiv) gesammelt und unterliegen einem besonderen Schutz.

2 Umgang mit Amtsdruckschriften

Die Abgabe der Amtsdruckschriften wird in einem Erlass geregelt, der am 18.09.2009 im Amtsblatt der Freien Hansestadt Bremen publiziert wurde. Demnach sind alle bremischen Behörden, Dienststellen und Einrichtungen des Landes verpflichtet, je ein Exemplar all ihrer Veröffentlichungen an die Staats- und Universitätsbibliothek Bremen abzuliefern. Gesammelt werden alle monographischen Veröffentlichungen gemäß dem Sammlungsprofil (s. u.). Als fortlaufende Titel sind beispielhaft das Amtsblatt, das Gesetzblatt in Print, der Finanzplan, diverse statistische Berichte und Haushaltspläne zu nennen. Das Gesetzblatt und das Amtsblatt werden parallel vom Staatsarchiv Bremen gesammelt.

3 Sammlung physischer Stücke

Das Sammeln und Erschließen der Pflichtexemplare erfolgt in der SuUB Bremen gemäß der Differenzierung der hausinternen Geschäftsgänge je nach Medienart in den Abteilungen Medienerwerbung (Monographien), Zeitschriftenstelle und Mediathek. Die Sammlung physischer Stücke geschieht gemäß den etablierten Geschäftsgängen des betreffenden Sachgebiets. Dabei müssen die Pflichtexemplare teils aktiv bei den Verlagen bzw. den Publizierenden angefordert werden. Die SuUB Bremen nutzt seit Januar 2024 für die Erwerbung das Bibliotheksmanagementsystem Folio. Der Nachweis erfolgt im K10plus.

Neben Printmedien unterliegen auch audiovisuelle Medien der Anbietungspflicht. Die Mediathek erwirbt im Rahmen des internen Sammelprofils im Bereich Pflicht der SuUB Bremen Audio- und Videodokumente in verschiedenen analogen und digitalen Formaten. Sie ist bestrebt, durch Schaffung technischer Voraussetzungen eine langfristige Archivierung und Verfügbarkeit dieser Medien zu ermöglichen.

Das Sammeln von Titeln im Rahmen der Pflichtexemplarregelung erfolgt auf der Grundlage eines internen Sammelprofils für den Bereich Pflicht der SuUB Bremen (als freiwillige Selbstverpflichtung), das in Anlehnung an die Sammelrichtlinien der Deutschen Nationalbibliothek (DNB)[6] und mit Bezugnahme auf die Beschlüsse der UAG Pflicht in der AG Regionalbibliotheken formuliert wurde.[7] Ergänzend wurden die „Erläuterungen zum Sammlungsaufbau“ der DNB herangezogen, die zum 1. Januar 2021 in Kraft traten. Die Sammelrichtlinien der SuUB Bremen differenzieren sowohl bei Print-, als auch bei E-Titeln (Monographien und Periodika) zwischen vier Intensitätsstufen des Sammelns.[8] Grundsätzliche Kriterien für die Zuordnung einer Medienart zu einer Intensitätsstufe sind: 1. Die Verbreitungs- bzw. Veröffentlichungsabsicht (in der Regel bei einer Auflagenhöhe von 25 Exemplaren, bei Kleinschrifttum mit besonderer landesgeschichtlicher Relevanz auch darunter); 2. Ein signifikanter Textanteil (i. d. R. ab 10 Seiten Textanteil); 3. der nicht akzidentielle Charakter; 4. die landeskundliche Bedeutung. Es wird davon ausgegangen, dass sich der Wert eines eigenen Sammelprofils der SuUB insb. dort erweist, wo es Unterschiede zur Sammlung der DNB gibt, die wiederum vorwiegend beim landeskundlichen Charakter der Sammlung auftreten werden; 5. bei unterschiedlichen Ausgaben: Tendenziell die Reichhaltigkeit einer Ausgabe (bspw. wird die Ausgabe mit dem höchsten Bildanteil gesammelt).[9]

4 Sammlung elektronischer Stücke

Ein Meilenstein für die Neuausrichtung der elektronischen Pflicht war die Einführung des neuen Repositoriums 2020 in der SuUB Bremen, die zur Entwicklung neuer Geschäftsgänge führte. Im Bereich der pflichtrelevanten monographischen Hochschulpublikationen erfolgt neben dem Upload von Einzelpublikationen durch die Publizierenden ein aktives systematisches Einsammeln seitens der Kolleginnen und Kollegen der SuUB. Der Schwerpunkt liegt derzeit auf Open Access-Publikationen der Universität Bremen und der Hochschulen sowie der bremischen Behörden und Institutionen, wobei fast ausschließlich PDF-Formate verarbeitet werden. Eine Konvertierung nach PDF/A für die Langzeitarchivierung erfolgt im Rahmen des regulären Geschäftsgangs. Alle Dokumente erhalten als Identifier eine DOI. Gleichzeitig werden alle im Rahmen der elektronischen Pflichtablieferung erworbenen Publikationen im Verbundkatalog des Gemeinsamen Bibliotheksverbundes (GBV) nachgewiesen und mit einem entsprechenden Produktsigel gekennzeichnet. Der Einsatz des Erwerbungsclients Folio ist zunächst für fortlaufende elektronische Ressourcen vorgesehen.

Die Ausweitung der elektronischen Pflicht auf Verlagspublikationen ist geplant. Dazu wurde auf dem Media-Server gemäß der Abstufung der Zugriffsrechte bereits eine entsprechende Sammlung eingerichtet, eine Bereitstellung an einzelnen Leseplätzen gemäß § 52b UrhG ist technisch jedoch noch nicht umgesetzt. Im Bereich der Verlagspublikationen erscheinen überwiegend hybride Veröffentlichungen, so dass sich die SuUB aus Gründen der Zugänglichkeit noch auf die Printfassung beschränkt.

Seit 2022 werden elektronische Pflichtzeitschriften durch die Zeitschriftenabteilung erfasst. 2023 wurde der Workflow für Sammeln/Sichern und Zugänglichmachen über den Media-Server im Regelbetrieb erprobt. Das Erschließen und Zugänglichmachen einzelner Hefte auf dem Server ist aktuell sehr zeitaufwendig. Der Schwerpunkt der Umsetzung der Pflichtexemplarregelung liegt im Bereich der fortlaufenden elektronischen Ressourcen daher auf der Aufgabe des Sammelns und Archivierens der elektronischen Pflichtzeitschriften. Eine Lösung zur Einspielung größerer Datenpakete steht noch aus. Bei hybriden Publikationen sammelt die SuUB Bremen aufgrund ungesicherter und kostenintensiver technischer Verfahren u. a. der Langzeitarchivierung und der Zugänglichkeit derzeit die Printfassung.

Es handelt sich vorrangig um fortlaufende Ressourcen der Bremischen Verwaltung und anverwandter Institutionen sowie der Bremer Universitäten und Hochschulen – also um Publikationen mit kostenfreiem Zugriff. Die PDFs werden regelmäßig heruntergeladen und gesichert. Das Monitoring neuer Hefte erfolgt über das Erwerbungssystem Folio. Der Katalog wird durch die Verlinkung zur Originalpublikation zusätzlich angereichert. Elektronische Pflichtzeitschriften werden zweistufig nachgewiesen: 1. im K10plus wird ein Katalogisat mit dem Link zur Originalwebsite erstellt; 2. Über den Media-Server wird ein Katalogisat mit Link zum archiviertem PDF erstellt. Dabei werden mögliche Einschränkungen des Verlages bzw. Urhebers umgesetzt.

Herausforderungen bestehen aktuell insbesondere bei der Umstellung der Publikationsform der Behördenpublikationen von Print- auf die elektronische Form, da Ausführungsbestimmungen für die Umsetzung des Pflichtexemplarrechts bislang sowohl bei den Behörden- als auch bei den Verlagspublikationen fehlen.

5 Bestandserhaltung und Langzeitarchivierung

Die Print-Monographien werden in den Magazinen der SuUB Bremen in einer gesonderten Aufstellung verwahrt und unterliegen speziellen Nutzungsbedingungen (s. u.). Die Magazine erfüllen zum größten Teil die Norm ISO 11799:2015, die sich mit den „Anforderungen an die Aufbewahrung von Archiv- und Bibliotheksgut“ beschäftigt.

Als Maßnahme der Bestandserhaltung werden die aktuell laufenden Periodika ausschließlich mit Blindstempeln als Eigentumsvermerk versehen. Vorgesehen ist die Unterbringung in säurefreien Schutzbehältnissen. Derzeit wird die Weser-Zeitung nach der Massenentsäuerung in säurefreien Schutzbehältnissen aufbewahrt. Die Pflicht-Kleinschriften werden in Zukunft von der Restaurierungswerkstatt angefertigte Kapseln bekommen. Das Material entspricht allen Anforderungen aus DIN ISO 16245:2012-05. Zentrale Maßnahme der Langzeitarchivierung der gedruckt publizierten Tageszeitungen ist die Mikroverfilmung. Alle laufend erscheinenden bremischen Tageszeitungen und Wochenblätter (einschließlich Neben- und Stadtteil- bzw. Regionalausgaben; ca. 35 Titel) werden gesammelt und gebunden. Der Weser-Kurier, die Nordseezeitung und die Bremer Ausgabe der taz werden derzeit zusätzlich verfilmt.

AV-Medien werden zur Sicherstellung der Langzeitverfügbarkeit von in älteren Formaten vorliegenden Medien auf neue Datenträger kopiert.

6 Nutzung

Die Pflichtexemplare sind sowohl bei den Monographien, als auch bei den fortlaufenden Ressourcen nicht ausleihbar. Bei entsprechendem Bedarf werden bei den Monographien ausleihbare Zweitexemplare angeboten. Die Nutzung der Pflichtbestände (Monographien und fortlaufende Ressourcen) erfolgt im Zeitschriftenlesesaal der SuUB Bremen unter Aufsicht. Bei Alleinbesitz ist bei den Monographien jedoch eine Fernleihe möglich.

Die Nutzung der fortlaufenden Ressourcen erfolgt bevorzugt als E-Paper oder als Mikrofilm. Originale werden dann zur Verfügung gestellt, wenn diese beiden Formen nicht vorliegen, wobei die fragilen historischen Zeitungen für die Nutzung gesperrt sind. Die Mikrofilmausgaben ermöglichen darüber hinaus auch über die Fernleihe die überregionale Zugänglichkeit der Pflichtzeitungen, wenn ganze Jahrgänge benötigt werden. Es wird angesichts der aktuellen Entwicklungen auf dem Gebiet der Mikroverfilmung zu prüfen sein, ob dieser Service künftig aufrechtgehalten werden kann oder den überregionalen Nutzer*innen eine Vorabrecherche mit anschließender Aufsatzbestellung „zugemutet“ werden wird.

Seit 2019 werden die Bremischen Tageszeitungen über das Regionalfenster der DNB angeboten.[10] Die Zugänglichkeit und Nutzung unterliegen den allgemeinen Regeln des DNB-Regionalfensters[11].

In den Bereich der Regelung fallende AV-Medien können auf den Geräten vor Ort genutzt werden. Teilweise werden Zweitexemplare für die Ausleihe angeboten.

7 Statistik

Laufend werden in der SuUB Bremen jährlich 600–700 Monographien und AV-Medien in die Pflichtsammlung eingearbeitet. Aus Kapazitätsgründen sind zudem noch Rückstände einzuarbeiten. Im Bereich der fortlaufenden Ressourcen sind ca. 800 abgeschlossene Titel und 648 laufende Titel nachgewiesen. Die Sammlung umfasst bei den Zeitungen insgesamt 186 Titel inklusive Beilagen (laufend sowie abgeschlossen).

8 Ausblick

Chancen und Herausforderungen für die Umsetzung der Pflichtexemplarregelung im Bundesland Bremen entstehen aus der Doppelfunktion der SuUB Bremen als Staats- bzw. Landes- sowie als Universitätsbibliothek. Eine zentrale Herausforderung für die Umsetzung der Pflichtexemplarregelung bilden die sowohl für den Print- als auch für den elektronischen Bereich fehlenden Ausführungsbestimmungen.

Die SuUB Bremen (Zentrale) kooperiert beim Einsammeln der Pflichtexemplare mit ihren Teilbibliotheken der Hochschulen (z. B. Teilbibliothek Kunst, Teilbibliothek Musik). Als Universitätsbibliothek sind die für Pflichtexemplare zuständigen Bereiche mit den Fachreferaten, der Bremischen Bibliographie und der Hochschulbibliographie vernetzt. Die interne Organisation der mit komplexen Stellenzuschnitten und geringen Arbeitsanteilen über mehrere Sachgebiete verteilten Pflichterwerbung bedeutet vielfältige Herausforderungen für ihre praktische Umsetzung. Der landesbibliothekarische Bereich muss dringend gestärkt werden.

Über die Autoren

Manja Czieluch

Manja Czieluch

Jutta Fraas

Jutta Fraas

Dr. Maria Hermes-Wladarsch

Dr. Maria Hermes-Wladarsch

Annett Pawlowski

Annett Pawlowski

Online erschienen: 2024-11-12
Erschienen im Druck: 2024-11-08

© 2024 bei den Autoren, publiziert von Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.

Downloaded on 31.10.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/bd-2024-0088/html
Scroll to top button