Nachruf Hannes Adomeit, PhD

Am 25. April 2022 ist Dr. Hannes Adomeit im Alter von 79 Jahren in Berlin an den Folgen einer schweren Krankheit gestorben. Er war dem Institut für Sicherheitspolitik und der Zeitschrift für strategische Analysen SIRIUS seit 2017 eng verbunden. Hannes Adomeit war einer der besten und profiliertesten deutschen Russland-Kenner und hatte eine beachtliche berufliche Karriere vorzuweisen. Er wurde im November 1942 im damals ostpreußischen Memel geboren und wuchs in Westdeutschland auf. Nach seiner Zeit bei der Bundeswehr studierte er an der FU Berlin und an der Columbia University in New York, wo er auch mit Auszeichnung seinen PhD ablegte. Von 1972 bis 1973 war er Research Associate am International Institute for Strategic Studies (IISS) in London. In den Jahren 1973 bis 1977 war er Lecturer für sowjetische Außen- und Sicherheitspolitik am Institute for Soviet and East European Studies der University of Glasgow sowie Redakteur der renommierten Zeitschrift Soviet Studies. Von 1977 bis 1979 war er Stellvertretender Direktor des Center for International Relations an der Queen‘s University, Kingston, Ontario (Kanada) und Lehrbeauftragter am dortigen Royal Military College. In der Zeit von 1979 bis 1989 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Forschungsinstitut für internationale Politik und Sicherheit der Stiftung Wissenschaft und Politik in Ebenhausen bei München.
Von 1989 bis 1997 war er als Professor für Internationale Politik an der Fletcher School of Law and Diplomacy der renommierten Tufts University in Boston tätig. Dort war er auch Direktor des Programms für Russland und Osteuropa. 1997 ging er zurück an die Stiftung Wissenschaft und Politik, erst in Ebenhausen, dann in Berlin, wo er bis 2007 arbeitete. Nach seiner Pensionierung arbeitete er für das Europe College in Natolin bei Warschau als Professor und ab 2017 war er Senior Research Fellow beim Institut für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel.
Sein wissenschaftliches Oeuvre ist beachtlich und hat international viel Anerkennung gefunden, darunter so wichtige Bücher wie Foreign Policy Making in Communist Countries: A Comparative Approach. Farnborough: Saxon House, 1979; Soviet RiskTaking and Crisis Behavior: A Theoretical and Empirical Analysis. London: Allen & Unwin, 1982; und Imperial Overstretch: Germany in Soviet Policy from Stalin to Gorbachev. An Analysis Based on New Archival Evidence, Memoirs, and Interviews. Baden-Baden: Nomos, 1998 und als völlig neu geschriebene Neuauflage 2017.
Er hat sich vorbildlich für das ISPK und vor allem für die 2017 neu gegründete Zeitschrift SIRIUS eingesetzt. Für die Zeitschrift war er in den fünf Jahren ihres Bestehens eine der tragenden Säulen. Mehrere Aufsätze, Kurzbesprechungen und Analysen wurden von ihm verfasst. Besondere Aufmerksamkeit verdient seine 2017 erschienene Analyse der innenpolitischen Bedingung der russischen Außen- und Militärpolitik, in der eigentlich alles Wichtige zur russischen Politik gesagt wurde.
Er hatte einen scharfen Verstand und ein großes analytisches Können. Was er schrieb war klar und verständlich und durch Quellen belegt – und es war stets überzeugend. Er war einer der besten Russlandkenner in Deutschland, aber er war in seinem Urteil nie korrumpierbar und nie ein Putinversteher. Er war ein außerordentlicher Kollege, auf den man sich immer verlassen konnte und er war ein guter Freund. Er war zudem ein begeisterter Bird-Watcher, der tagelang damit verbringen konnte, in unwegsamen Gegenden Vögeln nachzuspionieren. Er hinterlässt seine russische Frau Anastasija und seine drei Töchter aus erster Ehe. Wir werden ihn nicht vergessen und ihm ein ehrenhaftes Andenken bewahren. Ein großer Wissenschaftler ist von uns gegangen.
Joachim Krause
© 2022 Joachim Krause, publiziert von Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston
Dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 4.0 International Lizenz.
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- Bildnachweise
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