Startseite Sozialwissenschaften Sylvie Matelly/Christian Mölling/Trevor Taylor: The Future Of Transatlantic Strategic Superiority. British, German and French Perspectives. Washington D.C.: GMF 2018/No.19
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Sylvie Matelly/Christian Mölling/Trevor Taylor: The Future Of Transatlantic Strategic Superiority. British, German and French Perspectives. Washington D.C.: GMF 2018/No.19

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Veröffentlicht/Copyright: 14. Dezember 2018

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Matelly Sylvie Mölling Christian Taylor Trevor The Future Of Transatlantic Strategic Superiority. British, German and French Perspectives Washington D.C. GMF 2018/No.19


Die Vereinigten Staaten sehen sich in den letzten Jahren mit neuen Gefahren konfrontiert. Dabei sind die rasch voranschreitende Modernisierung der chinesischen Streitkräfte sowie die wachsenden geopolitischen Ambitionen und Fähigkeiten Moskaus die größten Herausforderungen für die globale Vormachtstellung Washingtons. Als Reaktion darauf rief das Pentagon im November 2014 die Third Offset Strategy (TOS) ins Leben. Ziel dieser Initiative ist es, technologische und operative Antworten auf die abnehmende Abschreckungsfähigkeit der USA zu finden. Die Modernisierung und der Umbau der US-Streitkräfte bringt jedoch nicht nur Vorteile für die westliche Sicherheitsarchitektur mit sich. Die europäischen Partner Washingtons müssen bedenken, welche Auswirkung die Modernisierung der US-Streitkräfte langfristig auf die transatlantische Sicherheitskooperation, besonders im Bereich der Interoperabilität, mit sich bringt.

Dieser Frage gehen die drei Autoren der Studie auf den Grund. Sylvie Matelly, stellvertretende Direktorin des French Institute for International and Strategic Affairs stellt die französische Verteidigungspolitik dar. Christian Mölling, stellvertretender Direktor des Forschungsinstituts der DGAP, gibt einen Einblick in die deutsche Sicherheitspolitik. Trevor Taylor, Professorial Research Fellow in Defence Management at RUSI, beleuchtet die britische Seite in diesem Kontext.

Die britische Regierung teilt die Einschätzung Washingtons, dass die westliche Sicherheitsarchitektur durch neue Bedrohungen, vor allem durch Peking und Moskau gefährdet wird und es robuster Investitionen und Modernisierungen bei den Streitkräften bedarf, um eine Antwort auf diese Gefährdungen zu finden. Eine bedeutende Rolle kommt dabei der zivil-militärischen Kooperation bei Forschung und Entwicklung zu. London befindet sich aber in einer Zwickmühle. Einerseits misst die britische Regierung der Entwicklung eigener Rüstungsgüter und der Stärkung der heimischen Industrie große Bedeutung bei, andererseits ist London immer wieder gezwungen amerikanische Waffensysteme anzuschaffen, um relativ kurzfristig die eigene Einsatzbereitschaft und Interoperabilität mit den amerikanischen Verbündeten herzustellen. Taylor kommt zu dem Schluss, dass sich Großbritannien bemüht im Rahmen seiner Möglichkeiten mit der Modernisierung der Streitkräfte mitzuziehen, um ein verlässlicher Partner für die USA zu bleiben. Die finanziellen Möglichkeiten sind jedoch vor allem seit der Finanzkrise 2008 und durch teure Anschaffungen von US-Rüstungsgütern stark eingeschränkt.

Auf deutscher Seite ist man auch der Meinung, dass sich die strategische Umwelt geändert hat und Moskau und Peking als Herausforderer der westlichen Vormachtstellung auftreten. Berlin ist jedoch sehr zurückhaltend was große Investitionen in Rüstungsgüter betrifft. Mölling hebt besonders den desolaten Zustand der Bundeswehr hervor und dass die vorhandenen Waffensysteme kaum einsatzbereit sind. Zudem wird in der Bundesrepublik der Rüstungssektor von der sonst gut funktionierenden Forschungszusammenarbeit zwischen öffentlichen Institutionen und privaten Firmen abgeschnitten. Damit gehen potenzielle Synergieeffekte verloren. Mölling sieht in Projekten auf EU-Ebene wie z. B. PESCO, die größte Chance die deutsche Zurückhaltung in sicherheitspolitischen Fragen zu überwinden. Eine deutsche Weigerung sich bei diesen Projekten ernsthaft einzubringen wäre nur unter größter Kritik der europäischen Partner möglich.

Auch Paris teilt die Ansicht, dass sich das sicherheitspolitische Umfeld nachteilig für den Westen entwickelt und dass im Bereich der Dual-Use-Güter viele synergetische Effekte für die Modernisierung der Streitkräfte erzielt werden können. Traditionell legt Frankreich mehr Wert auf europäische Kooperation. Die so erzielten Modernisierungen dienen einerseits der Interoperabilität mit den Streitkräften der USA, andererseits wird so auch die europäische Autonomie gegenüber Washington gestärkt. Matelly kommt zu dem Schluss, dass Frankreich im Bereich der Rüstungskooperation ebenfalls zwischen gegenläufigen Argumenten gefangen ist. Paris kann nicht auf die USA als Partner bei der Rüstung und Verteidigung verzichten. Gleichzeitig bedeutet eine enge Kooperation mit Washington in diesem Bereich auch ein hohes Maß an Abhängigkeit.

Neben den großen Unterschieden bei den Verteidigungshaushalten bleibt der divergierende Horizont der Akteure ein Hemmschuh für eine noch vertieftere transatlantische Kooperation im Rüstungsbereich. Washington sieht Peking primär als Herausforderer um die Vorherrschaft im pazifischen Raum. Für die europäischen Partner der USA ist China hauptsächlich ein unverzichtbarer Absatzmarkt für Waren und Güter. Zudem wird chinesisches Investmentkapital für die europäischen Länder immer wichtiger.

Es ist das Verdienst dieser Studie auf die Problematik der abnehmenden Interoperabilität zwischen den westlichen Alliierten durch unterschiedliche Modernisierungsgeschwindigkeiten hinzuweisen. Diese bleibt eine der großen Herausforderungen im transatlantischen Bündnis für die kommenden Jahre.

http://www.gmfus.org/file/25490/download

Published Online: 2018-12-14
Published in Print: 2018-12-19

© 2018 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Artikel in diesem Heft

  1. Titelseiten
  2. Editorial
  3. Editorial
  4. Aufsätze
  5. Russlands Nuklearstrategie gegenüber Europa – wie organisiert man Abschreckung gegen Deeskalation mit nuklearen Schlägen?
  6. Aktuelle nukleare Gefahren und die Probleme der Rüstungskontrolle
  7. Die ökonomischen Kosten der fortbestehenden russischen Aggression gegen die Ukraine
  8. Nach dem Helsinki Gipfel – trübe Aussichten für eine Verbesserung der russisch-amerikanischen Beziehungen
  9. Analysen und Berichte
  10. Erfolg und Desaster zugleich. Der NATO-Gipfel in Brüssel und seine Konsequenzen
  11. Krieg der Narrative – Das Jahr 1990 und die NATO-Osterweiterung
  12. Russland modernisiert Kernwaffendepot im Bezirk Kaliningrad
  13. Russland erweitert im großem Umfang seine Kernwaffenlager auf der Kola-Halbinsel
  14. Wie geht es weiter mit den kurdischen Gebieten im Nordosten Syriens? Bericht von einer Erkundungsreise im Sommer 2018
  15. Ergebnisse strategischer Studien
  16. Politische Kriegführung und Hybride Bedrohungen Seitens Russlands und anderer Akteure
  17. Gregory F. Treverton/Andrew Thvedt/Alicia Chen/Kathy Lee/Madeline McCue: Addressing Hybrid Threats. Stockholm: Swedisch Defence University und Center for Asymmetric Threat Studies, 2018
  18. Linda Robinson/Todd C. Helmus/Raphael S. Cohen/Alireza Nader/Andrew Radin/Madeline Magnuson/Katya Migacheva: Modern Political Warfare. Current Practices and Possible Responses. St. Monica: RAND Corporation, Mai 2018
  19. Todd C. Helmus/Elizabeth Bodine-Baron/Andrew Radin/Madeline Magnuson/Joshua Mendelsohn/William Marcellino/Andriy Bega/Zev Winkelman: Russian Social Media Influence. Understanding Russian Propaganda in Eastern Europe. St. Monica: RAND Corporation, April 2018
  20. Julia Gurganus: Russia: Playing a Geopolitical Game in Latin America, Washington, D.C.: Carnegie Endowment for International Peace, 2018.
  21. Sergey Sukhankin: „Continuing War by Other Means“: The Case of Wagner, Russia’s Premier Private Military Company in the Middle East. Washington, D.C.: The Jamestown Foundation, Juli 2018.
  22. International Crisis Group: Patriotic Mobilisation in Russia. Brüssel: ICG, Juli 2018
  23. Transatlantische Beziehungen
  24. Patricia Lewis/Jacob Parakilas/Marianne Schneider-Petsinger/Christopher Smart/Jeffrey Rathke/Donatienne Ruy: The Future of the United States and Europe. An Irreplaceable Partnership. London: The Royal Institute of International Affairs, April 2018
  25. Sylvie Matelly/Christian Mölling/Trevor Taylor: The Future Of Transatlantic Strategic Superiority. British, German and French Perspectives. Washington D.C.: GMF 2018/No.19
  26. Die Volksrepublik China als internationaler Akteur
  27. Thorsten Benner/Jan Gaspers/Mareike Ohlberg/Lucrezia Pogetti/Kristin Shi-Kupfer: Authoritarian Advance. Responding to China’s Growing Political Influence in Europe. Berlin: Global Public Policy Institute (GPPI) und Mercator Institute for China Studies (MERICS), Februar 2018.
  28. Mikko Huotari/Jan Gaspers/Thomas Eder/Helena Lagarda/Sabine Mokry: China’s Emergence as a Global Security Actor. Strategies for Europe. Berlin: Mercator Institute for China Studies (MERICS), Juli 2017.
  29. Mittlerer Osten
  30. Carina Schlüsing/Katja Mielke: Deutsches Engagement im Irak: Wie weniger mehr sein kann. Bonn: Bonn International Conversion Center (bicc Policy Brief 4), April 2018.
  31. Buchbesprechungen
  32. Margareta Mommsen: Das Putin-Syndikat. Russland im Griff der Geheimdienstler. München, C. H. Beck 2017
  33. Christian Deubner: Security and Defence Cooperation in the EU. A Matter of Utility and Choice. Baden Baden: Nomos Verlag 2017
Heruntergeladen am 6.12.2025 von https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/sirius-2018-4018/html
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