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Linda Robinson/Todd C. Helmus/Raphael S. Cohen/Alireza Nader/Andrew Radin/Madeline Magnuson/Katya Migacheva: Modern Political Warfare. Current Practices and Possible Responses. St. Monica: RAND Corporation, Mai 2018

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Published/Copyright: December 14, 2018

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Robinson Linda Helmus Todd C. Cohen Raphael S. Nader Alireza Radin Andrew Magnuson Madeline Migacheva Katya Modern Political Warfare. Current Practices and Possible Responses St. Monica RAND Corporation Mai 2018


In der detaillierten Studie der RAND Corporation setzten sich die Autoren mit dem Begriff der politischen Kriegsführung auseinander, analysieren die Praxis der USA in diesem Feld – mit einem Schwerpunkt auf Russland, Iran und dem islamischen Staat – und entwickeln abschließend Empfehlungen an die US-Regierung. Ziel der Studie ist es, einen klareren Überblick über kontradiktorische Maßnahmen außerhalb der konventionellen Kriegsführung zu bieten und daraus Empfehlungen für die US-Regierung abzuleiten, damit diese ihre Interessen besser schützen und durchsetzen kann. Die Autoren raten abschließend zu einem gesamtstaatlichen, ressortübergreifenden und vor allem effektiveren und besser vernetzten Einsatz aller betroffenen staatlichen Institutionen bei Maßnahmen der politischen Kriegsführung.

Ausgangspunkt der Analyse ist, dass nach Einschätzung der Autoren die Vereinigten Staaten heute einer Reihe staatlicher und nichtstaatlicher Akteure gegenüber stehen, die neben der konventionellen Kriegsführung eine Vielzahl von politischen, informellen, militärischen und wirtschaftlichen Maßnahmen zur Einflussnahme ergreifen, um die Interessen der USA oder die ihrer Verbündeten negativ zu beeinflussen.

In der Studie werden folgende Schwerpunkte gesetzt:

  • die historische Entwicklung der politischen Kriegsführung sowie die generellen Merkmale der modernen politischen Kriegsführung,

  • Fallstudien zu Russland, dem Iran und dem Islamischen Staat,

  • daraus resultierende Schwächen und abzuleitende Lehren für die USA

  • konkrete Handlungsempfehlungen für die US-Regierung.

Im Mittelpunkt der Analyse steht der Begriff der politischen Kriegsführung. Die Autoren verstehen darunter in Anlehnung an den US-Diplomaten George Kennan den Einsatz aller Mittel, die einer Nation zur Verfügung stehen, um ihre nationalen Ziele zu erreichen. Diese können von offenen Aktionen, wie politische Allianzen, wirtschaftliche Maßnahmen und offener, freundlicher Propaganda, bis hin zu verdeckten Operationen, wie der heimlichen Unterstützung und Förderung bestimmter Gruppen, sogenannter schwarzer psychologischer Kriegsführung oder sogar der Förderung des Widerstands im Untergrund in feindlichen Staaten reichen. Andere Bezeichnungen für die politische Kriegsführung sind hybride, asymmetrische oder irreguläre Kriegsführung. Die Fallstudien zu Russland, Iran und dem Islamischen Staat bieten die Grundlage dafür, auf die Gefahren und Herausforderungen hinzuweisen, die nach Aussage der Verfasser den USA entstehen.

Die Analyse weist jedoch nicht nur auf die Gefahren der politischen Kriegsführung hin, sondern zeigt auch ihre Grenzen auf. Sie sei nicht in allen Umgebungen wirksam, insbesondere dort nicht, wo es dem Einsetzenden selbst an Glaubwürdigkeit oder Einflussfähigkeit bei wichtigen Zielgruppen mangelt. Auch unbeabsichtigte Folgen mit zum Teil weitreichenden Folgen, müssten durch den Einsetzenden im Vorfeld berücksichtigt und kalkuliert werden.

Zusammenfassend arbeitet die Studie folgende Merkmale der politischen Kriegsführung heraus:

  • Der Informationsbereich, von Informationsbeschaffung und –auswertung, über die Nutzung und den Einsatz von Medien und sozialen Netzwerke, stelle ein immer bedeutenderes Handlungsfeld dar, das nicht unterschätzt werden dürfe. Operationen und ihre Auswirkungen allein in diesem Bereich können erfolgsbestimmend für die gesamte Mission sein.

  • Im so bezeichneten Informationskrieg würden bewusst alle zur Verfügung stehenden Möglichkeiten wie Manipulation, Verschleierung, Schwächung oder Stärkung einer spezifischen Zielgruppe eingesetzt.

  • Politische Kriegsführung setze häufig an ethnischen und/oder religiösen Konflikten an, die in einer Region bereits angelegt sind.

  • Das beste Gegenmittel gegen Desinformation, auch im eigenen Land, seien nach Ansicht der Autoren geprüfte Beweise, die allerdings rechtzeitig vorgelegt werden müssen.

In der Fallstudie zu Russland legen die Autoren ihren Analyseschwerpunkt auf das aus ihrer Sicht aktuelle „russische Denken“ und die Taktik im Bereich der politischen Kriegsführung, wie sie vor allem gegen die baltischen Staaten angewendet werde. Russlands Aktivitäten stellen eine defensive Reaktion auf das Handeln der Vereinigten Staaten dar, da Russland die US-amerikanische Haltung zur Demokratie, die Unterstützung der Zivilgesellschaft und ihr offenes Medienumfeld als höchst bedrohliche politische Kriegsführungsinstrumente ansieht. Russland habe, so die Autoren, viel in Propaganda investiert, aber der Haupteffekt seiner umfangreichen Medienarbeit bis hin zur Mediendurchdringung, könnte darin bestehen, durch Desinformation zu verschleiern und auf diesem Wege Anhänger zu gewinnen, anstatt durch offene Überzeugungsarbeit.

Auch der Iran setze eine breite Palette von Maßnahmen ein, um seine regionalen Ziele zu erreichen. Konkrete Ergebnisse seien unter anderem folgende:

  • Die sogenannte „Soft Power“-Strategie des Iran konzentriere sich besonders auf kulturelle, politische und religiöse Einflussnahme. Der Iran verfolge dabei eine differenzierte und gezielte Herangehensweise an verschiedene Zielgruppen, insbesondere schiitische, panarabische und panislamische Gruppierungen.

  • Dabei setze der Iran auf ein weltweites Netzwerk an Kultur-, Informations- und anderen einflussreichen Organisationen, die zu diesem Zweck auch hohe materielle Zuwendungen erhielten.

  • Ein weiterer Schwerpunkt der Einflussnahme stelle der politische und wirtschaftliche Beistand für ausgewählte außenpolitische Partner und Führer dar, um diese Regierungen zu installieren, zu stabilisieren oder im eigenen Sinne zu beeinflussen.

  • Auch die Einflussnahme auf junge Kleriker und Pilger durch breite Finanzierungsangebote, von den Autoren als religiöse Taktik bezeichnet, gehörten zur politischen Kriegsführung des Iran.

Bei der Betrachtung des Islamischen Staates legen die Autoren den Schwerpunkt auf den politischen und medialen „Feldzug“ sowie auf wirtschaftliche Taktiken. Der aus ihrer Sicht äußerst kluge und zu diesem Zeitpunkt geradezu innovative Einsatz von Maßnahmen und Mitteln im Bereich von Medien und sozialen Netzwerken, hätten zu dem großen Erfolg des Islamischen Staates geführt:

  • Allein die Verkündigung eines Kalifats, hätte dazu geführt, alle Kämpfer unter einem Banner zu verei-nen und auf diese Weise die Rekrutierungszahlen deutlich zu erhöhen.

  • Auch die Indoktrination der Rekruten, um sie systematisch ihrer alten Identität zu berauben und dadurch zu verhindern, dass sie sich zu ihrem alten Leben „zurück verirrten“, bewerten die Autoren als erfolgreichen Schachzug zur Stärkung des Gesamtapparats Islamischer Staat.

  • Die direkte und zielgruppenspezifische Ansprache des Islamischen Staates habe sehr erfolgreich zur Mobilisierung von Kämpfern beigetragen. Dabei seien bewusst unterschiedliche Ansätze verfolgt worden: In den arabischen Medienproduktionen habe der Schwerpunkt auf Gewalt und sehr emotionaler Sprache gelegen, die englischsprachigen Kanäle hingegen wären zurückhaltender und internationaler ausgerichtet gewesen.

Die Autoren analysieren im folgenden Kapitel detailliert die Praxis der USA in der politischen Kriegsführung und weisen auf Defizite und die daraus entstehenden Gefahren hin: So liefe die Kommunikation der verschiedenen Behörden zum Teil diametral aneinander vorbei. Ein Beispiel dafür sei das neue Global Engagement Center (GEC), angesiedelt im Außenministerium, und das Military Information Support Operations (MISO) innerhalb des US-Verteidigungsministeriums (DoD). Während das GEC von unten nach oben kommuniziere, bliebe das MISO weiterhin bei einer Top-Down-Kommunikation, so dass in der Praxis eine effektive Zusammenarbeit deutlich erschwert sei. Die Autoren kritisieren zudem, dass es nach wie vor an einer behördenübergreifenden Koordination und einer Führung durch den Nationalen Sicherheitsrat fehle. Auch die Koordination und Absprachen zwischen den Behörden beurteilt die Studie als deutlich ausbaufähig. Daraus leiten die Autoren konkrete Handlungsempfehlungen ab.

Die Autoren empfehlen als Maßnahmen gegen politische Kriegführung (1) eine gesamtstaatliche Strategie für diesen Bereich, (2) die Notwendigkeit eines vernetzten Ansatzes unter Führung eines entsprechend ausgestatteten Außenministeriums, (3) die Formulierung und Koordinierung von angemessenen Reaktionen und Maßnahmen, auch zusammen mit anderen souveränen Regierungen, Verbündeten und Partnern und (4) die Verbesserung der militärischen Beiträge zu einem solchen vernetzten Ansatz.

Als konkrete Ansatzpunkte werden die folgenden Maßnahmen genannt:

  • Die Integration von zivilen Abteilungsvertretern in die US-Militärkommandos, einschließlich aller eingesetzten Hauptquartiere, sollte verbessert werden, um die Synergieeffekte der gesamten Regierungstätigkeit im Sinne eines vernetzten Ansatzes zu optimieren.

  • Das Verteidigungsministerium und insbesondere die Sondereinsatzkräfte sollte die Ausbildung und Einbindung von Militärberatern, die im Hauptquartier des Außenministeriums, in den Botschaften der USA und anderen diplomatischen Ämtern dienen, weiter ausbauen, um von ihrer Arbeit besser und flächendeckender profitieren zu können.

  • Die Kooperation mit den zivilen Mitarbeitern sollte durch die Militärkommandeure intensiver aufgebaut und gepflegt werden, um ein gemeinsames Verständnis und Vorgehen bei politisch-militärischen Konflikten zu entwickeln.

  • Das DoD sollte eine Strategie für die Einbeziehung der Erkenntnisse der Regionalexperten des Außenministeriums und der US-Länder-Teams in ihre militärischen Pläne entwickeln und umsetzen, um umfassendere und effektivere Reaktionen auf politisch-militärische Bedrohungen zu entwickeln.

  • Insgesamt benötigte man eine verbesserte Ausstattung der Institutionen und einen innovativeren Ansatz bei Operationen im Informationsbereich, was besonders eine intensivere Ausbildung in den neuen Medien erfordere.

  • Das Verteidigungsministerium und das Außenministerium sollten den Einsatz von Spezialeinsatzkräften in Gebieten, die als anfällig für politische Kriegsbedrohungen gelten, frühzeitiger und langfristiger in Betracht ziehen.

Alles in allem ist die Studie ein lesenswerter Beitrag zur Diskussion um politische Kriegsführung.

URL: https://www.rand.org/pubs/research_reports/RR1772.html

Published Online: 2018-12-14
Published in Print: 2018-12-19

© 2018 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

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  19. Todd C. Helmus/Elizabeth Bodine-Baron/Andrew Radin/Madeline Magnuson/Joshua Mendelsohn/William Marcellino/Andriy Bega/Zev Winkelman: Russian Social Media Influence. Understanding Russian Propaganda in Eastern Europe. St. Monica: RAND Corporation, April 2018
  20. Julia Gurganus: Russia: Playing a Geopolitical Game in Latin America, Washington, D.C.: Carnegie Endowment for International Peace, 2018.
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