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Das Pflichtexemplar in Brandenburg

  • Ramona Hübner

    Ramona Hübner

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    and Anita Szczukowski

    Anita Szczukowski

Published/Copyright: November 12, 2024
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Zusammenfassung

Die Stadt- und Landesbibliothek (SLB) Potsdam ist im Land Brandenburg für die Erfüllung der Pflichtexemplaraufgabe verantwortlich, die auf gesetzlichen Grundlagen wie dem Brandenburgischen Pressegesetz (BbgPG) von 1993 und der nachgeordneten Pflichtexemplarverordnung (PflEV) von 1994 basiert. Seit 2012 umfasst die Sammlungspflicht neben gedruckten auch Netzpublikationen. Die wachsenden Anforderungen an die E-Pflicht stellen neue Herausforderungen dar, denen durch organisatorische Anpassungen und technologische Weiterentwicklungen in Kooperationen, wie die Nutzung des OPUS-Repositoriums „BrandenburgDOK“, Rechnung getragen wird. Aktuelle Herausforderungen betreffen die Weiterentwicklung von Richtlinien, insbesondere zur Sammlung von Webseiten und zur Langzeitarchivierung. Ziel der SLB ist es, eine repräsentative Pflichtexemplarsammlung aufzubauen, die die brandenburgische Verlags- und Publikationsgeschichte umfassend dokumentiert.

Abstract

The City and State Library (SLB) of Potsdam is responsible for fulfilling the collection mandate in the State of Brandenburg, based on the statutory basis Brandenburg Press Act 1993 and the subsequent Legal Deposit Regulation 1994. In 2012, the mandate was extended to incorporate not only printed but also online publications. This e-obligation has presented libraries with new challenges, which are being addressed by organizational adjustments and technological advancements, for instance through cooperative uses of the OPUS repository “BrandenburgDOK”. Recent challenges are the development of new guidelines, particularly for collecting websites and long-term archiving. The aim is to build up a representative legal deposit collection that fully documents the publishing and publication history of the state of Brandenburg.

1 Einleitung

Die Erfüllung der gesetzlich geregelten Pflichtexemplaraufgabe, als eine der landesbibliothekarischen Kernaufgaben, obliegt im Land Brandenburg der Stadt- und Landesbibliothek (SLB) Potsdam, deren kommunaler Träger die Landeshauptstadt Potsdam ist. Dies regelt seit 1992 die zwischen dem Land Brandenburg und der Stadt Potsdam getroffene Vereinbarung zur Wahrnehmung landesbibliothekarischer Aufgaben, die durch das Land Brandenburg vollfinanziert werden.

Die Geschichte der SLB ist durch mehrfache institutionelle Neustrukturierungen geprägt. Das im bundesweiten Kontext als „einzigartig“ bezeichnete Bibliotheksmodell ist auf die 1968 vollzogene Fusion der Stadt- und Bezirksbibliothek mit der Landes- und Hochschulbibliothek auf der Grundlage eines Ministerratsbeschlusses der DDR zurückzuführen.[1] Ausgehend davon wurden die Aufgabenfelder der (öffentlichen) Stadt- sowie der (wissenschaftlichen) Landesbibliothek synergetisch miteinander verzahnt, so dass Nutzende die SLB bis heute als Einheit wahrnehmen.

2 Rechtsgrundlagen für die Pflichtexemplarpraxis

Für das Land Brandenburg liegt ab 1945 ein gesetzlicher Sammelauftrag für Pflichtexemplare vor. Der Präsident der damaligen Provinzialverwaltung Mark Brandenburg verpflichtete alle Verleger, je ein Exemplar sämtlicher in ihren Verlagen erscheinenden Bücher und sonstiges Druckmaterial als Belegexemplar (Pflichtexemplar) an die Provinzialverwaltung Mark Brandenburg abzuliefern. Mit der 1960 erfolgten Gesetzesnovellierung wurde die Landes- und Hochschulbibliothek Potsdam, ein Vorgänger der Stadt- und Landesbibliothek, mit dem Pflichtexemplarrecht betraut.

Bei der Neuregelung der Pflicht nach der politischen Wende konnte „[d]er Tendenz von Fachgremien und dem Wunsch der Bibliothekspraktiker nach Neuregelung der Pflicht in einem eigenständigen Gesetz zu diesem Zeitpunkt nicht entsprochen werden.“[2]

Heute ist das Pflichtexemplarrecht, auf deren Grundlage die SLB Potsdam tätig ist, im „Pressegesetz des Landes Brandenburg (Brandenburgisches Pressegesetz – BbgPG) vom 19. Mai 1993“[3] verankert. Mit der Änderung durch das Gesetz vom 21. Juni 2012 ist die Erweiterung der Ablieferungspflicht für Verlegerinnen und Verleger auch für digitale Ausgaben (Absatz 3 im § 13 BbgPG) erfolgt.

Nachfolgeverordnung zum BbgPG ist die „Verordnung des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur zur Durchführung der Brandenburgischen Landespressegesetze über die Anbietung und die Ablieferung von Pflichtexemplaren an die Stadt- und Landesbibliothek Potsdam (Pflichtexemplarverordnung – PflEV) vom 29. September 1994“[4], die einer Aktualisierung bedarf. Dies betrifft ebenso die in den Richtlinien[5] der in § 5 der PflEV enthaltene Entschädigungsregelung.

Von Relevanz für die Praxis in der Pflichtexemplarstelle der SLB Potsdam ist zudem der gemeinsame Runderlass[6] zur „Abgabe amtlicher Veröffentlichungen an Bibliotheken“ vom 7. März 1997 (allgemein auch „Abgabeerlass für AD“). Über den Runderlass wurde angewiesen, Karten und Pläne amtlicher Stellen in die Sammlungen einzubeziehen.

3 Sammelaktivitäten

Sowohl körperliche als auch unkörperliche Medien sind Gegenstand des für die Sammel- und Archivierungsaktivitäten maßgeblichen Pressegesetzes des Landes Brandenburg (BbgPG). „§ 7 Begriffsbestimmungen“ differenziert die Medienarten nach Veröffentlichungen auf Papier, besprochenen Tonträgern, bildlichen Darstellungen mit und ohne Schrift, Bildträgern und Musikalien mit Text oder Erläuterungen. Die seit 2012 geltende Gesetzesergänzung sieht die Sammlung von elektronischen Ausgaben als „digitale Ausgaben von Werken, die Druckwerken gemäß § 7 (§ 13 (3) BbgPG) gleichstehen“ vor. Offen geblieben ist die Frage des Sammel- und Archivierungsauftrages von Webseiten[7]. Darüber hinaus dienen als Orientierungshilfe in der alltäglichen Praxis interne Erwerbungs- und Archivierungsrichtlinien (EARL), denen die Sammelrichtlinien der Deutschen Nationalbibliothek (DNB) und die Empfehlungen der UAG Pflicht der Regionalbibliotheken zugrunde liegen.

Wachsende Anforderungen hinsichtlich des Sammel- und Archivierungsauftrages zur E-Pflicht setzten auch an der Pflichtstelle eine höhere Arbeitsteilung voraus. Folglich war eine Aufteilung von Zuständigkeiten nach Medienart Monographie in Abgrenzung zu Medienarten Periodika und amtliche Druckschriften, die inzwischen im Rahmen von 1,8 Vollzeitäquivalenten (VZÄ) wahrgenommen werden, unabdingbar.

Für die Erwerbungsvorgänge zur Pflichtabgabe von körperlichen Medien finden derzeit Evaluationen zwecks Anpassungen auf mehreren Ebenen statt. Mit Blick auf die geplante Inbetriebnahme eines neuen Bibliothekssystems wird das Ziel verfolgt, sämtliche Geschäftsvorgänge (Körperschaftsverwaltung, Zugangsnachweis, Sach- und Formalerschließung, Mahnung) in einem System abzubilden. Die bisher langjährig genutzte „Pflichtdatenbank“ zur Körperschaftsverwaltung wird entsprechend abgelöst. Darüber hinaus sind die Nutzung der DNB-Metadatendienste zur Recherchezwecken sowie die Einführung von standardisierten Wiedervorlageverfahren mittels Serienbriefen und Verzeichnissen in den Erwerbungs- und Mahnvorgängen vorgesehen, um die bisherige Methode der aktiven Suche bzw. der Vollständigkeitskontrolle zu systematisieren.

Mit dem 2007 in Betrieb genommenen leistungsfähigen OPUS-Repositorium „BrandenburgDOK“ konnte dem Anspruch der medienübergreifenden, uneingeschränkten Veröffentlichung von Netzpublikationen im weitverbreiteten, druckbildähnlichen und archivierungsfähigen PDF-Format Rechnung getragen werden.

4 Problembewusstsein in der Bestandserhaltung schaffen

Mit dem Aufkommen von Netzpublikationen und Digitalisierungsmaßnahmen kristallisieren sich nicht nur Chancen, sondern auch neue Herausforderungen für die Landesbibliothek heraus, die einer wohl durchdachten und zukunftsorientierten Herangehensweise bedürfen.

Dem Anspruch und der Notwendigkeit, den voranschreitenden medienübergreifenden Bestandszerfall hundertprozentig einzugrenzen, kann mit ziemlicher Sicherheit auch an der SLB nicht entsprochen werden. Folglich ist die Schaffung eines Problembewusstseins[8] für das Thema, verbunden mit reflektierter Prioritätensetzung, erforderlich: Lässt sich eine vertretbare Bewertung unserer Bestände vornehmen, um zu entscheiden, was für die Ewigkeit erhalten werden soll? Welche Kriterien können wir heranziehen? Welche bestandssichernden Maßnahmen sollen eingeleitet werden – sollen wir entsäuern, verfilmen und/oder doch nur digitalisieren? Können wir auf analoge Ressourcen zugunsten der Netzpublikationen bzw. Digitalisate gänzlich verzichten?

Die besonders vom Zerfall gefährdeten Pflichtexemplare sind dem Zeitraum von 1945 bis 1990 zuzuordnen, wobei die Zeitungsbände und die Mikrofiches mit höchster Priorität zu behandeln sind.

Zu beobachtende Entwicklungen zugunsten der Sammlung von E-Medien setzen deren elektronische Langzeitarchivierung voraus, die mangels adäquater Kapazitäten und Technologien an der SLB nur kooperativ umgesetzt werden kann. Das über den Kooperativen Bibliotheksverbund Berlin Brandenburg (KOBV) aufgesetzte und gehostete OPUS-Repositorium „BrandenburgDOK“ dient zunächst der Speicherung von Netzpublikationen im gängigen PDF-Dateiformat. Die Langzeitarchivierung der gespeicherten Daten ist über das EWIG-Langzeitarchiv des Konrad-Zuse-Instituts langfristig avisiert. Für die derzeit 70 Titel von Tageszeitungen samt ihren Regionalausgaben soll künftig das Regionalfenster der DNB genutzt werden. Inwiefern auf die Papiervorlagen der Hauptausgaben verzichtet wird, ist aus Kapazitätsgründen noch nicht final entschieden.

5 Fazit

Unser Anspruch liegt im Aufbau einer repräsentativen Pflichtexemplarsammlung mit dem vordergründigen Ziel, ein umfassendes und konsistentes Zeugnis über die brandenburgische Verlagsgeschichte, Publikations- und Verwaltungstätigkeit abzulegen.

Der Erweiterung des Auftrages zur Sammlung und Archivierung von Pflichtexemplaren im Jahr 2012 folgend, werden an der Pflichtstelle auf mehreren Ebenen organisatorische und technologische Bedarfe kontinuierlich evaluiert und im Rahmen der Möglichkeiten einer kleinen Einrichtung umgesetzt.

Die Aktualisierung der dem Pressegesetz des Landes Brandenburg (Brandenburgisches Pressegesetz – BbgPG) nachstehenden Pflichtexemplarverordnung (PflEV) gewinnt zunehmend an Bedeutung, insbesondere als Interpretationsgrundlage des Sammel- und Archivierungsauftrages von Webseiten. Der sich abzeichnende Trend zum elektronischen Publizieren hin setzt ebenfalls eine Aktualisierung der internen Erwerbungs- und Archivierungsrichtlinien voraus, deren derzeitiger Schwerpunkt auf dem Sammeln von körperlichen Medien liegt. Die mit der E-Pflicht zusammenhängende Umsetzung einer standardisierten Langzeitarchivierung kann ausschließlich in Kooperation mit dem KOBV oder einem weiteren adäquaten Partner erfolgen.

Die internen Arbeits- und Geschäftsprozesse unterliegen derzeit ebenfalls einer Neuausrichtung, die sich aus den hier aufgeführten Aufgabenfeldern zusammensetzt. Unter Zuhilfenahme des geplanten leistungsfähigen Bibliothekssystems wird auf die Optimierung und Effizienz von Workflows an der Schnittstelle zur Bibliographie und dem Referat Brandenburgica gesetzt.

Über die Autoren

Ramona Hübner

Ramona Hübner

Anita Szczukowski

Anita Szczukowski

Online erschienen: 2024-11-12
Erschienen im Druck: 2024-11-08

© 2024 bei den Autoren, publiziert von Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.

Downloaded on 31.10.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/bd-2024-0087/html?lang=en
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