Zusammenfassung
Die Digitalisierung bringt auch für Leistungserbringer im Gesundheitswesen Chancen und Herausforderungen bei der Förderung der Gesundheitskompetenz mit sich. So können nicht nur Zielgruppen online angesprochen werden, sondern Akteure können sich auch auf Multiplikatorenplattformen vernetzen. Der vorliegende Beitrag nennt Besonderheiten solcher Plattformen und stellt Ergebnisse zu motivationalen Rahmenbedingungen der Plattform-Nutzung vor.
Abstract
Fostering health literacy in an increasingly digitalized world comes with opportunities and challenges which also concern health care providers. Not only can target groups be addressed online, but health professionals can also use specialized community websites for networking. This article specifies distinctive characteristics of such networking sites and presents study results about motivational factors in using such platforms.
Health Literacy im digitalen Wandel
Health Literacy hat in der internationalen gesundheitswissenschaftlichen Diskussion in den vergangenen Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Der in Deutschland mit „Gesundheitskompetenz“ übersetzte Begriff fasst darunter nicht allein individuelle Fähigkeiten von Menschen, Informationen zu suchen, zu verstehen und zu bewerten, sondern auch die Leistung des Gesundheitswesens, relevante Informationen bereitzustellen, zugänglich zu machen und verständlich zu kommunizieren [1, 2]. Diese – auch als Qualitätsmerkmale von Gesundheitsinformation beschreibbaren – Aspekte haben erheblichen Einfluss darauf, wie leicht oder schwer es fällt, als Bürger gesundheitskompetent zu handeln.
Die Anwendungs- und Verbreitungsmöglichkeiten medialer Kommunikationsmittel und -kanäle haben sich in den vergangenen 50 Jahren zunehmend erweitert und neu konfiguriert. Insbesondere Internettechnologien haben im Zuge der „digitalen Revolution“ auch die gesundheitliche Aufklärung mit völlig neuen Herausforderungen konfrontiert. Die BZgA hat daher bereits vor einigen Jahren mit der systematischen Qualitätsentwicklung von internetbasierten Kommunikationsmedien begonnen [3] und führt aktuell in einem durch das BMBF geförderten Forschungsvorhaben unter dem Akronym CAHPOT (Community Access to Health Promotion via Online Tools, Laufzeit 2015–2018) ein weiteres Projekt durch, das zunächst die Leistungsfähigkeit einer webbasierten Internetplattform für Multiplikatoren auf kommunaler Ebene untersucht. Außerdem werden allgemeine Hinweise zur Entwicklung von Multiplikatorenplattformen im Gesundheitsbereich gewonnen.
Online-Netzwerke für Multiplikatoren
Vor allem große Unternehmen setzen interne soziale Online-Netzwerke ein [4]. In diesen Enterprise Social Networks (ESN) können Mitarbeitende Informationen abrufen und sich austauschen – ähnlich bekannten sozialen Netzwerken für Verbraucher wie facebook. Unternehmen können von zentraler Stelle Wissensdatenbanken pflegen, Mitglieder verwalten und Anreize zur Nutzung schaffen. Dennoch werden ESN oft nur zögerlich von Mitarbeitenden angenommen [5].
Für den Bereich Public Health besteht seit Ende 2012 mit inforo (www.inforo-online.de) eine eigene Plattform, die von der BZgA betrieben wird. inforo hat zum Ziel, kommunale Akteure aus den Ressorts und Fachgebieten Gesundheit, Jugend und Soziales über örtliche und institutionelle Grenzen hinweg zu vernetzen. Dadurch sollen bestehendes Wissen geteilt sowie Kooperationen örtlich und fachlich übergreifend gefördert werden. Zum Beispiel können bestehende Arbeitsgruppen auf der Plattform interne Diskussionen führen und Dokumente gemeinsam bearbeiten. Alle Mitglieder können nach Materialien suchen und diese auch selbst bereitstellen, nach Personen und Organisationen recherchieren und mit diesen Kontakt aufnehmen, Fachgespräche führen oder eine Seite der eigenen Organisation/Arbeitsgruppe erstellen.
Im Vergleich zu üblichen ESN ergibt sich eine Reihe von Besonderheiten. Am bedeutsamsten ist, dass die Zielgruppe nicht nur Mitarbeitende eines einzigen Unternehmens sind, sondern Personen, die bei verschiedensten Organisationen tätig sind (insbesondere im öffentlichen Dienst). Eine zentrale Mitgliederverwaltung oder Incentivierung zur Nutzung ist hier nicht möglich, ebenso wenig die Schaffung allgemeingültiger Rahmenbedingungen der Nutzung. Auch eine zentrale Befüllung mit Inhalten (z.B. Wissensdatenbank) ist bei inforo nicht vorgesehen, sondern die Inhalte sollen von den Nutzenden selbst geteilt werden. Des Weiteren ist davon auszugehen, dass viele (potenzielle) Mitglieder des öffentlichen Dienstes unsicher sind, ob und wie sie die Plattform ggf. unter Auslassung von Hierarchien nutzen dürfen [6]. Schließlich könnten sich zusätzliche Nutzungshürden durch eine generell niedrige Durchdringung von Online-Tools bei der Zielgruppe ergeben. Im Forschungsprojekt CAHPOT werden daher motivationale Rahmenbedingungen für die Nutzung von Vernetzungsangeboten erhoben.
Motivationale Faktoren der Nutzung
CAHPOT untersuchte im Sommer 2016 Rahmenbedingungen der Nutzung. Ein Online-Fragebogen mit 94 Teilnehmenden erhob Angaben rund um ein Bedingungsmodell der ESN-Nutzung von Chin et al. [7], das vier motivationale Faktoren benennt: (1) technologische Faktoren (z.B. Nutzerfreundlichkeit und allgemeine User Experience der Plattform), (2) organisationale Faktoren (z.B., ob das Teilen von Wissen als wichtig erachtet wird), (3) soziale Faktoren (z.B. Anteil der KollegInnen, die die Plattform nutzen) und (4) individuelle Faktoren (z.B. Erfahrung mit Social Software). Diese Faktoren münden im Modell im wahrgenommenen Wert der Plattform, getrennt nach hedonistisch (Spaß an der Nutzung) und funktional (Nützlichkeit für die Arbeit). Der wahrgenommene Wert wiederum bestimmt den Grad der Plattformnutzung.
Die Befragungsergebnisse unterstrichen u.a. den Bedarf nach einer verbesserten Nutzerfreundlichkeit (Usability). Die individuell wahrgenommene Usability und Qualität der Plattform-Inhalte standen auch in wesentlichem Zusammenhang mit dem Ausmaß der Nutzung. Regressions- und Mediatoranalysen zeigten darüber hinaus, wie stark die weiteren Faktoren die Nutzung erklärten. Die konsumierende, d.h. rein Inhalte abrufende Nutzung stand am stärksten mit organisationalen Faktoren im Zusammenhang, und zwar insbesondere damit, wie wichtig das Teilen von Wissen für die Nutzenden war und wie groß das Wissen darüber, wie die Plattform zum Erreichen der eigenen Ziele genutzt werden kann. Zudem zeigte sich ein Einfluss des wahrgenommenen Werts auf die Nutzung; der Einfluss des hedonistischen Werts war dabei noch stärker als der des funktionalen Werts. Dagegen hing das Ausmaß der aktiv Inhalte beitragenden Nutzung am stärksten von der wahrgenommenen Plattformsicherheit ab sowie von der Unterstützung durch Vorgesetzte. Der wahrgenommene funktionale Wert hatte auf die bereitstellende Nutzung einen stärkeren Einfluss als der hedonistische Wert.
Fazit und Ausblick
Die Befragung zeigte, dass für die Etablierung von Online-Multiplikatorenplattformen im Bereich Gesundheit eine Vielzahl von Bedingungen erfüllt sein muss. Neben einer hohen Nutzerfreundlichkeit als Grundvoraussetzung bedarf es klarer organisationaler Rahmenbedingungen, die auch das Teilen von Wissen über den direkten Arbeitskontext hinaus betonen. Der Spaß an der Nutzung hat auch im Arbeitskontext einen positiven Einfluss auf die Nutzung; zur Förderung der aktiv beitragenden Nutzung ist jedoch der funktionale Mehrwert wichtiger, also die effektive Unterstützung der Nutzenden in ihren Tätigkeitsbereichen der Gesundheitsförderung.
Bis 2018 wird CAHPOT daher besondere funktionale Bedarfe der Zielgruppe, spezielle Aspekte der Usability und User Experience (Nutzungserlebnis) und die Entwicklung einer Community auf inforo erheben und begleiten. Somit soll ein umfassendes Bild gezeichnet werden, welche Rahmenbedingungen bei der Entwicklung von Multiplikatorenplattformen für Health Literacy-Akteure beachtet werden müssen.
Conflicts of interest: Alle Autoren tragen Verantwortung für den gesamten Inhalt dieses Artikels und haben der Einreichung des Manuskripts zugestimmt. Finanzierung: Bundesministerium für Bildung und Forschung, (Grant/Award Number: ‚01EL1426B‘). Interessenkonflikt: Die Autoren erklären, dass kein wirtschaftlicher oder persönlicher Interessenkonflikt vorliegt. Ethisches Statement: Für die Forschungsarbeit wurden weder von Menschen noch von Tieren Primärdaten erhoben.
Conflicts of interest: All authors have accepted responsibility for the entire content of this submitted manuscript and approved submission. Funding: Federal Ministry of Education and Research Germany (Grant/Award Number: ‘01EL1426B’). Conflict of interest: Authors state no conflict of interest. Ethical statement: Primary data for human nor for animals were not collected for this research work.
Literatur
1. Die Förderung von Gesundheitskompetenz (Health Literacy) – Eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz 2015;58.10.1007/s00103-015-2233-3Suche in Google Scholar PubMed
2. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), Herausgeber. Social Media in der gesundheitlichen Aufklärung. In: Gesundheitsförderung Konkret. Köln: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), 2015.Suche in Google Scholar
3. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), Herausgeber. Health Literacy/Gesundheitsförderung – Wissenschaftliche Definitionen, empirische Befunde und gesellschaftlicher Nutzen. In: Forschung und Praxis der Gesundheitsförderung. Köln: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), 2016.Suche in Google Scholar
4. Bughin J. Taking the measure of the networked enterprise. In: McKinsey Quarterly (Zitierdatum 30.11.2016), aufrufbar unter http://www.mckinsey.com/business-functions/digital-mckinsey/our-insights/taking-the-measure-of-the-networked-enterprise.Suche in Google Scholar
5. Kügler M, Lübbert C, Smolnik S. Organizational climate’ s role in enterprise social software usage: an empirical assessment. In: Thomas O, Teuteberg F, Hrsg. 12. Internationale Tagung Wirtschaftsinformatik (WI 2015). Osnabrück, 2015:811–26.Suche in Google Scholar
6. Müller L-S, Fritzsche S, Hartenstein H, u. a. Ein Soziales Netzwerk als internes Kommunikationsmittel für die öffentliche Verwaltung – Potenziale, Herausforderungen (Zitierdatum 30.11.2016), aufrufbar unter http://www.isprat.net/fileadmin/downloads/projekte/2013/Soziale%20Netzwerke%20fu%CC%88r%20die%20o%CC%88ffentliche%20Verwaltung/ISPRAT_Projekt_Abschlussbericht_SNOEV.pdf.Suche in Google Scholar
7. Chin CP, Evans N, Choo K-K. Exploring factors influencing the use of enterprise social networks in multinational professional service firms. J Organ Comput Electron Commer 2015;25: 289–315.10.1080/10919392.2015.1058118Suche in Google Scholar
©2017 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston
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Artikel in diesem Heft
- Frontmatter
- Editorial
- Editorial
- Gesundheitskompetenz – Was ist das?
- Gesundheitskompetenz messen – Kritischer Blick auf standardisierte Verfahren
- Developments and perspectives of health literacy in Europe
- Gesundheitskompetenz in Deutschland – Nationaler Aktionsplan
- Gesundheitskompetenz von gesetzlich Krankenversicherten
- Gesundheitskompetenz in der Schweiz: bestätigte Befunde - aber nicht so gut wie erwartet
- Gesundheitliche Kompetenz erhöhen, Patientensouveränität stärken
- Gesundheitskompetenz und Patientensicherheit
- KomPaS: Studie zur Kommunikation und Patientensicherheit
- Gesundheitskompetenz durch Patientenschulungen – ein Überblick
- Patientenschulungen bei chronisch kranken Kindern, Jugendlichen und Eltern
- Gemeinschaftliche Selbsthilfe und Gesundheitskompetenz
- Forderung der Gesundheitskompetenz – Erfahrungen im Rahmen der Patientenuniversitat
- Faktenboxen – Wie passen Evidenz und Laienverständlichkeit zusammen?
- Leichte Sprache: Verständlichkeit ermöglicht Gesundheitskompetenz
- Patentrezept Medienkompetenz. Ein Weg zur Steigerung der Gesundheitskompetenz?
- Informationen aus dem Internet
- Gesundheitskompetenz vernetzen: Qualitätsentwicklung von Online-Multiplikatorenplattformen
- Abwehrreaktionen und negative Effekte von Gesundheitsinformationen
- Gesundheitskompetente Krankenbehandlungseinrichtungen
- Health Literate Organizations – ein Konzept für den deutschen stationären Sektor?
- Händehygiene und Gesundheitskompetenz im Kontext von Patientensicherheit im Krankenhaus
- Gesundheitskompetenz und Wahlentscheidungen bei öffentlichen Qualitätsvergleichen
- Die Entwicklung der Gesundheitskompetenz in der frühen Kindheit
- Gesundheitskompetenz, subjektive Gesundheit und Gesundheitsverhalten bei Studierenden
- Gesundheit als schulische Bildung?
- Gesundheitskompetenz im Alter fördern – Partizipative Interventionsentwicklung im Projekt „GeWinn“
- Health literacy and palliative care
- Public Health Infos
Artikel in diesem Heft
- Frontmatter
- Editorial
- Editorial
- Gesundheitskompetenz – Was ist das?
- Gesundheitskompetenz messen – Kritischer Blick auf standardisierte Verfahren
- Developments and perspectives of health literacy in Europe
- Gesundheitskompetenz in Deutschland – Nationaler Aktionsplan
- Gesundheitskompetenz von gesetzlich Krankenversicherten
- Gesundheitskompetenz in der Schweiz: bestätigte Befunde - aber nicht so gut wie erwartet
- Gesundheitliche Kompetenz erhöhen, Patientensouveränität stärken
- Gesundheitskompetenz und Patientensicherheit
- KomPaS: Studie zur Kommunikation und Patientensicherheit
- Gesundheitskompetenz durch Patientenschulungen – ein Überblick
- Patientenschulungen bei chronisch kranken Kindern, Jugendlichen und Eltern
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- Forderung der Gesundheitskompetenz – Erfahrungen im Rahmen der Patientenuniversitat
- Faktenboxen – Wie passen Evidenz und Laienverständlichkeit zusammen?
- Leichte Sprache: Verständlichkeit ermöglicht Gesundheitskompetenz
- Patentrezept Medienkompetenz. Ein Weg zur Steigerung der Gesundheitskompetenz?
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- Gesundheitskompetenz vernetzen: Qualitätsentwicklung von Online-Multiplikatorenplattformen
- Abwehrreaktionen und negative Effekte von Gesundheitsinformationen
- Gesundheitskompetente Krankenbehandlungseinrichtungen
- Health Literate Organizations – ein Konzept für den deutschen stationären Sektor?
- Händehygiene und Gesundheitskompetenz im Kontext von Patientensicherheit im Krankenhaus
- Gesundheitskompetenz und Wahlentscheidungen bei öffentlichen Qualitätsvergleichen
- Die Entwicklung der Gesundheitskompetenz in der frühen Kindheit
- Gesundheitskompetenz, subjektive Gesundheit und Gesundheitsverhalten bei Studierenden
- Gesundheit als schulische Bildung?
- Gesundheitskompetenz im Alter fördern – Partizipative Interventionsentwicklung im Projekt „GeWinn“
- Health literacy and palliative care
- Public Health Infos