Zusammenfassung
Eine Internetrecherche nach Gesundheitsinformationen ist für viele Menschen zur Normalität geworden. Die Schwäche des Internets ist aber oft die Qualität der Information. Deshalb wären bei Nutzerinnen und Nutzern spezifische Kompetenzen zur kritischen Bewertung erforderlich, die aber nicht vorausgesetzt werden können. Neben Anstrengungen zur Vermittlung solcher Kompetenzen, sind insbesondere Kooperationen von Anbietern „guter“ Informationen nötig, um sich in der Konkurrenz der Angebote besser durchzusetzen.
Abstract
Searching for health information on the internet has become the norm for many people. One common drawback of the internet is the quality of the information. Users should ideally critically assess information using specific competencies, which they cannot be presumed to have. In addition to promoting these competencies, collaboration between providers of “good” information is necessary in order to gain a better competitive.
Die Nutzung „Neuer Medien“ ist in allen Bereichen des Alltags für viele Menschen zur Normalität geworden. Das gilt auch für Fragen zur Gesundheit. Nach den zur Verfügung stehenden Umfragen, nutzt längst eine Mehrheit der Deutschen das Internet zur Recherche nach Antworten auf Gesundheitsfragen [1], [2], [3], [4]. Oft ist ein Arztbesuch der Anlass, sich vorab Informationen zu beschaffen, nicht selten soll „Dr. Web“ aber auch den Kontakt zu Ärzten erübrigen. Diese virtuelle Konsultation ist rund um die Uhr möglich und auch unangenehme Themen lassen sich anonym recherchieren.
Die Schwäche des Internets ist oft die Qualität der dort zu findenden Informationen. Primärer Zugang zur Information sind kommerzielle Suchmaschinen. Nach einer Analyse des Gesundheitsmonitors von Bertelsmann Stiftung und Barmer GEK ist für etwa 80 Prozent der Nutzer immer oder meist eine Suchmaschine Startpunkt der Recherche [3]. Und für 38 Prozent sind die ersten Treffer ausreichend: Oft schauen Nutzer nur auf die erste Trefferseite (mit zehn Treffern), die dann noch von Anzeigen meist kommerzieller Anbieter eingerahmt sind. Qualitätsanforderungen, insbesondere die Evidenzbasierung, spielen bei der Rangfolge der Treffer keine Rolle: Gutes und Schlechtes, Evidenzbasiertes und auf Behauptungen Beruhendes liegen häufig nur einen Klick auseinander.
Das Suchmaschinen-Ranking determiniert also aktuell zu einem erheblichen Teil, welche Seiten und Informationen in die Wahrnehmung der Nutzerinnen und Nutzer gelangen. Wikipedia und kommerzielle Anbieter sind oft unter den ersten Treffern, unabhängige und evidenzbasierte Angebote können sich zwar behaupten, das Ranking ist aber themenabhängig sehr variabel. „Gute“ Informationen zu finden und auch zu erkennen, ist schon für Menschen mit hoher Gesundheitskompetenz schwierig. Die zentrale Herausforderung liegt deshalb darin, qualitätsgesicherte Gesundheitsinformationen sichtbarer zu machen. Im Bereich Gesundheit sind die Standards, was eine „gute“ Information ist, eigentlich ausreichend definiert. In Deutschland tut das zum Beispiel die „Gute Praxis Gesundheitsinformation“ [5]. Sie beschreibt Aspekte, die Ersteller bei der Recherche und Schreiben einer evidenzbasierten Information beachten sollen. Wie wird der aktuelle Stand des Wissens recherchiert? Was unternimmt ein Ersteller, damit die Informationen verständlich sind? Wie werden zum Beispiel die wesentlichen Vor- und Nachteile einer Behandlung so beschrieben, dass Patientinnen und Patienten sich ein realistisches Bild davon machen können? Wie werden die Kompetenzen von Leserinnen und Leser berücksichtigt? Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Anforderungen umzusetzen; die „Gute Praxis“ macht deshalb keine Vorschriften. Sie fordert aber, dass Ersteller ihre grundsätzlichen Methoden und Prozesse aufschreiben und veröffentlichen. Erste Ersteller haben sich bereits zur Umsetzung verpflichtet [6].
Standards sind kein Selbstzweck
Solche Standards werden aber allein kaum etwas ändern. Die wenigen Untersuchungen zur Frage, wie Menschen Gesundheitsinformationen suchen und auswählen, zeigen, dass Standards dabei kaum eine Rolle spielen [3], [7]. Um Bürgerinnen und Bürgern, die das Internet nutzen, bei der Orientierung zu helfen, braucht es praktische Unterstützung. Dazu gehört die Vermittlung von Kompetenzen, Informationen nach Qualität zu bewerten und in die eigene Entscheidung einfließen zu lassen. Dazu ist das Internet allerdings vermutlich nicht das optimale Medium. Zum einen ist es erst einmal für bestimmte Gruppen eine zusätzliche Barriere: Man muss mit schriftlichen Informationen umgehen können, braucht einen Internetzugang und einen Computer oder ein geeignetes mobiles Gerät. Zudem erfordert die Benutzung von Geräten und Software selbst weitere Kompetenzen. Bislang gibt es nur eine begrenzte Anzahl an Studien, in denen das Internet zur expliziten Vermittlung von Gesundheitskompetenzen erprobt wurde [8], [9]. Klare Konzepte liegen bisher noch nicht vor.
Gute Angebote müssen sichtbarer werden
Wichtig ist es aber zudem, qualitativ hochwertige Angebote durch Kooperationen untereinander besser sichtbar zu machen, sodass die Nutzung dieser Angebote selbstverständlich wird. Dabei hilft es vermutlich nicht, auf die eigene Qualität hinzuweisen. In Studien war die Internetnutzung mit einem allgemeinen Vertrauen in die Gesundheitsinformationen assoziiert [7]. Auch Personen, die vorab Bedenken hinsichtlich der Qualität von Informationen äußerten, waren bei einer „echten“ Suche dann meist wenig kritisch: Wenn sie bei einer Recherche beobachtet wurden, beendeten sie oft die Suche, sobald sie die ersten Informationen gefunden hatten, die ihrem Informationsbedürfnis entsprachen. Dies erfolgte unabhängig von Qualitätskriterien und oft wurde einer Information geglaubt, ohne deren Quellen zu hinterfragen [7].
Das Vertrauen in und die Glaubwürdigkeit von Informationen bzw. Webseiten hängt zum großen Teil von Faktoren ab, die wenig mit der tatsächlichen inhaltlichen Qualität zu tun haben. Aspekte wie ein ansprechendes Design oder der Zugang und die Navigierbarkeit der Webseite sind sehr wichtig, um Akzeptanz zu finden. Zudem wird Informationen eher vertraut, die die eigenen Erfahrungen und Einstellungen bestätigen [7]. Dies stellt eine besondere Herausforderung für evidenzbasierte Informationen dar – vor allem, wenn evidenzbasierte Informationen im Widerspruch zu bestehenden Ansichten der Nutzerinnen und Nutzer stehen.
Hier kommt auf Ärzte und andere Gesundheitsberufe eine neue Rolle zu, auf die auch sie noch vorbereitet werden müssen [10], um z.B. Informationsempfehlungen für adäquate Webseiten an die Patienten weiterzugeben. Wenn Ärzte (sich und) ihre Patienten nicht dem Dschungel des Internets überlassen wollen, müssen sie mehr und mehr eine vorsortierende, einordnende Aufgabe übernehmen und auch selbst wissen, welche Dienste lohnenswert sind, um ggf. zum Kurator von Informationen zu werden.
Das hat aber auch Auswirkungen auf Angebote wie zum Beispiel Gesundheitsinformation.de des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Solche Angebote müssen zum einen die erforderlichen Qualitätsstandards umsetzen, zum anderen gleichzeitig aktiv daran arbeiten, bekannter und akzeptierter zu werden [10].
Conflicts of interest: Alle Autoren tragen Verantwortung für den gesamten Inhalt dieses Artikels und haben der Einreichung des Manuskripts zugestimmt. Finanzierung: Die Autoren erklären, dass sie keine finanzielle Förderung erhalten haben. Interessenkonflikt: Die Autoren erklären, dass kein wirtschaftlicher oder persönlicher Interessenkonflikt vorliegt. Ethisches Statement: Für die Forschungsarbeit wurden weder von Menschen noch von Tieren Primärdaten erhoben.
Conflicts of interest: All authors have accepted responsibility for the entire content of this submitted manuscript and approved submission. Funding: Authors state no funding involved. Conflict of interest: Authors state no conflict of interest. Ethical statement: Primary data for human nor for animals were not collected for this research work.
Literatur
1. Eurostat. Personen, die das Internet zur Beschaffung von gesundheitsrelevanten Informationen genutzt haben. http://ec.europa.eu/eurostat/tgm/graph.do?tab=graph&plugin=1&pcode=tin00101&language=de&toolbox=data.Search in Google Scholar
2. Statistisches Bundesamt. 40 Millionen Menschen in Deutschland informieren sich im Internet über Gesundheitsthemen. 2016. https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressemitteilungen/zdw/2016/PD16_14_p002pdf.pdf.Search in Google Scholar
3. Baumann E, Czerwinski F. Erst mal Doktor Google fragen? Nutzung Neuer Medien zur Information und zum Austausch über Gesundheitsthemen. Gesundheitsmonitor 2015. Gütersloh: Verlag Bertelsmann Stiftung, 2015:57–79.Search in Google Scholar
4. Koch K, Thranberend T. Gesundheitsinformationen: Google als Anbieter eigener Inhalte. Dtsch Arztebl 2015;112:A-1370.Search in Google Scholar
5. Autorengruppe GPGI. Gute Praxis Gesundheitsinformation. Z. Evid. Fortbild. Qual. Gesundh. Wesen (ZEFQ) 2015;109:144–152. http://www.ebm-netzwerk.de/pdf/publikationen/gpgi2.pdf.Search in Google Scholar
6. Autorengruppe GPGI. Gute Praxis Gesundheitsinformation. Liste der Unterzeichner. http://www.ebm-netzwerk.de/pdf/publikationen/gpgi-unterzeichner.pdf.Search in Google Scholar
7. Zschorlich B, Gechter D, Janßen IM, Swinehart T, Wiegard B, Koch K. Gesundheitsinformationen im Internet: Wer sucht was, wann und wie? Z Evid Fortbild Qual Gesundhwes 2015;109:144–52.10.1016/j.zefq.2015.03.003Search in Google Scholar PubMed
8. Berkman ND, Sheridan SL, Donahue KE, Halpern DJ, Viera A, Crotty K, et al. Health literacy interventions and outcomes: an updated systematic review. Rockville (MD): Agency for Healthcare Research and Quality (US); 2011 Mar. (Evidence Reports/Technology Assessments, No. 199.) Available from: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK82434/.10.7326/0003-4819-155-2-201107190-00005Search in Google Scholar PubMed
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10. Bittner A. Erfahrungen, Einstellungen und Umgang von Ärzten mit informierten Patienten. Gesundheitsmonitor 2016. Gütersloh: Verlag Bertelsmann Stiftung, 2016:141–59.Search in Google Scholar
©2017 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston
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