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Vorwort

Veröffentlicht/Copyright: 21. Mai 2023
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Infolge der deutschen Teilung ist die unterschiedliche Entwicklung der staatlich geförderten »Kunst am Bau« oder »baubezogenen Kunst« dem Thema immanent. Politische Botschaften transportierten beide, die DDR sicher programmatischer und kontinuierlicher als die Bonner Republik, die schon früh auf thematische Vorgaben verzichtete. Die baugebundene Kunst in der DDR erreichte fast sämtliche Bereiche des öffentlichen Lebens. Wie prägend ihr Pendant im Westen insgesamt wirkte, bildet noch ein Desiderat der Forschung.

Gemeinsam ist den Kunstwerken in Ost und West, dass sie in die Jahre gekommen, unansehnlich, oft missverstanden und durch all das gefährdet sind – je größer und enger an den Bau gebunden, desto dramatischer. Wo man auch hinblickt, stets scheint es auf Abnahme bzw. Demontage und Einlagerung hinauszulaufen – und schon darüber ist man froh, obwohl der ursprüngliche Sinn dieser öffentlichen Kunst damit vollständig unterlaufen wird. So gut wie nie wird ein Bauwerk allein um seiner »Kunst« willen erhalten.

Noch immer mangelt es oft an Überblick über den Bestand, an vertieften Kenntnissen und infolgedessen an Schutzausweisungen. Einige Länder treiben engagiert eine systematische Inventarisation voran, andere sehen Kunst am Bau eher als Beifang, der schon ins Netz gehen wird, wenn der Fisch nur groß genug ist.

Das vorliegende Heft greift wichtige Aspekte des weiten Themenfelds auf: Den Auftakt macht Ute Chibidziura, die einen Überblick über die Inventarisation der Kunst an Bundesbauten gibt und zu einem gesellschaftlichen Schulterschluss für den Schutz dieses (auch monetär) kostbaren Bestands aufruft. Christine Onnen erläutert die systematische Erfassung baubezogener Kunst in Brandenburg, deren Methodik durch eine sinnvolle Teamarbeit von Inventarisation und Restaurierung gekennzeichnet ist und damit ein Vorbild für andere Länder darstellen könnte.

In welcher Weise das bei jungen Denkmalen relevante Urheberrecht denkmalfachlichen Erhaltungszielen erheblich entgegenstehen kann, zeigt Eberhard Taube am Fall des größten Pop-Art-Wandbilds Europas am Hamburger Szene-Club Grünspan auf. Sarah Linke analysiert die im doppelten Sinne bewegte Translozierungsgeschichte eines historischen Brunnens in Rostock und die Inwertsetzungsmöglichkeiten durch zeitgenössische Kunst.

Um die Inventarisation der »Kunst am Bau an Hochschulen« geht es Michael La Corte, Mitbegründer der gleichnamigen deutschlandweiten Arbeitsgruppe, dessen Beitrag einen Einblick in die Vergabepraxis an der Universität Tübingen in der Nachkriegszeit gibt. Stefan Krabatsch vom Staatlichen Bauamt Regensburg schildert eindringlich die integrale Qualität der baugebundenen Kunst der dortigen Campus-Universität und die Schwierigkeiten ihrer Pflege aus Eigentums- und Nutzungsperspektive. Eine spektakuläre Wiederentdeckung präsentieren Angela Mitschke und Brit Münkewarf mit dem Emaillefries des Pressecafés von Willi Neubert und ordnen es in das übergreifende Kunstkonzept des Berliner Alexanderplatzes ein. Ein breites Spektrum unterschiedlicher Restaurierungsstrategien zeigt Torsten Nimoth am Beispiel sächsischer Putzschnitte auf, eine Werkgruppe, die aufgrund ihrer massenhaften Verbreitung und konservativen Tradition oft unterschätzt wird. Welche Herausforderungen, aber auch staunenswerten Ergebnisse die Restaurierung monumentaler Keramikkunst bereithält, schildern Sabine Meinel und Christine Pieper schließlich am Beispiel der Wandbilder von Josep Renau in Halle-Neustadt.

In ihrem Tagungsbericht zum sozialistischen Kunsterbe im Norden der DDR greift Julia Gerber die komplexe Problematik noch ungenügender Erfassung, notwendiger Bewertung und dringlicher Erhaltung auf. Kurzberichte aus den Ländern, die sich vielfach ebenfalls dem Schwerpunktthema widmen, runden das erfreulich kunstsinnige und farbenreiche Heft ab.

Für die Redaktion

MELANIE MERTENS

Published Online: 2023-05-21
Published in Print: 2023-05-01

© 2023 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston, Germany

Heruntergeladen am 22.9.2025 von https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/DKP-2023-1002/html
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