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Bewahren?! Mosaiken und keramische Wandflächen in der Denkmalpflege

  • Elgin Vaassen
Published/Copyright: May 21, 2023
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Bewahren?! Mosaiken und keramische Wandflächen in der Denkmalpflege Konferenzband zur Fachtagung des Amtes für Kultur und Denkmalschutz der Landeshauptstadt Dresden 4. bis 6. Oktober 2022 Dresden (Sandstein Verlag). 2022 416 Seiten, 325 meist farbige Abb. Klappenbroschur, € 29,90, ISBN 978-3-95498-686-6


Bereits die Satzzeichen im Titel betonen die Forderung zum Bewahren, und die Dresdner Tagung beschäftigte sich, kurz vor dem in Potsdam stattfindenden Kolloquium Mosaik in situ – transloziert – museal[1], vor allem mit diesem Aspekt der Thematik. Anlass und Motivation der vom Amt für Kultur und Denkmalschutz verantworteten Veranstaltung war die Restaurierung des monumentalen Fassadenmosaiks »Mutter und Kind« von Siegfried Schade in Dresden-Prohlis, das eine breite Diskussion um Erhaltung, Akzeptanz und Neuplatzierung entfacht hat. Die inhaltlich weit gefächerten Texte des bereits zu Tagungsbeginn vorgelegten Konferenzbands bieten verständlicherweise nur einen Querschnitt, da die Fülle der Objekte eine Gesamtschau gar nicht ermöglichen kann.

Der zwischen Prolog und Epilog drei große Kapitel umfassende Band blickt zunächst auf die Geschichte des Mosaiks in Deutschland und Österreich, auf dessen Restaurierungen und die dabei angewandten Methoden zurück. In den folgenden zwei Kapiteln widmet er sich der Nachkriegsmoderne in Beispielen aus der Restaurierungspraxis und -geschichte, wobei unter den Begriffen Mosaik und Wandflächen großzügig jedwede zusammengesetzte, auch dreidimensionale Gestaltung subsumiert wird. Insgesamt sind aber Historisches, Restaurierung und moderne Arbeiten nicht strikt getrennt. Die Publikation ist umfangreich bebildert und bietet viele Informationen für Ämter, Bauherr*innen, Architekt*innen und andere dem Metier Verbundene.

Im ersten Kapitel Mosaiken und keramische Wandflächen im Rückblick werden zunächst die künstlerischen und handwerklichen Anforderungen moderner Mosaikgestaltung dargestellt und die auch zeitgenössische Bedeutung des »pictus musivarius« hervorgehoben. Jedoch bleiben dieser Artikel und eine Münchner Firmengeschichte ohne eigentlichen Bezug zum Tagungsthema.[2] Zu bedauern ist außerdem, dass andere alte, auf dem Gebiet der Mosaikrestaurierung erfahrene Werkstätten nicht vertreten sind. Aus Österreich werden die Tiroler Glasmalerei- und Mosaikanstalt in Innsbruck und die kleineren Tiroler Firmen von Pfefferle in Zirl und deren Nachfolgerin Storch vorgestellt.

Der Beitrag »Das venezianische Mosaik aus dem 13. Jahrhundert in der Potsdamer Friedenskirche« beleuchtet die nach der Translozierung durchgeführte frühe Restaurierung kurz nach 1836 und die heutigen wissenschaftlichen Untersuchungen dazu.[3]

Mehrere Autor*innen dieses und des nächsten Kapitels beschäftigen sich mit der Geschichte und Werken von Puhl & Wagner (P&W) in Berlin, was die große Bedeutung unterstreicht, die diese Firma bis in die Nachkriegszeit besaß. Einer der langjährigen Mitarbeiter war der Künstler Heinrich Jungebloedt, dessen Schaffen eigens gewürdigt wird. Zum Mosaikmaterial von P&W sei bemerkt: Die (farbigen) »Kuchen« und daraus geschlagenen Smalten bzw. die Goldgläser und -tesserae samt ihren »vetre volante« basieren auf der heute durchaus als Industriespionage zu empfindenden Forschung von Heinrich Schwarz aus den Jahren 1885 und 1887. Auch die angesprochene Verwendung von farbigem Grundglas für Goldtesserae erwähnte bereits Schwarz für Venedig bzw. Murano. Kurz danach begann man in Berlin mit der Produktion.[4] Und zur Schilderung der Schäden beim Silbermosaik in dem von P&W geschaffenen Marienmosaik der Frauenfriedenskirche in Frankfurt-Bockenheim wäre zu ergänzen, dass der Schmelzprozess beim Blattsilber im Vergleich zum Goldmosaik durch die größere Stärke des Blattmetalls eingeschränkt ist. Vorkommende Schäden beruhen meist auf ungenügender Schmelzqualität. Benannt sind auch die angewandten Konservierungs- und Restaurierungsmethoden, wie Retuschen mit Paraloid und mit Acrylfarben. Erfahrungsgemäß sind diese im Außenbereich leider nicht nachhaltig, doch die geschützte Nischenlage des Mosaiks wendet hier hoffentlich Verluste ab.

Ein weiterer Beitrag befasst sich mit der Baukeramik der Wiener Moderne, die sich auf Gottfried Semper und seine Ansichten vom Zusammenhang zwischen Wand und Ge-Wand, dem »Gewand der Wand« und den teppichartigen Charakter der Architekturkeramik stützte. Sempers Ideen wurden vielfach umgesetzt, büßten aber mit Aufkommen des Bauhauses ihre Wirkung für lange Jahre ein. Ferner gibt es den Verweis auf die Schwierigkeiten bei der Ergänzung von Glasuren, die auch von anderen Objekten bekannt geworden sind.

Die Referate im zweiten Kapitel Mosaiken und keramische Wandflächen der Nachkriegsmoderne in Deutschland reichen von denkmalpflegerischen Gesichtspunkten über Künstlerporträts und das Schicksal einzelner Objekte bis hin zu restauratorischen Verfahren und technologischen Details, speziell zur Keramik. Ein Schwerpunkt liegt auf Objekten der DDR, ergänzt durch Werke des entsprechenden Zeitraums in den alten Bundesländern, in Österreich und der Schweiz. Dabei erweisen sich die behandelten, oft riesigen Gebilde der DDR-Kunst zwar vielfach als ideologisch besetzt, teils aber auch völlig frei davon wie die gezeigten Beispiele in Rostock-Evershagen. Manche Themen berühren eher soziologische als restauratorische Aspekte. Daneben betonen Denkmalpfleger*innen aus Ost wie West die notwendige, doch meist erst in den Anfängen steckende Erfassung und Inventarisierung von Kunst am Bau. Exemplarisch vorgestellt werden städtische Erfassungskampagnen in Leipzig und Nürnberg.[5]

Die Künstlerbiografien und Untersuchungen von Einzelwerken, zum Beispiel in den Ausführungen zu Walter Womacka, Georg Meistermann oder Josep Renau, ergeben viele Bausteine für weitere kunstwissenschaftliche Forschungen und für die Inventarisation, ebenso wie die Recherchen zu vielen leider zu beklagenden Verlusten. Zu Womackas Entwürfen zum Fries am Haus des Lehrers in Berlin wäre ein Hinweis auf die schwierige technologische Konzeptfindung der Restaurierung wünschenswert gewesen, und bei Karl Heinz Adlers Gestaltung am Rathaus in Plauen sei auf die Asbest-Problematik in den Morinolprodukten aufmerksam gemacht.

Mehr oder weniger »angerissene« restauratorische Technologien können nur erster Information dienen: Beispiele zu Translozierungen und Umwidmungen, vorgenommen in verschiedenen Städten, sind sowohl für musivische als auch für keramische Werke beschrieben, etwa in Schwerin, Leipzig, Rostock, Nürnberg, Erfurt, Meißen oder Berlin-Schönhausen. Auch die Problematik, die sich für Kunstwerke bei anstehenden Wärmedämmungen von Fassaden wie in Frankfurt (Oder), Hoyerswerda oder Saarbrücken ergibt, wird angesprochen. Eine Besonderheit sind sicher die Ergänzungen der großflächigen Keramion-Platten in Frechen. Vor neue Herausforderungen der denkmalgerechten Erhaltung stellt die Verkleidung von Wandkeramik in den U-Bahnhöfen von München und Berlin.

Ein Bericht zur Sicherung und Restaurierung von Mosaiken demonstriert die noch weitgehend pilotartige Methode des Abrollens. Es bleibt zu fragen, wie das System bei härteren, festeren Mörtelbindungen funktionieren könnte. Interessant ist die Aussage zur »Mangelverwaltung« in der DDR, als man wegen fehlenden Materials bei Ergänzungen von Mosaiken die Smalten halbierte.

Übergreifende Beiträge widmen sich Zeitzeugen in Frankfurt (Oder), der Geschlechterspezifik, generell der Ostmoderne und werktechnischen Kriterien keramischer Wandbilder, erforscht an der Technischen Universität Dresden.

Das dritte und letzte Kapitel Mosaiken und keramische Wandflächen der Nachkriegsmoderne außerhalb Deutschlands stellt Objekte vor in der Schweiz, Aserbaidschan, der Ukraine, in Polen, Tschechien, der Slowakei und Nordmazedonien, quasi ein Blick »über den Rand«, vor allem wichtig für die durch den Krieg gefährdeten Werke der Ukraine.

Im Prolog der Publikation wurde der Wunsch formuliert, »die hier präsentierte Vielfalt der Werke wie auch der Herausforderungen an die Denkmalpflege mögen in der Summe eine Inspiration für künftige, noch unbearbeitete Projekte darstellen.« Man kann nur hoffen, dass diese Inspiration zur Umsetzung führt.

Elgin Vaassen

Published Online: 2023-05-21
Published in Print: 2023-05-01

© 2023 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston, Germany

Downloaded on 21.9.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/DKP-2023-1017/html
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