Kunst am Bau der Universität Regensburg
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Stefan Krabatsch
Die Universität Regensburg zählt zu den zahlreichen Neugründungen, die im Rahmen der westdeutschen Hochschulbildungsoffensive in den 1960er und 1970er Jahren entstanden sind. Der Gründungsbeschluss durch den Bayerischen Landtag erfolgte im Jahr 1962, bereits im Jahr 1965 konnte der Grundstein gelegt und zum Wintersemester 1967/68 der Vorlesungsbetrieb aufgenommen werden; die Fertigstellung der letzten Fakultätsbauten 1978 markiert den Abschluss der universitären Gründungs- und Aufbauphase. Als vierte bayerische Landesuniversität sollte Regensburg nicht nur den Uni-Standort München entlasten, sondern auch den bis dahin bildungs- und wirtschaftspolitisch vernachlässigten ostbayerischen Raum stärken.
Die grundlegende architektonische Strukturplanung als sogenannte Campus-Universität geht auf den Leiter des früheren Universitätsbauamts und späteren Hochschullehrer an der Technischen Universität München, Helmut Gebhard (1926–2015), zurück. Neben dem Universitätsbauamt Regensburg mit seinem federführenden Planer Rudolf Deschermeier (* 1935) zeichneten mit Alexander Freiherr von Branca (1919–2011; Zentralbibliothek, 1969–1974) und Kurt Ackermann (1928–2014; »Studentenhaus«, 1971–1974, heute Studierendenhaus) weitere namhafte Architekten für zwei am Forum, dem zentralen, zweigeteilten Platzraum der Universität, gelegene Sichtbetonbauten verantwortlich. Das städtebauliche Gesamtkonzept, seine gestalterische Homogenität und die hohe architektonische und freiräumliche Qualität wurden in der Fachwelt vielfach gewürdigt (BDA-Preis Bayern 1975, Deutscher Betonbau-Preis 1977, Fritz-Schumacher Medaille 1977).[1]
Nicht minder bedeutsam ist die baugebundene Kunst, die geradezu ein Charakteristikum der Regensburger Universität bildet und gleichermaßen den Freibereich wie das Innere der Bauten prägt; sie ist daher auch Gegenstand kunstwissenschaftlicher Forschungen und Publikationen.[2] Für die Auswahl lobte das Universitätsbauamt (heute Staatliches Bauamt Regensburg, Bereich Hochschulbau) von Beginn an Kunstwettbewerbe aus, ergänzt um gezielte Ankäufe aus dem Kostenansatz für künstlerische Ausgestaltung. Die im Mai 2022 erfolgte Eintragung der vier Forumsbauten in die Bayerische Denkmalliste umfasste daher auch alle sowohl in diesen Bauten als auch auf dem Forum befindlichen Kunstwerke.[3]
Wahrzeichen: Koenigs Universitätskaryatide
Ein frühes Beispiel bildet die bronzene Karyatide R von Fritz Koenig (1924–2017) aus dem Jahr 1969 (Abb. 1), die den im November 1965 in Anwesenheit des damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Alfons Goppel gesetzten Grundstein miteinbezieht.[4] Die 7 Meter hoch aufragende, frei stehende Plastik wurde am ursprünglichen Haupteingang der Universität auf dem westlichen Vorplatz des sogenannten Sammelgebäudes angeordnet. Koenig schuf einen viereckigen, nach oben verjüngten Schaft, der über einer sich verknorpelnden Gelenk- oder Kapitellzone einen um 45 Grad gedrehten Quader trägt. Dieser scheint aus mehreren Kuben und Prismen zusammengesetzt; in die Lücken seines Gefüges spreizen sich atlantenhaft, in dramatisch-dynamischer Gestik die organisch gerundeten, bisweilen auch kantigen Glieder der Gelenkzone. Die gestapelte Fügung der oberen Last erscheint einerseits als herausfordernde physische Belastung der tragenden Stütze, gleichzeitig droht diese Last an den erkennbaren Fugen in ihre Einzelteile zu zerbrechen. Die scheinbare Gewissheit der Rollenverteilung von Tragen und Lasten wird durch die offensichtliche Zerbrechlichkeit der Last um die Dimension der Gefahr des Scheiterns erweitert, was angesichts des Balanceakts auf der Spitze des dünnen Schafts umso dramatischer anmutet. Das Kunstwerk ist in einem guten Erhaltungszustand, Wind und Wetter haben die Bronze nur zart mit grünlicher Patina überzogen.

Westlicher Vorplatz der Universität Regensburg, Fritz Koenig, Karyatide R, 1969, Aufnahme 2023

Studierendenhaus, Foyer, Adolf Luther, drehbares Hohlspiegelobjekt, 1976, Aufnahme 2022
Licht und Raum: Luther, Gollwitzer und Lechner
Im Nordwesten des Forums liegt das Studierendenhaus mit seinem charakteristischen Betonpfeilerskelett und den gestaffelten geschlossenen Betonkuben des studentischen Theaters. Das längliche Foyer beinhaltet zwei herausragende Kunstwerke von Adolf Luther (1912–1990), einem Vertreter der kinetischen Kunst.[5] Beide Werke sind – trotz ihrer zerbrechlichen Materialität – intakt und voll funktionsfähig: Die aus einem Wettbewerb 1974/75 hervorgegangene, knapp über dem Boden hängende serielle Reihung besteht aus 7 mal 20 rechteckigen Hohlspiegelkästen, 5,50 Meter lang und knapp 2 Meter hoch. Das zweite hier vorgestellte Kunstwerk besteht aus sechs senkrechten, schmalen Plexiglaskästen, die oben und unten über ein drehbares Metallgelenk im Boden und in der Stahlbetonrippendecke des Foyers verankert sind (Abb. 2). Sie beinhalten auf der Vorder- und der Rückseite je fünf übereinanderstehende runde und flache Hohlspiegel. Die ansprechende Proportion der Spiegelkästen sowie die sofort verständliche Einfachheit der Konstruktion verführen die Betrachtenden unweigerlich dazu, in geradezu kindlicher Neugierde die drehbaren Objekte »auszuprobieren«, sodass sich immer wieder neue Raumeindrücke, Reflexionen und Wahrnehmungen inszenieren lassen.
Direkt neben dem Studierendenhaus befindet sich das abgetreppte Foyer des Zentralen Hörsaalgebäudes mit dem Auditorium maximum.[6] Der wie die meisten am Forum gelegenen Bauten in den Jahren 1971–1974 errichtete Gebäudekomplex besitzt im oberen Teil seines Foyers eine polygonale Sitz- und Veranstaltungsfläche, über der als Ergebnis eines Kunstwettbewerbs von 1973 eine elegante, asymmetrisch in den Raum ausgreifende Plexiglas-Plastik von Josef Gollwitzer (1917–2006) von der Decke hängt (Abb. 3).[7] Das transparente, konstruktivistisch anmutende Kunstwerk erreicht ungefähr eine Gesamtlänge von rund 11,50 Meter und eine Höhe von etwa 4,50 Meter. 25 schmale eckige Hohlkörper von unterschiedlicher Länge greifen in verschiedenen Winkeln in den Raum aus und sind untereinander durch runde Plexiglasbolzen in ihrer Lage und Position gesichert. Sanfte Lichtreflexionen und Schattenwürfe materialisieren das Werk in seinem Umgebungsraum.

Zentrales Hörsaalgebäude, Foyer, Josef Gollwitzer, Plexiglas-Plastik, 1973, Aufnahme 2023
Ebenfalls mit der Materialisierung des Lichts setzt sich eine 6 Meter hohe Lichtsäule von Florian Lechner (* 1938) aus dem Jahr 1973 inmitten der an der Ostseite des Forums leicht erhöht gelegenen und nach Plänen Alexander Freiherr von Brancas errichteten Zentralbibliothek auseinander (Abb. 4).[8]
Als Kontrapunkt zu den Beton-Freipfeilern, noch dazu scheinbar aus der Reihe tanzend, verkörpert Lechners Glassäule einen offensichtlichen Widerspruch, denn obwohl sie bis zur Kassettendecke hochreicht, ist sie keinesfalls in der Lage, die Deckenlast zu tragen. Dominic E. Delarue sieht in Lechners Glassäule assoziativ die »Fackel der Aufklärung«, deren Licht, getragen von den Universitäten und Bibliotheken, die Freiheit des Denkens gestiftet habe. Die tragende Unterkonstruktion besteht aus einem filigranen Rundstahlgerippe, ihre Punkthalterungen fixieren (teils in mehreren Schichten hintereinander) die in einem aufwendigen Umformungsprozess entstandenen wässrigschimmernden, opaken Glasplatten. Neben den Reflexionen des über zahlreiche Oberlichter einströmenden natürlichen Tageslichts sah Lechner von Anfang an die Möglichkeit vor, die Säule von unten her zu beleuchten.

Zentralbibliothek, Vorhalle, Florian Lechner, Lichtsäule, 1973, Aufnahme 2023
Platzbestimmend: Kleinknecht und Gerg
Das in der öffentlichen Wahrnehmung sicherlich am stärksten präsente Kunstwerk des Campus, einerseits aufgrund seines exponierten und leicht auffindbaren Aufstellungsorts am Nordrand des Forums, andererseits wegen seiner einprägsamen, elementaren Grundform, ist die infolge eines Wettbewerbs 1977 geschaffene Kugelplastik Angehaltene Bewegung von Hermann Kleinknecht (* 1943; Abb. 5).[9] Die labile Position der Kugel ist Kleinknechts wesentlicher künstlerischer Konzeptionsansatz. Zunächst sollte sie auf einer schrägen Ebene angeordnet werden, im weiteren Planungsprozess entstand eine Bodenwelle, auf deren Scheitel der kreisrunde, 4 Meter hohe Körper aus dunklem Tombak-Blech nun ruht. Jenseits der jahrtausendealten symbolischen Überfrachtung des Kugelmotivs und einer möglichen Deutung im Sinne der einheitsstiftenden universitas, der lateinischen Wortwurzel für Universität, bildet Kleinknechts Motiv einen ästhetischen Identifikationspunkt für den Regensburger Campus. Die hohe Beliebtheit und Frequentierung des Platzes hat unterschiedliche Folgen. Die Kugel ist seit vielen Jahren Ziel von Beklebungen, die bereits mehrfach durch das Aufbringen stilisierter Augen in eine comicartige Umdeutung der Kugel gipfelten, was jeweils von einer lebhaften Sympathiewelle innerhalb des jungen Universitätspublikums begleitet wurde. Nicht unerhebliche Eingriffe hatte auch die unmittelbare Umgebung hinzunehmen, vom Beseitigen der ursprünglichen, in Wellentälern gefassten Baum-Pflanztröge in der Nachbarschaft bis hin zum Austausch des Verlegemusters auf der gesamten Platzfläche vor wenigen Jahren zwecks Verbesserung des Gehkomforts. Auch diese Maßnahmen haben die Wahrnehmung von Kleinknechts Kugel in den letzten Jahren schrittweise verändert.

Forum, Hermann Kleinknecht, Angehaltene Bewegung, 1977, Aufnahme 2021
Der gefährdeten Gruppe von Brunnenanlagen ist das 1974 geschaffene Einlaufbecken am Forums-See von Blasius Gerg (1927–2007) zuzuordnen (Abb. 6).[10] Das Wasser wird von unten gegen fünf stilisierte gekrümmte Granit-Fontänen gedrückt und spritzt in ein seichtes Auffangbecken zurück. Über den ersten Teil einer Kaskadenfolge fällt das Wasser in ein tieferes Becken, bevor es sich über einen zweiten Wasserfall in den See ergießt. Die neben der Wasserkaskade verlaufenden gepflasterten und gewellten Stufenanlagen »fließen« von den Seiten in die höhenversetzten Becken. Auf den ebenen Plateaubereichen der Brunnenanlage ermöglichen dunkle Granitplatten als Trittstufen im Wasser ein Überqueren des dynamisch durchströmten Kunstwerks, das mit der schwebend aufgeständerten Bibliothek Alexander Freiherr von Brancas im Hintergrund als eine Art moderner Neuinterpretation römisch-barocker Wasserschaufronten gesehen werden kann. Die denkmalgeschützte Anlage musste vor einigen Jahren stillgelegt werden. Eine erneute Inbetriebnahme wird jedoch angestrebt.
Instandsetzung und Pflege
Universitätsverwaltung und Staatliches Bauamt eint das Bestreben, baugebundene Kunstwerke in ihrem Bestand zu erhalten oder im Bedarfsfall wiederherzustellen. Trotz dieses Grundansatzes kann es in Einzelfällen dazu kommen, dass künstlerische Objekte mitunter mehrere Jahre auf ihre Restaurierung warten müssen. Die Gründe hierfür sind vielfältig, betreffen allerdings vorrangig Kunstwerke, die mit dem Medium Wasser verbunden sind. Derartige technische Reparaturen sind aufwendig und/oder teuer, bisweilen mögen auch hygienische Überlegungen eine Wiederinbetriebnahme der Brunnenanlagen verhindern. Daneben gibt es aber auch Fälle baugebundener Kunst, bei denen der Umfeldbezug, beispielsweise durch Sanierungsmaßnahmen oder die Nachrüstung von technischer Infrastruktur, im Laufe der Zeit beeinträchtigt oder sogar gestört wurde.

Forum, Blasius Gerg, Einlaufbecken (außer Betrieb), 1974, Aufnahme 2023
Es scheint bemerkenswert, dass nahezu alle künstlerischen Werke von größeren Vandalismus-Übergriffen verschont blieben – sieht man von durchaus häufigen Beklebungen mit sogenannten Stickern ab, deren Verschandelungs- und Schädigungspotenzial nicht unterschätzt werden darf. Möglicherweise hängt dies auch mit der hohen Identifikationskraft der baugebundenen Kunst der Universität Regensburg zusammen und dem damit einhergehenden Respekt vor der Qualität der Einzelobjekte, der ihre Erhaltung begünstigt.
Eine interessante Einzelinitiative vonseiten einer staatlichen Institution zum Schutz oder zur Wiederherstellung von Kunstwerken gab es in den Jahren 2017 und 2018: Dabei hat der Bayerische Oberste Rechnungshof nach Vorankündigung bei der damaligen Obersten Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr eine Querschnittsprüfung zu »Kunst am Bau im Staatlichen Hochbau« durchgeführt, die mit Besichtigungen der Liegenschaften vor Ort und der Zustandsprüfung der einzelnen Kunstwerke einherging.[11]
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Abbildungsnachweis
1, 3–6: Stefan Krabatsch, Staatliches Bauamt Regensburg. — 2: Stefan Hanke, Sinzing; © VG Bild-Kunst, Bonn 2023.
© 2023 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston, Germany
Artikel in diesem Heft
- Inhalt
- Vorwort
- Aufsätze
- Kunst am Bau als gesamtgesellschaftliche Aufgabe
- Systematische Erfassung baubezogener Kunst der DDR-Zeit in Brandenburg. Ein Zwischenbericht
- Erhaltungsgrundsatz versus Urheberrecht
- Der John-Brinckman-Brunnen in Rostock
- Kunst am Bau der Universität Tübingen
- Kunst am Bau der Universität Regensburg
- Ein Wiedersehen mit dem Kunstfries Die Presse als Organisator
- Verlust und Rettung baugebundener Kunst am Beispiel der Putzschnittbilder von Hermann Glöckner und Günther Wendt
- Monumentale Verheißungen
- Berichte
- Drinnen & draußen – Kunst im Norden der DDR
- 50 Jahre Institut für Denkmalpflege an der ETH Zürich
- Aktuelles
- Baden-Württemberg
- Rezensionen
- Tendenzen der 80er-Jahre
- Handbuch der Gartendenkmalpflege
- Bewahren?! Mosaiken und keramische Wandflächen in der Denkmalpflege
- Call For Papers
- Die Denkmalpflege 2/2023
Artikel in diesem Heft
- Inhalt
- Vorwort
- Aufsätze
- Kunst am Bau als gesamtgesellschaftliche Aufgabe
- Systematische Erfassung baubezogener Kunst der DDR-Zeit in Brandenburg. Ein Zwischenbericht
- Erhaltungsgrundsatz versus Urheberrecht
- Der John-Brinckman-Brunnen in Rostock
- Kunst am Bau der Universität Tübingen
- Kunst am Bau der Universität Regensburg
- Ein Wiedersehen mit dem Kunstfries Die Presse als Organisator
- Verlust und Rettung baugebundener Kunst am Beispiel der Putzschnittbilder von Hermann Glöckner und Günther Wendt
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- Berichte
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- 50 Jahre Institut für Denkmalpflege an der ETH Zürich
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