Zusammenfassung
Die Schreibsprache der Reichsstadt Nürnberg in der Frühen Neuzeit kennzeichnet eine enge Verwobenheit dialektgeographischer und soziokultureller Einflüsse. Im vorliegenden Beitrag werden zunächst die Ergebnisse eines Forschungsprojekts zu der Schreibsprache der Nürnberger Briefbücher um 1400 vorgestellt, um Fragen von Regionalität und Überregionalität nordostoberdeutscher Schriftlichkeit zu klären. Das hohe Prestige der Nürnberger Kanzleisprache ist durch politische und wirtschaftliche Faktoren beeinflusst wie später ebenso der deutlich erkennbare Wechsel zum gemeinen Teutsch bairischer Prägung. Nach dem Übertritt zur Reformation orientierte sich die offizielle Schriftlichkeit weitgehend am ostmitteldeutschen Vorbild Martin Luthers, während Privatbriefe der Zeit in Abhängigkeit von Bildung und Wirkungskreis der Schreibenden eine Vielzahl (über-)regionaler Varianz aufweisen. Durch die bewusste Entscheidung zu einer am Protestantismus orientierten Schreibsprache wird die öffentliche Schriftlichkeit in der Zeit der Glaubensspaltung zunehmend zum Mittel konfessioneller Positionierung im Sinne von „Enregisterment“ oder „Stancetaking“. Die Studie hat zum Ziel, Regionalität und Kulturalität für die Frühe Neuzeit neu zu bewerten.
5 Literatur
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