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Zur Diskursivierung des konzeptuellen „Wienerischen“ in historischen Zeitungen

Ein medienlinguistischer Beitrag zur historischen Stadtsprachenforschung
  • Martina Werner EMAIL logo
Published/Copyright: July 31, 2024

Zusammenfassung

Die Erforschung des Historischen „Wienerischen“ als Stadtsprache verfügt über eine lange Tradition und ist gleichzeitig ein heterogenes Feld, einerseits aufgrund des Untersuchungsgegenstandes (Definition von „Stadtsprache“), andererseits aufgrund der Quellenlage bzw. methodischer Zugänge, bei denen sich inner- und außersprachliche Aspekte unter medien- und soziohistorischer wie kultureller Perspektive verdichten. In der vorliegenden qualitativen Studie werden Daten aus historischen Zeitungen der Datenbank ANNO von der ersten Erwähnung der Varietät bis 1900 untersucht; zunächst im Hinblick auf die Frage, inwieweit und ab wann in historischen Zeitungen die Annahme einer medial repräsentierten Stadtsprache („Wienerisch“) empirisch nachweisbar ist. Es zeigt sich, dass „Wienerisch“ in etwa ab Ende des 18. Jahrhunderts diskursiviert wird. Eine daran anknüpfende Frage ist, inwieweit das historisch-mediale „Wienerisch“ dem linguistisch verbrieften Wienerisch als historische Stadtsprache entspricht, was mithilfe von Fachliteratur aus der historischen Dialektologie überprüft wird. Im Artikel wird gezeigt, dass die zur Charakterisierung des „Wienerischen“ in den historischen Zeitungen erwähnten sprachlichen Aspekte verschiedene linguistische Systemebenen (konkret: Phonetik/Phonologie, Lexik, Grammatik) berühren, eine Bestimmung exklusiver Wiener Stadtsprachlichkeit jedoch zuweilen problematisch ist, da die in den Zeitungen diskursivierten Sprachmerkmale oft entweder (über)regionaler Natur, also nicht spezifisch „wienerisch“, sind, oder historisch nicht immer verlässliche Angaben existieren. Gleichzeitig zeigen sich im Diskurs des 19. Jahrhunderts bereits zentrale Entwicklungen zugunsten eines konzeptuellen „Wienerischen“, die vorangehende Diskurstraditionen des 18. Jahrhunderts aufgreifen und auch diskursiv fortwirken: einerseits „Wienerisch“ als überwiegend humoristisch inszenierte Varietät zur Identitätsstiftung (innere Perspektive), andererseits aber auch als Repräsentant (als „Marke“) eines Kulturraums (äußere Perspektive).

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Online erschienen: 2024-07-31
Erschienen im Druck: 2024-08-01

© 2024 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Downloaded on 24.9.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/jbgsg-2024-0017/html
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