
Wie soll zukünftig deutsche Außenpolitik auf europäischer und internationaler Bühne aussehen? Wie soll mit den aktuellen außenpolitischen Herausforderungen umgegangen werden? Wie kann die aktuelle internationale und europäische Ordnung gewahrt werden? Diesen Fragen gehen Leon Mangasarin und Jan Techau in ihrem Buch nach und schlagen vor, dass deutsche Außenpolitik sich zukünftig am Konzept der servant leadership (dienendes Führen) orientieren soll.
Das Buch ist in zwei Hauptstränge gegliedert: 1. dem Entwurf und der Anwendung einer Außenpolitik des dienenden Führens (servant leadership) und 2. der Bestandsaufnahme der aktuellen geopolitischen und strategischen Lage Deutschlands und den sich daraus ergebenen Herausforderungen sowie einer Handlungsempfehlung für die Außenpolitik Deutschlands.
Die Autoren führen in der Einleitung ihres Buchs das Konzept der servant leadership ein und wenden es auf das Feld der Außenpolitik an. Die Konzeption einer Außenpolitik des dienenden Führens lässt sich mit folgenden Schlagworten umschreiben: symbolische Zurückhaltung, Multilateralismus, Langfristigkeit, vorausschauende Planung, Einstehen für gemeinsame Interessen, Gefolgschaft einfordern, Vorbildfunktion in der Umsetzung gefasster Beschlüsse sowie bei der Aufrechterhaltung ökonomischer und militärischer Fähigkeiten. Dieses Konzept dient im zweiten Kapitel als Blaupause, an der die deutsche Außenpolitik unter Bundeskanzlerin Angela Merkel geprüft wird, mit dem Ergebnis, dass Deutschlands außenpolitisches Handeln nicht immer dem Anspruch eines servant leaders gerecht geworden ist (beispielsweise in der Flüchtlingpolitik).
Grundlage für die Umsetzung einer Außenpolitik des dienenden Führens ist eine Strategie, die verdeutlicht, „welche Sache [der servant leader] eigentlich dienen will“ (S. 25), weshalb die Autoren im ersten Kapitel folgerichtig den Fokus auf die strategische Situation und Fähigkeit Deutschlands legen. Ihr Urteil reiht sich in den Duktus des aktuellen Diskurses ein und stellt fest, dass es Deutschland auf vielen Ebenen an strategischen Fähigkeiten und deshalb in Konsequenz auch an einer tragfähigen und langfristigen außenpolitischen Strategie fehlt. Diese Erkenntnis wird anschließend in den Kapiteln 3, 4 und 5 ausgebaut und aus verschiedenen Perspektiven diskutiert: in Kapitel 3 wird die geopolitische Lage Deutschlands und deren Implikationen für deutsche Außenpolitik dargelegt. Kapitel 4 zeichnet die Westbindung als konstitutives Merkmal deutscher Außenpolitik nach. In Kapitel 5 identifizieren die Autoren als größtes Hindernis für eine servant leadership Deutschlands die „strategische Leichtfertigkeit“, welche historisch bedingt ist und eine „reduzierte außenpolitische Kultur“ (S. 100) zur Folge hat. Hierfür werden unter anderem folgende Beispiele angebracht: Unverständnis über die strukturelle Instabilität Europas, Unkenntnis der sicherheitspolitischen Abhängigkeit von den USA, die Rolle des Militärs und der Geheimdienste, die Bedeutung des Freihandelns und die Notwendigkeit einer nuklearen Abschreckung.
Abschließend zeichnen Mangasarin und Techau in Kapitel 6 eine strategische Agenda Deutschlands und diskutieren – in Rückgriff auf das Konzept der servant leadership – kursorisch, wie Deutschland zukünftig außenpolitisch handeln sollte. Dabei nehmen sie die Europäische Union, die europäische sowie östliche Nachbarschaft, Russland, Türkei, den Balkan und den Bereich Verteidigung in den Blick. Spätestens hier zeigt sich, dass der Begriff der servant leadership im Bereich der Außenpolitik ein vielversprechender Ansatz ist, jedoch mehr analytische und konzeptionelle Tiefe braucht. Die Autoren diskutieren zwar nachvollziehbar und klug die strategischen Herausforderungen in den einzelnen Bereichen, jedoch ist die selbst aufgetragene Rückbindung an das Konzept der servant leadership oft zu kurz.
Das Buch reiht sich in einen Diskurs ein, der schon länger geführt wird, an den jedoch leider nicht explizit angeknüpft wird. So haben beispielsweise bereits Stephan Bierling[1], Hans Kundnani[2] sowie Herfried Münkler[3] aus einer ähnlichen Richtung die wieder neu aufgeworfene Frage nach dem Machtstatus und dem sich daraus ergebenden außenpolitischen Modell für Deutschland versucht zu beantworten. Der Mehrwert den Mangasarin und Techau für diesen Diskurs geben können, liegt im zweiten Hauptstrang: der strategischen und geopolitischen Verortung Deutschlands. Das Buch kann dazu beitragen, dass auch im allgemeinen außenpolitischen Diskurs zwischen politischen und wissenschaftlichen (Fach-)Eliten, Medien und Bevölkerung strategische Argumente und Perspektiven mehr Beachtung finden und ein größeres Gewicht erhalten. Damit ist ein erster wichtiger Schritt getan, an den im zweiten Schritt eine konzeptionell und analytisch tiefere Auseinandersetzung mit dem überaus interessanten Ansatz der servant leadership im Bereich der Außenpolitik anschließen sollte (hier wäre auch eine explizit wissenschaftliche Untersuchung denkbar).
© 2017 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston
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