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Nazrin Mehdiyeva: When Sanctions Bite: Global Export Leadership in a Competitive World and Russia's Energy Strategy to 2035. 2017.

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Published/Copyright: September 11, 2017

Wie reagiert Russland auf die Sanktionen der westlichen Staatengemeinschaft? Wie stellt es sich vor allem im Bereich der Energiepolitik auf die neue Situation einer strategischen Gegnerschaft mit dem Westen ein. Mit diesen Fragen befasst sich die vorliegende Analyse. Die Autorin wird in dieser Studie für das NATO Defense College als Expertin für Russlands Energie-, Sicherheits- und Außenpolitik mit Ph.D. von der Oxford Universität vorgestellt. Sie berate internationale Organisationen, Regierungen und Unternehmen über Energiesicherheit. Der Titel ihrer Untersuchung benennt drei Aspekte, mit denen sie sich befassen will: Sanktionen, globale Führungspositionen im Exportbereich und Russlands Energiestrategie bis zum Jahr 2035. Die Sanktionen stehen an erster Stelle, was den Eindruck erweckt, dass sie im Wesentlichen auf die 2014 gegen Russland verhängten Wirtschaftssanktionen und ihre Wirkung auf die russische Wirtschaft eingeht. Bei dieser Studie geht es jedoch praktisch ausschließlich um den letzten Entwurf der „Energiestrategie Russlands für die Zeitperiode bis 2035“. Wann dieses Dokument veröffentlicht wurde, geht aus dem Text nicht hervor; der von der Autorin angegebene Link zur ES-2035 http://www.energystrategy.ru/ab_ins/source/ES-2035_09_2015.pdf weist aber auf September 2015 als entsprechendes Datum hin.

Nach Mehdiyeva ist es das Ziel der russischen Energiestrategie auf die gegen Russland verfügten Wirtschaftssanktionen und auf die Bemühungen des Westens zu reagieren bestehende Abhängigkeit von russischen Energieimporten zu verringern. Der Kreml, wie sie schreibt, nehme das westliche Sanktionsregime als nationale Sicherheitsbedrohung wahr. In Moskaus Sicht ginge es dem Westen nicht nur darum, Russland aus seinen traditionellen Versorgungsmärkten im EU-Europa heraus zu drängen, sondern auch aus den Baltischen Staaten, aus Ostmitteleuropa einschließlich der Ukraine und aus dem Balkan. In der Sicht Moskaus werde dieses Ziel des Westens nach dem Durchbruch in der Schiefer-Öl-und Gas-Extraktion in den Vereinigten Staaten und mit der Aufhebung des Verbots von US-Rohöl-Exporten im Dezember 2015 mit zunehmender Schärfe verfolgt.

Dem hinzuzufügen wäre, dass diese Befürchtungen Moskaus Nahrung durch neuere Entwicklungen erhalten haben. Das betrifft vor allem die im Juni 2017 begonnenen Lieferungen US-amerikanischen Flüssiggases an Polen und das im selben Monat vom US-Senat mit großer Mehrheit (98:2) angenommene Gesetzespaket, das eine Ausweitung der Sanktionen gegen Russland vorsieht. Die derzeitig gültigen US-Sanktionen verbieten westlichen Unternehmen, Waren oder Dienstleistungen für Ölprojekte der nächsten Generation an Russland zu liefern. Speziell handelt es sich dabei um arktische Offshore-, Tiefsee- und Schieferprojekte. Der Gesetzentwurf erweitert die US-Beschränkungen in zweierlei Weise. Erstens weitet es Sanktionen auf Projekte aus, an denen russische Unternehmen beteiligt sind − unabhängig davon, in welchem Land sie sich befinden. Russischen Unternehmen soll dadurch die Möglichkeit genommen werden, Fachwissen wie beispielsweise fortgeschrittene Bohrtechniken von westlichen Partnern zu erwerben. Zweitens verlangt die Gesetzesvorlage von der Exekutive, Sanktionen gegen ausländische Firmen zu verhängen, die erhebliche Investitionen in russische Ölprojekte der nächsten Generation vornehmen. Diese Bestimmung − ein klassischer Fall extraterritorialer Sanktionen – könnte Unternehmen auf der ganzen Welt davon abhalten, in Russland zu investieren und würde damit das Risiko verringern, dass mögliche US-Projekte zur Öl-Exploration und Produktion von ausländischen Konkurrenten übernommen werden.

Während die meisten der im Gesetzesentwurf des Senats vorgesehenen Sanktionen obligatorisch sind, wird eine wichtige Maßnahme dem Ermessen der Exekutive überlassen: die Verhängung von Sanktionen für Investitionen in den Bau von Pipelines. Wenn das Finanzministerium, also die Institution, die für die Umsetzung der Sanktionen zuständig ist, diese Bestimmung ausführen würde, könnte sie Sanktionen gegen Unternehmen verfügen, die als Investoren, Lieferanten oder Auftragnehmer an russischen Pipeline-Bauprojekten mitwirken. Zu den dieser Bestimmung unterliegenden Projekten gehört auch Nord Stream 2.

Das vorliegende Papier geht auf die vom Kreml gehegten Befürchtungen und auf die Überlegungen und tatsächlich durchgeführten Maßnahmen ein, um der wahrgenommenen westlichen wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Herausforderung zu begegnen. Es stellt zuerst die ES-2035 vor und beschreibt, wie sich diese von den bisherigen Energiestrategien der Jahre 2003 und 2009 unterscheidet. Danach wird Moskaus Sicht auf die grundlegenden Veränderungen in der globalen Energiewirtschaft dargestellt und die Verknüpfung von Energiesicherheit und nationaler Sicherheit im russischen Denken herausgearbeitet. Das Papier wendet sich dann den Maßnahmen zu, die in der ES-2035 vorgesehen sind, um Russlands Stellung als weltweit führender Energieexporteur zu behaupten.

Die Autorin identifiziert zwei Maßnahmenbündel, mit denen Moskau dieses Ziel verfolgen will. Das erste Bündel an Maßnahmen beinhalte eine Fortsetzung oder womöglich Ausweitung der Förderung von Erdgas und Erdöl auch in Zeiten niedriger Ölpreise. Ziel soll es sein Russland einen größeren Marktanteil zu sichern. Dabei sei der asiatische Markt und vor allem China von großer Bedeutung. Das zweite Bündel sei darauf ausgerichtet, Russland resistent gegen Sanktionen durch eine umfassende Substitutionspolitik zu machen.

Mehdiyevas Untersuchung ist informativ, überzeugend und wirklichkeitsnah. Sie scheint sich bewusst zu sein, was ein russischer Parlamentarier über ES-2035 gesagt hat und den sie zitiert. Die Strategie sollte „innovativ“ sein und „mobilisierend“ wirken; sie bräuchte aber „nicht immer der Wirklichkeit “ Rechnung zu tragen.

http://www.ndc.nato.int/news/news.php?icode=1014

Online erschienen: 2017-9-11

© 2017 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

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