Home Ellie Geranmayeh und Kadri Liik: The New Power Couple. 2016.
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Ellie Geranmayeh und Kadri Liik: The New Power Couple. 2016.

  • Sven Fikenscher EMAIL logo
Published/Copyright: September 11, 2017

Der Titel der Studie lässt darauf schließen, dass Russland und der Iran – zumindest mit Blick auf ihre Nahost-Politik – eine Partnerschaft gebildet haben, die die strategischen Entwicklungen in der Region maßgeblich bestimmt. Interessanterweise zeigt die Lektüre der Analyse, dass Geranmayeh und Liik genau dies bestreiten. Im Lichte der anhaltenden Diskrepanzen zwischen Moskau und Teheran halten sie es für „verfrüht, von einer Allianz oder Koalition zu reden“. An anderer Stelle bekunden sie sogar ihre Zweifel daran, dass sich an diesem Ist-Zustand in absehbarer Zeit etwas ändern könnte. Eine umfassende strategische Kooperation beider Länder halten sie zwar nicht für kategorisch ausgeschlossen, aber für vergleichsweise unrealistisch. Insofern sind Russland und der Iran keinesfalls ein einheitliches Power Couple, sondern bewegen sich bestenfalls, wie es in einem Zitat von einem nicht näher genannten iranischen Regierungsberater heißt, „innerhalb der Konturen einer strategischen Freundschaft“. Der Begriff „strategische Freundschaft“, zu dem sich in der gängigen Fach-Literatur praktisch keine Erläuterungen finden, wird bedauerlicherweise nicht näher erklärt. In demselben Zitat heißt es nur, dass sich der Terminus „von einer strategischen Partnerschaft unterscheidet.“ Momentan zeigt sich die „strategische Freundschaft“ beider Länder vor allem im Kontext ihrer militärischen Zusammenarbeit in Syrien. Dort stehen russische sowie iranische Einheiten den Truppen des syrischen Diktators Baschar al-Assad bei, der seinen Herrschaftsanspruch in einem blutigen Bürgerkrieg gegen aufständische Milizen zu behaupten versucht. Lediglich in diesem eingeschränkten Rahmen verwenden Geranmayeh und Liik den Allianz-Begriff, der mit Blick auf das Vorgehen Moskaus und Teherans in Syrien auch mehr als angemessen ist. Es kommt jedoch ebenfalls zur Sprache, dass sich die Kooperation beider Seiten bei anderen Fragen innerhalb klarer Grenzen bewegt. So hat Russland dem Iran zwar ein hochmodernes S-300 Luftabwehrsystem geliefert und unterstützt das iranische Begehren, ständiges Mitglied der Shanghai Cooperation Organisation zu werden, steht aber zugleich in Verdacht, eine entsprechende Entscheidung hinter verschlossenen Türen blockiert zu haben. Der Iran erklärte nach der russischen Annexion der Krim wiederum, in dem Streit über die Zugehörigkeit der Halbinsel eine neutrale Position einzunehmen. Die Studie beinhaltet zudem eine sorgfältige Analyse der Hintergründe der russisch-iranischen Kollaboration und ihres eingeschränkten Charakters. Als zentrale Ursache der beidseitigen Annäherung wird nicht zuletzt eine entschiedene Ablehnung jeglicher regime change-Überlegungen – mit Blick auf Syrien wie auch auf alle anderen von Despoten regierten Länder – genannt, von denen sowohl Wladimir Putin wie auch die iranische Führung ihren eigenen Machtanspruch bedroht sehen. Moskau und Teheran sind sich darüber hinaus auch in dem Wunsch nach einer multipolaren Ordnung einig, die nicht-westlichen Kräften mehr Einfluss zubilligen sollte. Einer noch engeren Zusammenarbeit steht den Autoren zufolge die Bedeutung der arabischen Länder sowie Israels, die Russland nicht mit einer uneingeschränkten Kooperation mit deren Widersacher Iran vor den Kopf stoßen möchte, im Wege. Zudem fürchtet die iranische Führung – vor allem die technokratischen Kreise in der Regierung – teilweise um ihre außenpolitische Unabhängigkeit und ist in der Frage einer engeren Anbindung an Russland gespalten. Leider kommen die Verhandlungen zur Begrenzung von Irans Atomprogramm, in denen Moskau gemeinsam mit dem Westen Druck auf Teheran ausübte, ein wenig zu kurz. Eine detailliertere Betrachtung der Verhandlungen hätte möglicherweise weitere Ursachen für den nach wie vor begrenzten Umfang der russisch-iranischen Zusammenarbeit identifizieren können. Dennoch bietet die Analyse auch so einen sehr umfassenden wie plausiblen Überblick über das aktuelle Ausmaß der russisch-iranischen Kooperation im Nahen Osten. Zudem ist sie verständlich geschrieben. Geranmayeh und Liik beenden ihre Überlegungen mit einem Aufruf an die EU, auf Russland sowie den Iran diplomatisch einzuwirken, um Assad zu einem Kompromiss mit der syrischen Opposition zu bewegen.

http://www.ecfr.eu/publications/summary/iran_and_russia_middle_east_power_couple_7113

Online erschienen: 2017-9-11

© 2017 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

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