Die Studie beginnt und endet mit einem Appell an die internationale Gemeinschaft, insbesondere an die Vereinigten Staaten, die Bedeutung von Nation-building für die Zukunft des Jemens nicht zu unterschätzen. Aus Sicht von Anthony H. Cordesman haben Erfahrungen in der jüngeren Vergangenheit, sprich die Bemühungen zur Stabilisierung des Iraks und Afghanistans, gezeigt, dass der langfristige Erfolg beim Wiederaufbau und der Befriedung eines vom Krieg geplagten Landes ein Mindestmaß an nationaler Geschlossenheit zwingend erfordert. Nur eine Regierung, die von der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung akzeptiert wird und innerhalb der gesamten Landesgrenzen die politische Entscheidungshoheit besitzt, kann die dringend notwendigen Maßnahmen zur ökonomischen Neuausrichtung des Jemens einleiten.
Dazu muss freilich erst der anhaltende Bürgerkrieg beendet werden, wozu sich in der Studie allerdings kaum konkrete Vorschläge finden. Das überrascht umso mehr, wenn man bedenkt, dass es sich bei Cordesman um einen der weltweit führenden Militär-Experten handelt. In Einklang mit seiner Expertise vermittelt Cordesman allerdings einen sehr hilfreichen Überblick über die Entstehung des Bürgerkrieges, dessen Kernursache in dem Sturz des damaligen Präsidenten Ali Abdullah Saleh im Jahre 2011 liegt. Zugegebenermaßen gab es bereits zuvor erhebliche Spannungen zwischen der Zentralregierung in Sanaa und der schiitischen Houthi-Bevölkerung.
Der Zerfall des Landes nahm aber erst mit Salehs Absetzung durch seinen Vize-Präsidenten Abdrabbuh Mansour Hadi seinen unaufhörlichen Lauf. Saleh hat sich daraufhin mit seinen alten Houthi-Widersachern verbündet und eine schlagkräftige Rebellen-Truppe geformt, die in den anschließenden Jahren immer größere Teile des Jemens unter ihre Kontrolle gebracht hat. Als auch Sanaa in die Hände der Rebellen fiel und die ernsthafte Gefahr bestand, dass der Rest des Landes folgen würde, bildete Saudi-Arabien mit den Vereinigten Arabischen Emiraten eine Militärallianz zur Unterstützung von Hadis Verbänden. Das Ergebnis all dieser Entwicklungen, so bilanziert Cordesman, ist eine militärische Eskalation, bei der keine Seite ernsthafte Chancen auf einen Triumph zu haben scheint. Cordesman belässt seine Ausführungen über mögliche Auswege aus diesem Dilemma bei der Feststellung, dass den Vereinigten Staaten, die den stark gewachsenen Einfluss der pro-iranischen Houthi-Rebellen mit großer Sorge sehen, nur die Wahl zwischen zwei Alternativen bleibt: Der massiven Unterstützung von Hadis Truppen in der Hoffnung, dass diese letztendlich doch einen militärischen Sieg über die Houthi-Saleh-Allianz erringen werden, oder dem Versuch, Letztere zur Akzeptanz einer wie auch immer genau (um)gebildeten Zentralregierung zu bewegen. Nur in diesen beiden Fällen lässt sich Nation-building betreiben und das Land langfristig stabilisieren.
Welche Strategie die bessere ist, bleibt indes unklar. Diese Ausführungen sind in einen ausführlichen Überblick über die Notlage im Jemen eingebettet. Eine detaillierte Darstellung aller von Cordesman aufgelisteten ökonomischen wie humanitären Engpässe würde den Rahmen dieser Rezension sprengen. Es sollte aber angemerkt werden, dass der demographische Wandel das Land vor besondere Herausforderungen stellt. Die zunehmend junge Bevölkerung ist aufgrund des Krieges und der damit verbundenen wirtschaftlichen Krise mit einer bedrohlichen Perspektivlosigkeit konfrontiert. Damit ist zwar ein Anknüpfungspunkt für etwaige Wiederaufbaubemühungen gefunden, diese Erkenntnis geht aber im Zuge einer vergleichsweise unsystematischen Zusammenstellung der einzelnen Informationen ein wenig unter. Cordesman kopiert mitunter lange Passagen aus Studien internationaler Organisationen und amerikanischer Behörden, um auf die humanitäre Situation vor Ort aufmerksam zu machen, was jedoch den Lesefluss stören kann.
https://www.csis.org/analysis/war-yemen-hard-choices-hard-war
© 2017 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston
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