Europäisch-jüdische Studien – Beiträge
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Herausgegeben von:
Moses Mendelssohn Zentrum in Kooperation mit dem Zentrum Jüdische Studien Berlin-Brandenburg
PEER-REVIEWED
Die Reihe Europäisch-Jüdische Studien repräsentiert die international vernetzte Kompetenz des »Moses Mendelssohn Zentrums für europäisch-jüdische Studien« (MMZ). Der interdisziplinäre Charakter der Reihe, die in Kooperation mit dem Selma Stern Zentrum für Jüdische Studien Berlin-Brandenburg herausgegeben wird, zielt insbesondere auf geschichts-, geistes- und kulturwissenschaftliche Ansätze sowie auf intellektuelle, politische, literarische und religiöse Grundfragen, die jüdisches Leben und Denken in der Vergangenheit beeinflusst haben und noch heute inspirieren. Mit ihren Publikationen weiß sich das MMZ der über 250jährigen Tradition der von Moses Mendelssohn begründeten Jüdischen Aufklärung und der Wissenschaft des Judentums verpflichtet.
Zusatzmaterial
Fachgebiete
Das Buch geht der Frage nach, ob der bekannte Anarchist Gustav Landauer (1870–1919) auch als jüdischer Intellektueller gelten kann und wie er in die jüdische Geistes- und Kulturgeschichte seiner Zeit einzuordnen ist. Dabei wird ebenfalls der Einfluss seines Aufwachsens und der von ihm als jüdisch verstandenen angeeigneten Traditionen auf sein Werk untersucht.
Als intellektuelle Biografie entfaltet das Buch die chronologische Entwicklung Landauers im Laufe seines Lebens und zeigt Brüche, Wendungen und Kontinuitäten auf. Dazu werden Texte und Briefe ausgewertet und analysiert sowie die Freundschaft zu Martin Buber besonders in den Blick genommen, um Landauers Entwicklung nachzuvollziehen. Seine Entwicklung wird durch die jüdische Kultur- und Geistesgeschichte des Kaiserreiches kontextualisiert.
Es ist die erste umfassende Studie zu Gustav Landauer vor dem Hintergrund der jüdischen Geistes- und Kulturgeschichte. Das Buch bringt es den bisherigen Forschungsstand zusammen und reflektiert diesen kritisch. Außerdem wertet die Studie bekanntes Archivmaterial aber auch neue Archivfunde aus. Damit ergibt sich ein neues Fundament für die zukünftige Landauerforschung in diesem Bereich.
Zäh hält sich die mittlerweile widerlegte Ansicht, die stereotypische Verknüpfung von Jüdinnen*Juden mit Gier, Reichtum und Wucher ginge auf ihre vermeintliche Rolle im vormodernen Geldhandel zurück. Diese Studie fragt nach den tatsächlichen Entstehungsgründen und konzentriert sich auf das deutsche Reich zwischen dem 12. Jahrhundert und der Großen Pest. Dabei werden christliche Vorstellungen von sündhafter Gier, jüdischem Materialismus und der Rolle des Judaslohns für den „Gottesmord“ in den Blick genommen, die sich während der sozioökonomischen Umbrüche des Hochmittelalters zum Bild des „Geldjuden“ verdichteten. Nicht antijüdische Hetze stand anfangs im Zentrum, sondern eine innerchristliche Auseinandersetzung um den Umgang mit Geld – in einem Zeitraum, als dessen soziale Bedeutung anstieg und tradierte Moralvorstellungen herausforderte. Zunehmend wurde diese Chiffre aber aus dem ursprünglichen monastischen bzw. theologischen Kontext gelöst und auf reale Jüdinnen*Juden projiziert, um z. B. Ritualmordlegenden oder Pogrome zu rationalisieren. Die Studie bemüht sich um ein besseres Verständnis der christlichen Judenfeindschaft und des historischen Entwicklungsprozesses antisemitischer Vorstellungen, die heute noch virulent sind.
Wie sahen die Hilfsmaßnahmen der lokalen Komitees konkret aus? Welchen Herausforderungen mussten sich die Helfer stellen? Welche Rolle spielte ihr Zionismus? Und schließlich, welche Erwartungen brachten die Flüchtlinge mit?
Basierend auf Forschungen in zahlreichen internationalen Archiven untersucht die vorliegende Studie Handlungsspielräume jugoslawisch-jüdischer Akteure in den 1930er Jahren. Sie liefert neue Erkenntnisse über Flüchtlingszahlen, über Hilfsnetzwerke und korrigiert überkommene Narrative. Mit dem Schwerpunkt in Südosteuropa leistet sie zudem einen wichtigen Beitrag zur europäisch-jüdischen Geschichte in der NS-Zeit.
In the 1970s, queer Jews became excited by the developments of the Gay Liberation Movement in both the US and Europe. Until then, they were not able to express their queerness in Jewish communities and hoped for new inclusive spaces. Yet, they quickly realized that the movement was not as welcoming as anticipated. Thus, they started to organize: in February 1972, the world’s first queer Jewish group became publicly visible in London with its symposium "The Jewish Homosexual in Society." The Jewish Gay Group began tackling the exclusion of non-heteronormative Jews in British Jewish and queer communities. Soon after, two more queer Jewish groups formed: Beit Haverim ("House of Friends") in Paris and Sjalhomo (a neologism of "shalom" and "homosexual") in Amsterdam. Besides their goal of emancipation, these groups brought together their members based on shared experiences as both Jewish and queer, opening up much needed spaces for social encounters. The groups also established a Europe-wide support network that enabled international collaboration for more than a decade. This study archives these groups’ histories and that of their network. By doing so, it broadens prevalent narratives of Europe’s post-World War II Jewry and queers the discipline of Jewish History.
Ausgehend von globalgeschichtlichen Überlegungen wird der frühe Zionismus als Beispiel für globale Verflechtungs- und Aushandlungsprozesse um 1900_untersucht. Dazu werden Identitätskonstruktionen in den Schriften von Martin Buber, Aharon Gordon und Ber Borochov anhand der Kategorien Religion, Nation und – als wichtigem zeitgenössischem Einfluss – Esoterik analysiert.
Diese Untersuchung des frühen Zionismus in einem globalen historischen Kontext zeigt sowohl nationalistische als auch antikoloniale Tendenzen im frühen Zionismus auf und verdeutlicht dessen Stellung als jüdische Bewegung in der breiteren Geschichte von Religion und Esoterik.
Dieser interdisziplinäre Band bündelt multiperspektivisch Rezeptionsgeschichte(n) aus zwei Jahrhunderten und eröffnet über die unterschiedlichen Identifikationen und Selbstverständigungsprozesse neue Zugänge zur europäisch-jüdischen Kulturgeschichte.
Healing Holocaust Survivors examines the psychological rehabilitation strategies implemented by two major international humanitarian organizations—the United Nations Relief and Rehabilitation Administration (UNRRA) and the Jewish Joint Distribution Committee (JDC)—in Displaced Persons Camps across postwar Europe from 1944 to 1948. Focusing on the mental health needs of Holocaust survivors and other refugees, the book explores how psychosocial expertise became entangled with citizenship, politics, and visions of Europe's reconstruction after World War II.
Drawing from archival sources, institutional reports, and psychological literature of the period, this is the first in-depth account of how mental health professionals approached psychological rehabilitation, trauma, identity, and recovery in a humanitarian setting. It reveals how psychological strategies were often shaped by, and instrumentalized for, broader political and regulatory goals—including refugee resettlement, nation-building, and international diplomacy.
Bridging the fields of history, psychology, refugee studies, and humanitarian aid, this book sheds new light on the origins of modern refugee mental health practices and the complex role of international organizations in shaping the lives—and minds—of displaced populations.
“A powerful and timely study on the politics of psychological rehabilitation in the aftermath of war and mass displacement. This meticulously researched book sheds new light on how international organizations not only helped rebuild societies, but also intervened in the inner lives of survivors. It compellingly shows that psychological recovery in post-conflict settings is never apolitical, but shaped by humanitarian agendas, strategic interests, and competing visions of international order. Essential reading for global leaders, policymakers, and all who shape the future of refugee protection and recovery in a world defined by crisis.” - Bert Koenders, Professor for Peace, Justice and Security, Leiden University; Former Minister of Foreign Affairs of the Netherlands and UN Special Representative in Côte d'Ivoire and Mali.
Diese Studie ist die erste umfassende Monographie zum literarischen Werk der Philosophin Sarah Kofman (1934-1994). Aus den Einzelanalysen wird deutlich, dass die sprachlichen Verfahren der Autorin als Widerspruch zum Geschichtsrevisionismus in Frankreich zu verstehen sind. Die Hinwendung Kofmans zum Literarischen ist damit auch eine Reaktion der Überlebenden auf die Leugnung der Kollaboration und die Verdrängung der Mitverantwortung Frankreichs an der Deportation und Ermordung der europäischen Jüdinnen und Juden. Im Vichy-Frankreich unter Pétain wurde eine nationalistisch und rassistisch geprägte Veränderung der französischen Gesellschaft angestrebt, ein Umstand, der im französischen Gedächtnis später mit dem Narrativ der Befreiung als Ergebnis eines im Widerstand geeinten Frankreichs überdeckt wurde. Die Studie zeigt, wie die Autorin gegen diese blockierten Gedächtnisse angeschrieben hat. Die literarischen Repräsentationen französisch-jüdischer Geschichtserfahrung gehen in der Familiengeschichte von Sarah Kofman nicht auf, sondern verweisen auf eine kollektive Erfahrung, die im Werk der Autorin erinnert wird. So erschließt die Studie erstmals die gedächtnisgeschichtliche Bedeutung von Kofmans literarischem Schreiben.
Als sephardische Jüdinnen und Juden im Zuge der Spanischen Inquisition von der Iberischen Halbinsel vertrieben wurden, gelangten sie dank der vergleichsweise toleranten osmanischen Politikführung in das Reich der Sultane, in dem sie künftig als dhimmis, d. h. als „Schutzbefohlene“, lebten. In den folgenden Jahrzehnten prägten jüdische Persönlichkeiten, darunter Rabbiner, Gemeindemitglieder, Reisende, Händler, Unternehmer und Mediziner, von Syrien über Ägypten bis zum osmanischen Balkan das religiöse, kulturelle, wirtschaftliche und soziale Leben. In diesem Band wird in länderübergreifenden und interdisziplinären Einzelstudien die Vielfalt jüdischer Lebenswelten in verschiedenen interkulturellen Kommunikationsräumen und im Kontext von Akzeptanz und Ablehnung, Kulturtransfer und Wirtschaftsbeziehungen thematisiert – aber auch im Zusammenhang mit Kriegen, Konflikten, Pogromen und Nationenbildungsprozessen.
In the State of Israel, Bergmann became a leading philosopher and highly admired cultural figure. He himself showed great interest in world religions, mysticism, and Western esotericism. Bergmann also emerged as an important point of reference for left-wing Israeli discourse. Up from the late 1920ies has was one of the protagonists of the “Brit Shalom”, an initiative which called for an advocated peaceful coexistence of Jews and Arabs and a bi-national State in Israel/Palestine.
In this volume, distinguished historians, scholars of religion, and cultural scientists conflate a fascinating life story of a man who always worked on social and educational improvements and searched for fairness and deeper truths in a world full of conflict and antagonisms.
Die Herausbildung einer jüdischen Wissenschaftsbewegung, die von der Haskala des späten 18. Jahrhunderts ihren Ausgang nahm und sich im 19. Jahrhundert in der Wissenschaft des Judentums manifestierte, war in vielfacher Hinsicht mit einer allgemeinen Transformation der Wissensordnungen in der Moderne verknüpft und verlieh dieser zugleich erkennbare Prägungen. Die Beiträge des vorliegenden Bandes thematisieren diese Entwicklungen vor dem Hintergrund von Diaspora und Migrationsbewegungen im mittel- und osteuropäischen Raum. Sie zeigen in Untersuchungen zur Epistemologie wissenschaftlicher Praktiken, zur Genese methodischer Verfahren und Konzepte oder zum Austausch theoretischer Ansätze die Entwicklungen der Wissenschaft des Judentums vor allem im Hinblick auf deren Wirkungen in der nicht-jüdischen Wissens- und Wissenschaftsgeschichte, in Politik, Literatur und Kunst. Unter dem Titel „Juden und ihre Nachbarn" sollen so die vielfältigen Elemente einer gemeinsamen, verflochtenen Geschichte der jüdischen und nicht-jüdischen Kulturen Europas erkennbar werden.
Der Band „Jüdische Jugend im Übergang – Jewish Youth in Transit" ist das Ergebnis der gleichnamigen, international ausgerichteten Konferenz, die im März 2021 im Rahmen des DFG-Projektes „Nationaljüdische Jugendkultur und zionistische Erziehung in Deutschland und Palästina zwischen den Weltkriegen" stattfand. Die unterschiedlichen methodischen Zugänge der Beitragenden – allesamt Wissenschaftler/-innen, die schon in den vorangegangenen Jahren Arbeiten aus dem Bereich der historischen Jugend- und Jugendbewegungsforschung veröffentlicht haben – ermöglichen einen Überblick über Forschung und Forschungsperspektiven zum Thema jüdische Jugendbewegung des frühen 20. Jahrhunderts. Biographische Skizzen finden sich hier neben Formationsgeschichten von Gruppen und Jugendbünden, Fragen von Hachschara und Jugend-Alija, als zweier bedeutsamer Institutionen jüdisch-jugendbewegter Praxis, bestimmen den Fokus zahlreicher Beiträge.
Mehr zum Projekt auf juedischejugendkultur.de
Polnische Juden stellten nicht nur die größte Gruppe unter den Opfern des Holocaust, in den 1930er Jahren hatte auch kein Land Europas mehr jüdische Einwohner und einen vielfältigeren jüdischen Printmarkt als Polen. Die Studie trägt zu einem Paradigmenwechsel bei, der diese Tatsachen stärker berücksichtigt, indem er den Blick von Ost nach West richtet und die polnischen Juden nicht länger als monolithischen Block passiver Opfer begreift, sondern als handelnde Subjekte, die den Antisemitismus, der sie bedrohte, aktiv bekämpften. Aufbauend auf einer Analyse der Berichterstattung der jiddischen Warschauer Tagespresse über Nationalsozialismus und Judenverfolgung legt sie die Netzwerke der jüdischen Zeitungsmacher frei und zeigt, wie diese sich trotz Zensur und Repression subversives Wissen aneigneten, es ihrem Publikum vermittelten und so die Vorstellungswelten polnischer Juden über Deutschland prägten sowie Protest- und Solidaritätsaktionen zugunsten der Verfolgten initiierten.
Anne-Christin Klotz erhielt für dieses Buch den Marko Feingold-Preis in Jüdische Studien 2022 der Universität und des Landes Salzburg sowie den Irma-Rosenberg-Förderpreis für die Erforschung der Geschichte des Nationalsozialismus (Universität Wien). Die Arbeit wurde außerdem im Rahmen des wissenschaftlichen Förderpreises des Botschafters der Republik Polen mit dem 2. Platz ausgezeichnet.
Die Studie beleuchtet die Lebenswelten einer Exilgruppe mehrerer Dutzend osteuropäisch-jüdischer Sozialist/-innen im Berlin der Weimarer Republik. Sie analysiert deren multiple Zugehörigkeitsverständnisse und erfasst ihre Interaktionen innerhalb der internationalen Arbeiterbewegung.
Die Exilant/-innen waren geprägt von jüdischen und sozialistischen Lebenswelten des Russländischen Reichs und entwickelten eigene Verständnisse ihrer ethno-nationalen, staatlichen und politischen Zugehörigkeiten. Mit ihrer Migrationsbewegung in den 1920er Jahren trugen sie diese nach Berlin. Von dort aus verschafften sie sich internationales Gehör durch den Aufbau sozialistischer Exilgruppierungen und durch ihre mehrsprachige Publikationstätigkeit. Bis 1933 nahmen sie dadurch eine außergewöhnliche Mittlerfunktion zwischen östlicher und westlicher, sowie nicht-jüdischer und jüdischer sozialistischer Arbeiterbewegung ein.
Aufklärung und Emanzipation stellten das deutschsprachige Judentum vor die Aufgabe, ein modernes jüdisches Selbstverständnis zu entwickeln, das den neuen gesellschaftlichen Anforderungen entsprach. Dabei war das Gebiet der Erziehung einer jener Bereiche, in denen die jüdische Modernisierung zuerst zum Tragen kam. Durch die Neukonzeption des jüdischen Lernens, die stark von transkulturellen Diskursen geprägt war, entstanden neue pädagogische Konzepte und neue Lehrbücher. Als Erziehungsmittel trugen diese einen wichtigen Teil zum Sozialisierungsprozess des sich transformierenden Judentums bei und sind somit zentrale Quellen für die in jener Zeit stattfindende Aushandlung eines neuen jüdischen Selbstverständnisses. Der Sammelband beleuchtet in Überblicksdarstellungen und Einzelstudien die vielfältigen Wechselbeziehungen zwischen pädagogischen, religiösen und gesellschaftlichen Entwicklungen dieser Zeit und konturiert damit die im Hintergrund der jüdischen Modernisierung stehenden Prozesse des Kulturtransfers genauer.
Ignaz Goldziher (1850-1921), one of the founders of modern Arabic and Islamic studies, was a Hungarian Jew and a Professor at the University of Budapest. A wunderkind who mastered Hebrew, Latin, Greek, Turkish, Persian, and Arabic as a teenager, his works reached international acclaim long before he was appointed professor in his native country. From his initial vision of Jewish religious modernization via the science of religion, his academic interests gradually shifted to Arabic-Islamic themes. Yet his early Jewish program remained encoded in his new scholarly pursuits. Islamic studies was a refuge for him from his grievances with the Jewish establishment; from local academic and social irritations he found comfort in his international network of colleagues. This intellectual and academic transformation is explored in the book in three dimensions – scholarship on religion, in religion (Judaism and Islam), and as religion – utilizing his diaries, correspondences and his little-known early Hungarian works.
Franz Oppenheimer (1864-1943) was a prominent German sociologist, economist and Zionist activist. As a co-founder of academic sociology in Germany, Oppenheimer vehemently opposed the influence of antisemitism on the nascent field. As an expert on communal agricultural settlement, Oppenheimer co-edited the scientific Zionist journal Altneuland (1904-1906), which became a platform for a distinct Jewish participation within the racial and colonial discourses of Imperial Germany. By positioning Zionist aspirations within a German colonial narrative, Altneuland presented Zionism as an extension, instead of a rejection, of German patriotism. By doing so, the journal’s contributors hoped to recruit new supporters and model Zionism as a source of secular Jewish identity for German Jewry. While imagining future relationships between Jews, Arabs, and German settlers in Palestine, Oppenheimer and his contemporaries also reimagined the place of Jews among European nations.
Als der Papststuhl 1309 von Rom nach Avignon verlegt wurde, bedeutete dies das Ende einer erstaunlichen wirtschaftlichen Kooperation zwischen päpstlicher Kurie und jüdischen Händlern. Diese hatte gedeihen können, da im 13. Jh. die Juden Mittelitaliens an der Konstruktion von Narrativen kommunaler Zugehörigkeit beteiligt waren und Juden in den Städten häufig als vertrauenswürdig galten. Die Verlegung des Papststuhls nach Avignon (1309–1377) trug zum Bruch dieser Partnerschaft sowie zur Unterbrechung der päpstlichen Schutzpolitik gegenüber den römischen Juden bei. Der maßgebliche Grund für die veränderte Politik der Kurie war der Einfluss der in Frankreich verbreiteten antijüdischen Darstellung der wuchernden Juden auf die Mentalität der avignonesischen Päpste. Im Besonderen fungierte die französische Monarchie als Katalysator für antijüdische Vorstellungen – ganz im Gegensatz zu vertrauensvollen Atmosphäre während der jüdisch-christlichen Kooperation in Mittelitalien. Die Arbeit bietet einen spannenden neuen Blick auf die jüdisch-päpstliche Beziehungsgeschichte im italienischen Mittelalter.
Jews and Armenians are often perceived as peoples with similar tragic historical experiences. Not only were both groups forced into statelessness and a life outside their homelands for centuries, in the 20th century, in the shadow of war, they were threatened with collective annihilation. Thus far, academic approaches to these two "classical" diasporas have been quite different. Moreover, Armenian and Jewish questions posed during the 19th and 20th centuries have usually been treated separately. The conference “We Will Live After Babylon” that took place in Hanover in February 2019, addressed this gap in research and was one of the first initiatives to deal directly with Jewish and Armenian historical experiences, between expulsion, exile and annihilation, in a comparative framework. The contributions in this volume take on multidisciplinary approaches relating to the conference’s central themes: diaspora, minority issues and genocide.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges kämpfte die Familie Ullstein um die Rückgabe ihres 1934 an die NSDAP zwangsverkauften Verlags. Doch die Amerikaner brauchten das Druckhaus des Unternehmens in Berlin-Tempelhof für ihre Reeducation-Politik und verzögerten jahrelang die Restitution – genau wie der Berliner Senat, der mit dem Wiederaufleben des legendären Hauses Ullstein einen Zeitungskrieg in West-Berlin befürchtete.
Als die Ullsteins 1952 ihren Verlag aus der Treuhänderschaft zurückerhielten, war er überschuldet, sein Maschinenpark veraltet – und man versuchte, ihm die lebenswichtigen Zeitungslizenzen vorzuenthalten.
Aufgrund dieser mannigfaltig belasteten Ausgangssituation erscheint das wirtschaftliche Versagen der wiedererstandenen Ullstein AG am Ende der 1950er Jahre in einem anderen Licht.
Das Unrecht, das den Ullsteins unter dem NS-Regime widerfahren war, wirkte nach dem Untergang fort – und erhielt durch die bewusst verzögerte Restitution neue und verstörende Facetten.
Of about a million Jews that arrived to Israel from the (former) USSR after 1989 some 12% left the country by the end of 2017. It is estimated that about a half of them left "back" for the FSU, and the rest for the USA, Canada and the Western Europe. The book provides a comprehensive analysis of this specific Jewish Israeli Diaspora group through cutting-edge approaches in the social sciences, and examines the settlement patterns of Israeli Russian-speaking emigrants, their identity, social demographic profile, reasons of emigration, their economic achievements, identification, and status vis-à-vis host Jewish and non-Jewish environment, vision of Israel, migration interests and behavior, as well as their social and community networks, elites and institutions. Vladimir Ze’ev Khanin makes a significant contribution to migration theory, academic understanding of transnational Diasporas, and sheds a new light on the identity and structure of contemporary Israeli society. The book is based on the unique statistics from Israeli and other Government sources and sociological information obtained from the author’s first of this kind on-going study of Israeli Russian-speaking emigrant communities in different regions of the world.
During the late 19th and early 20th centuries, many Jews from Central and Eastern Europe arrived in New York City, where they did not only find a new home, but far away from their shtetl origin, the new members of the American society also began to politically radicalize. There has been a discussion in the literature related to the field, where, how, and why the Jewish population radicalized. This study analyses two waves of radicalization: one related to the American environment that is responsible for the described process at the end of the 19th century; one, related to the developments in Eastern Europe during the early decades of the 20th century. For both radicalization processes this book compares the reasons, elements, and aims of those who join radical movements to show that there is a transatlantic perspective that links both processes to each other.
In recent years more and more scholars have become aware of the fact that the 19th century movement of the Wissenschaft des Judentums engaged in essential research of kabbalistic texts and thinkers. The legend of Wissenschaft’s neglect for the mystic traditions of Judaism is no longer sustainable. However, the true extent of this enterprise of German Jewish scholars is not yet known. This book will give an overview of what the leading figures have actually achieved: Landauer, Jellinek, Jost, Graetz, Steinschneider and others. It is true that their theological evaluation of the "worth" of kabbalah for what they believed was the ‘essence of Judaism’ yielded overall negative results, but this rejection was rationally founded and rather suggests a true concern for Judaism that transcended their own emancipation and assimilation as German Jews.
Ausgehend von Nachlassmaterialien und Publikationen des Göttinger Orientalisten Paul de Lagarde (1827–1891) unternehmen die Beitragenden dieses Bandes eine wissenschaftsgeschichtliche Bestandsaufnahme zu Leben und Werk, aber auch zu politisch-weltanschaulichen Aspekten und insbesondere zu Lagardes Antisemitismus. Neben der Erörterung der Fachgeschichte deutscher (Alt-)Orientalistik und der durch Lagarde geprägten Septuaginta-Forschung erfolgt dabei auch eine zeitgeschichtliche Verortung vor den Hintergründen völkischer Ideologie und akademischer Netzwerke. Methodische Fragestellungen zu Erschließung und Edition des Nachlasses sowie den gesellschaftspolitischen Implikationen runden den Band ab.
Am Beispiel von drei US-amerikanischen Spielfilmen über den bewaffneten jüdischen Widerstand während des Holocaust werden sowohl aus geschichtswissenschaftlicher als auch aus filmwissenschaftlicher Perspektive nicht nur Rezeption und Repräsentation des Widerstands untersucht, sondern auch das Verhältnis zwischen Geschichtswissenschaft und Filmfiktion. Eine Frage steht dabei im Mittelpunkt: Können filmische Fiktionen der Geschichtswissenschaft relevante Erkenntnisse liefern und neue Sinnzusammenhänge herstellen? Im Kontext der Analysen stehen besonders zwei Begriffe im Vordergrund: Mythos und Authentizität. In der Auseinandersetzung mit den Spielfilmen und den historischen Ereignissen werden zudem einige zentrale Fragen der Holocaust-Forschung behandelt: Fragen nach der Definition des Widerstands, Fragen nach Leben und Überleben, der Ethik der Rache und schließlich: Inwieweit können wir diesen Ereignissen mit moralischen Kategorien begegnen?
Über 230.000 polnische Juden überlebten den Zweiten Weltkrieg im Inneren der Sowjetunion. Viele waren der nationalsozialistischen Verfolgung durch rechtzeitige Flucht auf sowjetisches Territorium entkommen. Andere wurden gegen ihren Willen von der sowjetischen Geheimpolizei in das Landesinnere der UdSSR verschleppt, wo sie in abgelegenen Siedlungen unter schwierigen Lebensbedingungen Zwangsarbeit verrichteten. Die Mehrheit der polnischen Juden hatte sich allerdings im Rahmen der Evakuierung sowjetischer Staatsbürger 1941–1942 aus den Frontgebieten in den Süden der UdSSR durchgeschlagen. Dort hielten sich die meisten polnisch-jüdischen Exilanten bis zur Rückkehr nach Polen im Jahre 1946 auf.
Die Studie untersucht Erfahrungen polnischer Juden im Zeitraum von 1939 bis 1946. Der Fokus liegt dabei auf den Jahren in den zentralasiatischen Sowjetrepubliken, wo hunderttausende polnische Juden täglich um ihr Überleben als Fremde in einem von Krieg, Armut und politischem Terror gezeichneten Land kämpfen mussten. Ihre Geschichte an der »Peripherie des Holocaust« (Yehuda Bauer) erweitert den Horizont jüdischer Erfahrungen im Zweiten Weltkrieg um die Erlebnisse im sowjetischen Exil.
Jewish life in Europe has undergone dramatic changes and transformations within the 20th century and also the last two decades. The phenomenon of the dual position of the Jewish minority in relation to the majority, not entirely unusual for Jewish Diaspora communities, manifested itself most distinctly on the European continent. This unique Jewish experience of the ambiguous position of insider and outsider may provide valuable views on contemporary European reality and identity crisis. The book focuses inter alia on the main common denominators of contemporary Jewish life in Central Europe, such as an intense confrontation with the heritage of the Holocaust and unrelenting antisemitism on the one hand and on the other hand, huge appreciation of traditional Jewish learning and culture by a considerable part of non-Jewish Europeans. The volume includes contributions on Jewish life in central European countries like Hungary, the Czech Republic, Poland, Austria, and Germany.
In Anbetracht des Wissens um die nationalsozialistischen Gewaltverbrechen sind Begegnungen zwischen Juden und Nicht-Juden nach 1945 heute nur schwer vorstellbar. Dennoch gab es in der Bundesrepublik zahlreiche Verbindungen zwischen Holocaust-Überlebenden, Flüchtlingen, Mitläufern, Zuschauern und Profiteuren. Der Band behandelt zivilgesellschaftliche Beziehungen zwischen Juden und nichtjüdischen Deutschen aus einer historischen und kulturgeschichtlichen Perspektive. Die Beiträge des Sammelbandes beschäftigen sich mit der Frage, wie diese Akteure in ihrem sozialen Umfeld, im Privaten, in Religionsgemeinschaften, in der Wissenschaft, aber auch im Bereich des Wirtschaftens miteinander in eine Beziehung treten und welche Themen dabei verhandelt werden. Unter welchen Voraussetzungen fanden diese Begegnungen statt, welche handlungsleitenden Momente und Erfahrungen, aber auch welche Interpretationen der Begegnungserfahrungen lassen sich nachzeichnen?
Welche Bedeutung haben digitale Medien für die Geschichte, wie entsteht eine digitale Geschichte? Wie funktioniert Forschen und Schreiben unter veränderten Bedingungen, wie die demokratische Auseinandersetzung um die Erinnerungskultur? Diesen zentralen Fragen einer digitalen Geschichtswissenschaft wird in dieser Studie anhand des paradigmatischen Visual History Archives (VHA) nachgegangen. Im VHA sind mehr als 49.000 digitale Zeugnisse Überlebender der Shoah gespeichert. Diese Studie analysiert zunächst die Quellengattung des Zeugnisses, die spezifischen Bedingungen der Zeugnisse im VHA, bevor ein theoretischer Rahmen für das Verstehen dieses digital turns, mit dem an Hannah Arendt und Homi Bhabha angelehnten Entwurf eines virtuellen Zwischenraums der Erinnerung formuliert wird. Die theoretischen Annahmen werden abschließend in drei Fallstudien zur Forschung, Darstellung und Rezeption geprüft. Ergebnis dieser Studie ist eine konzise Quellenkritik digitaler Zeugnisse, ihr Dispositiv.
Im Fokus des Bandes stehen die Arbeiten jüdischer Exeget*innen und Übersetzer*innen des 19. und 20. Jahrhunderts. Diese werden im Kontext der entstehenden historisch-kritischen Bibelwissenschaft beleuchtet und in ihrem Einfluss auf jüdische Bildungsbereiche reflektiert. Dabei werden Fragen nach ideengeschichtlichen Perspektiven sowie gezielt jüdischen Interessenschwerpunkten in Ergänzung zur überwiegend protestantischen Bibelwissenschaft gestellt.
Jewish radical thoughts and actions can be described in a variety of terms and dimensions. This volume wants to survey Jewish radicalism and present different approaches on this global historical phenomenon. It is focused on the 19th and 20th century and tries to grasped the manyfold Ideas of Jewish radicalism and, thereby, it approaches the term Jewish radicalism from different perspectives and wants to extend the understanding of this phenomenon.
Das Konzept der Authentizität ist eines der zentralsten der Neuzeit. Die kulturhistorische Studie untersucht die Vorstellungen von einem „authentischen jüdischen Selbst“ und einem „authentischen Judentum“ im frühen deutschen zionistischen Diskurs. Entgegen der konventionellen Sicht, authentisch Jüdisches in die geo-kulturelle Einheit „Osten“ zu verorten, belegt sie das Vorhandensein distinkter jüdischer Authentizität im deutschsprachigen Raum. Die Darstellung beginnt mit der Veröffentlichung von Rom und Jerusalem von Moses Hess (1862) und reicht bis in das zweite Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts. Diese Epoche ist besonders interessant, da in ihr die entscheidenden Begriffe für die Konstruktion einer deutsch-zionistischen Authentizität geprägt wurden. Die Konzepte von Authentizität kreisen um die Themen Antisemitismus, Emanzipation und Anerkennung, wurden jedoch auch politisiert und geschlechtsspezifisch ausgerichtet.
Die Beiträge des Bandes analysieren aus der Perspektive unterschiedlicher wissenschaftlicher Disziplinen künstlerisch-mediale Auseinandersetzungen mit dem Antisemitismus vor 1950. Im Zentrum steht die Frage, auf welche Weise jeweils Antisemitismus thematisiert, dargestellt und kritisiert wird. Allen Aufsätzen gemeinsam ist eine Orientierung am gegenwärtigen Stand transdisziplinärer Antisemitismusforschung. Die Analysen beziehen sich ebenso auf teilweise vergessene wie auch auf kanonisierte »Texte«, was im Sinne des erweiterten Textbegriffs Filme, Zeichnungen, Karikaturen, Comics etc. einschließt. Insgesamt wird so ein mehrsprachiges Korpus erfasst, das sich über einen Zeitraum erstreckt, der etwa mit Gotthold Ephraim Lessings Thematisierung antijüdischer Vorstellungen in seinem Drama »Die Juden« (1749) beginnt und bis zu Laura Z. Hobsons Roman »Gentleman’s Agreement« (1947) sowie dessen Verfilmung aus demselben Jahr reicht.
In den vergangenen Jahren vollzog sich eine deutlich beobachtbare Radikalisierung des Antisemitismus in Europa, die mit den islamistisch motivierten Terroranschlägen von Paris, Toulouse, Brüssel und Kopenhagen auch mörderische Konsequenzen hatte. Als Indikator für eine neue Qualität und Virulenz des Antisemitismus kann jedoch nicht nur der islamistische Antisemitismus gesehen werden, sondern auch die Zunahme von Antisemitismus in politisch und sozial arrivierten Kreisen und Milieus. Zugleich ist die Hemmschwelle für die Äußerung und Akzeptanz antisemitischer Ressentiments gesunken, sofern diese als „Israelkritik“ camoufliert sind. Parallel zu diesen Entwicklungen stellte der Antisemitismus sein Mobilisierungspotential für den politischen Protest auf der Straße unter Beweis, etwa im Rahmen der Mahnwachen für den Frieden und während des Gaza-Krieges 2014. Die Beiträge des Sammelbandes untersuchen Aspekte dieser Entwicklungen und befassen sich schwerpunktmäßig mit Antisemitismus in der öffentlichen Kommunikation, islamischen Antisemitismus und Antisemitismus in politischen Bewegungen.
Mit Beiträgen von Alvin Rosenfeld, Dina Porat, Matthias Küntzel, Karin Stögner, Navras Alfreedi, Stephan Grigat, Amy Elman, Florian Markl, Franziska Krah, Matthias J. Becker, Dana Ionescu, Daniel Rickenbacher, Zbyněk Tarant, Günther Jikeli, Ullrich Bauer, Michael Höttemann, Laura-Luise Hammel, Simon Gansinger
In den Gutachten zum ersten umfassenden Reformversuch (1787-1792) über die Bestimmung der bürgerlichen Verhältnisse der Juden in Preußen hatten sich die Offiziere aus den Militärdepartements eindeutig gegen eine Militärpflicht und gegen eine rechtliche Gleichstellung ausgesprochen. Für sie blieb die Assimilation mit den christlichen Untertanen die Vorbedingung für eine rechtliche Emanzipation. Auch in der zweiten Reformphase (1808–1812), den Vorarbeiten zum preußischen Emanzipationsedikt von 1812, votierten die Offiziere nicht für den aktiven Militärdienst der Juden in Preußen. Die Autorin erforscht die möglichen Gründe für diese ablehnenden Voten anhand der Schriften von fünf einflussreichen Offizieren, die sich über ihre Begegnungen mit preußischen und polnischen Juden äußerten: Wichard J. H. von Möllendorff, Friedrich L. von Schrötter, Gerhard von Scharnhorst, Hermann von Boyen und Ludwig von der Marwitz.
Ausgehend von Goethes ambivalentem Verhältnis zu Juden und Judentum widmet sich dieser Band der wechselvollen Rezeption seiner Person und seines Werkes vor dem Hintergrund der deutsch-jüdischen Kulturgeschichte. Diesen Goethe-‚Konjunkturen‘ gilt es nachzuspüren, weisen sie doch eine seismographische Funktion bezüglich übergeordneter gesellschaftlicher Entwicklungen wie der „bürgerlichen Verbesserung" bzw. der Emanzipation der deutschen Juden auf; und auch nationalstaatliche und zionistische Ambitionen werden mit Goethe verknüpft und hinterlegt. Damit werden erstmals persönliche Bezüge Goethes zu jüdischen Zeitgenossen und vice versa mit der Rezeption und Deutung seines Werkes durch (deutsch-) jüdische Wissenschaftler und Leser sowie der völkisch-antisemitischen Vereinnahmung Goethes zusammengebracht. Auf diese Weise wird eine ebenso komplexe wie wirkmächtige Wechselbeziehung neu verortet.
Seit Aaron Isaac aus dem Brandenburgischen Treuenbrietzen in den 1770er Jahren sich als erster deutscher Jude in Stockholm niederließ, bestanden bis Ende des Zweiten Weltkriegs enge und vitale Beziehungen zwischen dem deutschen und schwedischen Judentum. Schweden, bis Ende des 19. Jahrhunderts ein Entwicklungsland, wurde Ziel deutsch-jüdischer Unternehmer, Intellektueller und Theologen, die zahlreiche religiöse, kulturelle und wirtschaftliche Impulse mit sich brachten. Eine besondere Situation entstand ab 1933 durch die Flucht deutscher und österreichischer Juden nach Schweden, als eine restriktive Flüchtlingspolitik der schwedischen Regierung durch mutige und beherzte Aktionen schwedischer Hilfsorganisationen konterkariert wurde. Der vorliegende Band basiert auf einer Konferenz an der Universität Uppsala im Spätherbst 2014, bietet historische Einblicke zur deutschsprachigen jüdischen Migration nach Schweden und nimmt besonderen Bezug auf die Ereignisse während des Zweiten Weltkrieges.
Die Konfession deutscher Orientalisten rückt zunehmend in den Fokus fachgeschichtlicher Forschung. Dabei bietet das Spannungsfeld von Orientalismus und Antisemitismus nicht nur Ansatzpunkte bei Gelehrtenbiografien jüdischer Wissenschaftler. Die besonderen gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen des „kulturkämpferischen“ Zweiten Deutschen Kaiserreichs lenken den Blick auch auf Konflikte zwischen den christlichen Konfessionen. Der Orientalistik kommt durch ihren Forschungsgegenstand dabei eine Schlüsselrolle zu. Die Ägyptologie in Deutschland hat sich, anders als ihre Nachbardisziplin der Assyriologie, nicht in den „Babel-Bibel-Streit“ verwickeln lassen. Weitgehend staatlich finanziert, mussten deutsche Ägyptologen, anders als ihre angelsächsischen Kollegen, auch nicht „biblische“ Themen aufgreifen, um private Förderer zu gewinnen. Dennoch hatte die Konfession unmittelbaren Einfluss auf Karrieren und Wissenschaftspolitik. Die vorliegende Studie geht diesem Einfluss anhand ausgesuchter Fallbeispiele auf den Grund.
Im Werk des jüdischen Schriftstellers Albert Cohen (1895–1981) tritt der Liebesbegriff in all seiner schillernden Ambivalenz und Komplexität in einen kontinuierlichen Dialog mit dem ethischen Diskurs des Judentums. Die Studie macht dieses Beziehungsgeflecht zur Grundlage ihrer Reflexion und entwirft vor dem geistigen Hintergrund des Judentums eine Gesamtschau auf die bei Albert Cohen allgegenwärtigen Erscheinungsformen der Liebe. Aus diesem Blickwinkel gedeutet ergeben die im Schreiben des Autors vielschichtig entfalteten zwischenmenschlichen Beziehungsmuster eine ethische Matrix, die den (alt)jüdischen Wissens- und Erfahrungsschatz mit den Herausforderungen der Gegenwart konfrontiert und beides zueinander in Beziehung treten lässt. Jenseits dichotomischer Zuschreibungen stellt die vorliegende Monographie Albert Cohen als einen Literaten vor, dessen Leben und Wirken entlang der Kontaktzonen zwischen Orient und Okzident, zwischen Judentum und Christentum, zwischen Jüdisch-Partikularem und Kulturübergreifend-Universalem ausgerichtet war.
Für die Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg ist eine überproportional hohe Beteiligung von Menschen jüdischer Herkunft an der Arbeiterbewegung feststellbar. Beide prägte das Streben nach Emanzipation. Besonders im östlichen Europa entwickelten sich jüdische Arbeiterorganisationen, die gegen doppelte Unterdrückung als Proletarier und Juden kämpften. Der Band untersucht u.a. Aktionsfelder, die Rolle des Antisemitismus und sich wandelnde Selbstbilder.
Im Zentrum des Bandes steht ein bislang kaum untersuchtes Phänomen der deutsch-jüdischen Literatur: Die beiden neo-orthodoxen Periodika Jeschurun und Der Israelit, die ab der Mitte des 19. Jahrhunderts als Fortsetzungserzählungen erschienen sind. Diese popularisieren das Ideal einer Partizipation gesetzestreuer Juden an der modernen Gesellschaft und inszenieren das Judentum als Familienreligion in Form von sentimentalen, mehrere Generationen umspannenden Liebesgeschichten. Dieses „Projekt" der Neudefinierung des Judentums, lokalisiert dieses primär im familiären Kontext und zeugt dennoch – oder gerade deshalb – von den komplexen Ordnungs- und Grenzziehungsstrategien des sich pluralisierenden Judentums, sowie einer Neuordnung der Geschlechterrollen. Das Medium der Feuilletonliteratur dient dabei nicht nur der Unterhaltung, sondern fungiert auch als ästhetisches Mittel der religiösen Wissensvermittlung und zeugt zugleich vom Anspruch dieser Literatur, als eigenständige Kunst wahrgenommen zu werden.
In dieser Untersuchung zur deutsch-jüdischen Bildungsgeschichte wird die Wirkungsgeschichte der Hascharath Zwi Schule in Halberstadt rekonstruiert, der einzigen privaten jüdischen Elementarschule der ehemaligen Provinz Sachsen. Das wegweisende Schulkonzept ihres Gründers Hirsch Isaac Borchert bestand in der Vermittlung religiöser und weltlicher Bildung und spiegelt im Zeitalter von Emanzipation und Akkulturation das Streben nach Bildung und gesellschaftlichem Aufstieg wider. Berücksichtigung fanden hierbei sowohl innerjüdische und lokalspezifische Entwicklungen wie auch die im 19. Jahrhundert eingeleiteten staatlichen Maßnahmen im jüdischen Bildungswesen. Die Studie verdeutlicht darüber hinaus das kooperative Verhältnis zwischen staatlicher Schulbehörde und privater Bildungseinrichtung und zeigt das besondere Engagement und die Entschlossenheit der Akteure, religiöse Traditionen mit den Modernisierungsbestrebungen im jüdischen Schul- und Erziehungswesen in Einklang zu bringen.
Mit dem Mut der Verzweiflung begannen jüdische Kämpfer im April 1943 ihren Aufstand im Warschauer Ghetto. Es war die bekannteste, aber nur eine von vielen jüdischen Widerstandsaktivitäten gegen die Vernichtungspolitik der Nationalsozialisten. Der vorliegende Band widmet sich den unterschiedlichen Formen und Facetten des jüdischen Widerstandes, wie z.B. Partisanen-Kampf, Untergrundbewegung, Lageraufstände, Fluchthilfe und kultureller Widerstand.
Kultur in der Unkultur – der vorliegende Band beleuchtet, wie in Konzentrationslagern Artefakte und neue Formen von Kreativität entstehen konnten und wie diese rezipiert wurden. Der Titel des interdisziplinären Bandes „Poetik des Überlebens“ verweist auf die Zeitlichkeit der Artefakte: Einerseits sind sie als „In situ“-Genre gedacht und zur sofortigen (und ggf. einmaligen) Rezeption angelegt; andererseits diskutiert der Band die Überzeitlichkeit der Werke und geht zudem der Frage nach, welche Möglichkeiten zur Aufbereitung der Artefakte heute bestehen. Die Beiträge bieten einen weit gefassten Zugang zur Thematik aus literatur-, kultur- und kunstwissenschaftlicher Perspektive. Das dem Band zugrunde liegende Werkcorpus reicht von bildlichen Darstellungen über nicht-literarische Zeugnisse, lyrische Texte und einer Operette bis hin zu einer literarischen Darstellung der Lagerrealität und der Diskussion um das Verwalten von Artefakten.
Der Historiker und Religionswissenschaftler Ernst Ludwig Ehrlich (1921–2007) gehört zu den prägenden Gestalten des deutschsprachigen Judentums nach der Schoa. Die Lebensgeschichte des gebürtigen Berliners umfasst die Erfahrung von Vernichtung und Wiederaufbau des europäischen Judentums im 20. Jahrhundert. Ehrlich war einer der letzten vier Schüler Rabbiner Leo Baecks an der Lehranstalt für die Wissenschaft des Judentums. 1943 gelang ihm dank christlicher Helfer die Flucht in die Schweiz, wo er 1950 in Basel promovierte und von dort aus zu einem Wortführer im jüdisch-christlichen Dialog in Deutschland wurde. Hartmut Bomhoff schildert, wie die Erfahrung von Ausgrenzung, Untergrund und Flucht Ehrlich trotz allem zum Brückenbauer machte, dem nach 1989 besonders am Herzen lag, jüdischen Zuwanderern „eine geistige jüdische Identität zu vermitteln, die ihnen bisher verwehrt war.“ Aus seiner persönlichen Entwicklung heraus setzte Ehrlich Zeichen für die Zukunft, wegen derer er auch zum Namensgeber des jüdischen Begabtenförderwerks der Bundesrepublik wurde, des Ernst Ludwig Ehrlich Studienwerks (ELES).
Das deutsche Judentum erlebte in der Zeit zwischen 1870 bis 1933 eine besondere Phase kultureller Entwicklung und Vielfalt. Der Band gibt einen Einblick in die Biographien deutscher Juden und deren Rolle für die deutsche Gesellschaft in diesem Zeitraum. Der Schwerpunkt liegt auf Preußen und der Region Berlin, wo die Verflechtungen und der Austausch von Juden und Nicht-Juden besonders intensiv und nachhaltig waren. Berlin wurde in dieser Zeit zu einer Drehscheibe von Emigration und Immigration; von hier gingen viele wichtige Impulse in alle Welt – vor allem die des Reformjudentums. Im Fokus der Beiträge stehen sowohl berühmte Namen als auch weniger bekannte, zum Teil vergessene Persönlichkeiten und Bewegungen, die Religion und Philosophie, Politik und Ökonomie, Wissenschaft und Forschung, Kultur und Gesellschaft des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts in Deutschland geprägt haben. Es geht um Annäherung und Abgrenzung, um Fragen von Identität, von Fremd- und Selbstzuschreibungen.
Originating in the collaboration of the international Research Network “Gender in Antisemitism, Orientalism and Occidentalism” (RENGOO), this collection of essays proposes to intervene in current debates about historical constructions of Jewish identity in relation to colonialism and Orientalism. The network’s collaborative research addresses imaginative and aesthetic rather than sociological questions with particular focus on the function of gender and sexuality in literary, scholarly and artistic transformations of Orientalist images. RENGOO’s first publication explores the ways in which stereotypes of the external and internal Other intertwine. With its interrogation of the roles assumed in this interplay by gender, processes of sexualization, and aesthetic formations, the volume suggests new directions to the interdisciplinary study of gender, antisemitism, and Orientalism.
Der Band nimmt eine interdisziplinäre Bestandsaufnahme von Biografie und Werk des österreichisch-jüdischen Schriftstellers Franz Werfel unter dem Gesichtspunkt des Völkermords an den Armeniern vor. Was brachte Werfel in seinem Roman „Die vierzig Tage des Musa Dagh“ zu seinem literarischen Engagement für die Armenier? Wie sind Fiktion und historisches Geschehen in dem Roman umgesetzt und später kinematografisch verarbeitet worden? Welche Rolle spielen christliche und jüdische Anschauungen im Werk von Werfel? Welche Rezeptionslinien lassen sich aus armenisch-jüdisch-türkisch-deutscher Perspektive ziehen? Der Band erschließt erstmals einen der großen Romane des 20. Jahrhunderts im Kontext des ersten modernen Genozids.
In recent years the role of religion in the avant-garde has begun to attract scholarly interest. The present volume focuses on the work of the Romanian Jewish poet and visual artist Isidore Isou (1925–2007) who founded the lettrist movement in the 1940s. The Jewish tradition played a critical part in the Western avant-garde as represented by lettrism. The links between lettrism and Judaism are substantial, yet they have been largely unexplored until now. The study investigates the works of a movement that explicitly emphasises its vanguard position while relying on a medieval religious tradition as a source of radical textual techniques. It accounts for lettrism’s renunciation of mainstream traditions in favour of a subversive tradition, in this case Jewish mysticism. The religious inclination of lettrism also affects the notion of the avant-garde. The elements of the Jewish tradition in Isou’s theories and artistic production evoke a broader framework where religion and experimental art supplement each other.
Schon etwa 150 Jahre vor der „Dialektik der Aufklärung“ begannen Wissenschaftler, darunter zahlreiche Jüdinnen und Juden, die moderne Judenfeindschaft begrifflich zu erfassen und zu erklären. Der vorliegende Band rekonstruiert erstmals viele dieser aus verschiedenen politischen Richtungen, gesellschaftlichen Bereichen und akademischen Disziplinen stammenden Erklärungsansätze. Sichtbar wird eine vielgestaltige Forschung, die bislang als Vorgeschichte heutiger Antisemitismustheorien kaum Berücksichtigung fand. Erkenntnisleitend für die Analysen ist die Frage, inwiefern es diesen Beschreibungsversuchen gelang, die herrschenden antisemitischen Vorurteile und Denkweisen zu überwinden und dabei Grundlagen für eine wissenschaftliche Auseinandersetzung zu formulieren. Zu den Autorinnen und Autoren der hier diskutierten Texte gehören u.a. Saul Ascher, Fritz Bernstein, Nathan Birnbaum, Isaac Breuer, Constantin Brunner, Christian Konrad Wilhelm von Dohm, Norbert Elias, Eduard Fuchs, Emma Goldman, Julius Goldstein, David Kaufmann, Bernard Lazare, Moritz Lazarus, Leo Trotzki, Mark Vishniak und Arnold Zweig.
Walther Rathenau war als Intellektueller, Unternehmer und Minister, als Verfasser zahlreicher Schriften und Briefe ein wichtiger Akteur in Netzwerken der Wirtschaft, der Politik, der Soziologie und der Kunst. Damit war Rathenau Mitgestalter einer Zeit voller Umbrüche und Konflikte, welche das zweite Kaiserreich, den Ersten Weltkrieg, die Novemberrevolution und die ersten Jahre der Weimarer Republik umspannt und welche als „historische“ oder „klassische“ Phase der Moderne noch immer nachwirkt. In diesem Band werden Rathenaus Positionen kritisch hinterfragt, ebenso Erinnerungsmodi und Inanspruchnahmen, die ihm in den neunzig Jahren seit seinem gewaltsamen Tod widerfahren sind und weiter widerfahren.
Sephardic and Ashkenazic Judaism have long been studied separately. Yet, scholars are becoming ever more aware of the need to merge them into a single field of Jewish Studies. This volume opens new perspectives and bridges traditional gaps. The authors are not simply contributing to their respective fields of Sephardic or Ashkenazic Studies. Rather, they all include both Sephardic and Ashkenazic perspectives as they reflect on different aspects of encounters and reconsider traditional narratives. Subjects range from medieval and early modern Sephardic and Ashkenazic constructions of identities, influences, and entanglements in the fields of religious art, halakhah, kabbalah, messianism, and charity to modern Ashkenazic Sephardism and Sephardic admiration for Ashkenazic culture. For reasons of coherency, the contributions all focus on European contexts between the fourteenth and the nineteenth centuries.
Im Mai 1924 wurde in Berlin die Soncino-Gesellschaft der Freunde des jüdischen Buches gegründet. Benannt nach der jüdischen Druckerfamilie Soncino des 15. und 16. Jahrhunderts in Italien, hatte sich diese erste jüdische Bibliophilen-Gesellschaft die Publikation seltener jüdischer Texte und wertvoller hebräischer Drucke zum Ziel gesetzt. Mitglieder der Gesellschaft waren namhafte Persönlichkeiten, Bibliotheken, jüdische Logen und Kultureinrichtungen im In- und Ausland. Ihre Mitgliederzahl betrug über 800. Der Band, der aus Anlass des 90. Gründungsjubiläum der Soncino-Gesellschaft erscheint, geht in acht Essays der Geschichte der Vereinigung und ihrem Engagement für die hebräische Buchkultur nach, beleuchtet das Netzwerk ihrer Mitglieder und mögliche zionistische Einflüsse und hinterfragt die Wirkungsgeschichte der Gesellschaft. Ein umfangreicher Anhang mit einer Bibliographie der Publikationen und erstmals einer möglichst vollständigen Liste der Mitglieder der Soncino-Gesellschaft ergänzt den Band.
An unexpected immigration wave of Jews from the former Soviet Union mostly in the 1990s has stabilized and enlarged Jewish life in Germany. Jewish kindergartens and schools were opened, and Jewish museums, theaters, and festivals are attracting a wide audience. No doubt: Jews will continue to live in Germany. At the same time, Jewish life has undergone an impressing transformation in the second half of the 20th century – from rejection to acceptance, but not without disillusionments and heated debates. And while the ‘new Jews of Germany,’ 90 percent of them of Eastern European background, are already considered an important factor of the contemporary Jewish diaspora, they still grapple with the shadow of the Holocaust, with internal cultural clashes and with difficulties in shaping a new collective identity. What does it mean to live a Jewish life in present-day Germany? How are Jewish thoughts, feelings, and practices reflected in contemporary arts, literature, and movies? What will remain of the former German Jewish cultural heritage? Who are the new Jewish elites, and how successful is the fight against anti-Semitism? This volume offers some answers.
200 Jahre nach dem Erlass des Edikts, betreffend die bürgerlichen Verhältnisse der Juden in dem preußischen Staate beleuchten dreizehn Beiträge unter Verwendung bisher nicht ausgewerteter Quellen dieses Emanzipationsmodell. Ausgehend von ihrer Situation zur Zeit Friedrichs II. wird der Frage nachgegangen, welche Möglichkeiten das Edikt für die Lage der Juden mit sich brachte und welche Grenzen es nach wie vor gab. Auch wird der Blick auf andere Territorien gelenkt, in denen ebenfalls über Emanzipation diskutiert worden ist.
Im Jahr 2013 jährte sich zum 100. Mal der „Freideutsche Jugendtag“ auf dem Hohen Meißner. Am Rande dieses historischen Treffens, das als erste große Manifestation der „Deutschen Jugendbewegung“ gilt, kam es zu antisemitischen Ausfällen. In der Folge entstand erstmals ein „völkischer Flügel“ der Jugendbewegung. Nach dem Ersten Weltkrieg gerieten weite Teile der Jugendbewegung, die sich nun als „Bündische Jugend“ begriff, in nationalistisches Fahrwasser und ließen sich für rechtsextreme Politik mobilisieren. 1933 in die Illegalität gezwungen, wandte sich die Mehrheit der seit 1945 wieder- oder neubegründeten Bünde und Verbände zwar der demokratischen Gesellschaft zu, rechtsextreme Jugendgruppen und Publizisten versuchten aber wiederholt, das jugendbewegte Erbe zu vereinnahmen. Der Sammelband wird das Spannungsfeld zwischen Jugendbewegung, Nationalismus und Antisemitismus ausleuchten, wobei erstmals auch jüngere bis jüngste Erscheinungen in den Blick genommen werden.
Neben der Berufsgruppe der jüdischen Juristen waren es vor allem jüdische Mediziner, gegen die sich der Antisemitismus in Deutschland ab 1933 zügig und organisiert richtete. Auf der Grundlage oder in Folge des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ wurden jüdische Ärztinnen und Ärzte aus staatlichen und städtischen Einrichtungen entlassen und von den Hochschulen verwiesen. Zahlreiche Verordnungen und Gesetze diskriminierten jüdische Medizinerinnen und Mediziner auf vielfältige Weise. Es folgten der Entzug der Kassenzulassung und schließlich der Entzug der ärztlichen Approbation. Zahlreiche Betroffene emigrierten, von den in Deutschland verbleibenden jüdischen Ärztinnen und Ärzten wurden viele deportiert und ermordet. Renommierte Autorinnen und Autoren beleuchten aus unterschiedlicher Perspektive in Überblicksaufsätzen und präzisen Fallstudien Vorgeschichte, Verlauf und Folgen der Vertreibung, Entrechtung und Ermordung jüdischer Ärztinnen und Ärzte im Nationalsozialismus.
Bis zur Erlangung der rechtlichen Gleichberechtigung war es für die preußischen Juden ein langer Weg. Im Fokus steht die Konflikt- und Diskursgeschichte zwischen den Delegierten der Judenschaften und der preußischen Beamtenschaft. Dabei werden die Grenzen und die Möglichkeiten der Toleranz in einer letztlich erfolgreichen Diskursgeschichte, die bis zum preußischen „Emanzipationsedikt“ (1812) führten, herausgearbeitet. Die Auswertung der „Judenbilder“ heute kaum noch bekannter preußischer Beamter ermöglicht neue Einblicke in die Emanzipationsgeschichte der Juden im Preußen der Zeitenwende vom 18. zum 19. Jahrhundert.
Der Dandy ist eine janusköpfige Figur: einerseits in Habitus und Mentalität dem 18. Jahrhundert verhaftet, andererseits die adligen Standesschranken durchbrechender Einzelgänger. Das Brüchigwerden der Adelswelt schnitt den Typus des Gesellschaftsdandys von seinem angestammten Terrain ab und drängte ihn noch stärker in die Vereinzelung. Auch der Zusammenbruch der ‚großen Welt‘ vor und nach dem Ersten Weltkrieg stellte für den Dandy eine massive Existenzbedrohung dar. Die verwandte Spielart des Künstlerdandys repräsentiert eine mondäne Bohème und existiert in ihren verschiedenen Amalgamierungen bis heute. Der Band untersucht Erscheinungsformen und Transformationen sowie neue Selbstbehauptungsstrategien des Dandys im 19. und 20. Jahrhundert und stellt Biographien bekannter Dandys vor.
Den Spuren deutschsprachiger Juden nachzugehen, bedeutet in mehr als 60 Ländern die Suche aufzunehmen. Ihr Einfluss wirkt in vielen Heimat- und Exilländern fort, ohne dass dies im kollektiven Bewusstsein angemessen repräsentiert wäre. Die 41 Beiträge zu den übergreifenden Themen Identität, Literatur, das „Jüdische“ und das „Deutsche“, Ursprungs-, Transit- und Emigrationsländer, sowie „Was übrig blieb“ laden dazu ein, das deutsch-jüdische Kulturerbe in den vielen Immigrationsländern zu entdecken und den Verlust zu begreifen, der mit der Emigration des deutsch-jüdischen Bürgertums einher ging.
Im umfangreichen Anhang werden Archive, Bibliotheken, Forschungszentren, Gemeinden, Museen, Universitäten und Vereine in aller Welt aufgeführt und beschrieben, die zur deutsch-jüdischen Thematik arbeiten oder wichtige Sammlungen beherbergen. Die Liste wird im Rahmen des Projekts German Jewish Cultural Heritage als Datenbank auf germanjewishculturalheritage.com weitergeführt.
Am 21. März 1933 inszenierten die Nationalsozialisten mit dem „Tag von Potsdam“ publikumswirksam den Schulterschluss der neuen Machthaber mit den alten, wilhelminischen Eliten aus Adel, Bürgertum, Kirche und Militär. 80 Jahre nach dem Umbruchsjahr 1933 werden im vorliegenden Band die historischen Kontexte des „Tages von Potsdam“ als einer entscheidenden Wegmarke bei der Errichtung der nationalsozialistischen Diktatur noch einmal näher betrachtet. In neun Beiträgen von renommierten Wissenschaftlern wird zunächst der Verlauf des „Tages von Potsdam“ rekonstruiert, seine Bedeutung in der Gedächtniskultur analysiert und die weiteren Etappen und Faktoren der nationalsozialistischen Machdurchsetzung in den Blick genommen.
Wie artikuliert sich im 21. Jahrhundert judenfeindliches Gedankengut? Und wann ist eine Äußerung antisemitisch? Mit diesen Fragen beschäftigen sich die Sprach- und Kognitionswissenschaftlerin Monika Schwarz-Friesel und der Historiker Jehuda Reinharz anhand einer datenreichen Untersuchung des aktuellen judenfeindlichen Sprachgebrauchs. Die detaillierte Analyse der diversen Manifestationsformen von direktem und indirektem Verbal-Antisemitismus zeigt, welche geistigen Konzepte und emotionalen Ressentiments judeophoben Einstellungen zugrundeliegen. Diese äußern sich in uralten Klischees und Verschwörungstheorien ebenso wie in neuen, israelbezogenen Stereotypen. Die Studie zeigt, wie Juden als Juden verbal ausgegrenzt und beleidigt, belehrt, ermahnt und bedroht werden, und dass judenfeindliche Äußerungen von vielen Menschen artikuliert werden, als hätte es den Holocaust und seine intensive Aufarbeitung nie gegeben.
Die Frage, was ‚typisch' jüdisch ist, steht im reziproken Verhältnis von jüdischem Selbstverständnis und Fremdzuschreibungen. Problematisch wird sie, wenn sie mit antisemitischen Zuschreibungen und Stereotypisierungen verknüpft wird. Im Zentrum des Bandes stehen Entwürfe ‚des' Jüdischen im deutschsprachigen Raum, wobei fiktionale Bilder ebenso wie Selbstzeugnisse und wissenschaftliche Diskurse Gegenstand der Beiträge sind. Themen sind u.a. die Abgrenzung zwischen jüdischen Gruppierungen in Deutschland, Reaktionen auf antisemitische Zuschreibungen sowie die Rolle von Shoah und Exil im jüdischen Selbstverständnis. Kontext der unterschiedlichen Entwürfe ist stets das komplex deutsch-jüdische Beziehungsgeflecht.
Der vorliegende Band vereint Porträts jüdischer Frauen in Brandenburg-Preußen und ihren Weg zur Selbstemanzipation in Religion, Kultur und Gesellschaft. Im Fokus stehen Repräsentantinnen der Kunst, der Literatur, der Politik, des Gemeinwesens. Allen gemein war der Kampf um das Recht auf Selbstbestimmung und gesellschaftliche Gleichstellung als Frau und als Jüdin. Die Beiträge spannen einen Bogen von der Aufklärung bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts und verfolgen u.a. den Einfluss der Salonièren auf das kulturelle Berlin, die wachsende weibliche Mitsprache in Politik und Gesellschaft sowie den Vorstoß dieser bemerkenswerten Frauen in traditionelle Männerdomänen.
Die Erinnerung an die Shoah ist bis in die Gegenwart ein konfliktbehaftetes Thema in Polen. Seit Mitte der 1980er Jahre werden immer wieder öffentliche Auseinandersetzungen über den Umgang mit der nationalsozialistischen Judenvernichtung geführt. Die hier erhobenen Vorwürfe einer moralischen oder aktiven Schuld des polnischen Volkes im Zweiten Weltkrieg stehen im Widerspruch zu einem historisch gewachsenen Selbstverständnis als Helden- und Opfergemeinschaft. Die Autorin geht der Frage nach, wie die polnische Gesellschaft mit dem aufgezeigten Widerspruch umgeht und welchen Einfluss die Diskussionen auf die Meinungsbildung der Bevölkerung ausüben.
Welche Bedeutung hatte die diasporische Existenz für Heinrich Heine – sowohl für sein Werk als auch für sein Selbstverständnis als Schriftsteller? In seinem Werk wird der Wandel von einem religiösen zu einem säkularen Verständnis der jüdischen Diaspora, so wie er für das 19. Jahrhundert typisch ist, beispielhaft nachgezeichnet. Die Einführung dieser neuen Perspektive in die deutsche Literatur steht nicht zuletzt für das jüdische Selbstbewusstsein des politischen Schriftstellers in der Zeit Heines.
The notion of “self” and “other” and its representation in artwork and literature is an important theme in current cultural sciences as well as in our everyday life in contemporary Western societies. Moreover, the concept of “self” and “other” and its imaginary dichotomy is gaining more and more political impact in a world of resurfacing ideology-ridden conflicts. The essays deal with Jewish reality in contemporary Germany and its reflection in movies from the special point of view of cultural sciences, political sciences, and religious studies. This anthology presents challengingly new insights into topics rarely covered, such as youth culture or humor, and finally discusses the images of Jewish life as realities still to be constructed.
Präsentiert werden die Berliner „jüdischen Salons“ um 1800 anhand neuer Quellen als ebenso lebendiges wie fragiles kommunikatives Netz. Der Querschnitt durch die Salongesellschaft des Beispieljahres 1794/95 macht eine Geselligkeitskultur sichtbar, in der sehr verschiedene Orte zu „Salons“ werden konnten, und in der Gäste und Gastgeberinnen (wieder) zu entdecken sind. Längsschnitte durch rekonstruierte, jahrzehntelang geführte Korrespondenzen erlauben die Frage nach Wendepunkten in der Wahrnehmung jüdischer Gastgeberinnen und nach möglichen Wechselwirkungen zwischen Salons und zeitgenössischen Emanzipationsdiskursen.